Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.06.2010, Az. 1 AZR 857/08

1. Senat | REWIS RS 2010, 5669

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Gegenstand

Betriebliche Lohngestaltung - Entlohnungsgrundsätze - Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung


Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 6. Mai 2008 - 14 [X.]/07 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe einer Sonderzuwendung.

2

Die Beklagte betreibt Fachkliniken für Anschlussheilbehandlung und Rehabilitation. Sie ist nicht tarifgebunden. Die Klägerin ist bei ihr seit 2002 als Stationshilfe mit 25 [X.] beschäftigt. Nach § 2 des Arbeitsvertrags vom 19. August 2002 erfolgt ihre Vergütung „in Anlehnung an [X.] Lohngruppe 1“.

3

Bei der Beklagten galt seit dem 1. Januar 1989 für die Arbeitsbedingungen eine Betriebsvereinbarung ([X.]), deren Abschluss nach einer vorangestellten Präambel in Anlehnung an den Bundes-[X.]estelltentarifvertrag und den Bundesmanteltarifvertrag für die Arbeiter erfolgt ist. §§ 2, 3 [X.] lauteten:

                   

§ 2
Eingruppierung und Vergütung         

        

1.    

Eingruppierung und Vergütung für [X.]estellte

                 

1.    

…       

                 

2.    

Die Vergütung erfolgt nach Grundvergütung (§ 27 [X.]), [X.] (§ 29 [X.]) und der tariflichen Stellenzulage. § 33 [X.] ist ausgeschlossen.

                 

3.    

Für die Grundvergütungen gelten die Bemessungsgrundsätze im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände für die unter die Anlage 1a fallenden [X.]estellten.

                 

4.    

Für Teilzeitbeschäftigte findet § 34 [X.] Anwendung.

                 

5.    

Beim [X.] findet das Haushaltsstrukturgesetz von 1975/76 entsprechende Anwendung.
Die Vorschriften über den Bewährungsaufstieg und die Beihilfe finden keine Anwendung.

        

2.    

…       

        

§ 3
Zeitzuschläge und Überstundenvergütung           

        

1.    

Bei Zeitzuschlägen für Überstunden, Sonn- und Feiertags- und Nachtarbeit gelten sowohl für [X.]estellte als auch für Arbeiter die gleichen Zuschläge. Es gelten die in der Anlage 2 dieser Vereinbarung vereinbarten Zeitzuschläge.

        

2.    

Die Zeitzuschläge finden in der jeweils gültigen Fassung [X.]/[X.]/VkA Anwendung.“

4

In Anlage 2 [X.] 1989 waren als Zeitzuschläge für die Arbeit an Samstagen „0,75 [X.]“ und im Nachtdienst „1,50 [X.]“ vorgesehen. Nach § 23 [X.] 1989 verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden. Anlage 6 [X.] lautet:

                   

Vereinbarung über die Gewährung einer Monatszuwendung         

        

1.    

Der Arbeitnehmer erhält in jedem Kalenderjahr eine Zuwendung, wenn er am 1. Dezember im Arbeitsverhältnis steht und nicht für den ganzen Monat Dezember ohne Vergütung zur Ausübung einer entgeltlichen Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit beurlaubt ist und seit dem 1. Oktober des Kalenderjahres beschäftigt ist.

        

2.    

Der Arbeitnehmer hat die Monatsvergütung zurückzuerstatten, wenn er bis einschließlich 31. März des folgenden Kalenderjahres aus seinem Verschulden oder auf eigenen Wunsch ausscheidet.

        

3.    

…       

        

4.    

Für die Berechnung der Zuwendung gilt die Monatsvergütung des Monats September des Kalenderjahres.

        

5.    

…       

        

7.    

Der Mitarbeiter erhält für jedes Kind lt. Lohnsteuerkarte eine erhöhte Zuwendung von [X.] 50,--, wenn am Stichtag 1. Oktober des Kalenderjahres das Kind das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

        

8.    

…       

        

9.    

