Bundesfinanzhof, Urteil vom 26.01.2011, Az. IX R 7/09

9. Senat | REWIS RS 2011, 10106

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Gegenstand

Zum wirtschaftlichen Eigentum in logischer Sekunde - Rechtsstellung eines wirtschaftlichen Eigentümers - Ergehen eines Änderungsbescheids während des Revisionsverfahrens


Leitsatz

1. Ein zivilrechtlicher Durchgangserwerb (in Gestalt einer logischen Sekunde) hat nicht zwangsläufig auch einen steuerrechtlichen Durchgangserwerb i.S. des Innehabens wirtschaftlichen Eigentums in der Person des zivilrechtlichen Durchgangserwerbers zur Folge; vielmehr ist die steuerrechtliche Zuordnung nach Maßgabe des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zu beurteilen .

2. Für die Feststellung des wirtschaftlichen Eigentums i.S. von § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO kommt es entscheidend auf das wirtschaftlich Gewollte und das tatsächlich Bewirkte an, also auf konkrete tatsächliche Umstände; daher ist eine --nicht reale-- logische Sekunde als lediglich gedankliche Hilfskonstruktion für eine solche tatsächliche Feststellung unerheblich .

Tatbestand

1

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, sie wurden im Jahr 2001 (Streitjahr) gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt.

2

Mit notariellem Vertrag vom 30. Dezember 1998 veräußerte der Kläger seinen Geschäftsanteil an der [X.] im Nennbetrag von 8.800 DM an die [X.], die nach dieser Anteilsübertragung im Besitz aller Anteile an der [X.] war und deren Stammkapital insgesamt 58.800 DM betrug. Laut Vertrag wurde der Kaufpreis in das Vermögen der [X.] zur Erhöhung der freien Kapitalrücklage eingelegt. Die Übertragung erfolgte zum gemeinen Wert der Geschäftsanteile, der, im Hinblick auf eine im Jahr 1998 erfolgte Kapitalerhöhung bei der [X.], mit 600 % des Nominalwerts festgelegt wurde und somit 52.800 DM betrug.

3

Mit notariellem Vertrag vom 15. Oktober 1999 erwarb der Kläger einen Anteil von 7.500 DM (= 15 %) an der [X.]; Stammkapital: 50.000 DM, damals noch im Handelsregister unter dem Namen [X.] eingetragen, zum Preis von 7.500 DM. Bereits tags zuvor, am 14. Oktober 1999, hatten die Kläger [X.] einen "Unterbeteiligungsvertrag" betreffend die (zu erwerbende) Beteiligung des [X.] an der [X.] geschlossen. Danach wurde ein atypisches "[X.]" der Klägerin an dem Geschäftsanteil (15 %) des [X.] in Höhe von 5,1 % des Stammkapitals der [X.] begründet. Der auf die Unterbeteiligung entfallende Betrag (2.550 DM) wurde von der Klägerin im Dezember 1999 an den Kläger überwiesen.

4

Mit notariellem Vertrag vom 14. Juni 2001 veräußerte der Kläger seine Beteiligung an der [X.] mit sofortiger Wirkung für 1.500.000 DM. Der Kaufpreis wurde --unter Berücksichtigung der Unterbeteiligung-- in Höhe von 990.000 DM auf das Konto des [X.] und in Höhe von 510.000 DM auf das Konto der Klägerin gezahlt.

5

Diesen Vorgang erfasste der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr als Veräußerungsgewinn nach § 17 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr gültigen Fassung (EStG) in Höhe von 1.492.500 DM, den er insgesamt dem Kläger zurechnete. Dem hiergegen eingelegten Einspruch der Kläger wurde mit Einspruchsentscheidung insoweit entsprochen, als unter Anerkennung des Unterbeteiligungsvertrages mit der Klägerin dem Kläger nunmehr ein Veräußerungsgewinn in Höhe von 985.050 DM zugerechnet und der der Klägerin zuzurechnende Anteil (507.450 DM) nicht der Besteuerung unterworfen wurde. Das [X.] vertrat aber weiterhin die Ansicht, dass der Kläger in seiner Person eine wesentliche Beteiligung erworben und veräußert habe.

