Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.06.2017, Az. 3 StR 48/17

3. Strafsenat | REWIS RS 2017, 9651

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Gegenstand

Revision in Strafsachen: Wahrunterstellung durch das Erstgericht bei nicht ausreichend konkretisiertem Beweisbegehren; Prüfungsmaßstab für das Revisionsgericht


Tenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 26. Oktober 2015 im Ausspruch über den [X.] aufgehoben, soweit die Beschwerdeführer als Gesamtschuldner verurteilt worden sind, den Adhäsionskläger von der Zahlung außergerichtlicher Kosten in Höhe von 492,54 € freizustellen; insoweit wird von der Entscheidung über den [X.] abgesehen.

2. Bezüglich des Angeklagten [X.]       wird festgestellt, dass das Verfahren rechtsstaatswidrig verzögert worden ist.

3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

4. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagten [X.]und Je.        P.     des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen und gegen [X.] P.       eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten sowie gegen Je.      P.     eine Jugendstrafe von drei Jahren und neun Monaten verhängt. Die Angeklagte [X.]hat es wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Zudem hat es eine Adhäsionsentscheidung getroffen und dabei unter anderem die Angeklagten als Gesamtschuldner verurteilt, den Adhäsionskläger von der Zahlung außergerichtlicher Kosten in Höhe von 492,54 € freizustellen. Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten die Verletzung materiellen Rechts; die Angeklagten [X.] und Je.       P.       beanstanden darüber hinaus auch das Verfahren. Die Rechtsmittel bleiben zum Schuld- und Strafausspruch ohne Erfolg. Auf die Revision des Angeklagten [X.]      P.     ist festzustellen, dass das Verfahren rechtsstaatswidrig verzögert worden ist. Der Adhäsionsausspruch kann in dem dargelegten Teil nicht bestehen bleiben.

2

Über die zutreffenden Darlegungen in den [X.] des [X.] hinaus bedarf lediglich Folgendes der Erörterung:

3

1. Die von den Angeklagten [X.] und Je.        P.      erhobene Beanstandung, § 244 Abs. 3, 4 und 6, § 261 [X.] seien verletzt, weil die [X.] unter Beweis gestellte Umstände als wahr unterstellt und dabei das Beweisbegehren nicht vollständig ausgeschöpft habe, dringt nicht durch.

4

Zu den Ausführungen des [X.], der in diesem Zusammenhang u.a. darauf abgestellt hat, es fehle an einer ausreichend bestimmten [X.], soweit die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Weg-Zeit-Berechnung am Tattag beantragt worden sei, gilt:

5

Nicht ausreichend konkretisierte, unklare oder widersprüchliche [X.]n dürfen zwar grundsätzlich nicht als wahr unterstellt werden. Enthält das Beweisbegehren derartige Behauptungen, so hat das Gericht vor der [X.] darauf hinzuwirken, dass die [X.] präzisiert oder ihr Sinn klargestellt wird. Unterlässt es dies jedoch und unterstellt das Vorbringen gleichwohl als wahr, so ist es an diese Zusage in derselben Weise gebunden, als wenn es sich hierbei um eine ausreichend konkretisierte [X.] gehandelt hätte. Hieraus folgt zunächst, dass es sich in den Urteilsgründen nicht in Widerspruch zu der [X.] setzen darf. Im Übrigen kann das Revisionsgericht angesichts der Zusage einer [X.] nicht darauf abstellen, dass es dem Tatgericht möglich gewesen wäre, eine unzureichende Konkretisierung der [X.] anzunehmen; vielmehr ist es im Falle einer [X.] unerheblich, ob das Antragsvorbringen den [X.] an eine [X.] genügt (vgl. zu alldem [X.], Urteil vom 9. Mai 1994 - 5 StR 354/93, [X.]St 40, 169, 185; Beschluss vom 16. September 1997 - 5 [X.], [X.], 13, 14; [X.]/[X.], [X.], 26. Aufl., § 244 Rn. 304 mwN). Dies bedeutet, dass sich die revisionsrechtliche Überprüfung bei Behauptungen, deren Inhalt als wahr unterstellt wird, einheitlich nach den im Rahmen des § 244 Abs. 3 [X.] geltenden Maßstäben vollzieht, nicht aber - wie sonst bei einem Vorbringen, das die Anforderungen an eine [X.] wegen mangelnder Bestimmtheit nicht erfüllt - nach denjenigen des § 244 Abs. 2 [X.].

