Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 20.05.2010, Az. 7 B 28/10

7. Senat | REWIS RS 2010, 6447

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Gegenstand

Anspruch auf Informationszugang; Auslegung von § 4 Abs. 2 InfFrG RP


Gründe

I.

1

Der Kläger begehrt als Insolvenzverwalter Einsicht in von der Beklagten geführte Akten. Nachdem diese die beantragte [X.] abgelehnt hatte, haben Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht der Klage stattgegeben. Das Oberverwaltungsgericht hat dies im Wesentlichen damit begründet, ein entsprechender Anspruch des [X.] ergebe sich aus § 4 Abs. 1 Satz 1 des [X.] des [X.] ([X.]); er werde weder durch Vorschriften der [X.] noch des Bürgerlichen Gesetzbuchs verdrängt (§ 4 Abs. 2 [X.]), ihm stünden auch nicht § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] (- nachteilige Auswirkungen auf ein anhängiges Gerichtsverfahren -) oder § 9 Abs. 1 Nr. 6 [X.] (- Schaden für die wirtschaftlichen Interessen einer juristischen Person des öffentlichen Rechts -) entgegen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beklagten.

II.

2

Die Beschwerde ist unbegründet. Die allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung kommt der Rechtssache nicht zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

3

1. Soweit die Beschwerde die Fragen aufwirft,

ob der Antrag eines Insolvenzverwalters auf Auskunftserteilung über möglicherweise anfechtbare Rechtshandlungen gegenüber einem Sozialversicherungsträger nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] analog auch dann abzulehnen ist, wenn es ... um nachteilige Auswirkungen auf erst bevorstehende - statt "anhängige" - Gerichtsverfahren geht,

und

ob der entsprechende Antrag eines Insolvenzverwalters nach § 9 Abs. 1 Nr. 6 [X.] wegen eines Schadens der wirtschaftlichen Interessen des Sozialversicherungsträgers auch abzulehnen ist, wenn es nicht um die Preisgabe von wettbewerbsrelevanten Daten in Bezug auf andere Krankenkassen geht, sondern um den erleichterten Entzug der vereinnahmten Beiträge zu Lasten der Sozialversicherung,

scheitert die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache daran, dass sich das angefochtene Urteil zur Beantwortung dieser Fragen allein auf irrevisibles [X.]recht stützt. [X.] Fragen des [X.]rechts sind aber in einem künftigen Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Ohne Erfolg verweist die Beschwerde in diesem Zusammenhang auf § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO. Danach sind zwar Vorschriften des [X.]s eines [X.], die ihrem Wortlaut nach mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz des [X.] übereinstimmen, revisibel. Abgesehen davon, dass schon nach dem eigenen Vortrag der Beklagten der Wortlaut des [X.] des [X.] nicht mit den zitierten Vorschriften des [X.] des [X.] übereinstimmt, sind die Informationsfreiheitsgesetze jedoch keine [X.] im Sinne des § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO (Beschluss vom 1. November 2007 - BVerwG 7 [X.] - [X.] 451.90 Sonstiges Europ. Recht Nr. 210 Rn. 6).

4

Das Oberverwaltungsgericht hat sich bei der Auslegung des § 9 Abs. 1 Nr. 2 und 6 [X.] auch nicht durch bundesrechtliche Normen gebunden gesehen (vgl. hierzu Urteil vom 25. August 1992 - BVerwG 1 [X.] 38.90 - BVerwGE 90, 337 <342>), so dass sich auch nicht unter diesem Gesichtspunkt Fragen des revisiblen Rechts stellen.

5

2. Die weitere Frage,

ob Grundsätze und Regelungen der Zivilprozessordnung und der [X.] den Anspruch eines Insolvenzverwalters auf Auskunftserteilung über anfechtbare Rechtshandlungen gegenüber den Sozialversicherungsträgern gemäß § 4 Abs. 2 [X.] ausschließen,

ist jedenfalls nicht klärungsbedürftig.

6

Soweit sich das angefochtene Urteil mit § 4 Abs. 2 [X.] befasst, hat es - wie dargelegt - die Auslegung irrevisiblen [X.]rechts zum Gegenstand. [X.] Überprüfung könnte allenfalls die Frage offen stehen, ob die Zivilprozessordnung oder die [X.] als [X.]recht den Auskunftsanspruch des [X.] im Sinne von § 4 Abs. 2 [X.] ausschließen. Nach den irrevisiblen Vorgaben des § 4 Abs. 2 [X.] in der Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht verdrängen die dort genannten "besonderen Rechtsvorschriften" den Informationsfreiheitsanspruch nur dann, wenn sie denselben sachlichen Regelungsgegenstand - nämlich Zugang zu amtlichen Informationen - haben und diesen identischen Sachverhalt abschließend regeln (vgl. Berufungsurteil S. 7).

7

Auf der Grundlage dieser den Senat bindenden Auslegung des § 4 Abs. 2 [X.] lässt sich die aufgeworfene Frage ohne Weiteres im Sinne des angefochtenen Urteils beantworten. §§ 20, 97, 101 [X.] sagen zur Auskunftspflicht der Insolvenzgläubiger gegenüber dem Insolvenzverwalter nichts aus; sie regeln jedenfalls in diesem Verhältnis den Zugang zu amtlichen Informationen im Sinne der Rechtsprechung des [X.] ersichtlich nicht. Dass ein eventueller aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) hergeleiteter eingeschränkter Informationsanspruch den speziellen und im Einzelnen detailliert geregelten Anspruch auf Informationszugang nach den [X.] nicht verdrängt, ergibt sich - wie das Oberverwaltungsgericht überzeugend dargelegt hat - schon aus dem unspezifischen Regelungsgehalt des § 242 BGB im Vergleich zu der speziellen gesetzlichen Abwägung der Interessen in den [X.]. Es ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass ein eventueller, aus Treu und Glauben resultierender Informationsanspruch als abschließende Regelung zu verstehen sein sollte und damit weitergehende sich aus den ausdifferenzierten Regelungen des [X.] ergebende Ansprüche ausschließen sollte. Im Übrigen besteht - wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - der Informationsanspruch gemäß § 4 Abs. 1 [X.] "unabhängig davon, aus welchem Interesse der Kläger diesen geltend macht" (Berufungsurteil S. 6). Das Oberverwaltungsgericht verweist insoweit zu Recht darauf, dass gemäß § 4 Abs. 1 [X.] auch jede natürliche Person einen Auskunftsanspruch hat, der Kläger also die streitige Information als Privatperson ohne Weiteres beanspruchen kann.

Meta

7 B 28/10

20.05.2010

Bundesverwaltungsgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, 12. Februar 2010, Az: 10 A 11156/09, Urteil

§ 4 Abs 1 InfFrG RP, § 4 Abs 2 InfFrG RP, § 9 Abs 1 InfFrG RP, § 242 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 20.05.2010, Az. 7 B 28/10 (REWIS RS 2010, 6447)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6447

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