Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 22.01.2013, Az. 2 B 89/11

2. Senat | REWIS RS 2013, 8841

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Gegenstand

Beamtenbeisitzer im gerichtlichen Disziplinarverfahren; Verwaltungszweig; Laufbahngruppe


Leitsatz

Mit dem Begriff des Verwaltungszweigs im Sinne der Besetzungsvorschriften für Beamtenbeisitzer im gerichtlichen Disziplinarverfahren sind nicht spezielle Sparten, sondern Verwaltungsbereiche gemeint, wie sie typischerweise einem Fachressort als Geschäftsbereich unterstehen (im Anschluss an Urteil vom 2. Dezember 1971 - BVerwG 1 D 32.71 - BVerwGE 43, 288 <289 f.> zu § 50 BDO). Unter dem Begriff der Laufbahngruppe sind die jeweiligen Laufbahngruppen des einfachen, mittleren, gehobenen und des höheren Dienstes zu verstehen, in die Ämter ohne Laufbahn entsprechend ihrer Besoldung einzuordnen sind.

Gründe

1

[X.]ie auf die Grundsatzrüge und einen Verfahrensmangel (§ 66 Abs. 1 Thür[X.]G i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO) gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

2

1. [X.]er Beklagte ist beamteter Professor an einer [X.]. [X.]as [X.] verurteilte ihn im Jahr 2005 wegen Untreue in zwei Fällen und Urkundenfälschung zu Lasten der [X.] zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Im sachgleichen [X.] entfernte das Verwaltungsgericht den Beklagten aus dem [X.]ienst. [X.]abei wirkte unter anderem eine Studienrätin an einer berufsbildenden Schule aus dem [X.] "Kultusministerium" als [X.]in mit. [X.]as Berufungsgericht hat in der Besetzung mit dem Verwaltungsleiter der [X.] als [X.] für den [X.] "Kultusministerium" die hiergegen erhobene Berufung des Beklagten zurückgewiesen.

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2. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, § 66 Abs. 1 Thür[X.]G, wenn sie eine konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche, noch ungeklärte Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf. Gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, § 66 Abs. 1 Thür[X.]G obliegt es dem Beschwerdeführer, diese Voraussetzungen darzulegen (Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> = [X.] 310 § 132 VwGO Nr. 18 S. 21 f.). [X.]iese Voraussetzungen sind hinsichtlich der vom Beklagten aufgeworfenen Rechtsfragen zur Besetzung des Spruchskörpers in [X.] und zur Bedeutung der unangemessen langen [X.]auer des [X.]isziplinarverfahrens nicht erfüllt.

4

a) [X.]ie vom Beklagten als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage, ob in beamtenrechtlichen [X.]isziplinarverfahren gegen Professoren einer der [X.] der Gruppe der Professoren angehören muss, lässt sich auf der Grundlage des Gesetzeswortlauts und der bisherigen Rechtsprechung des [X.] und des [X.]verfassungsgerichts verneinen.

5

Nach § 46 Abs. 1 Satz 3 Thür[X.]G soll einer der [X.] dem [X.] und der Laufbahngruppe des vom [X.]isziplinarverfahren betroffenen Beamten angehören. Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, besondere Sachkunde in das Verfahren einzuführen, indem bei der Entscheidung über die Verhängung einer [X.]isziplinarmaßnahme nach Möglichkeit ein Beamter mitwirkt, der das Wesen der Verwaltung kennt, welcher der beschuldigte Beamte angehört. [X.]er Regelungszweck geht aber nicht so weit, dass er eine genaue Kenntnis gerade seiner speziellen Tätigkeit haben soll (Urteil vom 2. [X.]ezember 1971 - BVerwG 1 [X.] - BVerwGE 43, 288 <289>, im Gegensatz zu § 47 Abs. 3 Nr. 8 Thür[X.]G, entspricht § 48 Abs. 2 [X.]).

