Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.05.2012, Az. VI ZB 27/11

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 6425

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI [X.]

vom

15. Mai 2012

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 233 (Fc); ZPO § 99 Abs. 1
a)
Weist der Rechtsanwalt eine Kanzleikraft mündlich an, die von ihm errechnete Berufungsbegründungsfrist nebst Vorfrist zu notieren, ist durch geeignete [X.] Vorkehrungen sicherzustellen, dass die Eintragung nicht in [X.] gerät. Dazu ist konkret vorzutragen.
b)
Ist eine Rechtsbeschwerde zur Hauptsache unzulässig, weil die Voraussetzungen des §
574 Abs.
2 ZPO nicht vorliegen, sind auch Angriffe gegen die Kostenent-scheidung des angegriffenen Beschlusses unzulässig.

[X.], Beschluss vom 15. Mai 2012 -
VI [X.] -
OLG [X.]

LG Heilbronn

-
2
-
Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat am 15. Mai 2012
durch den [X.] [X.],
die
Richter Zoll,
Wellner
und Stöhr, und die Richterin von Pentz

beschlossen:
Die
Rechtsbeschwerde
gegen den
Beschluss des
5. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts [X.]
vom 28. März
2011 wird auf Kosten der Klägerin als unzulässig verworfen.
[X.]: 1.837,52

Gründe:
I.
Die
Klägerin
nimmt
die Beklagten
auf Schadensersatz
wegen der Folgen eines Verkehrsunfalls
in Anspruch.
Das [X.] hat die
Klage teilweise ab-gewiesen.
Das Urteil wurde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 5.
November 2010 zugestellt. Diese legte gegen das Urteil mit Schriftsatz vom 6.
Dezember 2010 (Montag), der am selben Tag vorab per Telefax beim [X.] einging, Berufung ein. Mit einem an das [X.] gerichteten Schriftsatz vom selben Tag beantragte die Klägerin, das Urteil im Tenor zu
be-richtigen. Mit Verfügung vom 7. Januar 2011 wies der Senatsvorsitzende auf
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die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist hin. Mit Schriftsatz vom 19.
Januar 2011, der taggleich per Telefax übermittelt wurde, beantragte die Klägervertreterin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Gleichzeitig hat sie
die Berufung begründet und beantragt, das
angefochtene Urteil des Landge-richts dahingehend abzuändern, dass die Beklagten verurteilt werden, an die Klägerin weitere 1.837,52

zahlen.
Das Berufungsgericht hat die Berufung unter Zurückweisung des
[X.]santrags
als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft

574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1, §
238 Abs.
2 Satz
1, §
522 Abs.
1 Satz 4
ZPO).
Sie ist aber unzulässig.
Weder der [X.] der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache

574 Abs.
2 Nr.
1 ZPO)
noch der der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§
574 Abs.
2 Nr.
2 ZPO) liegen vor.
1. Das Berufungsgericht hat die Ablehnung der Wiedereinsetzung wie folgt begründet:
Der Klägerin sei keine Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der [X.] zu gewähren. Die Einhaltung der Berufungsbegrün-dungsfrist sei durch ein Verschulden
der Prozessbevollmächtigten der Klägerin
versäumt worden;
dieses sei der Klägerin
gemäß §
85 Abs.
2 ZPO zuzurech-nen.
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Im Zusammenhang mit der erforderlichen Fristenkontrolle komme [X.] nur in Betracht, wenn Fehler allein auf das Verhalten Dritter,
ins-besondere des [X.], zurückzuführen seien. Fehlerquellen müssten beim Eintragen und Behandeln von Fristen möglichst
ausgeschlossen sein. [X.] die mündliche Anweisung einen so wichtigen Vorgang wie die Eintragung einer Rechtsmittelfrist, müssten in der Kanzlei ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sein, dass die Anweisung in Vergessenheit gerate und die Fristeintragung [X.]. Insoweit müsse die unverzügliche Ausführung der Weisung verlangt werden. Sehe der Rechtsanwalt davon ab, gereiche ihm zum Verschulden, dass er keine Vorkehrungen dagegen getroffen habe, die Ausführung seiner Anweisung sicherzustellen oder zu kontrollieren.
Diese Voraussetzungen habe die Klägerin nicht dargetan. Dass gemäß allgemeiner Büroanweisung in der Kanzlei der Klägervertreterin die von dem Rechtsanwalt errechnete Berufungsbegründungsfrist umgehend mit einer ent-sprechenden Vorfrist von einer Woche im [X.] einzutragen sei, ge-nüge bei einer mündlich erteilten [X.] nicht. Vielmehr sei, wenn der Rechtsanwalt keine schriftliche Weisung erteile, zusätzlich die klare und präzise Anweisung erforderlich, die Frist sofort zu notieren, damit sie nicht in [X.] geraten könne. Wenn weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht sei, dass die Organisation der Fristenkontrolle diesen Anforderungen genügt habe, sei ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten nicht ausgeschlossen und der Antrag auf Wiedereinsetzung zurückzuweisen.
2. Diese Ausführungen
betreffen weder noch nicht vom [X.] entschiedene Fragen von grundsätzlicher Bedeutung, noch
lassen sie
Rechtsfehler erkennen, die die Rechtsbeschwerde als zulässig i.S. des §
574 Abs.
2 ZPO erscheinen lassen könnten.

