Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.12.2006, Az. VI ZR 228/05

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 475

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES [X.] ZR 228/05 Verkündet am: 5. Dezember 2006 [X.], Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja ZPO § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 4 Ist im [X.] die auf einen Behandlungs- sowie einen Aufklärungsfeh-ler gestützte Klage unter beiden Gesichtspunkten abgewiesen worden, so muss die Berufungsbegründung erkennen lassen, ob das Urteil hinsichtlich beider Fehler [X.] wird. [X.], Urteil vom 5. Dezember 2006 - [X.] - [X.]

[X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 5. Dezember 2006 durch die Vizepräsidentin Dr. [X.], [X.], die Richterin [X.] und [X.] und Zoll für Recht erkannt: Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des [X.] vom 11. Oktober 2005 wird auf Kosten des [X.] zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand: Der Kläger begehrt von dem Beklagten wegen der Folgen einer [X.] die Zahlung von Schmerzensgeld und die Feststellung der Ersatzpflicht für bereits entstandene und künftig entstehende Schäden materieller und immate-rieller Art. 1 Der Kläger, der von Beruf Stukkateur und Maler ist, suchte den [X.] im Frühjahr 2002 wegen einer Geschwulst im Bereich der rechten Halsseite auf. Der Beklagte diagnostizierte eine gutartige Fettgewebegeschwulst (Lipom) und riet zur operativen Entfernung. Am 28. Mai 2002 fand zwischen den [X.] eine Besprechung über den geplanten Eingriff statt. Dabei unterzeichnete der Kläger einen "perimed-Aufklärungsbogen" betreffend die "[X.] oder 2 - 3 - Drainage eines Halslymphknotens". Am 3. Juni 2002 begab sich der Kläger in die Klinik. Dort führte der Beklagte mit ihm am Abend ein weiteres [X.] und nahm am nächsten Tag den Eingriff vor. Seit der [X.] leidet der Kläger unter Schmerzen und Kraftlosigkeit in der rechten Schulter und im rechten Arm. In der Folgezeit wurde eine Läsion des Nervus [X.] als Ursache der Beschwerden diagnostiziert. Die operative Rekonstruktion des Nervs scheiterte. Aufgrund des [X.] Muskelatrophie im Bereich der [X.] rechts ist der Kläger nach seinem Vortrag auch künftig nicht mehr in der Lage, ganztags in seinem Beruf zu arbei-ten. Die auf ärztliche Fehler bei der [X.] und unzureichende Aufklärung über die Risiken des Eingriffs gestützte Klage hat das [X.] abgewiesen. Die Berufung blieb ohne Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter. 3 Entscheidungsgründe: [X.] Das Berufungsgericht verneint einen Anspruch wegen unzureichender Aufklärung über die Risiken des Eingriffs. Der Kläger sei rechtzeitig aufgeklärt worden. Die Verletzung des Nervus [X.] sei ausdrücklich angesprochen worden. Dass der unterzeichnete [X.] eine "[X.] oder Drai-nage eines Halslymphknotens" und damit eine andere [X.] als die Entfer-nung eines Lipoms betreffe, sei wegen der annähernd vergleichbaren Risiken unerheblich. 4 - 4 - Zwar bestünden erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen, aufgrund derer das [X.] einen ärztlichen Fehler bei der [X.] ver-neint habe. Doch könnten neue Feststellungen nicht getroffen werden, da der Kläger das erstinstanzliche Urteil nur hinsichtlich der Haftung wegen einer nicht hinreichenden ärztlichen Aufklärung mit der Berufung angegriffen habe. Bei mehreren Streitgegenständen, um die es sich bei den [X.] wegen ärztlicher Behandlungsfehler und wegen unzureichender Aufklärung handle, sei eine Berufungsbegründung für jeden Anspruch nötig. Wegen des Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist habe der Kläger durch den Schriftsatz nach Schluss der mündlichen Verhandlung seinen Berufungsangriff auch nicht mehr erweitern können. 5 I[X.] Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg. 6 1. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist die Revision uneingeschränkt in dem Umfang zulässig, in dem sie vom Kläger eingelegt worden ist (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Das Berufungsgericht hat die Revision nicht nur beschränkt auf den Vorwurf des Behandlungsfehlers zugelassen. In der Urteilsformel findet sich keine Einschränkung. Zwar könnte sich eine Ein-grenzung auch aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung ergeben (st. Rspr., vgl. z.B. Senatsurteil vom 19. November 1991 - [X.] ZR 171/91 - NJW 1992, 1039 f. - insoweit nicht abgedruckt in [X.] 116, 104 ff.; [X.], [X.] 48, 134, 136; Urteile vom 16. März 1988 - [X.]II ZR 184/87 - NJW 1988, 1778 und vom 25. Februar 1993 - [X.] - NJW 1993, 1799). Im Streitfall ist jedoch eine solche nicht anzunehmen, weil zur Beurteilung der Frage des [X.] der Berufung, wegen derer das Berufungsgericht die Revision [X.] - lassen hat, der gesamte Streitstoff herangezogen werden muss, über den das Berufungsgericht entschieden hat (vgl. Senatsurteil vom 25. März 2003 - [X.] ZR 131/02 - VersR 2003, 1441, 1442). 8 2. In Anwendung der Grundsätze der Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Aufklärung hat das Berufungsgericht die Aufklärung des [X.] über die Risiken des Eingriffs für zureichend erachtet. Nach den nicht zu bean-standenden Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Beklagte den Kläger am 28. Mai 2002 und am Abend des 3. Juni 2002 im Großen und Ganzen über die [X.] aufgeklärt (vgl. dazu Senatsurteile [X.] 29, 176, 179 f.; 90, 103, 106; 106, 391, 398; 144, 1, 7 f.). Er hat auf die mögliche Verletzung des Schul-terhebenervs (Nervus [X.]) und dessen Folgen (Lähmung) in [X.] Weise hingewiesen. Dass er sich dabei eines [X.] bedien-te, der die [X.] eines Halslymphknotens und nicht die Entfernung eines Lipoms betrifft, begegnet nach den Umständen des Streitfalls keinen durchgrei-fenden Bedenken. Dadurch wurde der Eingriff weder verharmlost noch lag für den Kläger die Annahme nahe, die [X.] sei so unproblematisch, dass [X.] nicht einmal ein Aufklärungsbogen vorgesehen sei. Selbst wenn der Kläger anfänglich eine solche Fehlvorstellung gehabt haben sollte, wurde sie dadurch beseitigt, dass der Beklagte mit ihm in zwei Gesprächen die konkreten Risiken an Hand der Abbildungen auf dem [X.] erläuterte. Dafür dass die mündliche Belehrung unzulänglich gewesen wäre, zeigt die Revision keinen hinreichenden Tatsachenvortrag auf, der in den Vorinstanzen rechtsfehlerhaft unberücksichtigt geblieben wäre. 3. Auch im Übrigen hält die Entscheidung des Berufungsgerichts revisi-onsrechtlicher Überprüfung stand. Die Frage der Haftung des Beklagten wegen eines Behandlungsfehlers ist nicht Streitstoff der Berufung geworden, weil dazu Ausführungen in der Berufungsbegründung fehlen. 9 - 6 - a) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] genügt eine Berufungsbegründung den Anforderungen des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO a. F. - nunmehr § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 4 ZPO - nur dann, wenn sie erkennen lässt, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist und auf welchen Gründen diese Ansicht im Einzelnen beruht (vgl. Senatsurteil vom 13. November 2001 - [X.] ZR 414/00 - VersR 2002, 999 ff. m. w. N.; [X.], [X.] 143, 169, 171; [X.] vom 10. Januar 1996 - [X.] - NJW-RR 1996, 572; [X.], Urteile vom 13. November 1997 - [X.]I ZR 199/96 - NJW 1998, 1081, 1082; vom 18. Juni 1998 - [X.] - NJW 1998, 3126 und vom 18. Juli 2001 - [X.]/00 - VersR 2001, 1304, 1305). Diese Anforderungen sind durch die Neufassung in § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 4 ZPO nicht verringert worden. Vielmehr dient [X.] Vorschrift dem Zweck, eine Klarstellung und Konzentration des Streitstoffs für die Berufungsinstanz zu erreichen. Deshalb muss der Berufungsführer mit der Berufungsbegründung klarstellen, in welchen Punkten und mit welcher Be-gründung er das Berufungsurteil angreift. Im Falle der uneingeschränkten An-fechtung muss die Berufungsbegründung geeignet sein, das gesamte Urteil in Frage zu stellen; bei einem teilbaren Streitgegenstand oder bei mehreren Streitgegenständen muss sie sich grundsätzlich auf alle Teile des Urteils erstre-cken, hinsichtlich derer eine Änderung beantragt wird ([X.], Urteile vom 28. Mai 2003 - [X.]