6

[X.]ie Bedeutung der in der Vorschrift enthaltenen Begriffe des [X.]es und der Laufbahngruppe sind in der Rechtsprechung geklärt bzw. ergeben sich aus dem eindeutigen Gesetzeswortlaut. Gleichlautende Vorschriften zur Besetzung der [X.]isziplinarkammer mit [X.]n, von denen einer dem [X.] und der Laufbahngruppe des vom [X.]isziplinarverfahren betroffenen Beamten angehören soll, finden sich bereits in der [X.]disziplinarordnung (dort § 50 Abs. 2 Satz 3 [X.], wobei die Zugehörigkeit zum selben [X.] noch weiter eingeschränkt war <"möglichst">) und den entsprechenden Vorschriften der Landesdisziplinarordnungen; sie sind in die [X.] des [X.] (§ 46 Abs. 1 Satz 3 [X.]) und der Länder weitgehend unverändert übernommen worden.

7

Mit dem weit zu verstehenden Begriff des [X.]s in § 46 Abs. 1 Satz 3 Thür[X.]G sind daher nicht spezielle Sparten (wie etwa die Verwaltung einer Hochschule), sondern Verwaltungsbereiche gemeint, wie sie typischerweise einem Fachressort als Geschäftsbereich unterstehen (Urteil vom 2. [X.]ezember 1971 - BVerwG 1 [X.] - BVerwGE 43, 288 <289 f.> zu § 50 [X.]; [X.], Beschlüsse vom 12. Juli 2006 - 2 BvR 513/06 - [X.]K 8, 376 = juris Rn. 35 zu § 42 Satz 2 [X.] und vom 19. Oktober 2006 - 2 BvR 1925/06 - juris Rn. 15 zu § 41 Abs. 2 Satz 2 [X.]), d.h. die großen, übergeordneten Struktureinheiten wie z.B. die Finanz- oder die Innenverwaltung, die (landes-) organisationsrechtlich unterschiedlich zugeschnitten sein mögen. [X.]a der Gesetzgeber eine Sonderregelung für Professoren nicht erlassen hat, ist bei gegen sie gerichteten [X.]isziplinarverfahren nicht von einem anderen - nach der Beschwerde engeren - Begriffsverständnis auszugehen. Auch wenn Hochschulen in wesentlichen Bereichen selbstständig und Selbstverwaltungskörperschaften sind, so stehen sie doch z.B. auf dem Gebiet des öffentlichen [X.]ienstrechts unter der Fachaufsicht der Kultusverwaltung und sind sie diesem Verwaltungsbereich zuzuordnen. Ein als Beisitzer [X.] Beamter aus der [X.] Kultusverwaltung gehörte daher, auch ohne Mitglied der ihr zugehörigen Hochschulverwaltung oder gar selbst Hochschullehrer zu sein, demselben [X.] wie der Beklagte an. Würde man dem von der Beschwerde geforderten engeren Begriffsverständnis folgen, hätte dies zur Konsequenz, dass bei breit gefächerten [X.]en für jeden Teilbereich und jede Laufbahngruppe entsprechend differenziert eine hinreichende, größere Anzahl von Beisitzern für die [X.]isziplinargerichte gewählt werden müsste. [X.]ies würde - zumal bei kleineren [X.]ländern - das Verfahren für deren Besetzung mit Beisitzern in einer Weise erschweren und verkomplizieren, wie dies dem ersichtlich auf Einfachheit und Verallgemeinerung ausgerichteten Zweck der Vorschrift nicht entspricht.