Die Auszahlung erfolgt zum Ende des Monats November.“

5

Nach Anlage 7 [X.] erhalten die Arbeitnehmer unter den dort bestimmten Voraussetzungen in jedem Kalenderjahr ein Urlaubsgeld iHv. 500,00 [X.].

6

Die Beklagte kündigte die [X.] 1989 zunächst „vorsorglich … zum Zwecke der Aktualisierung“ zum 31. Dezember 1995 und erneut am 18. März 2003 zum 31. Dezember 2003. Ihren Arbeitnehmern zahlte sie bis zum [X.] als jährliche Monatszuwendung einen Betrag iHv. 100 % der für den Monat September des jeweiligen Jahres gewährten Grundvergütung nebst [X.] und Allgemeiner Zulage. Ab 1994 verringerte sie die Höhe der Monatszuwendung entsprechend dem [X.] für die Zuwendung nach dem Tarifvertrag über eine Zuwendung für [X.]estellte vom 12. Oktober 1973 ([X.]). Den Betriebsrat beteiligte sie hierbei nicht. Seit Mai 2004 beträgt der [X.] im TV Zuwendung [X.] 82,14 %.

7

[X.] zahlte die Beklagte ihren Beschäftigten eine Monatszuwendung, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob bei allen Arbeitnehmern ein einheitlicher [X.] von 41,7 % der jeweiligen [X.] zugrunde gelegt worden ist. Den in Nr. 7 Anlage 6 [X.] vorgesehenen kinderbezogenen Teil der Monatszuwendung erbrachte die Beklagte im [X.] nicht mehr. Der Betriebsrat leitete daraufhin ein Beschlussverfahren mit dem Ziel ein, die Beklagte zur Zahlung der Monatszuwendung in voller Höhe anzuhalten. Mit seinen Hilfsanträgen hat der Betriebsrat ua. die Feststellung begehrt, dass die Anlage 6 [X.] Nachwirkung entfaltet. Das [X.] hat durch rechtskräftigen Beschluss vom 28. Februar 2007 (- 12 Ta[X.] 4/06 -) die Anträge abgewiesen.

8

Die Klägerin, deren Monatslohn im September 2005 1.034,08 Euro brutto betrug, erhielt für das [X.] eine Zuwendung iHv. 434,64 Euro. Mit Schreiben vom 18. August 2006 machte sie die Zahlung der Monatszuwendung für 2005 in Höhe von 851,07 Euro erfolglos geltend.

9

Sie hat die Auffassung vertreten, ihr stehe für das [X.] eine Monatszuwendung in Höhe eines vollen [X.] zu. Der Anspruch ergebe sich aus § 2 ihres Arbeitsvertrags und einer vor Abschluss der [X.] begründeten betrieblichen Übung. Die Beklagte habe seit dem [X.] ihren Arbeitnehmern eine Zuwendung in Höhe des [X.] gewährt. Der Anspruch könne zudem auf die [X.] gestützt werden, deren Bestimmungen über den 31. Dezember 2003 weiter gölten. Daneben habe die Beklagte durch die Absenkung der Monatszuwendung im [X.] das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG verletzt.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 406,34 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der [X.] seit dem 1. Dezember 2005 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, die [X.] entfalte keine Nachwirkung. Darüber hinaus habe die Klägerin ihren Anspruch nicht innerhalb der in § 23 [X.] bestimmten Ausschlussfrist geltend gemacht. Durch die Kürzung der Monatszuwendung sei auch keine mitbestimmungspflichtige Änderung der [X.] erfolgt, da diese für alle Arbeitnehmer einheitlich auf einen [X.] von 41,7 % des maßgeblichen [X.] reduziert worden sei.

Das Arbeitsgericht hat der Klage, soweit sie noch Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, stattgegeben. Die für die Beklagte zugelassene Berufung hat das [X.] zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision der [X.] ist unbegründet. Die Klägerin kann einen weiteren Betrag in Höhe von 406,34 Euro als Monatszuwendung für das [X.] beanspruchen.

