Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11.01.2011, Az. 1 AZR 310/09

1. Senat | REWIS RS 2011, 10610

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Gegenstand

(Betriebliche Lohngestaltung - Entlohnungsgrundsätze - Verstoß gegen das Beteiligungsrecht aus § 87 Abs 1 Nr 10 BetrVG)


Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 24. Februar 2009 - 11 [X.] 1262/08 [X.] - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Anwendung einer tariflichen Vergütungsordnung.

2

Die Klägerin ist seit dem 1. August 2004 bei der Beklagten als Pflegefachkraft in einem [X.] beschäftigt. Nach § IV des Arbeitsvertrags vom 13. August 2004 bemisst sich das monatliche Entgelt nach der „tariflichen Eingruppierung gemäß [X.] in Krankenpflegetarifvertrag: IV, Fallgruppe: 5“. Nach Teil II Abschnitt A (Pflegepersonal in Krankenanstalten) [X.] beiderseitiger Tarifbindung anwendbaren Tarifvertrags über die Tätigkeitsmerkmale zum Bundes-Manteltarifvertrag ([X.] II) für die Arbeitnehmer der [X.] ([X.]) findet aus der [X.]. [X.]. 5 [X.] nach dreijähriger Tätigkeit ein Aufstieg in die [X.]. [X.]. 21 [X.] statt.

3

Am 11. September 2006 schloss [X.] mit fünf Unternehmen der [X.] [X.], darunter auch der Beklagten, einen Manteltarifvertrag ([X.] 2006). Dieser enthält in Abschnitt III (Eingruppierung und Entgelt) ua. unter den für die Eingruppierung vorgesehenen Vorschriften jeweils den Hinweis „(Derzeit nicht belegt)“. Nach § 15 [X.] 2006 (Tabellenentgelt) erfolgt die Entgeltberechnung gemäß den Vereinbarungen in § 34 [X.] 2006. Dort heißt es:

        

„Vorrangig zu den Regelungen dieses Tarifvertrages gelten folgende Regelungen:

        

(1)     

Das vorliegende Tarifvertragswerk (…) stellt eine abschließende Regelung der Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer und der sonstigen Beschäftigten im Sinne von § 1 dar und ersetzt ab dem 01.07.2006 ausnahmslos und abschließend alle bis dahin in der [X.] geltenden oder angewandten tariflichen Regelungen, es sei denn, dieser Tarifvertrag verweist ausdrücklich auf dem [X.] II. Soweit Dienst- oder Betriebsvereinbarungen über in diesem Tarifvertrag geregelte Fragen abgeschlossen sind, werden diese durch diesen Tarifvertrag ersetzt. …

        

(2)     

Vergütungszahlungen:

                 

(a)     

Für den Zeitraum 01.07.2006 bis 31.12.2006 werden auf der Basis der Regelungen der Eingruppierungen und der Vergütungs- und Lohntabellen des [X.] II die Gehalts- und Lohnzahlungen ausgeführt. Im Rahmen dieser Regelung wird der Arbeitnehmer auf der Basis der für ihn am 01.07.2006 geltenden Tarifbestimmungen der jeweils einschlägigen Eingruppierungs- und Vergütungstarifverträge für Angestellte und Arbeiter des [X.] II vergütet.

                 

(b)     

Bis zum 31.12.2006 werden die Regelungen der Eingruppierungen und der Vergütungs- und Lohntabellen des [X.] II auf der Basis der für den Arbeitnehmer am 30.06.2006 geltenden Tarifbestimmungen unbeschadet der zum 01.07.2006 in [X.] tretenden Tarifverträge der Gesellschaften in analoger Weise angewendet.

                 

(c)     

Sofern zu einem früheren Zeitpunkt als der 31.12.2006 die Vereinbarung zur Regelung der Eingruppierungen verabschiedet wird, erfolgt zum nächsten 1. des Folgemonats die Anwendung der neuen [X.]. Die Anwendung des [X.] II entfällt ab diesem Zeitpunkt.