8

Unter dem Begriff der Laufbahngruppen sind nicht etwa einzelne Laufbahnen, sondern die jeweiligen Laufbahngruppen des einfachen, mittleren, gehobenen und des höheren [X.]ienstes zu verstehen, wie sie in den Vorschriften der Beamtengesetze (vgl. §§ 16 bis 19 [X.], für [X.]beamte § 17 Abs. 2 bis 5 [X.]) definiert sind. [X.]ie Zugehörigkeit einer Laufbahn zu einer Laufbahngruppe richtet sich nach dem im jeweiligen Besoldungsgesetz bestimmten Eingangsamt (vgl. § 5 Abs. 3 ThürLbVO, § 6 Abs. 1 BLV). Aufgrund dieser allgemeinen Regelungen können selbst Ämter ohne Laufbahn entsprechend einer Laufbahngruppe im Sinne der Besetzungsvorschriften für die [X.]isziplinargerichte zugeordnet werden.

9

Für die Besetzungsvorschriften in den [X.]n ist es daher unerheblich, dass die beamtenrechtlichen Vorschriften über die Laufbahnen nach den Hochschulgesetzen auf Hochschullehrer nicht anzuwenden sind (vgl. § 90 Abs. 2 Satz 1 [X.] Hochschulgesetz; vgl. auch § 50 Abs. 1 Satz 1 Hochschulrahmengesetz). [X.]ie Laufbahnfreiheit dient dem öffentlichen Interesse an einer Erleichterung der Besetzung von Ämtern mit ausschließlich wissenschaftlichem Amtsinhalt. Sie erhält maßgeblich ihren Sinn aus dem Recht der Hochschulen auf Kooptation im Interesse der Besetzung eines Lehrstuhls oder eines sonstigen Lehramts mit einem besonders geeigneten Bewerber, dessen Berufung anderenfalls mangels Erfüllung aller laufbahnrechtlichen Voraussetzungen nicht (oder jedenfalls nicht alsbald) möglich wäre (Urteil vom 15. April 1977 - BVerwG 2 [X.] 16.73 - [X.] 237.8 § 33 LBG Rheinland-Pfalz Nr. 1 S. 5). Unmittelbare Folgen für die Besetzung der [X.]isziplinarkammern und -senate ergeben sich daraus nicht.

Bei [X.]isziplinarverfahren gegen Hochschullehrer sind [X.] aus der Laufbahngruppe des höheren [X.]ienstes heranzuziehen. [X.]em genannten Zweck von § 49 Satz 3, § 46 Abs. 1 Satz 3 Thür[X.]G kann nur entsprochen, wenn auch ohne unmittelbare Zugehörigkeit der Hochschullehrer zu einer Laufbahngruppe auf die mit der Regelung angestrebte Gleichwertigkeit des [X.]s und des beschuldigten Beamten hinsichtlich Besoldung und vorbildungsmäßiger Anforderungen geachtet wird (vgl. Urteil vom 30. Juni 1988 - BVerwG 2 [X.] - [X.] 421.20 Hochschulpersonalrecht Nr. 37 S. 17 zu den Anforderungen an die Versetzung von Inhabern laufbahnfreier Ämter).

b) [X.]ie Fragen, ob die Anforderungen von Art. 6 [X.] angesichts der langen [X.]auer des Verfahrens noch eingehalten seien und inwieweit die lange Verfahrensdauer mit dem disziplinarrechtlichen Beschleunigungsgebot im Einklang stehe, werden von der Beschwerde allein bezogen auf den Streitfall aufgeworfen, sodass zweifelhaft erscheint, ob sie den Anforderungen an die [X.]arlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache genügen. Soweit die Fragen zugunsten des Beklagten so verstanden werden, welche Folgen sich bei der [X.] aus einer überlangen [X.]auer des Verfahrens ergeben, führt auch dies nicht zur Zulassung der Revision. In der Rechtsprechung des [X.] ist auch im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] geklärt, dass die unangemessene [X.]auer des [X.]isziplinarverfahrens es nicht rechtfertigt, von der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abzusehen, wenn diese Maßnahme disziplinarrechtlich geboten ist (stRspr; zuletzt Urteil vom 29. März 2012 - BVerwG 2 A 11.10 - [X.] 2012, 260 Rn. 85 f. und Beschlüsse vom 16. Mai 2012 - BVerwG 2 B 3.12 - NVwZ-RR 2012, 609 Rn. 9 ff. , sowie vom 30. August 2012 - BVerwG 2 B 21.12 - Rn. 13 und vom 1. Juni 2012 - BVerwG 2 B 123.11 - [X.], 246, dort jeweils zu § [X.]). In dem zuletzt genannten Beschluss hat der Senat ausgeführt:

