Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.05.2010, Az. 5 StR 182/10

5. Strafsenat | REWIS RS 2010, 6501

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Nachschlagewerk: ja [X.]St : ja Veröffentlichung : ja StGB § 46b 1. § 46b StGB ist auch auf das Opfer einer in § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB i.V.m. § 100a Abs. 2 StPO bezeichneten Tat anwendbar. 2. Zur Ermessensausübung im Rahmen des § 46b StGB.

[X.], Beschluss vom 19. Mai 2010 [X.] 5 [X.]

LG Dresden [X.] 5 [X.] [X.] vom 19. Mai 2010 in der Strafsache gegen wegen Urkundenfälschung

- 2 - Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 19. Mai 2010 beschlossen: 1. Das Verfahren wird auf Antrag des [X.] nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, soweit der An-geklagte wegen versuchter Urkundenfälschung verurteilt worden ist (Fall II.2 [X.]); insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die dem [X.] entstandenen notwendigen Auslagen. Demgemäß wird das Urteil des [X.] vom 12. Januar 2010 im Schuldspruch dahingehend ge-ändert, dass der Angeklagte wegen Urkundenfälschung in acht Fällen verurteilt ist. 2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorgenannte Urteil nach § 349 Abs. 4 StPO im gesamten [X.] aufgehoben. 3. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. 4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.

