Bundesfinanzhof, Beschluss vom 27.07.2016, Az. V B 4/16

5. Senat | REWIS RS 2016, 7498

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Gegenstand

Revisionszulassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung - Sachaufklärungspflicht des FG


Leitsatz

1. NV: Die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) setzt voraus, dass das FG in einer bestimmten entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Meinung vertritt als ein anderes Gericht und dass das angefochtene Urteil auf dieser Divergenz beruht. Insbesondere muss es sich um einen vergleichbaren Sachverhalt und um eine identische Rechtsfrage handeln. Hieran fehlt es, wenn der vom FG beurteilte Sachverhalt sich in so bedeutsamer und wesentlicher Weise von dem Sachverhalt der angeblichen Divergenzentscheidung unterscheidet, dass durch den vom BFH aufgestellten Rechtssatz der Sachverhalt des FG nicht als mitentschieden anzusehen ist.

2. NV: Das FG darf substantiierte Beweisanträge, die den entscheidungserheblichen Sachverhalt betreffen, grundsätzlich weder ablehnen noch übergehen. Das Gericht hat nur das aufzuklären, was aus seiner (materiell-rechtlichen) Sicht entscheidungserheblich ist. Das FG muss unsubstantiierten Beweisanträgen nicht nachgehen. Ein Beweisantrag ist unsubstantiiert, wenn er nicht angibt, welche konkrete Tatsache durch welches Beweismittel nachgewiesen werden soll.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 24. November 2015  15 K 1598/11 U wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Gründe

1

Die Beschwerde des [X.] und Beschwerdeführers (Kläger) hat keinen Erfolg. Es liegt kein Zulassungsgrund [X.] 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) vor.

2

1. Das Finanzgericht ([X.]) hat nicht dadurch gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 [X.]O) verstoßen, dass es den Beweisanträgen des [X.] nicht gefolgt ist.

3

a) Die Sachaufklärungspflicht erfordert nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.]), dass das [X.] Tatsachen und Beweismitteln nachgeht, die sich ihm in Anbetracht der Umstände des Einzelfalles hätten aufdrängen müssen. Es darf substantiierte Beweisanträge, die den entscheidungserheblichen Sachverhalt betreffen, grundsätzlich weder ablehnen noch übergehen. Da die Sachaufklärungspflicht dazu dient, die Spruchreife der Klage herbeizuführen, hat das Gericht jedoch nur das aufzuklären, was aus seiner (materiell-rechtlichen) Sicht entscheidungserheblich ist ([X.]-Beschluss vom 23. September 2009 IV B 133/08, [X.]/NV 2010, 52, m.w.N.). Dabei entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass das [X.] unsubstantiierten Beweisanträgen nicht nachgehen muss; ein Beweisantrag ist unsubstantiiert, wenn er nicht angibt, welche konkrete Tatsache durch welches Beweismittel nachgewiesen werden soll ([X.]-Beschluss vom 1. März 2016 V B 44/15, [X.]/NV 2016, 934). In welchem Maße eine solche Substantiierung zu fordern ist, hängt von der im Einzelfall bestehenden Mitwirkungspflicht des Beteiligten ab. Dabei stehen der zumutbare Inhalt und die Intensität der richterlichen Ermittlungen notwendigerweise im Zusammenhang mit dem Vorbringen der Beteiligten, die gemäß § 76 Abs. 1 Sätze 2 und 3 [X.]O eine Pflicht zur Förderung des finanzgerichtlichen Verfahrens haben. Zu berücksichtigen ist deshalb auch, ob die Tatsachen, über die Beweis erhoben werden soll, dem Wissens- und Einflussbereich des Beteiligten ([X.]) zuzurechnen sind, der die Verletzung der Sachaufklärungspflicht rügt ([X.]-Beschluss vom 1. Dezember 2015 X B 29/15, [X.]/NV 2016, 395).

4

b) Diesen Anforderungen genügen die Beweisanträge des [X.] nicht. Weder die beantragte Zeugeneinvernahme "zu dem Beweisthema eigene Tätigkeitsbereiche bei der GmbH, Einflussnahme des [X.] auf diese Tätigkeitsbereiche sowie Tätigkeitsbereiche des [X.] bei der GmbH selbst" noch die beantragte Zeugeneinvernahme "zu den Beweisthemen Existenzgründung, Umstände der Aufnahme und Ausgestaltung der Vertragsverhältnisse zu Herrn ..., Tätigkeiten bei der GmbH und Dritte" benennen hinreichend konkrete Tatsachen in Bezug auf die Streitpunkte umsatzsteuerrechtlicher Organschaft und Vorsteuerabzug.

5

2. Die Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O) zuzulassen.

6

a) § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O setzt voraus, dass das [X.] in einer bestimmten entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Meinung vertritt als ein anderes Gericht und dass das angefochtene Urteil auf dieser Divergenz beruht. Insbesondere muss es sich um einen vergleichbaren Sachverhalt und um eine identische Rechtsfrage handeln. Hieran fehlt es, wenn der vom [X.] beurteilte Sachverhalt sich in so bedeutsamer und wesentlicher Weise von dem Sachverhalt der angeblichen Divergenzzentscheidung unterscheidet, dass durch den vom [X.] aufgestellten Rechtssatz der Sachverhalt des [X.] nicht als mitentschieden anzusehen ist ([X.]-Beschlüsse vom 12. Juni 2008 XI B 201/07, nicht veröffentlicht; vom 12. Februar 2014 V B 100/13, [X.]/NV 2014, 739).

7

b) Im Streitfall macht der Kläger geltend, das [X.] habe die Unternehmereigenschaft trotz formaler Vertragsverhältnisse verneint. Darin liege eine Abweichung zum [X.]-Urteil vom 7. Juli 2005 V R 60/03 ([X.]/NV 2006, 139). Dieses [X.]-Urteil beschäftigt sich indes mit der Frage der Leistungsbeziehungen, nicht aber mit der der Unternehmereigenschaft und der hierfür erforderlichen Selbständigkeit [X.] 2 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes, um die es im Streitfall allein geht.

8

3. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

V B 4/16

27.07.2016

Bundesfinanzhof 5. Senat

Beschluss

vorgehend FG Münster, 24. November 2015, Az: 15 K 1598/11 U, Urteil

§ 76 Abs 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 27.07.2016, Az. V B 4/16 (REWIS RS 2016, 7498)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 7498

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