Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.10.2023, Az. 4 StR 364/23

4. Strafsenat | REWIS RS 2023, 7899

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Gegenstand

Unterbringung in einer Entziehungsanstalt: Symptomatischer Zusammenhang zwischen Anlasstat und Hang


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 5. Mai 2023 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Besitzes von Betäubungsmitteln, des Überlassens von Betäubungsmitteln an Minderjährige zum unmittelbaren Verbrauch und der fahrlässigen Tötung schuldig ist.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Besitzes von Betäubungsmitteln, Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an eine Person unter 18 Jahren und fahrlässiger Tötung (durch Unterlassen) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Zudem hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, führt zu einer Schuldspruchänderung und ist im Übrigen offensichtlich unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. [X.] hält rechtlicher Überprüfung insoweit nicht stand, als die Strafkammer den Angeklagten (auch) wegen Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige verurteilt hat.

3

a) Nach den insoweit relevanten Urteilsfeststellungen vereinbarten der Angeklagte und die 17-jährige Geschädigte, deren Alter ihm bekannt war, für den Abend des 28. Dezember 2021 eine „[X.]“. Beide sollten hierfür diverse Betäubungsmittel bereitstellen, die sie gemeinsam konsumieren wollten. Im Rahmen der plangemäßen Umsetzung überließ der Angeklagte der Geschädigten von ihm mitgeführte Betäubungsmittel zum sofortigen Konsum, insbesondere das für ihr späteres Versterben ursächliche Opioid Polamidon.

4

b) Nach diesen Feststellungen hat sich der Angeklagte – wie der [X.] zu Recht ausführt – nicht wegen Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige strafbar gemacht. Denn eine Abgabe von Betäubungsmitteln im Sinne des § 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG ist jede Gewahrsamsübertragung an eine andere Person zur freien Verfügung. An einer solchen fehlt es jedoch, wenn das Betäubungsmittel – wie hier – zum sofortigen Gebrauch an Ort und Stelle hingegeben wird. In dieser Konstellation ist vielmehr der Tatbestand des [X.] zum unmittelbaren Verbrauch erfüllt (§ 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG; vgl. [X.], Beschluss vom 23. März 2021 – 3 StR 19/21 Rn. 8; Urteil vom 22. November 2016 – 1 [X.] Rn. 23).

5

c) Der Senat ändert den Schuldspruch in analoger Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO entsprechend. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, denn der geständige Angeklagte hätte sich nicht wirksamer als geschehen verteidigen können.

6

2. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf die Sachrüge keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Die Schuldspruchänderung lässt den zugehörigen Einzelstrafausspruch mit Blick auf den unverändert gebliebenen Strafrahmen unberührt.

7

Der [X.] hat ebenfalls Bestand. Die Feststellungen rechtfertigen die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt auch nach Maßgabe von § 64 StGB in der Fassung vom 26. Juli 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 203), die am 1. Oktober 2023 in [X.] getreten und vom Senat gemäß § 2 Abs. 6 StGB, § 354a StPO zu berücksichtigen ist (vgl. [X.], Beschluss vom 4. Oktober 2023 – 6 [X.] Rn. 6; Beschluss vom 15. November 2007 – 3 [X.] Rn. 3). Insbesondere lässt sich den Urteilsgründen entnehmen, dass die [X.] überwiegend auf den Hang des Angeklagten zurückgehen. Denn dessen festgestellte Substanzkonsumstörung im Sinne der Neuregelung war auch für [X.] (auszugsweise) dargestellte Tatgeschehen am 28./29. Dezember 2021 „mehr als andere Umstände ausschlaggebend“ (vgl. [X.]. 687/22, [X.], zudem [X.] ff.; [X.], [X.] 2023, 442, 444). Es hatte seine Hauptursache nicht etwa in einem suchtunabhängigen dissozialen Verhalten des Angeklagten. Vielmehr führte er mit der Geschädigten eine zuvor verabredete „[X.]“ durch, bei der sie sich gegenseitig Betäubungsmittel zum unmittelbaren Verbrauch überließen. Die dem zugrunde liegende Tatmotivation wie die Tatmodalitäten gehen damit auf den Hang des Angeklagten zurück, in dem nach den Urteilsfeststellungen zumindest die vorrangige Ursache für die Tatbegehung lag.

[X.]     

      

Bartel     

      

Rommel

      

Scheuß     

      

Momsen-Pflanz     

      

Meta

4 StR 364/23

24.10.2023

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Essen, 5. Mai 2023, Az: 22 Ks 10/22

§ 64 StGB vom 26.07.2023, § 29a Abs 1 Nr 1 BtMG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.10.2023, Az. 4 StR 364/23 (REWIS RS 2023, 7899)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 7899

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