Bundesgerichtshof, Beschluss vom 01.07.2020, Az. 2 StR 91/20

2. Strafsenat | REWIS RS 2020, 1934

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Gegenstand

Strafmilderung bei Aufklärungshilfe: Erforderlicher Zusammenhang von offenbarter Katalogtat und Anlasstat


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 28. November 2019, soweit es ihn betrifft,

a) im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen [X.] bis II. 6 der Urteilsgründe sowie

b) im Gesamtstrafenausspruch

aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den 27-jährigen Ange[X.]lagten wegen Erpressung, räuberischer Erpressung in vier Fällen und schwerer räuberischer Erpressung unter Einbeziehung einer Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete und auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Ange[X.]lagten hat den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Die Revision des Ange[X.]lagten führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des Strafausspruchs in den Fällen [X.] bis [X.] 6 der Urteilsgründe, weil das [X.] die Voraussetzungen des Strafmilderungsgrundes der Auf[X.]lärungshilfe nach § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB nicht geprüft hat, obwohl nach den Urteilsgründen dazu Anlass bestand.

3

a) [X.] hat die Verurteilung des nicht revidierenden Mitange[X.]lagten E.       wegen mittäterschaftlicher schwerer räuberischer Erpressung im Fall [X.] 6 der Urteilsgründe maßgeblich auf die geständige Einlassung des Ange[X.]lagten gestützt und ausgeführt, der Ange[X.]lagte habe bereits im Rahmen der Beschuldigtenvernehmung angegeben, die Tat gemeinsam mit E.        und einer weiteren Person begangen zu haben. In der Strafzumessung hat die [X.] zugunsten des Ange[X.]lagten berüc[X.]sichtigt, dass er die Taten - abgesehen von dem Beisichführen des Messers im Fall [X.] 6 der Urteilsgründe - schon gegenüber dem Vernehmungsbeamten im Ermittlungsverfahren ohne zu zögern eingeräumt habe.

4

b) Damit liegt ein sachlich-rechtlicher [X.] vor, weil nach den Urteilsgründen die Voraussetzungen des § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB, § 100a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. [X.] im Fall [X.] 6 der Urteilsgründe naheliegender Weise erfüllt sein [X.]önnen, ohne dass die [X.] diese Norm geprüft und gegebenenfalls erwogen hat, ob sie von der in ihrem pflichtgemäßen Ermessen stehenden Möglich[X.]eit einer Strafrahmenverschiebung Gebrauch macht (vgl. [X.], Beschlüsse vom 14. November 2019 - 5 StR 525/19, juris Rn. 4; vom 4. Dezember 2018 - 1 [X.], juris Rn. 6; vom 16. November 2017 - 3 [X.], juris Rn. 15 ff. mwN).

5

2. Der Rechtsfehler erfasst - unabhängig davon, ob sich die geständige Einlassung des Ange[X.]lagten im Ermittlungsverfahren auch insoweit als Auf[X.]lärungshilfe im Sinne des § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB, § 100a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. [X.] darstellt − ebenfalls die [X.] in den Fällen [X.] bis [X.] 5 der Urteilsgründe.