        

…“    

                 

4

Nach einem auch an die Beklagte gerichteten Schreiben des [X.] vom 18. Juli 2007 teilte dieser mit, dass die angestrebte neue Eingruppierungs- und Vergütungstabelle bisher nicht habe vereinbart werden können und ordnete ua. an, ab sofort keine Höhergruppierungen aufgrund eines [X.] vorzunehmen. Die Beklagte, die ihre bisherigen und die neueingestellten Arbeitnehmer auch nach dem 31. Dezember 2006 nach den Eingruppierungsregelungen des [X.] und des [X.] vergütet hatte, zahlte ihren Mitarbeitern seit Juli 2007 mit Ausnahme der individuellen Zulagen nur noch die bisherigen [X.] weiter. Den Betriebsrat beteiligte sie hierbei nicht.

5

Mit Schreiben vom 4. September 2007 machte die Klägerin erfolglos ihre Höhergruppierung in die [X.]. V [X.] zum 1. August 2007 geltend.

6

Die Klägerin hat mit ihrer Klage zunächst die Vergütungsdifferenzen zur [X.]. V [X.] für die Monate August 2007 bis März 2008 iHv. insgesamt 281,76 [X.] verlangt. Sie hat gemeint, die Beklagte sei wegen der unterbliebenen Beteiligung des Betriebsrats verpflichtet, die im [X.] II und im [X.] enthaltenen Entlohnungsgrundsätze weiter anzuwenden.

7

Die Klägerin hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 281,76 [X.] brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. April 2008 zu zahlen.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin ihren [X.] um die Differenzbeträge für die Monate April 2008 bis November 2008 iHv. 281,76 [X.] brutto erweitert. Das [X.] hat dem Klageantrag entsprochen. Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der diese ihren ursprünglichen Klageabweisungsantrag weiter verfolgt.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das [X.] hat den Klageanträgen zu Recht entsprochen. Die Klägerin hat für die [X.] vom 1. August 2007 bis zum 30. November 2008 Anspruch auf die Zahlung der monatlichen [X.] zur [X.]. [X.] iHv. 35,22 Euro brutto.

I. Der Anspruch der Klägerin folgt allerdings nicht aus § IV Nr. 1 des Arbeitsvertrags vom 13. August 2004. Der dort enthaltene Hinweis auf die Eingruppierung nach dem [X.] enthält keine konstitutive Vereinbarung des [X.]. Es ist weder naheliegend noch von der Klägerin konkret dargetan, dass die Parteien unabhängig von den für das Arbeitsverhältnis geltenden Tarifverträgen die Vergütungsordnung des [X.] vereinbaren wollten.

II. Der Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten [X.] folgt auch nicht aus dem [X.] sowie [X.]II Abschnitt A [X.] iVm. den jeweiligen Vergütungstabellen. Der [X.] ist ebenso wie der [X.] seit dem 1. Juli 2006 weder unmittelbar noch kraft Nachwirkung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar.

1. Die bei der [X.] bestehenden Arbeitsverhältnisse werden seit dem 1. Juli 2006 nicht mehr vom [X.] und dem [X.] erfasst. Deren Geltung endete nach § 34 (1) Satz 1 [X.] am 30. Juni 2006. Nach diesem [X.]punkt richten sich die Arbeitsverhältnisse der bei der [X.] beschäftigten Mitarbeiter nach den Regelungen des [X.], sofern dieser nicht ausdrücklich auf den [X.] verweist. Nach der Bezugnahme in § 34 (2) Buchst. (b) [X.] werden die Regelungen der Eingruppierungen und der Vergütungs- und Lohntabellen des [X.] bis zum 31. Dezember 2006 nur entsprechend angewandt.

2. Die im [X.] und im [X.] enthaltenen Rechtsnormen gelten auch nicht über den 30. Juni 2006 kraft Nachwirkung (§ 4 Abs. 5 [X.]) weiter. Die Tarifvertragsparteien haben im [X.] deren Weitergeltung ausgeschlossen. Nach § 4 Abs. 5 [X.] gelten zwar nach dem Ablauf eines Tarifvertrags dessen Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Die Nachwirkung eines Tarifvertrags kann jedoch auch durch eine Vereinbarung der Tarifvertragsparteien ausgeschlossen werden ([X.] 8. Oktober 1997 - 4 [X.] - [X.]E 86, 366). Dies ist vorliegend durch § 34 (1) Satz 1 [X.] erfolgt.

