Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.05.2017, Az. I ZR 147/16

1. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 11121

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Gegenstand

Urheberrechtsverletzung durch eine politische Partei: Untersagung der Verwendung von Musikstücken einer Mundart-Band für Wahlkampfveranstaltungen einer verfassungsfeindlichen Partei


Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 2. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 22. Juni 2016 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Streitwert wird auf 20.000 € festgesetzt.

Gründe

1

I. Die [X.]en streiten um Unterlassungsansprüche der Kläger wegen der Verwendung zweier ihrer Musikstücke auf Wahlkampfveranstaltungen der Beklagten.

2

Die Kläger zu 1 bis 6 sind Musiker, die gemeinsam als Gesellschaft bürgerlichen Rechts die Klägerin zu 7 bilden und als Musikgruppe "[X.]" bundesweit bekannt sind. Sie sind gemeinsam Komponisten und Textdichter der streitgegenständlichen Musikstücke "Wenn nicht jetzt, wann dann" und "Jetzt geht’s los". Die Kläger zu 1 bis 6 haben für diese Musikstücke einen Wahrnehmungsvertrag mit der [X.] geschlossen. Die Beklagte, die [X.] - [X.], spielte während des [X.] 2014 in [X.] unter anderem diese beiden Musikstücke im Rahmen ihrer Wahlkampfveranstaltungen auf Marktplätzen von Tonträgern ab. Dies erfolgte jeweils unmittelbar nachdem der Landesvorsitzende der Beklagten seine Wahlkampfrede gehalten hatte und in die Gespräche mit Bürgern übergeleitet wurde. Die [X.]-Gebühren hatte die Beklagte entrichtet.

3

Die Kläger sehen hierin eine Verletzung ihrer Urheberpersönlichkeitsrechte.

4

Die Klägerin zu 7 hat die Beklagte im Rahmen eines Verfügungsverfahrens mit Erfolg auf Unterlassung in Anspruch genommen. Mit der vorliegenden Hauptsacheklage nehmen die Kläger die Beklagte auf Unterlassung und Auskunft in Anspruch. Die Beklagte wendet ein, sie sei zur Verwendung der dem Genre der Unterhaltungsmusik angehörenden Musikstücke nach der Entrichtung der [X.]-Gebühren berechtigt.

5

Das [X.] hat der Klage stattgegeben und - soweit für das Beschwerdeverfahren von Belang - die Beklagte zur Unterlassung und zur Auskunftserteilung verurteilt. Auf die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht den [X.] bestätigt ([X.], [X.], 622). Es hat angenommen, die Beklagte habe die Wiedergabe der streitgegenständlichen Musikstücke in den Zusammenhang ihres politischen Wahlkampfes gestellt und zumindest als "Begleitmusik" in der Phase der Veranstaltung eingesetzt, in der der Landesvorsitzende Kontakt mit umworbenen Wählerinnen und [X.] habe aufnehmen wollen. Dies stelle eine mittelbare Beeinträchtigung des Werkes dar, die die Urheber nicht hinnehmen müssten.

6

Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Beschwerde der Beklagten. Mit der angestrebten Revision möchte sie die Abweisung der Klage erreichen.

7

II. [X.] ist unzulässig, da der Wert der von der Beklagten mit der Revision geltend zu machenden Beschwer nicht den Betrag von 20.000 € übersteigt (§ 26 Nr. 8 EGZPO, §§ 544, 97 Abs. 1 ZPO).

8

III. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten hätte auch in der Sache keinen Erfolg gehabt, weil die auf die Verletzung von Verfahrensgrundrechten gestützten [X.] nicht durchgreifen, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO).

9

1. [X.] macht ohne Erfolg geltend, es bedürfe einer höchstrichterlichen Leitentscheidung zu der Frage, welche Verwendung von frei zugänglichen Musikstücken den politischen [X.]en erlaubt sei und unter welchen Voraussetzungen Urheber von Musikstücken deren Abspielen auf Wahlkampfveranstaltungen untersagen könnten.

a) Die Zulassung der Revision zur Rechtsfortbildung setzt voraus, dass der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen. Hierfür besteht nur dann Anlass, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt (vgl. [X.], Urteil vom 27. März 2003 - [X.], [X.]Z 154, 288, 292; Hinweisbeschluss vom 23. August 2016 - [X.], NJW-RR 2017, 137 Rn. 5). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.