6

Das Finanzgericht ([X.]) wies die Klage im hier streitigen Punkt als unbegründet ab (Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 932); denn der Kläger habe einen nach § 17 EStG zu versteuernden Veräußerungsgewinn erzielt. Der Umstand, dass der Unterbeteiligungsvertrag in demselben Moment wirksam wurde, in dem der Kläger das zivilrechtliche Eigentum an dem GmbH-Anteil erwarb, wirke sich nicht so aus, dass der im Wege der Unterbeteiligung auf die Klägerin entfallende Teilanteil steuerrechtlich unmittelbar, also ohne Berücksichtigung des dinglichen Erwerbs beim Kläger, der Klägerin als wirtschaftlicher Eigentümerin zuzurechnen wäre. Vielmehr folge die steuerrechtliche Zuordnung grundsätzlich der zivilrechtlichen Zuordnung (§ 39 Abs. 1 der Abgabenordnung --[X.]--); daher gehe mit dem Erwerb des dinglichen Eigentums beim Kläger auch der Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums --wie beim sog. Durchgangserwerb für eine logische Sekunde-- einher, welches der Kläger erst aus dieser Rechtsposition heraus in dem der Unterbeteiligung entsprechenden Umfang der Klägerin verschaffen konnte.

7

Dagegen richtet sich die Revision der Kläger, mit der sie die Verletzung materiellen und formellen Rechts [X.] (§ 17 Abs. 1 EStG, § 39 Abs. 1, 2 [X.], § 76 Abs. 1, § 96 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O-- i.V.m. Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes). Sie sind der Ansicht, der Kläger habe keine wesentliche Beteiligung veräußert. Vor Erwerb des 15 %igen GmbH-Geschäftsanteils sei das [X.] mit der Klägerin geschlossen worden, so dass er zu keinem Zeitpunkt zu 10 % oder mehr am Stammkapital der [X.] beteiligt gewesen sei. Das [X.] lasse die gegenüber der zivilrechtlichen Rechtslage vorrangigen Zurechnungsgrundsätze des wirtschaftlichen Eigentums (§ 39 Abs. [X.]) außer [X.]. Daher komme es auf die Rechtsfigur des sog. [X.] bzw. der logischen Sekunde nicht an.

8

Darüber hinaus [X.] die Kläger mit der Verletzung der Sachaufklärungspflicht (Amtsermittlungsmaxime) und des rechtlichen Gehörs (Überraschungsentscheidung) Verfahrensfehler.

9

Die Kläger beantragen (sinngemäß),

unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 1. März 2004 die Einkommensteuer für 2001 unter Abänderung des letzten Einkommensteuerbescheids vom 27. Oktober 2009 ohne Ansatz des [X.] nach § 17 EStG festzusetzen.

Das [X.] beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Das [X.] ist der Ansicht, dass die gerügte Divergenz zur Rechtsprechung des [X.] ([X.]) nicht vorliege. Denn das [X.] sei aufgrund der Gesamtwürdigung des Sachverhalts zu dem Ergebnis gelangt, dass "mit dem Erwerb des dinglichen Eigentums beim Kläger auch der Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums einherging". Anders als die Klägerin habe der Kläger allein entscheidenden Einfluss auf die [X.] selbst sowie seine Beziehungen zu dieser gehabt. Die Frage des [X.] bzw. der juristischen Sekunde könne dahingestellt bleiben, denn das [X.] habe gerade nicht nur und ausschließlich auf die zivilrechtliche Abwicklung der Vorgänge abgestellt, sondern aus den Gesamtumständen auch auf eine wirtschaftliche Anteils-Übertragung geschlossen. Die geltend gemachten Verfahrens[X.] seien nicht gegeben. Das [X.] habe die entscheidungsrelevanten Tatsachen vollständig unter Berücksichtigung der vorliegenden Vertragsunterlagen ermittelt; wegen der ausführlichen Erörterung der Streitsache sei auch eine Überraschungsentscheidung nicht gegeben.

Während des Revisionsverfahrens hat das [X.] gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] einen (weiteren) geänderten Einkommensteuerbescheid vom 27. Oktober 2009 erlassen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Entscheidung in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.]O) durch Stattgabe der Klage. Das [X.] hat den Gewinn aus der Veräußerung des Geschäftsanteils des [X.] an der [X.] zu Unrecht der Besteuerung unterworfen.

