Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.08.2017, Az. 4 StR 190/17

4. Strafsenat | REWIS RS 2017, 7033

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:020817B4STR190.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4
StR 190/17

vom
2. August
2017
in der Strafsache
gegen

wegen
sexuellen Missbrauchs eines Kindes

-
2
-
Der 4. Strafsenat des [X.] hat
nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers
am 2.
August
2017
gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 16.
Dezember 2016 mit den Feststellungen
aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tat-geschehen bestehen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen not-wendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landge-richts zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs
eines Kindes in zwei Fällen bei Freisprechung im Übrigen zu einer unbedingten Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner allgemein auf die Verletzung materiellen Rechts gestütz-ten Revision. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
1
-
3
-
1.
Bereits der Schuldspruch des angefochtenen Urteils begegnet
durch-greifenden rechtlichen Bedenken. Das [X.] hat seinem Urteil ohne jegli-che Erörterung die Annahme uneingeschränkter Schuldfähigkeit des Angeklag-ten bei Begehung der Taten zugrunde gelegt, ohne die Möglichkeit eines Aus-schlusses oder einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit im Sinne der §§
20, 21 StGB zu prüfen. Dies ist
ein auf die Sachrüge zu prüfender sach-lich-rechtlicher Mangel, da sich die maßgeblichen Umstände aus dem Urteil selbst ergeben (vgl. [X.], Beschlüsse vom 12.
Juli 1995

5
StR
297/95, [X.], 633; vom 24.
August 1993

4
StR
452/93, [X.] 1994, 14; vom 6.
Novem-ber 1992

2 StR 480/92, [X.], 332).
a)
Zwar besteht nach der Rechtsprechung nicht bei jedem Täter, der [X.] einer bestimmten Altersgrenze erstmals Sexualstraftaten begeht, Anlass, der Frage einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit oder gar einer Schuld-unfähigkeit nachzugehen (vgl. [X.], Urteil vom 11.
August 1998

1
StR 338/98, [X.], 297
f.; Beschluss vom 11.
Januar 2005

3
StR
450/04, [X.], 167
f.). Jedoch sind die Prüfung dieser Frage und ihre Erörte-rung im Urteil jedenfalls dann veranlasst, wenn neben der erstmaligen Sexual-delinquenz in hohem Alter weitere Besonderheiten in der Person des [X.] bestehen, die geeignet sind, auf die Möglichkeit einer durch [X.] be-dingten Enthemmtheit hinzudeuten (vgl. [X.], Urteil
vom 13.
Oktober 2005

5
StR
347/05, [X.], 38; Beschlüsse vom 6.
November 1992

2
StR
480/92, aaO; vom 25.
November 1988

4
StR
523/88, [X.]R StGB §
21 Sach-verständiger
5).
b)
So verhält es sich hier. Nach den Feststellungen der Strafkammer ist der zum Zeitpunkt der Taten 94-jährige Angeklagte zuvor weder durch Sexual-straftaten noch sonst strafrechtlich in Erscheinung getreten. Hinzu kommt, dass 2
3
4
-
4
-
der Angeklagte eine Vielzahl auch altersbedingter gesundheitlicher Leiden hat (UA S.
4). So leidet er an Diabetes, Herzrhythmusstörungen, Osteochrondose und den Folgen eines Schlaganfalls; auch kann er sich aufgrund altersbedingter Mobilitätseinschränkungen nur noch mit Hilfe eines Rollators oder eines [X.] fortbewegen; das [X.] beschreibt seinen Zustand insgesamt als

12). Der [X.] kann vor diesem Hintergrund nicht aus-schließen, dass die Schuldfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Taten infolge altersbedingter
auch
psychischer Veränderungen erheblich vermindert gemäß §
21 StGB
oder aufgehoben im Sinne des §
20 StGB war.
2.
Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Von dem aufgezeigten Rechtsfehler sind die Feststellungen zum äußeren Tatge-schehen, die auch im Übrigen rechtsfehlerfrei getroffen sind, nicht berührt. Sie können deshalb bestehen bleiben.
3.
Das neue Tatgericht wird zu bedenken haben, ob zur Beurteilung der Frage einer erheblichen Verminderung oder Aufhebung der Schuldfähigkeit des Angeklagten ein Sachverständiger mit besonderer Erfahrung
auf dem Gebiet des [X.]s in Anspruch zu nehmen sein wird (vgl. [X.], Urteil vom 13.
Oktober 2005

5
StR
347/05, aaO; Beschlüsse vom 11.
Januar 2005

3
StR
450/04, aaO; vom 25.
November 1988

4
StR 523/88, aaO; [X.], [X.], 298
f.). Sollte auch das neue Tatgericht die Verhängung einer Frei-heitsstrafe für erforderlich erachten, wird es bei der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung zu erwägen haben, ob anstelle einer Bewäh-
5
6
-
5
-
rungsversagung andere geeignete Maßnahmen zur Verfügung
stehen, um einer erneuten Straffälligkeit des Angeklagten entgegen zu wirken.
Sost-Scheible
Roggenbuck
Cierniak
Ri[X.] Bender ist im Urlaub und deshalb gehindert zu unterschreiben.

Sost-Scheible
Feilcke

Meta

4 StR 190/17

02.08.2017

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.08.2017, Az. 4 StR 190/17 (REWIS RS 2017, 7033)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 7033

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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