[X.]ie Maßnahmebemessung nach § [X.] hat sich an dem Zweck der [X.]isziplinarbefugnis zu orientieren, die Integrität des Berufsbeamtentums und damit die Funktionsfähigkeit des öffentlichen [X.]ienstes zu gewährleisten. [X.]aher ist Gegenstand der disziplinarrechtlichen Betrachtung und Wertung die Frage, ob ein Beamter nach seiner gesamten Persönlichkeit noch im Beamtenverhältnis tragbar ist und falls dies zu bejahen ist, ob durch eine [X.]isziplinarmaßnahme auf ihn eingewirkt werden muss, um zu verhindern, dass der Beamte das für die [X.]ienstausübung unabdingbare Vertrauen dauerhaft verliert. Allerdings sind bei der Ausübung der [X.]isziplinarbefugnis das Schuldprinzip und das Gebot der Verhältnismäßigkeit zu beachten. [X.]araus folgt, dass die [X.]isziplinarmaßnahme nach einer Gesamtwürdigung aller im Einzelfall bedeutsamen be- und entlastenden Umstände unter Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten zu bestimmen ist, wobei der Schwere des [X.]ienstvergehens richtungweisende Bedeutung zukommt. [X.]ie Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis ist geboten, wenn der Beamte das Vertrauen des [X.]ienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat. [X.]ies ist der Fall, wenn die Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ergibt, der Beamte werde auch künftig in erheblicher Weise gegen [X.]ienstpflichten verstoßen oder die durch sein Fehlverhalten herbeigeführte Schädigung des Ansehens des Berufsbeamtentums sei bei Fortführung des Beamtenverhältnisses irreparabel (stRspr; vgl. nur Urteil vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 [X.] 9.06 - [X.] 235.1 § 13 [X.] Nr. 3 Rn. 16 ff.).

Ist der Beamte nach diesen Bewertungsmaßstäben wegen eines schwerwiegenden [X.]ienstvergehens im öffentlichen [X.]ienst untragbar geworden, so kann er nicht deshalb Beamter bleiben, weil das [X.]isziplinarverfahren unangemessen lange gedauert hat. In diesem Fall lässt sich die Anerkennung eines Milderungsgrundes der überlangen Verfahrensdauer nicht mit dem Zweck der [X.]isziplinarbefugnis vereinbaren. [X.]ie Funktionsfähigkeit des öffentlichen [X.]ienstes wäre nicht mehr gewährleistet, wenn Beamte, deren berufliche Integrität dauerhaft beschädigt ist, weiterhin [X.]ienst leisten würden. [X.]as verlorene Vertrauen kann nicht durch Zeitablauf wiederhergestellt werden. Ergibt die Gesamtwürdigung dagegen, dass eine pflichtenmahnende [X.]isziplinarmaßnahme notwendig, aber auch ausreichend ist, steht fest, dass der Beamte im öffentlichen [X.]ienst noch tragbar ist. Nur unter dieser Voraussetzung kann eine unangemessen lange Verfahrensdauer bei der Bestimmung der [X.]isziplinarmaßnahme unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit mildernd berücksichtigt werden ([X.], Beschluss vom 4. Oktober 1977 - 2 BvR 80/77 - [X.]E 46, 17 <28 f.>; Kammerbeschluss vom 9. August 2006 - 2 BvR 1003/05 - [X.]VBl 2006, 1372 <1373>; BVerwG, Urteile vom 22. Februar 2005 - BVerwG 1 [X.] 30.03 - Rn. 80, vom 8. Juni 2005 - BVerwG 1 [X.] 3.04 - Rn. 27 und vom 7. Februar 2008 - BVerwG 1 [X.] 4.07 - Rn. 29 ; Beschlüsse vom 13. Oktober 2005 - BVerwG 2 B 19.05 - [X.] 235.1 § 15 [X.] Nr. 2 Rn. 8 und vom 26. August 2009 - BVerwG 2 [X.] - Rn. 11).

