Bundesfinanzhof, Beschluss vom 14.10.2010, Az. X S 19/10

10. Senat | REWIS RS 2010, 2393

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Anhörungsrüge: Zeitpunkt der Kenntnis von einer Gehörsverletzung - Statthaftigkeit einer Gegenvorstellung


Leitsatz

1. NV: Für die Berechnung der Zweiwochenfrist i.S.d. § 133a Abs. 2 Satz 1 FGO kommt es darauf an, wenn der Steuerpflichtige oder sein Prozessbevollmächtigter Kenntnis von dem Umstand erhalten, der ihrer Meinung nach eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör begründen soll.

2. NV: Es ist unerheblich, wann ein bislang nicht beauftragter Prozessbevollmächtigter im Rahmen der Prüfung des Sachverhaltes und der Sichtung Unterlagen von dem Umstand einer Gehörsverletzung Kenntnis erlangt.

Tatbestand

1

I. Das Finanzgericht ([X.]) hat die Klage der Kläger, Beschwerdeführer und Rügeführer (Kläger) abgewiesen, weil die Klagefrist nicht eingehalten worden war. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde nicht gewährt. Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat der angerufene Senat durch Beschluss vom 17. März 2010 [X.]/09, abgesandt am 29. April 2010, als unbegründet zurückgewiesen.

2

Gegen diesen Beschluss haben die Kläger die vorliegende Anhörungsrüge erhoben, die am 2. Juli 2010 beim [X.] ([X.]) eingegangen ist. Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor, dass unter Berücksichtigung des dem Urteil zugrunde liegenden Streitstandes das Schreiben des [X.] vom 21. November 2007 an das [X.] nicht ausreichend gewürdigt worden sei. Das [X.] habe den darin enthaltenen Antrag auf das verfahrensrechtlich Mögliche stillschweigend reduziert, "ohne dass über den [X.] entschieden wurde oder zumindest dem Kläger mitgeteilt wurde, dass die Aussetzungsentscheidung des Finanzamts keine Einspruchsentscheidung in der Hauptsache ist und diese abgewartet werden müsse, bis Klage erhoben werden kann". Es sei verfahrensrechtlich nicht zulässig, eine Klage überhaupt nicht zur Kenntnis zu nehmen. Hierdurch sei der Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise verletzt worden. Bei Berücksichtigung dieses Schreibens wäre den Klägern kein Verschulden für die Fristversäumung anzulasten gewesen, deshalb sei die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör auch für das Wiedereinsetzungsverfahren entscheidungsrelevant.

3

Hilfsweise beantragen die Kläger, ihr Vorbringen als Gegenvorstellung zu werten. Es liege ein Verstoß gegen die durch Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes garantierte Rechtsschutzgarantie vor, da die vom Kläger am 21. November 2007 eingereichte Klage nicht beschieden worden sei. Zudem habe der Kläger wegen der Beschlagnahme seiner gesamten Unterlagen während des bisherigen [X.] und Gerichtsverfahrens keine detaillierte Stellungnahme abgeben können. Da er die Akten am 26. März 2010 zurückerhalten habe, könne er nun die entsprechenden Aufstellungen fertigen. Im Übrigen liege kein gewerblicher Grundstückshandel vor. Sollte demgegenüber ein gewerblicher Grundstückshandel angenommen werden, begehren die Kläger die Berücksichtigung der Grundstücksveräußerungen der Jahre 1992 bis 1996, da sie nach ihren Berechnungen bei keinem Objekt einen Gewinn erzielt hätten.

Entscheidungsgründe

4

II. 1. Die gemäß § 133a der Finanzgerichtsordnung (FGO) statthafte Anhörungsrüge ist als unzulässig zu verwerfen, da sie nicht in der gesetzlichen Frist erhoben worden ist (§ 133a Abs. 4 Satz 1 FGO).

5

a) Gemäß § 133a Abs. 2 Satz 1 FGO ist die Rüge innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben. Der Beschluss des [X.] vom 17. März 2010 wurde am 29. April 2010 abgesandt und gilt damit als am 3. Mai 2010 bekannt gegeben. Bereits mit der Bekanntgabe des in vollständiger Form abgefassten Beschlusses erhielten die anwaltlich vertretenen Kläger Kenntnis von den Entscheidungsgründen und damit auch von dem Umstand, der ihrer Meinung nach eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör begründen soll, nämlich die --vermeintlich-- fehlende Berücksichtigung ihres Schreibens vom 21. November 2007. Für die Frage der Kenntnis i.S. des § 133a Abs. 2 Satz 1 FGO ist es dagegen unerheblich, wann ein bislang nicht beauftragter Prozessbevollmächtigter im Rahmen der Prüfung des Sachverhaltes und der Sichtung der von den Klägern zur Verfügung gestellten Unterlagen von dem Umstand einer Gehörsverletzung Kenntnis erlangt.