1. Die Revision ist bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen begründet; die Vorentscheidung ist daher aufzuheben. Sie hat über den Einkommensteuerbescheid vom 18. März 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. März 2004 entschieden. Während des Revisionsverfahrens ist am 27. Oktober 2009 ein (weiterer) geänderter Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr ergangen. Damit liegt dem [X.]-Urteil ein nicht mehr wirksamer Bescheid zugrunde mit der Folge, dass auch das [X.]-Urteil keinen Bestand haben kann ([X.]-Urteile vom 28. August 2003 IV R 20/02, [X.], 143, [X.], 10; vom 14. Januar 2004 [X.]/03, [X.], 656; vom 27. Juli 2004 [X.], [X.] 2005, 188, unter II.2.).

Der Senat entscheidet nach §§ 100, 121 [X.]O auf der Grundlage der bestehen bleibenden tatsächlichen Feststellungen des [X.] gleichwohl in der Sache (vgl. [X.]-Urteile vom 14. November 1990 II R 126/87, [X.], 218, [X.] 1991, 556; vom 23. Januar 2003 [X.]/00, [X.], 269, [X.], 43). Der Änderungsbescheid enthält hinsichtlich der streitigen Punkte keine Änderungen; der Senat sieht daher wegen Spruchreife der Sache (nachstehend unter 3.) von einer Zurückverweisung nach § 127 [X.]O ab (vgl. [X.]-Urteile in [X.], 269, [X.], 43; in [X.] 2005, 188, unter II.3.; vom 16. Dezember 2009 [X.]/08, [X.]E 228, 356, [X.] 2010, 492, unter B.II.).

2. Die Revision ist auch in der Sache begründet.

a) Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG gehören zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der [X.] wesentlich beteiligt war und er die Beteiligung in seinem Privatvermögen gehalten hat. Anteile an einer Kapitalgesellschaft sind u.a. Anteile an einer GmbH oder ähnliche Beteiligungen (§ 17 Abs. 1 Satz 3 EStG). Als ähnliche Beteiligung kommt auch eine atypische (stille) Unterbeteiligung in Betracht (vgl. [X.]/[X.], EStG, § 17 [X.] 96; [X.]/[X.], EStG, 29. Aufl., § 17 [X.] 51; s. auch [X.]-Urteile vom 9. Mai 2000 VIII R 41/99, [X.]E 192, 273, [X.] 2000, 686, unter [X.]; vom 22. Juli 2008 [X.], [X.] 2008, 2004, unter [X.],b).

Eine solche --mangels unmittelbarer Abtretungsverpflichtung (z.B. [X.]/[X.] in [X.]/[X.], GmbHG, 19. Aufl., § 15 [X.] 32; [X.] in [X.], GmbHG, 2. Aufl., § 15 [X.] 59, m.w.[X.]) nicht formbedürftige-- zivilrechtlich wirksame Unterbeteiligung wurde von der Klägerin als Unterbeteiligte am [X.]-Anteil des [X.] gehalten (zur Beurteilung einer Anteilsveräußerung i.S. des § 17 EStG unter nahen Angehörigen: [X.]-Urteil vom 6. Oktober 2009 [X.], [X.] 2010, 623, unter [X.]). Sie ist auch [X.] die bindenden tatsächlichen Feststellungen des [X.] (vgl. § 118 Abs. 2 [X.]O)-- nach ihrem Inhalt und tatsächlichem Vollzug unstreitig steuerrechtlich anerkannt.

b) Eine wesentliche Beteiligung ist gegeben, wenn der Veräußerer an der [X.] zu mindestens 10 % unmittelbar oder mittelbar beteiligt war (§ 17 Abs. 1 Satz 4 EStG). Die [X.] einer wesentlichen Beteiligung bestimmt sich nach der im Zeitpunkt der Veräußerung geltenden Gesetzeslage (s. [X.]-Beschluss vom 17. November 2004 [X.]/04, [X.] 2005, 540; [X.]-Urteil vom 9. Oktober 2008 [X.], [X.]E 223, 145, [X.] 2009, 140, unter II.2.).