/02 - VersR 2004, 1064, 1065 und vom 27. November 2003 - [X.]/00 - [X.], 442, 443; vgl. auch Musielak/[X.] ZPO 5. Aufl., § 520 Rn. 38; [X.]/[X.]/[X.] ZPO 26. Aufl., § 520 Rn. 33 und 35). Auch wenn sich der Rechtsmittelführer nicht mit allen für ihn nachteilig beurteilten Punkten in seiner Berufungsbegründung auseinandersetzen muss, genügt es nicht, um das angefochtene Urteil insgesamt in Frage zu stellen, wenn er sich nur mit einem Berufungsgrund befasst, der nicht den ganzen Streitstoff betrifft 10 - 7 - (vgl. [X.], Beschluss vom 25. Januar 1990 - [X.] - NJW 1990, 1184 und Urteil vom 8. Februar 2001 - [X.] - [X.]-Report 2001, 482). 11 Bei dieser Sachlage bedarf es im vorliegenden Fall keiner abschließen-den Beurteilung, ob es sich - wie das Berufungsgericht meint - um unterschied-liche Streitgegenstände handelt. Zwischen den Ansprüchen wegen unzurei-chender ärztlicher Aufklärung einerseits und wegen fehlerhafter Behandlung andererseits besteht zwar eine Verknüpfung dergestalt, dass es Ziel des [X.] ist, eine Entschädigung für die bei ihm auf-grund der Behandlung eingetretenen gesundheitlichen Nachteile zu erlangen, doch liegen den [X.] räumlich und zeitlich verschieden gela-gerte Sachverhalte zugrunde, an denen unterschiedliche Personen beteiligt sein können. Auch sind die Schadensereignisse im Allgemeinen weder hinsicht-lich der Auswirkungen noch hinsichtlich des Verschuldens gleichwertig (vgl. [X.] vom 4. November 1975 - [X.] ZR 226/73 - [X.], 293, 294). [X.] hat sich aus den oben dargelegten Gründen im Streitfall die Berufung nicht auf die Frage der Haftung wegen eines Behandlungsfehlers erstreckt. b) Zwar hat der Kläger seine Anträge aus der ersten Instanz unverändert aufrecht erhalten, doch kann allein daraus nicht ersehen werden, in welchem Umfang das erstinstanzliche Urteil angegriffen werden sollte. Dies kann nur [X.] der Berufungsbegründung beurteilt werden. Die Berufungsbegründung enthält aber lediglich Ausführungen zur ärztlichen Risikoaufklärung. Soweit das [X.] den Behandlungsfehler verneint hat, wird das Urteil nicht angegrif-fen. Entgegen der Auffassung der Revision war eine Stellungnahme dazu nicht entbehrlich. Zwar muss der Berufungskläger nicht zu allen vom Erstgericht zu seinem Nachteil beurteilten Streitpunkten in der Berufungsbegründung Stellung nehmen (vgl. Senatsurteil vom 22. Dezember 1992 - [X.] ZR 53/92 - [X.], 369, 371; [X.], Urteile vom 5. Oktober 1983 - [X.]II ZR 224/82 - NJW 1984, 177, 12 - 8 - 178 und vom 10. Juli 1985 - [X.] - NJW 1985, 2828), doch gilt dies nur, soweit der zugrunde liegende Streitstoff aufgrund einer form- und fristge-recht eingelegten und begründeten Berufung Gegenstand des Berufungsverfah-rens geworden ist. Im Streitfall ist dies hinsichtlich der Ansprüche wegen fehler-hafter Behandlung nicht gegeben. 13 c) Da der Kläger die Klageabweisung wegen eines Behandlungsfehlers in der Berufungsbegründung nicht angegriffen hat, war ihm eine nachträgliche Erweiterung der Berufung mit Schriftsatz vom 9. September 2005 wegen des Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist verwehrt. Auch wenn durch eine be-schränkte Anfechtung die Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils in vollem Umfang gehemmt wird (vgl. [X.], Urteil vom 8. Juni 1994 - [X.]II ZR 178/93 - [X.], 1445, 1446; [X.]/[X.] aaO, § 705 Rn. 11), können die [X.] nur im Rahmen der Frist zur Berufungsbegründung bis zum - 9 - Schluss der Berufungsverhandlung ergänzt werden, soweit nicht darüberhinaus die Präklusionsvorschriften entgegenstehen. [X.] [X.] [X.] [X.] Zoll Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom [X.]/03 - [X.], Entscheidung vom 11.10.2005 - 5 U 10/05 -

Meta

VI ZR 228/05

05.12.2006

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.12.2006, Az. VI ZR 228/05 (REWIS RS 2006, 475)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 475

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