I. Der Anspruch der Klägerin folgt aus dem Arbeitsvertrag vom 19. August 2002 iVm. den im Betrieb der [X.] geltenden [X.]n. Die Beklagte ist verpflichtet, ihren Arbeitnehmern eine Vergütung nach den zuletzt mit dem Betriebsrat vereinbarten [X.]n zu zahlen. Nach diesen Grundsätzen ist den Arbeitnehmern der Betrag ihrer regelmäßigen Monatsvergütung jährlich [X.] und zudem ein weiterer Einmalbetrag in bestimmter Höhe zu zahlen. Von den in der [X.] vereinbarten Grundsätzen konnte die Beklagte nur unter Beachtung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 [X.] abweichen. Die Beklagte hat die in Anlage 6 [X.] geregelte jährliche Monatszuwendung beginnend mit dem [X.] abgesenkt und damit die geltenden [X.] [X.] abgeändert. Diese Maßnahme sowie die im [X.] vorgenommene Kürzung der Monatszuwendung ist nicht nur im Verhältnis zum Betriebsrat rechtswidrig. Vielmehr kann sich auch die Klägerin auf die Fortgeltung der in der [X.] vereinbarten Vergütungsgrundsätze berufen.

1. Der Betriebsrat hat bei der Änderung der im Betrieb geltenden [X.] nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 [X.] mitzubestimmen.

a) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 [X.] hat der Betriebsrat in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere bei der Aufstellung und Änderung von [X.]n und der Einführung und Anwendung von neuen [X.] sowie deren Änderung, mitzubestimmen. Das Beteiligungsrecht soll die Arbeitnehmer vor einer einseitig an den Interessen des Arbeitgebers orientierten Lohngestaltung schützen. Zugleich soll die Einbeziehung des Betriebsrats zur Wahrung der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit sowie zur Sicherung der [X.]emessenheit und Durchsichtigkeit des [X.] beitragen ([X.] 23. März 2010 - 1 [X.] - Rn. 13, [X.] 2010, 1765). [X.] sind die Strukturformen des Entgelts einschließlich ihrer näheren Vollzugsformen (vgl. [X.] 3. Dezember 1991 - [X.] 2/90 - zu [X.] 3 der Gründe, [X.]E 69, 134; 15. April 2008 - 1 [X.] - Rn. 22, [X.]E 126, 237). Die betriebliche Lohngestaltung betrifft die Festlegung abstrakter Kriterien zur Bemessung der Leistung des Arbeitgebers, die dieser zur Abgeltung der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers oder sonst mit Rücksicht auf das Arbeitsverhältnis insgesamt erbringt ([X.] 28. März 2006 - 1 [X.] - Rn. 25 mwN, [X.]E 117, 337). Gegenstand des Mitbestimmungsrechts ist nicht die konkrete Höhe des Arbeitsentgelts. Der Mitbestimmung steht allerdings nicht entgegen, wenn durch diese mittelbar auch die Höhe der Vergütung festgelegt wird. Eine solche Wirkung kann mit der Regelung von [X.]n untrennbar verbunden sein ([X.] 13. März 2001 - 1 [X.], [X.] 1972 § 87 [X.] [X.]). Das Beteiligungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 [X.] bezieht sich nur auf kollektive Regelungen ([X.] 10. Oktober 2006 - 1 [X.] - Rn. 30, [X.]E 119, 356). Insoweit besteht auch ein Initiativrecht des Betriebsrats ([X.] 23. März 2010 - 1 [X.] - Rn. 13, aaO).

b) Der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 [X.] unterliegt die Einführung von [X.]n und deren Änderung durch den Arbeitgeber ([X.] 3. Dezember 1991 - [X.] 1/90 - zu [X.] 3 c der Gründe, [X.] 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 52). Dabei kommt es für das Beteiligungsrecht des Betriebsrats nicht darauf an, auf welcher rechtlichen Grundlage die Anwendung der bisherigen [X.] erfolgt ist, ob etwa auf der Basis bindender Tarifverträge, einer Betriebsvereinbarung, einzelvertraglicher Absprachen oder einer vom Arbeitgeber einseitig praktizierten Vergütungsordnung. Denn nach der Konzeption des § 87 Abs. 1 Nr. 10 [X.] hängt das Mitbestimmungsrecht nicht vom [X.] der Entgeltleistung, sondern nur vom Vorliegen eines kollektiven Tatbestands ab. Das Beteiligungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 [X.] kann daher in Betrieben ohne Tarifbindung das gesamte Entgeltsystem erfassen, da bei diesen die Mitbestimmung durch eine bestehende tarifliche Regelung iSd. § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. [X.] nicht beschränkt wird (st. Rspr. zuletzt [X.] 8. Dezember 2009 - 1 [X.] - Rn. 21, [X.] BGB § 613a Nr. 380 = [X.] 2001 § 87 [X.] Nr. 20).