3. Das [X.] hat zutreffend angenommen, dass es sich bei der nur bis zum 31. Dezember 2006 befristeten Weitergeltung der Vorschriften über die Eingruppierung und der Vergütungs- und Lohntabellen des [X.] nicht um eine unbewusste [X.] handelt, die es den Gerichten erlauben könnte, sie aus einem eindeutig feststellbaren Sinn und Zweck des Tarifvertrags heraus zu schließen.

a) Eine bewusste [X.] ist anzunehmen, wenn die Tarifvertragsparteien eine regelungsbedürftige Frage erkennbar gewollt ungeregelt lassen und dies in einer entsprechenden Auslassung seinen Ausdruck findet, wobei die Unterlassung der Regelung ihren Grund auch darin haben kann, dass die Tarifvertragsparteien sich über die betreffende Frage nicht haben einigen können ([X.] 25. Februar 2009 - 4 [X.] - Rn. 24, [X.] § 23b Nr. 6).

b) Hinsichtlich der Eingruppierungsvorschriften liegt für die [X.] ab dem 1. Januar 2007 eine bewusste [X.] vor.

Bei Abschluss des [X.] entsprach es dem Willen der Tarifvertragsparteien, die bisherigen Regelungen über die Eingruppierung ersatzlos zu beseitigen und durch eine Neuregelung zu ersetzen. Dies folgt aus den in Abschnitt III des [X.] bereits mit Überschriften versehenen, aber vorläufig nicht ausgestalteten Regelungsbereichen. Die Tarifvertragsparteien sind ersichtlich davon ausgegangen, entweder bis zum 31. Dezember 2006 oder jedenfalls zeitnah zu diesem Termin tarifliche Regelungen über die Eingruppierung sowie über das Tabellenentgelt (§§ 15 bis 17 [X.]) zu vereinbaren. Nur so ist der in § 34 (1) [X.] bestimmte ersatzlose Wegfall des bisherigen Tarifwerks und die in § 34 (2) Buchst. (a), (b) [X.] enthaltene bis zum 31. Dezember 2006 befristete Regelung über die Vergütungszahlungen und die entsprechende Anwendung der Eingruppierungs- und Vergütungsregelungen des [X.] zu erklären. Dies wird verdeutlicht durch § 34 (2) Buchst. (c) [X.], der den Fall einer vor dem 31. Dezember 2006 getroffenen Vereinbarung über die Eingruppierungen betrifft. Einer solchen Absprache hätte es nicht bedurft, wenn die Tarifvertragsparteien nicht mit einer Anschlussregelung bis voraussichtlich zum Jahresende 2006 gerechnet hätten.

c) Dem Senat ist es danach verwehrt, gegen den Willen der Tarifvertragsparteien bis zum Inkrafttreten der im [X.] in Aussicht gestellten Tarifnormen die Eingruppierungsvorschriften des [X.] und des [X.] zur Schließung der Regelungslücke weiter anzuwenden. Vielmehr ist es unverändert Aufgabe der Tarifvertragsparteien, eine Regelung für die Ausgestaltung der Eingruppierung ab dem 1. Januar 2007 zu schaffen.

III. Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung der geltend gemachten [X.] folgt aus dem Arbeitsvertrag vom 13. August 2004 iVm. den bei der [X.] geltenden [X.]n. Zu diesen gehören die Eingruppierungsvorschriften des [X.] und die Tätigkeitsmerkmale des [X.]. Danach haben Altenpfleger/innen mit staatlicher Anerkennung nach dreijähriger Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit Anspruch auf eine Vergütung nach der [X.]. [X.]. Die Beklagte hat ua. die im [X.] vorgesehenen [X.]aufstiege seit Juli 2007 nicht mehr vollzogen und damit die geltenden [X.] [X.] abgeändert. Diese Maßnahme ist nicht nur im Verhältnis zum Betriebsrat rechtswidrig. Vielmehr kann sich auch die Klägerin auf die Fortgeltung der im [X.] enthaltenen Eingruppierungsregelungen berufen.