Auch ein nur kurzfristiges Innehaben der wesentlichen Beteiligung in Gestalt eines Durchgangs-Erwerbs oder einer sog. logischen Sekunde kann u.U. ausreichen (s. [X.]-Urteile vom 7. Juli 1992 [X.], [X.]E 169, 49, [X.] 1993, 331, und VII[X.]/88, [X.] 1993, 25; vom 16. Mai 1995 [X.], [X.]E 178, 197, [X.] 1995, 870; vom 18. Mai 2005 [X.], [X.]E 210, 247, [X.] 2005, 857, unter [X.]; [X.]/[X.], § 17 EStG [X.], 109; [X.]/ R. [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 17 EStG [X.] 110; [X.], EStG, § 17 [X.]; [X.] in [X.], EStG § 17 [X.] [X.]; a.A. zur logischen Sekunde: [X.] in [X.], EStG, § 17 [X.] 84; [X.], Der Betrieb 2003, 230, 234). Unbeschadet der im Zivilrecht zum sog. Durchgangs- oder Direkterwerb, z.B. bei Vorausabtretungen, vertretenen Ansichten (z.B. [X.]/[X.]/[X.], [X.], 70. Aufl., § 185 [X.] 11, § 398 [X.] 12; Westermann in Erman, [X.], 12. Aufl., § 398 [X.] 12; [X.]-Urteil in [X.]E 178, 197, [X.] 1995, 870, unter [X.], m.w.[X.]) folgt die steuerrechtliche der zivilrechtlichen Zurechnung (§ 39 Abs. 1 [X.]) allerdings nur dann, wenn die Voraussetzungen des § 39 Abs. 2 Nr. 1 [X.] nicht erfüllt sind (so [X.]-Urteile in [X.]E 169, 49, [X.] 1993, 331; in [X.] 1993, 25; in [X.]E 178, 197, [X.] 1995, 870, und in [X.]E 210, 247, [X.] 2005, 857). Deshalb hat ein zivilrechtlicher Durchgangserwerb nicht zwingend auch einen steuerrechtlichen Durchgangserwerb in Gestalt des Innehabens wirtschaftlichen Eigentums in der Person des zivilrechtlichen Durchgangserwerbers zur Folge; vielmehr ist die steuerrechtliche Frage nach Maßgabe des § 39 Abs. 2 Nr. 1 [X.] zu beurteilen.

c) Eine Veräußerung i.S. von § 17 EStG wird mit der entgeltlichen Übertragung des (zivilrechtlichen oder wirtschaftlichen) Eigentums durch den Veräußerer auf den Erwerber verwirklicht (ständige Rechtsprechung, z.B. [X.]-Urteile vom 1. März 2005 [X.], [X.]E 209, 285, [X.] 2005, 398; vom 9. Oktober 2008 [X.], [X.]E 223, 145, [X.] 2009, 140, unter II.2.). Notwendige und hinreichende Voraussetzung für die Zurechnung einer (weiterveräußerten) Beteiligung i.S. des § 17 EStG ist das (zumindest) wirtschaftliche Eigentum (vgl. [X.]-Urteile in [X.] 2008, 2004; vom 17. Februar 2004 [X.], [X.]E 205, 204, [X.], 651, m.w.[X.]). Nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 [X.] ist die Rechtsstellung des wirtschaftlichen Eigentümers dadurch gekennzeichnet, dass er den zivilrechtlichen Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann. Ihm muss also auch der wirtschaftliche Erfolg aus der (hier: Weiter-)Veräußerung gebühren (vgl. [X.]-Urteile in [X.]E 169, 49, [X.] 1993, 331, unter 1.; in [X.]E 178, 197, [X.] 1995, 870, unter [X.], und in [X.]E 210, 247, [X.] 2005, 857, unter [X.]). Gleiches gilt auch im Fall der Unterbeteiligung an einer Kapitalgesellschaft ([X.]-Urteil in [X.]E 210, 247, [X.] 2005, 857, unter II.1.b bb).