c) [X.] sind die abstrakt-generellen Grundsätze zur Lohnfindung. Sie bestimmen das System, nach welchem das Arbeitsentgelt für die Belegschaft oder Teile der Belegschaft ermittelt oder bemessen werden soll. [X.] sind damit die allgemeinen Vorgaben, aus denen sich die Vergütung der Arbeitnehmer des Betriebs in abstrakter Weise ergibt ([X.] 28. April 2009 - 1 [X.] - Rn. 19, [X.] 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 40 = [X.] 2001 § 99 Eingruppierung Nr. 4). Zu ihnen zählen neben der Grundentscheidung für eine Vergütung nach [X.] oder nach Leistung die daraus folgenden Entscheidungen über die Ausgestaltung des jeweiligen Systems (Kreft FS Kreutz S. 263, 265). Dazu gehört die Festlegung einer bestimmten Stückelung des jährlichen Gesamtentgelts in Gestalt mehrerer gleich hoher oder verschieden hoher Monatsbeträge ([X.] 15. April 2008 - 1 [X.] - Rn. 24, [X.] 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 133 = [X.] 2001 § 87 [X.] Nr. 15).

2. Die Beklagte hat mit der Absenkung der in Anlage 6 [X.] geregelten Monatszuwendung das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 [X.] verletzt.

a) Die Betriebsparteien haben die im Betrieb anzuwendenden [X.] in der [X.] ausgestaltet. Diese enthält nicht nur eine normative Anspruchsgrundlage für die in ihr enthaltenen Ansprüche der Arbeitnehmer. In ihrem Abschluss liegt zugleich die Ausübung des dem Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 [X.] zustehenden Mitbestimmungsrechts für die zukünftige Anwendung der in ihr zum Ausdruck kommenden [X.]. Diese zeichneten sich durch die monatliche Zahlung einer bestimmten, nach Vergütungsgruppen differenzierten regelmäßigen Vergütung einschließlich Zulagen aus (§§ 2, 3 [X.] 1989), die durch eine nach Maßgabe der Anlage 6 [X.] zu zahlende Monatszuwendung und ein Ende Juli eines Jahres auszuzahlendes Urlaubsgeld von 500,00 DM (Anlage 7 [X.]) ergänzt wurde. Danach galt für den Betrieb der [X.] eine Vergütungsstruktur, wonach zusätzlich zu den zwölf regelmäßigen monatlichen Vergütungszahlungen im November eine Zuwendung in Höhe der [X.] und im Juli ein Urlaubsgeld zu zahlen war. Die Gesamtjahresvergütung sollte in dreizehn (nahezu) gleichen Teilbeträgen und einem weiteren Teilbetrag von 500,00 DM ausbezahlt werden.

b) In diese Vergütungsstruktur hat die Beklagte erstmals im [X.] mit der Absenkung der Ende November fälligen Monatszuwendung [X.] eingegriffen. Seit November 1994 erbringt sie diese nicht mehr in Höhe eines vollen Septembergehalts, sondern nur noch auf der Grundlage einer im TV Zuwendung [X.] festgelegten (niedrigeren) Bemessungsgrundlage. Diese Maßnahme unterlag der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 [X.]. Sie weicht von dem in der [X.] vereinbarten Entlohnungsgrundsatz ab, wonach der Ende November gewährte [X.] der im September gezahlten Vergütung entspricht. Entgegen der Auffassung der [X.] haben die Betriebsparteien in der [X.] nicht einen Entlohnungsgrundsatz vereinbart, wonach sich die Höhe der jährlichen Monatszuwendung nach den für die [X.]estellten im öffentlichen Dienst geltenden tariflichen Bestimmungen richtet. Die Betriebsparteien haben in der Anlage 6 [X.] 1989 vielmehr eine vom Tarifwerk des öffentlichen Dienstes unabhängige Regelung über die Ausgestaltung der jährlichen Monatszuwendung getroffen. Dies folgt aus der Auslegung der [X.] nach ihrem Wortlaut und Regelungszusammenhang.