[X.]iesen Unterschied hat der Gesetzgeber dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er in § 12 Thür[X.]G die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis im Gegensatz zu allen anderen [X.]isziplinarmaßnahmen vom [X.] wegen Zeitablaufs ausgenommen hat.

Etwas anderes folgt auch nicht aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.]. [X.]anach hat jede Person ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen von einem Gericht innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. [X.]er [X.] geht davon aus, dass Art. 6 [X.] in seiner zivilrechtlichen Bedeutung auf ein [X.]isziplinarverfahren, in dem der Beamte wegen eines [X.]ienstvergehens aus dem [X.]ienst entfernt worden ist, anwendbar ist ([X.], Urteil vom 16. Juli 2009 - 8453/04 - NVwZ 2010, 1015 Rn. 39 m.w.N.). [X.]anach liegt ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] vor, wenn das [X.]isziplinarverfahren von seiner Einleitung durch den [X.]ienstherrn bis zum rechtskräftigen Abschluss unangemessen lang gedauert hat. [X.]ie Angemessenheit ist aufgrund einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung der Schwierigkeit des Falles, des Verhaltens des Beamten, der Vorgehensweise der Behörden und Gerichte sowie der Bedeutung des Verfahrens für den Beamten zu beantworten ([X.], Urteil vom 16. Juli 2009 a.a.O.).

Eine unangemessen lange Verfahrensdauer im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] hat jedoch nicht zur Folge, dass dem Betroffenen aus diesem Grund eine Rechtsstellung eingeräumt werden muss, die im Widerspruch zu dem entscheidungserheblichen innerstaatlichen materiellen Recht steht. Vielmehr kann die unangemessene Verfahrensdauer für den Ausgang des zu lange dauernden Rechtsstreits nur dann zugunsten des Betroffenen berücksichtigt werden, wenn das innerstaatliche Recht dies vorsieht oder zulässt. Ob diese Möglichkeit besteht, ist durch die Auslegung der einschlägigen materiellrechtlichen Bestimmungen zu ermitteln.

[X.]ies wird durch die zur [X.] ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs bestätigt. Sein Urteil hat, wie sich aus Art. 41 [X.] ergibt, lediglich Feststellungswirkung. Auch Art. 46 Abs. 1 [X.], wonach der Vertragsstaat verpflichtet ist, das endgültige Urteil des Gerichtshofs zu befolgen, führt nicht dazu, dass der Vertragsstaat dem Betroffenen allein wegen der überlangen [X.]auer des Verfahrens eine Rechtsstellung einräumen muss, die diesem nach dem maßgeblichen innerstaatlichen materiellen Recht nicht zusteht; der Gerichtshof spricht vielmehr eine gerechte Entschädigung als Ersatz für materielle wie immaterielle Schäden zu ([X.], [X.], 3. Aufl., Art. 41, Rn. 21).

