Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.03.2014, Az. X ARZ 664/13

10. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 7249

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Gegenstand

Zuständigkeitsbestimmung durch den Bundesgerichtshof: Negativer Kompetenzkonflikt zwischen dem Kartellsenat und einem Zivilsenat des Oberlandesgerichts


Leitsatz

Der Bundesgerichtshof ist bei einem negativen Kompetenzkonflikt zwischen dem Kartellsenat und einem Zivilsenat des Oberlandesgerichts nicht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts berufen.

Tenor

Die Vorlage an den [X.] ist unzulässig.

Gründe

1

I. Die Parteien sind Gesellschafter einer GmbH & Co. KG und deren persönlich haftender Gesellschafterin und streiten um den Ausschluss der Beklagten aus diesen Gesellschaften. Durch Teilurteil vom 15. Oktober 2012 hat das [X.] die Beklagte als Kommanditistin und unter bestimmten Maßgaben als Gesellschafterin der Komplementär-GmbH ausgeschlossen. Beide Parteien haben Berufung eingelegt. Der mit der Sache zunächst befasste [X.] des [X.] hat die Parteien darauf hingewiesen, er beabsichtige, die Sache an den 7. Zivilsenat abzugeben, weil es sich nicht um eine Kartellstreitsache handele. Er hat die Akten sodann dem 7. Zivilsenat mit der Bitte um Übernahme zugeleitet. Der Vorsitzende des [X.] hat die Übernahme abgelehnt. Es werde zwar nicht in Abrede gestellt, dass der Rechtsstreit als Handelssache anzusehen sei, doch sei die Zuständigkeit des [X.]s durch die Zuständigkeit für ein vorangegangenes Berufungsverfahren über ein erstes Teilurteil begründet worden. Diese Zuständigkeit setze sich nach den Regelungen im Geschäftsverteilungsplan des [X.] auch in dem Berufungsverfahren gegen das zweite Teilurteil fort. Der [X.] hat daraufhin am 22. Februar 2013 einen Beschluss gefasst, wonach der 7. Zivilsenat für die Sache zuständig sei. Das sodann vom 7. Zivilsenat angerufene Präsidium des [X.] hat beschlossen, dass die Sache in die Zuständigkeit des [X.]s falle.

2

Mit Beschluss vom 16. Dezember 2013 hat der [X.] die Sache dem [X.] zur Bestimmung des zuständigen Senats vorgelegt.

3

II. Die Vorlage ist unzulässig. Eine Zuständigkeit des [X.]s zur Entscheidung über den negativen [X.] ist nicht gegeben.

4

1. Seit der Ergänzung von § 36 ZPO um die Absätze 2 und 3 durch das Gesetz zur Neuregelung des [X.] vom 22. Dezember 1997 ([X.] I, [X.]) ist der [X.] nur noch sehr eingeschränkt für die Bestimmung des Gerichtsstands zuständig. Der [X.] hat nach § 36 Abs. 3 ZPO auf Vorlage zu entscheiden, wenn das vorlegende [X.] bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts von der Entscheidung eines anderen [X.] oder des [X.]s abweichen will. Eine Zuständigkeit des [X.]s kommt nach § 36 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ferner in Betracht, wenn das an sich zur Bestimmung zuständige Gericht verhindert ist. Schließlich ist der [X.] in entsprechender Anwendung von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO für die Bestimmung des Gerichtsstands zuständig, wenn zwei Gerichte unterschiedlicher Rechtswege ihre Zuständigkeit verneint haben und der [X.] als erster der in Betracht kommenden obersten Gerichtshöfe des [X.] darum angegangen wird ([X.], Beschluss vom 14. Mai 2013 - [X.] 167/13, [X.], 1242 Rn. 4 mwN). Keiner dieser Fälle liegt hier vor.

5

2. Vor der erwähnten Gesetzesänderung hat sich der [X.] in entsprechender Anwendung von § 36 Nr. 6 ZPO in der bis zum 31. März 1998 geltenden Fassung auch dann als zuständig angesehen, wenn ein negativer [X.] zwischen zwei Senaten eines [X.] bestand und dem Präsidium des betroffenen [X.] eine Entscheidung verwehrt war. Dies wurde in den Fällen angenommen, in denen der negative [X.] nur durch Auslegung einer gesetzlichen Zuständigkeitsregelung gelöst werden konnte. Zur Begründung hat der [X.] darauf verwiesen, dass es in solchen Fällen dem Präsidium des Gerichts, das als richterliches Selbstverwaltungsorgan gemäß § 21e [X.] bei einer den Geschäftsverteilungsplan betreffenden Meinungsverschiedenheit mehrerer Spruchkörper grundsätzlich eingreifen kann, verwehrt ist, den Konflikt durch Anwendung einer gesetzlichen Zuständigkeitsnorm verbindlich zu entscheiden ([X.], Beschluss vom 3. Mai 1978 - [X.], [X.]Z 71, 264, 270; Beschluss vom 14. Juli 1993 - [X.] 16/93, NJW-RR 1993, 1282).

