Bundessozialgericht, Beschluss vom 16.12.2013, Az. B 10 ÜG 13/13 B

10. Senat | REWIS RS 2013, 259

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Gegenstand

Überlanges Gerichtsverfahren - indizielle Bedeutung der durchschnittlichen Dauer vergleichbarer Verfahren - entscheidende Bedeutung der Einzelfallumstände - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung - sozialgerichtliches Verfahren


Tenor

Die Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 15. Mai 2013 wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag des [X.], ihm zur Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Urteil Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des ihn vertretenden Rechtsanwalts [X.], zu bewilligen, wird abgelehnt.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtliche Kosten zu erstatten.

Der Streitwert wird auf 3200 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Mit Urteil vom [X.] hat das [X.] einen Anspruch des [X.] auf Ersatz immateriellen Schadens wegen überlanger Dauer mehrerer Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit des [X.] verneint. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger beim [X.] (BSG) Beschwerde eingelegt, die er mit dem Bestehen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 [X.] SGG) begründet.

2

Die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen. Der geltend gemachte [X.] ist nicht ordnungsgemäß dargetan worden (§ 160a Abs 2 S 3 SGG).

3

Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 [X.] SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1) eine bestimmte Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung (vgl [X.] § 160 [X.]7; [X.], 158 = [X.] 1500 § 160a [X.]1; [X.] § 160a [X.] 7, 13, 31, 59, 65). Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdebegründung nicht.

4

Der Kläger hält folgende Fragen für Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung:

        

"Welche Verfahrensdauer ist für ein Verfahren (kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage) in der Sozialgerichtsbarkeit der ersten Instanz angemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 [X.]?"

        

"Beträgt die im Falle eines Verfahrens von leicht unterdurchschnittlicher bis durchschnittlicher Schwierigkeit angemessene Verfahrensdauer in Klageverfahren vor dem erstinstanzlichen Sozialgericht im Regelfall nicht mehr als sechs Monate (wie vom Kläger vertreten), nicht mehr als 14 Monate (durchschnittliche Dauer im Jahr 2011) oder ist eine Verfahrensdauer von 19,5 Monaten bei durchschnittlicher Schwierigkeit angemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 3 [X.]?"

5

Zwar hat der Kläger damit durchaus bestimmte Rechtsfragen nach der angemessenen Dauer eines Verfahrens der Sozialgerichtsbarkeit in erster Instanz formuliert. Er hat jedoch deren Klärungsbedürftigkeit nicht ausreichend dargestellt. Beide Fragen gehen davon aus, dass aus § 198 Abs 1 [X.] eine allgemein (rechtlich) angemessene Verfahrensdauer festlegbar ist. Insoweit hätte sich der Kläger indes zunächst mit dem Wortlaut der Vorschrift und der dazu bereits vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung auseinandersetzen und darstellen müssen, dass sich die aufgeworfenen Rechtsfragen danach nicht oder nicht ausreichend beantworten ließen. Die Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage ist nämlich zu verneinen, wenn diese bereits höchstrichterlich beantwortet ist ([X.] § 160 [X.] 51; [X.] § 160a [X.]3 und 65) oder wenn die Antwort unmittelbar aus dem Gesetz zu ersehen ist (BSG [X.] 1300 § 13 [X.]; BSG [X.] 4-1500 § 160a [X.] 7), wenn sie so gut wie unbestritten ist ([X.] § 160 [X.]7), wenn sie praktisch außer Zweifel steht ([X.], 40 = [X.] 1500 § 160a [X.] 4) oder wenn sich für die Antwort in anderen Entscheidungen bereits ausreichende Anhaltspunkte ergeben (BSG [X.] 3-1500 § 146 [X.] 2 und § 160 [X.] 8).

6

Schon aus dem Wortlaut des § 198 Abs 1 [X.] wird deutlich, dass eine allgemeine Festlegung einer angemessenen Verfahrensdauer für ein sozialgerichtliches Verfahren ausgeschlossen ist. Denn gemäß § 198 Abs 1 S 2 [X.] richtet sich die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. Danach ist auch die vom Kläger in der zweiten von ihm formulierten Frage genannte Schwierigkeit des Verfahrens nicht das alleinige Kriterium, sondern nur eines von mehreren im Gesetz zur Umschreibung der "Umstände des Einzelfalles" bezeichneten Kriterien für die Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer. Zwar hat der erkennende Senat in seinen Urteilen vom 21.2.2013 (- [X.] ÜG 1/[X.] - zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen = [X.] 4-1720 § 198 [X.] und - [X.] ÜG 2/[X.] -) durchaus an die verfügbaren statistischen Zahlen über die Dauer von Verfahren vergleichbarer Art angeknüpft, ihnen jedoch nur eine indizielle keineswegs aber eine entscheidende Bedeutung zugemessen. Vielmehr hat er, dem Wortlaut des § 198 Abs 1 S 2 [X.] entsprechend, den Umständen des Einzelfalles die entscheidende Bedeutung für die Beurteilung der Angemessenheit der Dauer des der [X.] zugrunde liegenden Gerichtsverfahrens beigemessen.

7

Entgegen dem Vorbringen des [X.] ergibt sich damit sowohl aus dem Wortlaut des Gesetzes wie auch aus der bereits vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass sich anhand des § 198 Abs 1 [X.] beide Fragen so nicht beantworten lassen und sie sich demzufolge überhaupt nicht stellen. Denn da es auf die Umstände des Einzelfalles ankommt, kann es eine allgemeine Festlegung einer angemessenen Verfahrensdauer von vornherein nicht geben. Dass dem doch so sei, hätte demzufolge einer eingehenden Begründung bedurft, die jedoch fehlt.

8

Mithin ist die Beschwerde ohne Hinzuziehung [X.] zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 3 SGG).

9

Da nach alledem die Beschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, steht dem Kläger ein Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren nicht zu (§ 73a Abs 1 SGG iVm §§ 114 ff ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Die [X.] folgt aus § 52 Abs 1 und 3 GKG.

Meta

B 10 ÜG 13/13 B

16.12.2013

Bundessozialgericht 10. Senat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend SG Freiburg (Breisgau), 5. Januar 2009, Az: S 6 SO 4375/08, Beschluss

§ 198 Abs 1 S 2 GVG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 16.12.2013, Az. B 10 ÜG 13/13 B (REWIS RS 2013, 259)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 259

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