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a) Die Rechtsbeschwerde beruft sich darauf, grundsätzlich dürfe ein Rechtsanwalt nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] da-rauf vertrauen, dass eine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwie-sen habe, eine konkrete [X.] befolge. Mit dieser Begründung kann indes ein Verschulden der Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht verneint werden.
Zwar kommt es auf die allgemeinen organisatorischen Vorkehrungen in einer Rechtsanwaltskanzlei für die Fristwahrung nicht entscheidend an, wenn der Rechtsanwalt von ihnen abweicht und stattdessen eine genaue Anweisung für den konkreten Fall erteilt, deren Befolgung die Fristwahrung sichergestellt hätte,
wobei der Rechtsanwalt im allgemeinen nicht verpflichtet
ist, sich an-schließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern. In einem sol-chen Fall ist für die Fristversäumnis nicht die Büroorganisation, sondern der Fehler des Mitarbeiters ursächlich, weil ein Rechtsanwalt grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass die einem zuverlässigen Mitarbeiter erteilte Einzelanwei-sung befolgt wird. Jedoch kann eine konkrete [X.] den [X.] dann nicht von einer unzureichenden Büroorganisation entlasten, wenn diese die bestehende Organisation nicht außer [X.] setzt, sondern sich darin einfügt und nur einzelne Elemente ersetzt, während andere ihre Bedeutung be-halten, die bestimmt sind, der Fristversäumnis entgegenzuwirken, dieses infol-ge eines Organisationsmangels aber nicht bewirken
(vgl. Senatsbeschlüsse
vom 11.
Februar 2003 -
VI
ZB 38/02, [X.], 1462;
vom 4. November 2003 -
VI
ZB 50/03, [X.], 94, 95;
vom 22. Juni 2004 -
VI
ZB 10/04, [X.], 383 f.; vom 12. Januar 2010 -
VI
ZB 64/09, NJW-RR 2010, 417 Rn.
7; vom 13. Juli 2010 -
VI
ZB 1/10, NJW 2011, 151 Rn.
13;
jeweils
mwN).
Betrifft die Anweisung einen so wichtigen Vorgang wie die Eintragung ei-ner Rechtsmittelfrist und wird sie nur mündlich erteilt, müssen in der Kanzlei 10
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ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sein, dass die Anweisung in Vergessenheit gerät und die Fristeintragung unterbleibt. In einem solchen Fall bedeutet das Fehlen jeder Sicherung einen entscheidenden Orga-nisationsmangel (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Juni 2004 -
VI
ZB 10/04, [X.], 383 f.).
Mit Recht nimmt das Berufungsgericht an, dass nach dem Vortrag der Klägerin zu ihrem Wiedereinsetzungsgesuch, dessen Richtigkeit die Prozess-bevollmächtigte
anwaltlich versichert und durch Vorlage
der eidesstattlichen Versicherung der [X.] weiter glaubhaft
gemacht hat, nicht davon ausgegangen werden kann, dass das Vorgehen der Anwältin im vorliegenden Fall diesen Anforderungen genügt hat. In dem Wiedereinsetzungsgesuch heißt es u.a.:
"sodann vorgelegt, bearbeitet und letztendlich am [X.] erledigt. Weiterhin dem üblichen Ablauf folgend hatte die Unterzeichnerin mit der Erstellung der Berufungsschrift die Berufungsbegründungsfrist korrekt auf den 05.01.2011 be-notieren. Darüber hinaus erfolgte die [X.] durch die Unterzeichne-rin, die sonst übliche Vorfrist von einer Woche nicht auf
den 29.12.2010 einzu-tragen, sondern bereits auf den 20.12.2010, um hier vor dem Weihnachtsurlaub der Unterzeichnerin, welcher vom 23. bis
31.12.2010 dauerte, beim [X.] Heilbronn wegen des Sachstandes
der beantragten Urteilsberichtigung nachzu-fragenu-"
Dem ist nicht zu entnehmen, dass die Prozessbevollmächtigte der Kläge-rin ihrer Kanzleikraft mündlich die umgehende
Erledigung aufgetragen hat, und 13
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auch nicht, welche organisatorischen Absicherungen dagegen bestanden, dass die Anweisung in Vergessenheit geriet.
b) Die Rechtsbeschwerde
meint, es habe ausgereicht, dass