aa) Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, bietet die Rechtsprechung des Senats bereits hinreichend richtungsweisende Orientierungshilfen zur Lösung des vorliegenden Falls. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass nach der Senatsrechtsprechung der Urheber eines geschützten Werkes nach § 14 [X.] das Recht hat, eine Entstellung oder eine andere Beeinträchtigung seiner Werke zu verbieten, die geeignet ist, seine berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen am Werk zu gefährden (vgl. [X.], Urteil vom 18. Dezember 2008 - [X.], [X.], 395 Rn. 14 = [X.], 313 - Klingeltöne für Mobiltelefone I). Dabei setzt ein Anspruch nach § 14 [X.] nicht notwendig voraus, dass das Werk selbst verändert wird. Es genügt, wenn die urheberpersönlichkeitsrechtlichen Interessen des Urhebers an seinem Werk - ohne inhaltliche Änderung des Werkes - durch Form und Art der Werkwiedergabe und Werknutzung beeinträchtigt werden (vgl. [X.], Urteil vom 2. Oktober 1981 - I ZR 137/79, [X.], 107, 110 - [X.]; Urteil vom 7. Februar 2002 - I ZR 304/99, [X.]Z 150, 32, 41 - [X.]; [X.], [X.], 395 Rn. 14 - Klingeltöne für Mobiltelefone I).

bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht zu Recht das Unterlassungsgebot bestätigt.

(1) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte die Wiedergabe der streitgegenständlichen Musikstücke in den Zusammenhang ihres politischen Wahlkampfes gestellt. Die Wiedergabe der Musikstücke sei in die laufende politische Wahlkampfveranstaltung integriert gewesen. Sie sei erfolgt, als der Landesvorsitzende der Beklagten sich nach Abschluss seiner Rede zu Gesprächen mit Bürgern begeben hatte. Damit hat das Berufungsgericht zu Recht die Verwendung der Musikstücke nicht als Musik zur Überbrückung einer Wartezeit angesehen, sondern als Untermalung der Überleitung in das Bürgergespräch und damit als in die Dramaturgie der Wahlkampfveranstaltung integriert.

(2) Es kann im Streitfall offen bleiben, ob die Annahme des Berufungsgerichts zutreffend ist, dass Urheber generell nicht damit rechnen müssten, dass ihre Werke ungefragt bei Wahlkampfveranstaltungen abgespielt würden. Jedenfalls bei der vorliegenden dramaturgischen Einbindung der Musikstücke in die Wahlkampfveranstaltung durch eine [X.], gegen deren politische Ziele sich die Kläger nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bereits öffentlich ausgesprochen hatten und die vom [X.] als verfassungsfeindlich eingestuft worden ist (vgl. [X.], NJW 2017, 611 Rn. 633 ff.), ist im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung den Interessen der Urheber der Vorzug zu geben. Die Verwendung von Musikwerken im Wahlkampf einer politischen [X.], und sei es nur durch einen Transfer der von den Werken ausgehenden Stimmung, ist besonders geeignet, die Interessen der Urheber zu beeinträchtigen. Dabei muss der Urheber von Unterhaltungsmusik mit der Vereinnahmung durch verfassungsfeindliche [X.]en nicht rechnen (vgl. zur Aufklärungspflicht eines Mieters von Ladenräumen über das Warensortiment wegen Bekleidungsartikeln, die in der öffentlichen Meinung ausschließlich der rechtsradikalen Szene zugeordnet werden: [X.], Urteil vom 11. August 2010 - [X.], NJW 2010, 3362 Rn. 28 - [X.]). Das Berufungsgericht hat auch rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Beklagte nicht darauf angewiesen war, gerade die Werke der Kläger bei ihren politischen Wahlkampfveranstaltungen abzuspielen.

b) Eine Zulassung der Revision ist auch nicht durch die Rüge der Beschwerde veranlasst, das Berufungsgericht habe verkannt, dass die Beklagte für die Nutzung der streitgegenständlichen Musikwerke Gebühren an die [X.] bezahlt habe.

Maßgeblich für den Umfang der Rechteübertragung an Verwertungsgesellschaften durch [X.] ist der Übertragungszweckgedanke (vgl. zur Nutzung von Musikwerken zu Werbezwecken [X.], Urteil vom 10. Juni 2009 - I ZR 226/06, [X.], 62 Rn. 16 ff. = [X.], 120 - Nutzung von Musik für Werbezwecke). Das Berufungsgericht hat insoweit rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Rechteübertragung an die [X.] durch den Urheber lediglich die üblichen und voraussehbaren Formen der öffentlichen Wiedergabe umfasst, zu denen die Verwendung im Rahmen von Wahlkampfveranstaltungen politischer [X.]en nicht gehört.

2. Von einer weitergehenden Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbsatz ZPO abgesehen.

IV. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Büscher     

       

Schaffert     

       

[X.]

       

Löffler     

       

Schwonke     

       

Meta

I ZR 147/16

11.05.2017

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend Thüringer Oberlandesgericht, 22. Juni 2016, Az: 2 U 868/15, Urteil

§ 26 Nr 8 ZPOEG, § 97 Abs 1 ZPO, § 544 ZPO, § 14 UrhG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.05.2017, Az. I ZR 147/16 (REWIS RS 2017, 11121)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 11121

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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