aa) Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge und Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmungen und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn ist der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt ([X.] 28. April 2009 - 1 [X.] - Rn. 12 mwN).

(1) Der Wortlaut der Anlage 6 [X.] ist eindeutig. Schon die Überschrift spricht von einer Gewährung einer „Monatszuwendung“. Nach Nr. 4 Anlage 6 [X.] gilt für deren Berechnung die Vergütung des Monats September. Die Höhe der Monatszuwendung ist auch nicht an einen bestimmten Bemessungssatz des Septembergehalts gebunden. Daneben spricht auch Nr. 2 Anlage 6 [X.] von einer „Monatsvergütung“, die der Arbeitnehmer unter den dort bestimmten Voraussetzungen zurückzahlen muss. Anhaltspunkte, nach denen sich entweder die Höhe oder andere Anspruchsvoraussetzungen der Monatszuwendung nach den für den öffentlichen Dienst geltenden tariflichen Regelungen richten, sind nicht ersichtlich. Die Betriebsparteien haben in der Anlage 6 [X.] weder ganz oder teilweise auf die Bestimmungen der für den öffentlichen Dienst geltenden Tarifverträge verwiesen noch werden diese im Text erwähnt.

(2) Dieses Auslegungsergebnis folgt auch aus dem Gesamtzusammenhang der [X.]. Gegen eine Verknüpfung der Anspruchsvoraussetzungen der jährlichen Monatszuwendung mit denen des TV Zuwendung [X.] spricht die Regelungstechnik der Betriebsparteien in anderen Teilen der [X.]. Diese enthalten teilweise eine dynamische Bezugnahme auf bestimmte Teile des für den öffentlichen Dienst geltenden Tarifwerks. So wird für den Bereich des Arbeitsentgelts in § 2 Nr. 1.2, 1.4 [X.] ausdrücklich auf §§ 27, 29 sowie § 34 [X.] Bezug genommen. In § 2 Nr. 1.3, 1.5 [X.] ist für die [X.] die Geltung der [X.] im Bereich der [X.] vereinbart, während die Vorschriften über den [X.] und die Beihilfe keine Anwendung finden sollen. Bei der Höhe der sonstigen [X.]e haben die Betriebsparteien deren Anwendung in der jeweils gültigen Fassung des [X.]/[X.]/[X.] (§ 3 Nr. 2 [X.]) bestimmt. Diese auch in anderen Bereichen der [X.] verwandte Regelungstechnik kann nur so verstanden werden, als wollten die Betriebsparteien in der [X.] einerseits Normen schaffen, deren Inhalt sich nach den in Bezug genommenen Tarifnormen richten soll und anderseits solche, die als eigenständige Regelungen von zukünftigen Veränderungen des Tarifwerks des öffentlichen Dienstes unberührt bleiben sollen. Zu dem [X.], bei dem eine Verknüpfung zur zukünftigen Tarifentwicklung nicht zum Ausdruck kommt, gehört die in Anlage 6 [X.] festgelegte jährliche Monatszuwendung.

(3) Der Hinweis der [X.] in der mündlichen Verhandlung, die [X.] sei nach ihrer Präambel „in Anlehnung“ an den [X.] und den [X.] geschlossen worden, vermag diese Sichtweise nicht in Frage zu stellen. Die Präambel hat nach ihrem Wortlaut und ihrer systematischen Stellung keinen normsetzenden Charakter, der die nachfolgend in der [X.] geregelten Leistungen der Höhe nach auf die in den genannten Tarifwerken enthaltene Leistungshöhe beschränkt. Selbst wenn beide Betriebsparteien bei Abschluss der [X.] übereinstimmend einen solchen Regelungswillen verfolgt hätten, ist dieser in der [X.] wegen der in ihr enthaltenen differenzierenden Bezugnahmeregelungen nicht mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gekommen und daher bei ihrer Auslegung nicht zu berücksichtigen.

bb) Die Änderung des in der [X.] vereinbarten Entlohnungsgrundsatzes über die Höhe der Monatszuwendung unterlag als kollektive Maßnahme der Mitbestimmung des Betriebsrats.