6

a) Die Aufdec[X.]ung einer Katalogtat nach § 46b Abs. 1 StGB, § 100a Abs. 2 StPO hat zur Folge, dass die fa[X.]ultative Strafmilderung des § 46b Abs. 2 StGB sämtliche abgeurteilten Anlasstaten erfasst, die mit der Katalogtat in Zusammenhang stehen. Dieses [X.] ist eng auszulegen, setzt jedoch nicht voraus, dass die Taten Teil derselben prozessualen Tat sind. Ein Zusammenhang wird angenommen, wenn die eigene und die offenbarte Tat Teil eines [X.]riminellen Gesamtgeschehens sind. Erforderlich ist ein innerer oder inhaltlicher Bezug zwischen den beiden Taten (vgl. BT-Druc[X.]s. 17/9695, S. 8 f.; [X.], Beschluss vom 3. März 2015 - 3 StR 595/14, juris Rn. 9, [X.], 560, 561; zu § 31 BtMG [X.], Urteil vom 20. März 2014 - 3 [X.], juris Rn. 8 ff., [X.], 619, 620). Ein rein zeitliches und örtliches Zusammentreffen der Taten reicht ebenso wenig, wie die bloße Identität der Tatbeteiligten (vgl. [X.], Beschlüsse vom 28. O[X.]tober 2015 - 5 [X.], juris Rn. 4; vom 15. Juli 2015 - 5 [X.], juris Rn. 5). Je nach [X.]on[X.]reter Fallgestaltung, insbesondere bei enger zeitlicher Abfolge und Beteiligung derselben Täter, [X.]ann jedoch der erforderliche Zusammenhang angenommen werden (vgl. [X.], Beschlüsse vom 3. Juni 2015 - 4 StR 105/15, juris Rn. 3, vom 3. März 2015 - 3 StR 595/14, aaO; [X.]/[X.]/[X.], Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 1049 ff.).

7

b) Hieran gemessen liegt ein solcher Zusammenhang zwischen der offenbarten Tat [X.] 6 und den Taten [X.] bis [X.] 5 der Urteilsgründe zumindest nahe. Die räuberischen Erpressungstaten in den Fällen [X.] bis [X.] 6 der Urteilsgründe stehen in engem zeitlichen Zusammenhang. Sie sind alle von dem Ange[X.]lagten und seinem Mittäter E.       begangen, richten sich jeweils gegen das gleiche Tatopfer und sind von einer einheitlichen Motivation der Tatbeteiligten getragen. Angesichts der [X.]ontinuierlichen Bedrohungslage weisen sie zudem eine innere Verbindung auf.

8

c) Die Strafe im Fall [X.] 1 der Urteilsgründe bleibt von dem Rechtsfehler unberührt. Ungeachtet des nicht er[X.]ennbaren Zusammenhangs ist der Ange[X.]lagte insoweit nicht wegen einer Straftat verurteilt, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist (§ 46b Abs. 1 Satz 1 StGB).

9

3. Der [X.] führt zur Aufhebung der Einzelstrafen in den Fällen [X.] bis [X.] 6 der Urteilsgründe. Der [X.] [X.]ann nicht ausschließen, dass sich der [X.] bei der Bemessung der verhängten Einzelstrafen zum Nachteil des Ange[X.]lagten ausgewir[X.]t hat (§ 337 Abs. 1 StPO); dies entzieht der Gesamtstrafe die Grundlage.

4. Die zugehörigen Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und [X.]önnen deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Der neue Tatrichter [X.]ann ergänzende Feststellungen treffen, soweit diese nicht zu den bisherigen in Widerspruch stehen. Er wird Gelegenheit haben - genauer als bisher - die Gesamtstrafenlage mit dem Urteil des [X.] vom 10. September 2018 darzustellen. Die in einem früheren (rechts[X.]räftigen) Urteil verhängte Strafe darf nach § 55 Abs. 1 StGB nur einbezogen werden, wenn sie zum Zeitpun[X.]t des tatrichterlichen [X.] noch nicht vollstrec[X.]t, verjährt oder - im Falle einer Bewährungsstrafe - formell erlassen ist (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Beschluss vom 14. O[X.]tober 2019 - 4 StR 283/18, juris Rn. 9 mwN).

Fran[X.]e     

        

Krehl     

        

Meyberg

        

Grube     

        

Schmidt     

        

Meta

2 StR 91/20

01.07.2020

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Kassel, 28. November 2019, Az: 2660 Js 40814/17 - 1 KLs

§ 46b Abs 1 S 1 Nr 1 StGB, § 46b Abs 2 StGB, § 100a Abs 2 Nr 1 Buchst k StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 01.07.2020, Az. 2 StR 91/20 (REWIS RS 2020, 1934)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1934

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