6

b) Die Kläger haben keine weitere Gehörsverletzung geltend gemacht, die nicht aus den Entscheidungsgründen ersichtlich gewesen wäre und bei der die Frist erst mit deren positiver Kenntniserlangung begonnen hätte (vgl. [X.]/Vollkommer, Zivilprozessordnung, 28. Aufl., § 321a Rz 14).

7

c) Die Anhörungsrüge ist erst am 2. Juli 2010 und damit verspätet beim [X.] eingegangen. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind nicht geltend gemacht worden und aus den Akten auch nicht erkennbar.

8

2. Die hilfsweise erhobene Gegenvorstellung der Kläger ist nicht statthaft.

9

a) Nach der neueren Rechtsprechung des [X.] (Beschluss vom 25. November 2008  1 BvR 848/07, [X.] 122, 190) und des [X.] (Beschlüsse vom 1. Juli 2009 [X.], [X.]E 225, 310, BStBl II 2009, 824; vom 19. November 2009 III S 43/09, [X.]/NV 2010, 453, und vom 28. Mai 2010 III S 11/10, [X.]/NV 2010, 1651) kann eine Gegenvorstellung nur noch gegen eine abänderbare Entscheidung des Gerichts erhoben werden. Die Entscheidung über die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde wird hingegen materiell rechtskräftig und ist daher nicht mehr änderbar.

b) Selbst wenn die Statthaftigkeit der Gegenvorstellung unterstellt würde, wäre sie nur dann zulässig, wenn substantiiert dargelegt würde, die angegriffene Entscheidung beruhe auf schwerwiegenden Grundrechtsverstößen oder sie entbehre jeder gesetzlichen Grundlage ([X.]-Beschluss vom 13. Oktober 2005 [X.], [X.]E 211, 13, [X.], 76). Solche Einwendungen haben die Kläger nicht geltend gemacht. Insbesondere zeigt ihr Vortrag keine greifbare Gesetzeswidrigkeit der angegriffenen Entscheidung auf.

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133a Abs. 4 Satz 4 FGO).

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Gerichtskosten für die Anhörungsrüge richten sich nach Nr. 6400 des [X.] zum Gerichtskostengesetz --GKG-- (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG). Es fällt eine Festgebühr von 50 € an. Im Übrigen ergeht die Entscheidung gerichtsgebührenfrei ([X.]-Beschluss vom 14. November 2006 [X.], [X.]/NV 2007, 474).

Meta

X S 19/10

14.10.2010

Bundesfinanzhof 10. Senat

Beschluss

vorgehend BFH, 17. März 2010, Az: X B 114/09, Beschluss

§ 133a FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 14.10.2010, Az. X S 19/10 (REWIS RS 2010, 2393)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 2393


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. X S 19/10

Bundesfinanzhof, X S 19/10, 14.10.2010.


Az. X B 114/09

Bundesfinanzhof, X B 114/09, 17.03.2010.


Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

X S 8/11 (Bundesfinanzhof)

Anhörungsrüge: Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs - Wesen der Prozessvollmacht - Zulässigkeit einer …


X S 31/09 (Bundesfinanzhof)

Tatsachenfeststellung und rechtliche Würdigung beim gewerblichen Grundstückshandel - Gegenvorstellung gegen nicht abänderbare gerichtliche Entscheidung nicht …


I S 14, 15/13, I S 14/13, I S 15/13 (Bundesfinanzhof)

Gegenvorstellung und Anhörungsrüge


V S 13/14 (Bundesfinanzhof)

Anhörungsrüge: Keine Befangenheit des Richters wegen bloßer Vorbefassung in der Rechtssache - Keine Gehörsverletzung wegen …


III S 11/11 (Bundesfinanzhof)

Fristbeginn für die Erhebung einer Anhörungsrüge - Keine Aussetzung des Verfahrens bei unzulässigem Rechtsbehelf


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

1 BvR 848/07

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.