1. Der Betriebsrat hat bei der Änderung der im Betrieb geltenden [X.] nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 [X.] mitzubestimmen.

a) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 [X.] hat der Betriebsrat in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere bei der Aufstellung und Änderung von [X.]n und der Einführung und Anwendung von neuen [X.] sowie deren Änderung, mitzubestimmen. Das Beteiligungsrecht soll die Arbeitnehmer vor einer einseitig an den Interessen des Arbeitgebers orientierten Lohngestaltung schützen. Zugleich soll die Einbeziehung des Betriebsrats zur Wahrung der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit sowie zur Sicherung der Angemessenheit und Durchsichtigkeit des [X.] beitragen ([X.] 23. März 2010 - 1 [X.] - Rn. 13, [X.] [X.] 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 135 = EzA [X.] 2001 § 50 Nr. 7). Mitbestimmungspflichtig sind die Strukturformen des Entgelts einschließlich ihrer näheren Vollzugsformen (vgl. [X.] 3. Dezember 1991 - [X.] 2/90 - zu [X.] 3 der Gründe, [X.]E 69, 134; 15. April 2008 - 1 [X.] - Rn. 22, [X.]E 126, 237). Die betriebliche Lohngestaltung betrifft die Festlegung abstrakter Kriterien zur Bemessung der Leistung des Arbeitgebers, die dieser zur Abgeltung der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers oder sonst mit Rücksicht auf das Arbeitsverhältnis insgesamt erbringt ([X.] 28. März 2006 - 1 [X.] - Rn. 25 mwN, [X.]E 117, 337). Das Beteiligungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 [X.] bezieht sich nur auf kollektive Regelungen ([X.] 10. Oktober 2006 - 1 [X.] - Rn. 30, [X.]E 119, 356). Insoweit besteht auch ein Initiativrecht des Betriebsrats ([X.] 23. März 2010 - 1 [X.] - Rn. 13, aaO).

b) Der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 [X.] unterliegt die Einführung von [X.]n und deren Änderung durch den Arbeitgeber ([X.] 3. Dezember 1991 - [X.] 1/90 - zu [X.] 3 c der Gründe, [X.] [X.] 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 52). Dabei kommt es für das Beteiligungsrecht des Betriebsrats nicht darauf an, auf welcher rechtlichen Grundlage die Anwendung der bisherigen [X.] erfolgt ist, ob etwa auf der Basis bindender Tarifverträge, einer Betriebsvereinbarung, einzelvertraglicher Absprachen oder einer vom Arbeitgeber einseitig praktizierten Vergütungsordnung. Denn nach der Konzeption des § 87 Abs. 1 Nr. 10 [X.] hängt das Mitbestimmungsrecht nicht vom Geltungsgrund der Entgeltleistung, sondern nur vom Vorliegen eines kollektiven Tatbestands ab (st. Rspr. zuletzt [X.] 22. Juni 2010 - 1 [X.] 853/08 - Rn. 22, EzA [X.] 2001 § 87 [X.] Nr. 22).

c) [X.] sind die abstrakt-generellen Grundsätze zur Lohnfindung. Sie bestimmen das System, nach welchem das Arbeitsentgelt für die Belegschaft oder Teile der Belegschaft ermittelt oder bemessen werden soll. [X.] sind damit die allgemeinen Vorgaben, aus denen sich die Vergütung der Arbeitnehmer des Betriebs in abstrakter Weise ergibt ([X.] 28. April 2009 - 1 [X.] - Rn. 19, [X.] [X.] 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 40 = EzA [X.] 2001 § 99 Eingruppierung Nr. 4). Zu ihnen zählen neben der Grundentscheidung für eine Vergütung nach [X.] oder nach Leistung die daraus folgenden Entscheidungen über die Ausgestaltung des jeweiligen Systems (Kreft FS Kreutz S. 263, 265).

d) Diese Grundsätze gelten auch, wenn der Arbeitgeber eine tarifliche Vergütungsordnung im Betrieb anwendet und damit die in ihr enthaltenen [X.] als betriebliche Vergütungsordnung praktiziert. Durch diese Maßnahme wird das Beteiligungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 [X.] gleichermaßen betroffen. Die Entscheidung über die Übernahme der im Tarifvertrag enthaltenen [X.] und deren Anwendung im Betrieb berührt die Verteilungsgerechtigkeit. Wird die im Tarifvertrag enthaltene Vergütungsstruktur geändert oder vollständig durch eine Neuregelung ersetzt und wendet der Arbeitgeber die geänderten Vorschriften im Betrieb an, ändern sich dadurch auch die betrieblichen [X.].