in der Praxis der Prozessbevollmächtigten die allgemeine Anweisung bestanden habe, Beru-fungsbegründungsfristen mit einer entsprechenden Vorfrist von einer Woche im [X.] einzutragen. Damit wird indes für den vorliegenden Fall ein feh-lendes Verschulden nicht dargelegt.
Insoweit beruft sich die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg auf den [X.] vom 4. November 2003 ([X.], aaO, unter [X.])
a.E.). In jener Entscheidung hat der Senat ausgeführt, wenn ein so wichtiger Vorgang wie die Notierung einer Berufungsfrist nur mündlich vermittelt werde, dann be-deute das Fehlen jeder Sicherung einen entscheidenden Organisationsmangel (aaO, unter [X.]) bb)
a.E.). Die von der Rechtsbeschwerde zitierte Textstelle besagt
-
in Abgrenzung zu der
zuvor erörterten Fragestellung in anderen Ent-scheidungen
-
lediglich, dass es hinsichtlich der Eintragung von [X.] allgemeiner Anweisungen bedarf. Dass auch
ausreichende organisatori-sche Vorkehrungen dagegen getroffen sein
müssen, dass
eine
mündliche Ein-zelanweisung in Vergessenheit gerät und die Fristeintragung unterbleibt, ist schon zuvor ausgeführt (aaO).
Dem Vorbringen der Klägerin ist insoweit nur zu entnehmen, dass ihre Prozessbevollmächtigte die Kanzleiangestellte mündlich anwies, die von ihr errechnete Frist einzutragen verbunden mit
der Anweisung, die Vorfrist bereits auf den 20. Dezember 2010 zu notieren. Dass eine umgehende Erledigung [X.] worden sei, wird nicht behauptet. Inwieweit die allgemeine Anweisung, Fristen umgehend einzutragen, für den Fall mündlicher [X.]en das "gebotene Mittel" gegen das Vergessen sein soll, ist nicht ersichtlich, zumal 16
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nichts zur
(vorgesehenen) Behandlung der Handakte und zur Kontrolle der Ein-tragung im vorliegenden Fall und in ähnlichen Fällen vorgetragen ist.
c) Unter diesen Umständen kann dahinstehen, ob -
wie die Rechtsbe-schwerdeerwiderung meint
-
die Prozessbevollmächtigte der Klägerin bereits deshalb ein Verschulden trifft, weil bereits im Rahmen der Bearbeitung der Handakte für die Berufungseinlegung Maßnahmen zur Eintragung der Beru-fungsbegründungsfrist und deren Kontrolle hätten ergriffen werden müssen.
3. Soweit die Rechtsbeschwerde die Kostenentscheidung des angefoch-tenen Beschlusses beanstandet, ist das Rechtsmittel ebenfalls unzulässig. Nach §
99 Abs.
1 ZPO ist die Anfechtung einer Kostenentscheidung unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel einge-legt wird. Das Rechtsmittel zur Hauptsache, das die zugehörige Kostenent-scheidung mit umfasst, muss zulässig eingelegt sein (vgl. [X.], ZPO, 9.
Aufl., §
99 Rn.
5;
[X.] in Prütting/Gehrlein/[X.], ZPO,
3.
Aufl.,
§
99 Rn.
2;
Zöller/[X.], ZPO, 29.
Aufl., §
99 Rn.
4).
Daran fehlt es hier, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen
(oben 2)
ergibt.
Darauf, ob und inwieweit es nach der obergerichtlichen Rechtsprechung
gerechtfertigt ist, im Falle einer Anschlussberufung bei der Verwerfung der Be-rufung
als unzulässig dem Kläger die vollen Kosten des Rechtsmittelverfahrens nach dem Streitwert aus Berufung und Anschlussberufung aufzuerlegen, kommt es danach nicht an, selbst wenn -
wie die Rechtsbeschwerde geltend

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macht
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die Kostenentscheidung des angefochtenen Beschlusses in Divergenz zu anderen obergerichtlichen Entscheidungen stehen sollte.
Galke
Zoll
Wellner

Stöhr
von Pentz

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 29.10.2010 -
2 O 119/10 -

OLG [X.], Entscheidung vom 28.03.2011 -
5 [X.] -

Meta

VI ZB 27/11

15.05.2012

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.05.2012, Az. VI ZB 27/11 (REWIS RS 2012, 6425)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6425

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Wird zitiert von

X ZR 110/13

Zitiert

VI ZB 27/11

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