(1) Die Absenkung der jährlichen Monatszuwendung eröffnete der nicht tarifgebundenen [X.] einen Gestaltungsspielraum bei der Verteilung der Gesamtvergütung, bei dessen Ausgestaltung der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 [X.] mitzubestimmen hat. Dessen Beteiligung bei der Einführung oder Änderung von [X.]n wird nur durch das Bestehen einer gesetzlichen oder tariflichen Regelung iSd. § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. [X.] ausgeschlossen, an der es vorliegend fehlt. Es ist daher für die Ausübung der Mitbestimmung aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 [X.] ohne Bedeutung, wenn die Betriebsparteien die Vergütungsstruktur nicht in einer Regelungsabrede, sondern ganz oder teilweise in einer betrieblichen Regelung normativ ausgestaltet haben. Die Arbeitgeberin war mangels Bindung an eine tarifliche Vergütungsordnung rechtlich nicht gehindert, das von ihr zur Verfügung gestellte Vergütungsvolumen mit Zustimmung des Betriebsrats anders als bisher zu verteilen ([X.] 28. Februar 2006 - 1 [X.] - Rn. 22, [X.]E 117, 130).

(2) Die von der [X.] durchgeführte Maßnahme war auch nicht deshalb mitbestimmungsfrei, weil von ihr nur die absolute Höhe der Vergütung betroffen war oder die bisherigen [X.] unverändert geblieben sind. Dies ist nicht der Fall. In der Anlage 6 [X.] war die absolute Höhe der Vergütung nicht festgelegt. Die Veränderung der Berechnungsgrundlage betrifft die Verteilungsgerechtigkeit gegenüber den anspruchsberechtigten Arbeitnehmern. In der durch die [X.] festgelegten Gesamtvergütung waren für alle Beschäftigten absolut gleich hohe [X.]e enthalten. Die Beklagte gewährte einheitliche Zuschläge für Nachtdienste und Samstagsarbeit (Nr. 4, 5 Anlage 2 [X.]) und zusätzlich zu der jährlichen Monatszuwendung einen kinderbezogenen Betrag von 50,00 DM (Nr. 7 Anlage 6 [X.]) sowie ein Urlaubsgeld von 500,00 DM (Nr. 2 Anlage 7 [X.]). Die Zahlung dieser einheitlichen Bestandteile als Teil der Gesamtvergütung führte zwingend dazu, dass sich durch die Absenkung der individuell bemessenen Monatszuwendung zugleich der relative Abstand der Gesamtvergütungen zueinander verändert (vgl. [X.] 15. April 2008 - 1 [X.] - Rn. 25, [X.]E 126, 237).

cc) Für die gegenüber der Anlage 6 [X.] vorgesehene abweichende Berechnung der Monatszuwendung hätte die Beklagte danach der Zustimmung des Betriebsrats bedurft, an der es vorliegend fehlt. Die Beklagte hat den Betriebsrat im [X.] vor der Absenkung der jährlichen Monatszuwendung nicht beteiligt. Darauf, ob der Betriebsrat seine Beteiligung eingefordert hatte, kommt es nicht an. Der Arbeitgeber muss in [X.]elegenheiten des § 87 Abs. 1 [X.] von sich aus die Zustimmung des Betriebsrats einholen.

c) Auch die im [X.] erfolgte Kürzung der Monatszuwendung konnte die Beklagte nicht ohne die Zustimmung des Betriebsrats vornehmen.

aa) Die in der [X.] enthaltene Vergütungsstruktur bildete auch nach deren Kündigung zum 31. Dezember 2003 den betrieblichen Entlohnungsgrundsatz.