e) Das Beteiligungsrecht des Betriebsrats bei der Anwendung einer tariflichen Vergütungsordnung kann durch § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. [X.] beschränkt oder ausgeschlossen werden, wenn der Arbeitgeber tarifgebunden (§ 3 Abs. 1 [X.]) ist oder der Tarifvertrag kraft Allgemeinverbindlicherklärung (§ 5 Abs. 1, 4 [X.]) gilt. Der Ausschluss des Mitbestimmungsrechts setzt voraus, dass die Tarifvertragsparteien selbst über die mitbestimmungspflichtige Angelegenheit eine zwingende und abschließende inhaltliche Regelung getroffen und damit dem Schutzzweck des verdrängten Mitbestimmungsrechts Genüge getan haben. Die Tarifvertragsparteien dürfen das Mitbestimmungsrecht nicht ausschließen oder einschränken, ohne die mitbestimmungspflichtige Angelegenheit selbst zu regeln ([X.] 9. November 2010 - 1 [X.] - Rn. 17). Fehlt es an einer solchen tariflichen Regelung, unterliegt die Änderung der bisher im Betrieb angewandten [X.] auch bei einem tarifgebundenen Arbeitgeber der Zustimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 [X.].

2. Die Beklagte hat bei der Abkehr von den Eingruppierungsvorschriften des [X.] und des [X.] ab Juli 2007 das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 [X.] verletzt.

a) [X.] des [X.] und des [X.] waren auch nach dem 31. Dezember 2006 ein Teil der mitbestimmungspflichtigen betrieblichen [X.] iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 10 [X.], durch die das bei der [X.] geltende Vergütungssystem näher ausgestaltet wurde. Nach den Feststellungen des [X.]s ist die sich aus dem [X.] sowie dem [X.] ergebende Vergütungsstruktur nach Ablauf des in § 34 (2) Buchst. (b) [X.] 2006 bestimmten [X.]raums von der [X.] fortgeführt worden. Sie hat sich nicht auf die Auszahlung der am 31. Dezember 2006 maßgeblichen Bruttovergütung beschränkt, sondern neu eingestellte Mitarbeiter auf der Grundlage des [X.] sowie des [X.] eingruppiert und bei länger beschäftigten Mitarbeitern [X.] vollzogen. Damit galt bei der [X.] weiterhin ein Entlohnungssystem, bei dem sich die Eingruppierungen der Arbeitnehmer nach den Tätigkeitsmerkmalen des [X.] sowie des [X.] richteten. Diese waren ua. durch die Möglichkeit eines [X.]aufstiegs aus bestimmten Vergütungsgruppen gekennzeichnet.

b) Diese Vergütungsstruktur hat die Beklagte nach dem Schreiben des [X.] im Juli 2007 aufgegeben. Seit diesem [X.]punkt hat sie weder Erhöhungen der Lebensalterstufe noch Erhöhungen des [X.] oder etwaige Höhergruppierungen aufgrund von [X.]- bzw. [X.]n vorgenommen. Die damit verbundene Änderung der bei ihr geltenden [X.] konnte sie nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 [X.] nur mit Zustimmung des Betriebsrats oder einer diese ersetzenden Entscheidung der Einigungsstelle vornehmen, an der es vorliegend fehlt.

c) Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ist nicht nach § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. [X.] ausgeschlossen.

Eine abschließende tarifliche Regelung iSd. § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. [X.] liegt nicht vor. Der [X.] 2006 enthält keine das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 [X.] vollständig verdrängende Regelung über die Vergütungsstruktur. Die Regelung in Abschnitt III (Eingruppierung und Entgelt) des [X.] betrifft lediglich Teile der für die Beklagte geltenden Vergütungsordnung. Die Tarifvertragsparteien haben sich auf die Ausgestaltung der Voraussetzungen für die vorübergehende Ausübung einer höherwertigen Tätigkeit (§ 14 [X.]), die [X.] (§ 18 [X.]), die Jahressonderzahlung (§ 19 [X.]), die Entgeltfortzahlung (§§ 20, 21 [X.]), besondere und anlassbezogene Zahlungen (§ 22 [X.]) sowie die Berechnung und Auszahlung des Entgelts (§ 23 [X.]) beschränkt. Nur bei diesen Teilbereichen liegt eine abschließende tarifliche Regelung vor, während es an einer die [X.] in § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. [X.] auslösenden Ausgestaltung bei der Eingruppierung (§§ 12, 13 [X.]) und dem Tabellenentgelt (§§ 15 bis 17 [X.]) fehlt. Das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 [X.] ist auch nicht deswegen entfallen, weil die Tarifvertragsparteien durch die [X.] in Abschnitt III des [X.] eine tarifliche Regelung für die derzeit noch nicht geregelten Bereiche in Aussicht gestellt haben. Die Beteiligung des Betriebsrats im Bereich der [X.] Angelegenheiten wird - anders als im Bereich des § 77 Abs. 3 [X.] - nur durch die tatsächlich ausgeübte tarifliche Normsetzung ausgeschlossen.