6

Dessen eingedenk hat die [X.] in den Urteilsgründen nicht gegen die zugesagte [X.] verstoßen. Die Auslegung des Beweisvorbringens (zu dem hieran anzulegenden Maßstab vgl. etwa [X.], Urteile vom 13. August 1991 - 5 [X.], [X.]R [X.] § 244 Abs. 3 Satz 2 [X.] 23; vom 15. November 1994 - 1 StR 550/94, [X.]R [X.] § 244 Abs. 3 Satz 2 [X.] 27; Beschluss vom 9. Januar 2008 - 5 [X.], [X.]R [X.] § 244 Abs. 3 Satz 2 [X.] 39) ergibt, dass das [X.] dieses nicht in unzulässiger Weise eingeengt oder verändert hat. Der Beweisantrag, der der [X.] zugrunde gelegen hat, enthält zunächst als Reaktion auf Hinweise des Gerichts in einem ersten Teil unter [X.] 1. und 2. Ausführungen dazu, weshalb aus Sicht der Verteidigung die Zeiträume von 10:02 Uhr bis 10:22 Uhr und 10:30 Uhr bis 11:00 Uhr nicht als Tatzeiträume in Betracht kamen, ohne dass insoweit Beweisangebote gemacht werden. Sodann folgen in einem neuen Abschnitt unter I[X.] Ausführungen dahin, dass es ausgeschlossen sei, "nach der Wegstrecke [X.] bis zum Funkmast [X.] um 10:22:55 Uhr, gleichwohl im Zeitfenster 10:34 Uhr bis 10:43 Uhr den [X.] zu erreichen". Im [X.] wird - ebenfalls noch unter I[X.] - beantragt, zu der Frage, ob es dem Angeklagten Je.       P.       aufgrund der besonderen Umstände im [X.] Straßenverkehr möglich gewesen sei, den [X.] "im streitbefangenen Zeitfenster" zu erreichen, ein Sachverständigengutachten einzuholen und weitere Beweise zu erheben. Damit belegen sowohl der Wortlaut des Antrags als auch dessen Sinnzusammenhang unter Berücksichtigung von Ablauf und Stand der Hauptverhandlung, dass die begehrte Beweiserhebung sich lediglich auf das Zeitfenster 10:34 Uhr bis 10:43 Uhr bezog. Nur soweit reicht folglich auch die [X.] des [X.]s. Nach den Urteilsfeststellungen begann der Überfall auf den [X.]     am 22. Juli 2014 erst gegen 11:00 Uhr, mithin außerhalb des in Rede stehenden Zeitraumes.

7

2. Die Strafzumessung betreffend die Angeklagte [X.]hält im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand. Zwar hat das [X.] die Strafe dem nach § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Rahmen entnommen, ohne zu erörtern, ob die allgemeinen Strafmilderungsgründe und gegebenenfalls der [X.] des § 27 Abs. 2 StGB zur Annahme eines minder schweren Falles nach § 224 Abs. 1, letzter Halbsatz StGB hätten führen können. Die ausgesprochene Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt ist, ist aber jedenfalls angemessen im Sinne des § 354 Abs. 1a [X.].

8

3. Der Angeklagte [X.]  P.      beanstandet in zulässiger Weise und in der Sache zu Recht, dass das Verfahren rechtsstaatswidrig verzögert worden ist, weil das [X.] erst nahezu sieben Monate nach der Urteilsabsetzung fertig gestellt worden ist. Zur Kompensation dieses Umstands genügt aus den vom [X.] im Einzelnen dargelegten Gründen die Feststellung der Verfahrensverzögerung, die der Senat in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 [X.] selbst vorgenommen hat.

9

4. Zu dem Adhäsionsausspruch hat der [X.] ausgeführt:

"Allerdings begegnet die Entscheidung über den Adhäsionsantrag des [X.] hinsichtlich des Ausspruchs über die Freistellung von der Zahlung außergerichtlicher Kosten in Höhe von 492,54 [X.] durchgreifenden rechtlichen Bedenken und ist daher insoweit aufzuheben. Es fehlen Ausführungen dazu, um welche Kosten es sich konkret handelt und wodurch diese entstanden sind. Die Ausführungen auf [X.] erlauben dem Senat nicht die Nachprüfung, ob der insoweit zuerkannte Anspruch auf materiellen Schadensersatz dem Grunde und der Höhe nach rechtsfehlerfrei bestimmt worden ist (vgl. auch [X.], Beschluss vom 22. Dezember 2011 - 4 StR 600/11). Daher ist insoweit gemäß § 406 Abs. 1 S. 3 [X.] von einer Entscheidung abzusehen."

Dem schließt sich der Senat an.

5. Die geringfügigen Erfolge der Rechtsmittel bieten keinen Anlass, die Verfahrenskosten oder die notwendigen Auslagen der Angeklagten auch nur teilweise der Staatskasse aufzuerlegen (§ 473 Abs. 4 [X.]).

[X.]     

       

Schäfer     

       

Spaniol

       

Berg     

       

Hoch     

       

Meta

3 StR 48/17

13.06.2017

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Wuppertal, 26. Oktober 2015, Az: 21 KLs 4/15

§ 244 Abs 2 StPO, § 244 Abs 3 S 2 StPO, § 261 StPO, § 267 StPO, § 352 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.06.2017, Az. 3 StR 48/17 (REWIS RS 2017, 9651)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 9651

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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3 StR 48/17

3 StR 313/19

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