Das wirtschaftliche Eigentum an einem Kapitalgesellschaftsanteil geht auf einen Erwerber über (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 [X.]), wenn der Käufer des Anteils (1) aufgrund eines (bürgerlich-rechtlichen) Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann, und (2) die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen (Verwaltungs- und [X.] (insbesondere Gewinnbezugsrecht und Stimmrecht) sowie (3) Risiko und Chance von [X.] auf ihn übergegangen sind (vgl. [X.]-Urteile vom 11. Juli 2006 [X.], [X.]E 214, 326, [X.] 2007, 296, m.w.[X.]; in [X.]E 223, 145, [X.] 2009, 140, unter II.2.). Ein an einem Kapitalgesellschaftsanteil (hier: GmbH-Anteil) [X.] ist danach nur dann wirtschaftlicher Eigentümer, wenn er nach dem Inhalt der getroffenen Abrede alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte (Vermögens- und Verwaltungsrechte, insbesondere Gewinnbezugs- und Stimmrecht) ausüben und im Konfliktfall effektiv durchsetzen kann (vgl. [X.]-Urteile in [X.]E 210, 247, [X.] 2005, 857; vom 8. November 2005 [X.], [X.]E 211, 277, [X.] 2006, 253; in [X.] 2008, 2004).

Der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums ist nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen. Eine von der zivilrechtlichen Inhaberstellung abweichende Zuordnung eines Wirtschaftsguts kann deshalb auch anzunehmen sein, wenn die vorstehend genannten Voraussetzungen nicht in vollem Umfang erfüllt sind. Demgemäß ist auch bei der Bestimmung des wirtschaftlichen Eigentums nicht das formal Erklärte oder formal-rechtlich Vereinbarte, sondern das wirtschaftlich Gewollte und das tatsächlich Bewirkte ausschlaggebend (vgl. [X.]-Urteile in [X.]E 214, 326, [X.] 2007, 296; in [X.]E 223, 145, [X.] 2009, 140, unter II.2., m.w.[X.]).

3. Diesen Grundsätzen entspricht die Vorentscheidung nicht; sie ist daher aufzuheben. Denn der Kläger hatte zu keinem Zeitpunkt das wirtschaftliche Eigentum an dem hier maßgeblichen (Teil seines) GmbH-Anteil (5,1 %) inne, vielmehr stand das wirtschaftliche Eigentum daran mit dem Erwerb durch den Kläger direkt der Klägerin zu. Die Sache ist spruchreif; der Klage ist stattzugeben. Der Kläger war innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der [X.] nicht wesentlich i.S. des § 17 Abs. 1 EStG beteiligt, so dass der Gewinn aus der Veräußerung seines (gesamten) GmbH-Anteils nicht der Besteuerung unterliegt.

Nach den tatsächlichen und den Senat bindenden Feststellungen des [X.] (vgl. § 118 Abs. 2 [X.]O) ist zum einen aufgrund des zwischen dem Kläger (als [X.]er der [X.]) und der Klägerin (als Unterbeteiligte) geschlossenen privatschriftlichen Unterbeteiligungsvertrages "nach (dessen) Inhalt und Vollzug" eine "wirtschaftliche Inhaberstellung der Klägerin" in Höhe von 5,1 % am GmbH-Anteil des [X.] unstreitig begründet worden. Zum anderen hat dieser Unterbeteiligungsvertrag --nach Ablauf der logischen [X.] "unstreitig dazu geführt, dass das wirtschaftliche Eigentum an 5,1 % des (GmbH-)Anteils (des [X.]) auf die Klägerin übergegangen ist".

Dem Kläger stand --entgegen der Ansicht von [X.] und [X.]-- nach Maßgabe der unter 2.b) und 2.c) dargestellten Grundsätze im Zeitpunkt des Erwerbs des GmbH-Anteils (15 %) auch das wirtschaftliche Eigentum an dem der Klägerin übertragenen Teil-GmbH-Anteil (5,1 %) nicht zu. Denn unbeschadet eines möglichen zivilrechtlichen Durchgangserwerbs war der Kläger zu keinem Zeitpunkt --auch nicht für eine logische [X.] wirtschaftlicher Inhaber der (Unter-)Beteiligung. Die logische Sekunde ist nur eine gedankliche Hilfskonstruktion zur Prioritätsbestimmung (für gleichzeitig stattfindende Vorgänge) und kein realer Zeitpunkt oder Zeitabschnitt - allenfalls von der Größe Null (vgl. im Einzelnen zur logischen Sekunde: Wieacker, in Festschrift für [X.], 1962, [X.] ff.; Bowler, in Festgabe "Von der Stimme aus den Wolken zum [X.]", Bundesanzeiger, 1983, Beilage 145a, [X.] ff.; [X.], Archiv für die civilistische Praxis 191 (1991), [X.] ff.). Kommt es aber --wie im Einkommensteuerrecht-- entscheidend auf das wirtschaftlich Gewollte und das tatsächlich Bewirkte an, also auf konkrete tatsächliche Umstände, so ist eine --nicht reale-- logische Sekunde für die Feststellung wirtschaftlichen Eigentums unerheblich.