Die Beendigung der [X.] durch die Kündigung der [X.] vom 18. März 2003 führte nicht zum ersatzlosen Fortfall der bisher im Betrieb der [X.] geltenden Vergütungsstruktur, sondern hatte lediglich die Beendigung der zwingenden Wirkung (§ 77 Abs. 4 Satz 1 [X.]) der [X.] und der in ihr zum Ausdruck kommenden Vergütungsgrundsätze zur Folge. Die Beseitigung ihrer normativen Geltung ändert aber nichts daran, dass diese Grundsätze bislang im Betrieb angewendet wurden und deshalb die dort geltenden [X.] darstellen (zu einer tariflichen Vergütungsordnung: [X.] 15. April 2008 - 1 [X.] - Rn. 25, [X.]E 126, 237). Deren Änderung bedurfte deshalb auch nach der Beendigung der [X.] der Zustimmung des Betriebsrats oder einer diese ersetzenden Entscheidung der Einigungsstelle. Daran fehlt es. Da es für das Mitbestimmungsrecht nicht auf den [X.] der [X.] ankommt, ist es auch ohne Bedeutung, ob die [X.] über den Ablauf des 31. Dezember 2003 nach § 77 Abs. 6 [X.] Nachwirkung entfaltet hat oder für die von den [X.]n erfassten [X.]e überhaupt vertraglich vereinbarte Abreden bestehen.

bb) Die Absenkung der Monatszuwendung im [X.] auf 41,7 % der maßgeblichen [X.] führte zu einer Änderung der [X.], die der [X.] einen Verteilungsspielraum eröffnet hat.

Zugunsten der [X.] kann unterstellt werden, dass diese tatsächlich die Monatszuwendung auf einen einheitlichen Bemessungssatz von 41,7 % ermäßigen wollte und die davon abweichenden Zahlbeträge lediglich auf solchen individuellen Abrechnungsfehlern beruhen, die nicht geeignet sind, die von ihr getroffene Entscheidung in Frage zu stellen. Mit der Absenkung der Monatszuwendung war eine Änderung des in Nr. 4, 7 Anlage 6 [X.] zum Ausdruck kommenden Entlohnungsgrundsatzes verbunden, wonach sich die Ende November gewährte Vergütung nach dem Arbeitsentgelt des Monats September richtet und unter bestimmten Voraussetzungen an Arbeitnehmer mit unterhaltspflichtigen Kindern eine erhöhte Zuwendung gezahlt wird. Damit hat die Beklagte erneut die [X.] ihres Entgeltsystems geändert. Wegen der Zahlung der einheitlichen Bestandteile verschiebt sich durch die prozentuale Reduzierung der individuellen Monatszuwendung der bisherige relative Abstand der Gesamtvergütungen zueinander.

cc) Der Entscheidung des Senats über das Beteiligungsrecht des Betriebsrats an der Absenkung der Monatsvergütung im [X.] steht die Rechtskraft der Entscheidung des [X.] vom 28. Februar 2007 (- 12 Ta[X.] 4/06 -) nicht entgegen. Das [X.] hat in seinem Beschluss ausdrücklich offengelassen, ob der Betriebsrat bei der Kürzung der Monatszuwendung ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 [X.] beanspruchen kann.

3. Die Beklagte ist nach der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung verpflichtet, der Klägerin für das Jahr 2005 noch einen weiteren Betrag von 406,34 Euro als Monatszuwendung zu zahlen.

a) Nach der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung führt die Verletzung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer jedenfalls zur Unwirksamkeit von Maßnahmen oder Rechtsgeschäften, die den Arbeitnehmer belasten. Das soll verhindern, dass der Arbeitgeber dem Einigungszwang mit dem Betriebsrat durch Rückgriff auf arbeitsvertragliche Gestaltungsmöglichkeiten ausweicht. Dem Arbeitgeber darf aus einer betriebsverfassungsrechtlichen Pflichtwidrigkeit auch im Rahmen des Arbeitsverhältnisses kein Vorteil erwachsen. Maßnahmen zum Nachteil der Arbeitnehmer sind dabei nur solche, die bereits bestehende Rechtspositionen der Arbeitnehmer schmälern. Nach der Senatsrechtsprechung führt die Verletzung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats bei diesen allerdings nicht dazu, dass sich individualrechtliche Ansprüche der betroffenen Arbeitnehmer ergäben, die zuvor noch nicht bestanden haben (15. April 2008 - 1 [X.] - Rn. 37, [X.]E 126, 237).