- 3 - [X.]e
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Urkundenfälschung in acht Fällen und versuchter Urkundenfälschung zu einer [X.] von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen mit der Sachrüge geführte Revision erzielt den aus der Beschlussformel ersichtli-chen Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO. 1 1. Die Verfahrenseinstellung nach § 154 Abs. 2 StPO zieht den Weg-fall der [X.] von sieben Monaten und die Änderung des Schuldspruches nach sich. 2 3 2. Der Strafausspruch kann insgesamt keinen Bestand haben. Das [X.] hat den [X.] des § 46b StGB verkannt. 4 a) Nach den Feststellungen hat der Angeklagte durch [X.] seines Wissens über einen an ihm selbst verübten erpresserischen [X.] (§ 239a StGB) in Tateinheit mit räuberischer Erpressung (§ 255 StGB) wesentlich zur Aufklärung dieser Tat beigetragen. Obgleich eine Kata-logtat im Sinne von § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB i.V.m. § 100a Abs. 2 Nr. 1 lit. i und k StPO in Frage steht, hat die [X.] § 46b StGB für nicht anwendbar gehalten, weil es sich bei dem Angeklagten nicht um einen Tatbeteiligten, sondern um das Tatopfer handele. Zudem seien die Angaben des Angeklagten im Hinblick auf seine Aussagepflicht als Zeuge nicht freiwil-lig erfolgt. b) Diese Erwägungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. 5 aa) Nach der vom Gesetzgeber bewusst überaus weit ausgestalteten Tatbestandsfassung des § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB ist nicht erforderlich, dass es sich bei dem —[X.] um einen Tatbeteiligten handelt (Regie-rungsentwurf in BT-Drucks 16/6268 [X.], 12; [X.], StGB 57. Aufl. § 46b 6 - 4 - Rdn. 13a). Der —[X.] muss lediglich Aufklärungshilfe zu —einerfi der in § 100a Abs. 2 StPO aufgeführten Taten leisten. Ein Zusammenhang mit den von ihm verübten Taten ist nicht vorausgesetzt. Die vom [X.] in die-sem Zusammenhang zitierte Vorschrift des § 46b Abs. 1 Satz 3 StGB enthält keine Eingrenzung auf Tatbeteiligte, sondern statuiert für den Tatbeteiligten das zusätzliche Erfordernis einer Aufklärung über den eigenen Tatbeitrag hinaus. Hieraus ergibt sich im Gegenschluss, dass der —[X.] ansons-ten lediglich Wissen über irgendeine Katalogtat offenbaren muss. [X.]) Entgegen der Auffassung des [X.] wird das Merkmal der Freiwilligkeit nicht mit Blick auf eine strafprozessuale Aussagepflicht des Zeugen (vgl. §§ 51, 70 StPO) ausgeschlossen. 7 8 Freiwilligkeit ist nach der insoweit auf § 46b StGB übertragbaren Rechtsprechung des [X.] zu § 31 BtMG dann gegeben, wenn sich der Beschuldigte frei zur [X.] entschließen kann; unfreiwillig handelt hingegen, wer meint, nicht mehr anders handeln zu können ([X.]R BtMG § 31 Nr. 1 Freiwillig 1 und 2). Abgesehen davon, dass gesetzliche An-zeigepflichten betreffend begangene Straftaten nach geltender Rechtslage die Ausnahme bilden und der Zeuge [X.] was das [X.] im Grundsatz nicht verkennt [X.] etwa bei polizeilichen Vernehmungen nicht aussagen muss, führt eine gegebene Zeugnispflicht nicht dazu, dass er nicht Herr seiner [X.] ist und eine Aussage daher nicht mehr auf einem autonomen Ent-schluss beruhen kann. Dem entspricht es, dass der Gesetzgeber den Tatbe-stand des § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB und damit das Freiwilligkeitserfor-dernis selbst bei Bestehen einer strafbewehrten Anzeigepflicht nach § 138 StGB nicht in Frage gestellt sieht (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des federführenden Rechtsausschusses des [X.] in BT-Drucks 16/13094 [X.]). Anders läge es, wenn der Zeuge erst nach gegen ihn konkret ergriffenen Erzwingungsmaßnahmen (vgl. §§ 51, 70 StPO) [X.] würde. Hierzu enthält das Urteil indessen keine Feststellungen. - 5 - 3. Für die Ermessensausübung weist der [X.] auf Folgendes hin: 9 Es müssen, soweit im konkreten Fall relevant, die in § 46b Abs. 2 Nr. 1 StGB beispielhaft aufgeführten Umstände im Einzelnen dargelegt und bewertet werden. Vorliegend wird namentlich zu beachten sein, ob und wann der Angeklagte die Ermittlungsbehörden von der Tat informiert hat oder ob diese [X.] etwa aufgrund der laufenden Überwachung der Telekommunikation [X.] bereits Kenntnis von Tat und Tätern hatten. Ferner kann zu würdigen sein, ob und inwieweit der Angeklagte, wie es beim Tatopfer der Fall sein kann, mit seiner Wissensoffenbarung (Anzeige bzw. Aussage) ausschließlich oder vorrangig eigene Aufklärungs- bzw. Genugtuungsinteressen verfolgt hat. In diesem Rahmen kann auch der vom [X.] bei der Prüfung der [X.] erörterte Umstand, dass der —[X.] nach den hier zu beurteilen-den Gegebenheiten durch eine (wahrheitsgemäße) Aussage im [X.] nur seine staatsbürgerlichen Pflichten erfüllt ([X.], [X.]. Vor § 48 Rdn. 5), gegen die Gewährung der Strafmilderung sprechen (vgl. zu § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB Beschlussempfehlung und Bericht aaO). 10 An Feststellungen zu den näheren Einzelheiten der Wissensoffenba-rung durch den Angeklagten ermangelt es dem angefochtenen Urteil. Der [X.] vermag daher nicht zu beurteilen, ob die Versagung der durch § 46b StGB gewährten Wohltaten im gegenständlichen [X.] gewiss atypisch gelager-ten [X.] Fall einer —Kronzeugenaussagefi im Ergebnis gerechtfertigt ist. Trotz der auch angesichts des Wegfalls des Vorwurfs einer versuchten Urkundenfäl-schung maßvollen Bestrafung des Angeklagten kann er nicht ausschließen, dass der Strafausspruch bei Anwendung des § 46b StGB milder ausgefallen wäre. 11 4. Das nunmehr entscheidende Tatgericht wird die erforderlichen Fest-stellungen nachzuholen haben. Es ist auch sonst nicht gehindert, ergänzen-de Feststellungen zu treffen, sofern sie den bisherigen, rechtsfehlerfrei ge-troffenen und daher aufrecht erhaltenen nicht widersprechen. 12 - 6 - Sofern das Tatgericht zur Anwendung des § 46b StGB gelangen soll-te, hat es nach der auch in diesem Punkt sehr weitgehenden und wenig be-stimmten gesetzlichen Konzeption die Angemessenheit und Gebotenheit der Strafmilderung für jede dem Angeklagten zur Last liegende Tat zu prüfen (Regierungsentwurf aaO [X.], unter Bezugnahme auf [X.], 2575, 2579). Mangels jeglichen inneren Zusammenhangs der vom Angeklag-ten begangenen Taten mit dem —[X.] und damit mangels jeglichen Maßstabs für differenzierte Strafmilderungen wird dies naheliegend nur durch einen [X.] hier nicht sehr gewichtigen [X.] einheitlichen Abschlag hin-sichtlich jeder der verhängten Einzelstrafen geschehen können, der sich dann in der Gesamtstrafe niederschlägt. Für die Würdigung der hier inmitten stehenden besonders schweren Fälle der Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 3 Satz 1 und 2 StGB gelten im Übrigen die allgemeinen Regeln (vgl. [X.], StGB 57. Aufl. § 46b Rdn. 30a m.w.N.). 13 [X.] Raum [X.] [X.]

Meta

5 StR 182/10

19.05.2010

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.05.2010, Az. 5 StR 182/10 (REWIS RS 2010, 6501)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6501

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