6

Diese Zuständigkeit besteht jedoch seit der Einführung von § 36 Abs. 2 ZPO nicht mehr. Zwar handelt es sich, worauf der vorlegende [X.] zutreffend hinweist, bei § 91 [X.] um eine gesetzliche Zuständigkeitsregelung. Deshalb ist ein [X.] zwischen einem Zivilsenat und einem an demselben Gericht bestehenden [X.] nicht vom Präsidium zu entscheiden, soweit es um die Reichweite von § 91 [X.] geht ([X.]/E DE-R 2817 - Entgelt für Nutzung von Bahnhöfen; [X.] in KK-KartR, § 91 [X.] Rn. 19; [X.] in [X.][X.]/[X.], Kartellrecht, 2. Aufl., § 91 [X.] Rn. 19; [X.] in [X.]/Bunte, Kartellrecht, 11. Aufl., § 91 [X.] Rn. 8). Eine Zuständigkeit des [X.]s ist jedoch durch § 36 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen (zutreffend [X.] aaO). In der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des [X.] wird darauf verwiesen, die Einführung von § 36 Abs. 2 ZPO diene der Entlastung der obersten [X.]gerichte von Routineaufgaben bei der Bestimmung des Gerichtsstands. Der [X.] solle zwar in den Fällen eines negativen [X.]s zwischen Gerichten verschiedener Gerichtszweige zuständig bleiben, hingegen von der Entscheidung im Falle eines Zuständigkeitskonflikts zwischen einem Zivil- und einem Familiensenat eines [X.] entlastet werden (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 13/9124, S. 45 f.). An der fehlenden Zuständigkeit des [X.]s hat es nichts geändert, dass die genannten Fälle nunmehr nach § 17a Abs. 6 [X.] nach den Bestimmungen des § 17a Abs. 1 bis 5 [X.] zu entscheiden sind; vielmehr befindet der [X.] nunmehr unter den Voraussetzungen des § 17a Abs. 4 [X.] (nur) über eine vom [X.] zugelassene Rechtsbeschwerde.

7

3. Der [X.] ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt zur (deklaratorischen) Bestimmung des zuständigen Gerichts berufen, dass das gesetzliche Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Gerichts, insbesondere ein Verfahren nach § 17a [X.], abgeschlossen ist, gleichwohl das danach zuständige Gericht nicht bereit ist, die Sache zu entscheiden.

8

a) Der vorlegende [X.] und der 7. Zivilsenat des [X.] gehen noch übereinstimmend davon aus, dass keine gesetzlich nach § 91 Satz 2 in Verbindung mit § 87 [X.] dem [X.] zugewiesene Berufung vorliegt. Soweit die Senate hingegen darüber streiten, ob - wie vom [X.] des [X.] angenommen - den §§ 87 ff. [X.] ein gesetzlicher Ausschluss seiner Zuständigkeit für das vorliegende Berufungsverfahren zu entnehmen ist, hat der [X.] des [X.] zu Unrecht seine Zuständigkeit für eine (vorbehaltlich einer Divergenz im Sinn des § 36 Abs. 3 ZPO, vgl. [X.], Beschluss vom 12. Juni 2012 - [X.] 195/12, juris Rn. 5) vom [X.] München zu treffende Zuständigkeitsbestimmung angenommen. Eine Zuständigkeit der Kartellgerichte für eine solche Zuständigkeitsbestimmung kann nicht aus den Regelungen der §§ 87, 91 [X.] hergeleitet werden und folgt auch nicht aus der weder unmittelbar noch entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 17a Abs. 6 [X.]. Sie dürfte sich auch nicht aus dem Geschäftsverteilungsplan des [X.] ableiten lassen, dessen Regelung zu [X.] nicht den Fall betrifft, dass zwischen dem [X.] und einem anderen Senat des [X.] Meinungsverschiedenheiten über die Zuständigkeit bestehen; jedenfalls ist hiervon ersichtlich das zur Auslegung des [X.] berufene Präsidium des [X.] ausgegangen.

9

b) Eine über den gesetzlichen Umfang hinausgehende Zuweisung von Rechtssachen an den [X.] durch Geschäftsverteilungsplan ist zumindest insoweit nicht ausgeschlossen, als sie in engem Zusammenhang mit dessen gesetzlicher Zuständigkeit steht und ihr ein sachlich gerechtfertigtes Bedürfnis zugrundeliegt. Danach ist insbesondere eine an Vorbefassung mit dem Rechtsstreit anknüpfende Zuweisung zum [X.] nicht ausgeschlossen. Ob die Bestimmung zu [X.] des [X.] des [X.] eine solche Regelung gerade auch für den [X.] treffen will, ist durch Auslegung zu ermitteln und im Streitfall vom Präsidium des [X.] zu klären (vgl. [X.] in KK-KartR, § 91 [X.] Rn. 19). Da der Beschluss des Präsidiums des [X.] vom 18. Juli 2013 keine Begründung enthält, wird der [X.] gegebenenfalls das Präsidium erneut mit der Sache zu befassen haben.

Meier-Beck                      Hoffmann                            Schuster

                   Deichfuß                         [X.]

Meta

X ARZ 664/13

11.03.2014

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ARZ

vorgehend OLG München, 16. Dezember 2013, Az: U 4898/12 Kart

§ 36 Abs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.03.2014, Az. X ARZ 664/13 (REWIS RS 2014, 7249)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7249

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