b) Der Senat hat in Fortführung der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung angenommen, dass der Arbeitnehmer bei einer unter Verstoß gegen das Beteiligungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 [X.] vorgenommenen Änderung der im Betrieb geltenden [X.] eine Vergütung auf der Grundlage der zuletzt mitbestimmten [X.] fordern kann (15. April 2008 - 1 [X.] - Rn. 37 f., [X.]E 126, 237; 2. März 2004 - 1 [X.] - zu IV 2 b cc der Gründe, [X.]E 109, 369; 11. Juni 2002 - 1 [X.] - zu III 4 der Gründe, [X.]E 101, 288). Die im Arbeitsvertrag getroffene Vereinbarung über die Vergütungshöhe wird danach von Gesetzes wegen ergänzt durch die Verpflichtung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer nach den im Betrieb geltenden [X.]n zu vergüten. Das ist durch den Zweck des Beteiligungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 [X.] geboten. Nur auf diese Weise kann verhindert werden, dass sich der Arbeitgeber seiner Bindung an die von ihm einseitig vorgegebene oder mitbestimmte Vergütungsstruktur unter Verstoß gegen das Beteiligungsrecht des Betriebsrats und den in § 87 Abs. 2 [X.] bestimmten Einigungszwang entzieht ([X.] 14. August 2001 - 1 [X.] 2 a der Gründe, [X.] 1972 § 77 Regelungsabrede Nr. 4 = [X.] 1972 § 88 Nr. 1). Dies gilt unabhängig von den Rechtsschutzmöglichkeiten des Betriebsrats.

c) Danach ist die Beklagte verpflichtet, der Klägerin ein Septembergehalt als Monatszuwendung für das [X.] zu zahlen. Aufgrund der rechtskräftigen Abweisung der weitergehenden Klage hat es jedoch bei dem im angefochtenen Urteil zuerkannten Betrag von 406,34 Euro zu verbleiben.

4. Der Anspruch auf die weitere Monatszuwendung für das [X.] ist nicht nach § 23 [X.] 1989 verfallen. Nach der Entscheidung des [X.] vom 28. Februar 2007 (- 12 Ta[X.] 4/06 -) ist die [X.] 1989 zum 31. Dezember 2003 beendet worden, ohne dass ihre Regelungen nach § 77 Abs. 6 [X.] nachwirken. Hiervon geht auch die Beklagte aus.

II. Auf die zwischen den Parteien streitigen und von den Vorinstanzen erörterten Fragen nach der Auslegung des Arbeitsvertrags und dem Bestehen einer betrieblichen Übung kam es nicht mehr an.

        

    Schmidt    

        

    Linck    

        

    Koch    

        

        

        

    [X.]    

        

    Hayen    

        

        

Meta

1 AZR 857/08

22.06.2010

Bundesarbeitsgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Karlsruhe, 28. August 2007, Az: 2 Ca 399/06, Urteil

§ 87 Abs 1 Nr 10 BetrVG, § 77 BetrVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.06.2010, Az. 1 AZR 857/08 (REWIS RS 2010, 5669)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5669

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Betriebliche Lohngestaltung - Entlohnungsgrundsätze - Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung


1 AZR 435/13 (Bundesarbeitsgericht)

Mitbestimmung des Betriebsrats bei der betrieblichen Lohngestaltung - Entlohnungsgrundsätze - Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung - Tarifwechsel


1 AZR 797/09 (Bundesarbeitsgericht)

Mitbestimmungsrecht in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung - Entlohnungsgrundsätze - Tarifsukzession


1 ABR 75/12 (Bundesarbeitsgericht)

Betriebliche Lohngestaltung - Durchführungsanspruch


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