3. Die Beklagte ist nach der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung verpflichtet, der Klägerin für die [X.] von August 2007 bis November 2008 die [X.] zur [X.]. [X.] iHv. insgesamt 563,52 Euro brutto zu zahlen.

a) Nach der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung führt die Verletzung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats im Verhältnis vom Arbeitgeber zum Arbeitnehmer jedenfalls zur Unwirksamkeit von Maßnahmen oder Rechtsgeschäften, die den Arbeitnehmer belasten. Das soll verhindern, dass der Arbeitgeber dem Einigungszwang mit dem Betriebsrat durch Rückgriff auf arbeitsvertragliche Gestaltungsmöglichkeiten ausweicht. Dem Arbeitgeber darf aus einer betriebsverfassungsrechtlichen Pflichtwidrigkeit auch im Rahmen des Arbeitsverhältnisses kein Vorteil erwachsen. Maßnahmen zum Nachteil der Arbeitnehmer sind dabei nur solche, die bereits bestehende Rechtspositionen der Arbeitnehmer schmälern. Nach der Senatsrechtsprechung führt die Verletzung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats bei diesen allerdings nicht dazu, dass sich individualrechtliche Ansprüche der betroffenen Arbeitnehmer ergäben, die zuvor noch nicht bestanden haben (15. April 2008 - 1 [X.] - Rn. 37, [X.]E 126, 237).

b) Der Senat hat in Fortführung der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung angenommen, dass der Arbeitnehmer bei einer unter Verstoß gegen das Beteiligungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 [X.] vorgenommenen Änderung der im Betrieb geltenden [X.] eine Vergütung auf der Grundlage der zuletzt mitbestimmten [X.] fordern kann (22. Juni 2010 - 1 [X.] 853/08 - Rn. 43 mwN, EzA [X.] 2001 § 87 [X.] Nr. 22). Die im Arbeitsvertrag getroffene Vereinbarung über die Vergütungshöhe wird danach von Gesetzes wegen ergänzt durch die Verpflichtung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer nach den im Betrieb geltenden [X.]n zu vergüten. Das ist durch den Zweck des Beteiligungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 [X.] geboten. Nur auf diese Weise kann verhindert werden, dass sich der Arbeitgeber seiner Bindung an die von ihm einseitig vorgegebene oder mitbestimmte Vergütungsstruktur unter Verstoß gegen das Beteiligungsrecht des Betriebsrats und den in § 87 Abs. 2 [X.] bestimmten Einigungszwang entzieht ([X.] 14. August 2001 - 1 [X.] 744/00 - zu III 2 a der Gründe, [X.] [X.] 1972 § 77 Regelungsabrede Nr. 4 = EzA [X.] 1972 § 88 Nr. 1). Dies gilt unabhängig von den Rechtsschutzmöglichkeiten des Betriebsrats.

        

    Schmidt    

        

    Linck    

        

    Koch    

        

        

        

    Münzer    

        

    Hayen    

                 

Meta

1 AZR 310/09

11.01.2011

Bundesarbeitsgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Oldenburg (Oldenburg), 10. Juni 2008, Az: 5 Ca 118/08, Urteil

§ 87 Abs 1 Nr 10 BetrVG, § 4 Abs 5 TVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11.01.2011, Az. 1 AZR 310/09 (REWIS RS 2011, 10610)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 10610

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Wird zitiert von

11 BV 178/12

17 TaBV 38/11

2 Sa 121/11

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