Im Übrigen hat der [X.]gesetzgeber die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] wegen unangemessen langer Verfahrensdauer inzwischen durch das Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24. November 2011 ([X.]) eigenständig geregelt. [X.]iese Bestimmungen gelten nach § 173 Satz 2 VwGO und § 21 Thür[X.]G auch für das gerichtliche [X.]isziplinarverfahren. [X.]er Gesetzgeber hat dem betroffenen Verfahrensbeteiligten für den Fall der gerügten unangemessenen [X.]auer eines Gerichtsverfahrens für dadurch verursachte Vermögensnachteile und immaterielle Folgen grundsätzlich einen Anspruch auf angemessene Entschädigung eingeräumt. Nach § 198 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 [X.] geht die Wiedergutmachung des Verstoßes gegen das Gebot des gerichtlichen Rechtsschutzes in angemessener Zeit auf andere Weise dem Entschädigungsanspruch vor, der die durch die verzögerte gerichtliche Entscheidung bestimmte Rechtslage unberührt lässt.

[X.]er Gesetzgeber hat aber davon abgesehen, in §§ 198 ff. [X.] die Formen einer solchen Wiedergutmachung abschließend festzulegen (BT[X.]rucks 17/3802, [X.] und 19). Er hat aber auch nicht vorgesehen, dass die Wiedergutmachung in der Weise zu erfolgen hat, dass dem Betroffenen als Ausgleich für die Verzögerung des gerichtlichen Verfahrens die den Gegenstand des Rechtsstreits bildende Rechtsposition einzuräumen ist, deren materiell-rechtliche Voraussetzungen der Betroffene nicht erfüllt. Für andere als strafgerichtliche Verfahren (§ 199 Abs. 3 [X.]) hat der Gesetzgeber in den §§ 198 ff. [X.] als Form der Wiedergutmachung auf andere Weise lediglich die Möglichkeit einer Feststellung der überlangen Verfahrensdauer durch das Entschädigungsgericht bei gleichzeitiger Freistellung des [X.] von den Kosten des [X.] geregelt (BT[X.]rucks 17/3802, [X.]). Ob im Übrigen eine dem Entschädigungsanspruch vorgehende Wiedergutmachung auf andere Weise möglich ist, richtet sich nach den jeweiligen formellen und materiell-rechtlichen Bestimmungen. [X.]ie für die Bemessung der [X.]isziplinarmaßnahme maßgeblichen Vorschriften schließen aber, wie dargelegt, die Wiederherstellung des verlorenen Vertrauens des [X.]ienstherrn oder der Allgemeinheit allein durch eine unangemessene [X.]auer des [X.]isziplinarverfahrens aus.

Gesichtspunkte, die eine erneute Prüfung erforderlich machen, legt die Beschwerde nicht dar.

3. Auch die Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 66 Abs. 1 Thür[X.]G) hat keinen Erfolg. [X.]ie Beschwerde macht geltend, dass das Gebot des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG in Verbindung mit § 46 Abs. 1 Satz 3 Thür[X.]G (§ 138 Nr. 1 VwGO) verletzt sei.

[X.]ie Besetzung des bei dem [X.] Oberverwaltungsgericht gebildeten Senats für [X.]isziplinarsachen ist nach den obigen Ausführungen vorschriftsmäßig gewesen und verletzt schon deshalb nicht das Recht des Beklagten auf [X.] gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. [X.]adurch, dass das Berufungsgericht in ordnungsgemäßer Besetzung entschieden und den Sachverhalt selbstständig gewürdigt hat, wäre zudem auch ein etwaiger Mangel der unrichtigen Besetzung in erster Instanz geheilt (Urteil vom 20. August 1965 - BVerwG 4 [X.] 119.65 -, NJW 1965, 2317; Beschluss vom 19. Juli 2010 - BVerwG 2 [X.] - juris Rn. 5).

Meta

2 B 89/11

22.01.2013

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Thüringer Oberverwaltungsgericht, 17. Februar 2011, Az: 8 DO 643/07, Urteil

§ 11 DG TH, § 12 DG TH, § 46 Abs 3 DG TH, § 46 Abs 1 BDG, § 50 Abs 2 S 3 BDO, § 49 Abs 3 DG TH, Art 6 MRK

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 22.01.2013, Az. 2 B 89/11 (REWIS RS 2013, 8841)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8841

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