Nach den tatsächlichen Feststellungen des [X.] hatte der Kläger hinsichtlich des GmbH-Anteils in Höhe der Unterbeteiligung (5,1 %) keine rechtlich geschützte, auf Erwerb gerichtete und gegen seinen Willen nicht mehr entziehbare Rechtsposition erworben; auch konnte er die mit diesem Teil-Anteil verbundenen Rechte, Chancen und Risiken mangels tatsächlicher Einwirkungsmöglichkeiten weder wahrnehmen noch durchsetzen. Insbesondere gebührte ihm auch nicht der wirtschaftliche Erfolg aus der Weiterveräußerung; dieser stand, wie auch das Ergebnis der bisherigen Besteuerung zeigt, allein der Klägerin als Unterbeteiligte zu. Allein sie konnte nicht nur nach dem Inhalt der getroffenen Abrede, sondern auch tatsächlich --mit Wirkung ab dem Erwerb durch den Kläger-- alle mit der (Unter-)Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte ausüben und im Konfliktfall effektiv durchsetzen. Daher wirkte sich der mit der Klägerin vorab geschlossene privatschriftliche Vertrag in Höhe der vereinbarten Unterbeteiligung von vornherein auf den Erwerb des GmbH-Anteils des [X.] aus, zumal die Klägerin mit dem Erwerb des zivilrechtlichen Eigentums durch den Kläger nach den Feststellungen des [X.] unstreitig wirtschaftliche Eigentümerin geworden war. Auf die im Vorfeld des [X.] vom Kläger entwickelten Tätigkeiten (Vertragsverhandlungen, Erwerbsentscheidung etc.) kommt es im Rahmen des § 17 EStG nicht an.

4. Der Senat weicht nicht von den [X.]-Urteilen in [X.]E 169, 49, [X.] 1993, 331, in [X.] 1993, 25, und in [X.]E 178, 197, [X.] 1995, 870 ab. Denn nach den maßgebenden, diesen Entscheidungen zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen lagen die Voraussetzungen des § 39 Abs. 2 Nr. 1 [X.] nicht vor (so insbesondere [X.]-Urteile in [X.]E 169, 49, [X.] 1993, 331, und in [X.] 1993, 25). Zudem traf anders als in den dortigen Fällen im Streitfall der wirtschaftliche Erfolg tatsächlich und nach dem Inhalt der getroffenen [X.] nicht den Kläger als hauptbeteiligten GmbH-[X.]er, sondern die Klägerin als wirtschaftlich Unterbeteiligte.

Soweit der zweite Leitsatz des [X.]-Urteils in [X.]E 178, 197, [X.] 1995, 870 in seiner generalisierenden Aussage ("[X.] über ein Vollrecht durch einen Nichtberechtigten i.S. von § 185 Abs. 2 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs führt sowohl zivil- als auch steuerrechtlich zu einem zur Begründung einer wesentlichen Beteiligung ausreichenden Durchgangserwerb für eine sog. juristische Sekunde") eine überschießende Tendenz enthält, ist dies der Tatsache geschuldet, dass der [X.] in diesem Fall aufgrund des Sachverhalts vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 39 Abs. 2 Nr. 1 [X.] in der Person des zivilrechtlichen Durchgangserwerbers ausgegangen ist.

Da die Revision schon aus materiell-rechtlichen Gründen Erfolg hat, war auf die geltend gemachten Verfahrensrügen nicht mehr einzugehen.

Meta

IX R 7/09

26.01.2011

Bundesfinanzhof 9. Senat

Urteil

vorgehend FG Köln, 3. Juni 2008, Az: 1 K 1712/04, Urteil

§ 39 Abs 1 AO, § 39 Abs 2 Nr 1 S 1 AO, § 17 Abs 1 S 1 EStG 1997, § 17 Abs 1 S 4 EStG 1997, § 127 FGO, § 100 FGO, § 121 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 26.01.2011, Az. IX R 7/09 (REWIS RS 2011, 10106)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 10106

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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