Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.09.2022, Az. XI ZR 306/21

11. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 5372

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Tenor

Der Antrag des [X.] auf Aussetzung des Verfahrens wird abgelehnt.

Die Revision des [X.] gegen den Beschluss des 17. Zivilsenats des [X.] vom 12. April 2021 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Streitwert: bis 40.000 €

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung des Klägers.

2

Der Kläger erwarb im Mai 2016 einen Gebrauchtwagen [X.] zum Kaufpreis von 38.000 €. Zur Finanzierung des über eine Anzahlung von 10.000 € hinausgehenden Kaufpreises schlossen die Parteien mit Datum vom 24. Mai 2016 einen Darlehensvertrag über 28.000 €. Das Darlehen sollte ab Juni 2016 in 47 Monatsraten zu je 350 € und einer Schlussrate von 14.326,45 € zurückgezahlt werden. Seite 5 des Darlehensvertrags enthält folgende Angabe über die Verzugsfolgen:

"Für ausbleibende Zahlungen werden die gesetzlichen Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz pro Jahr … berechnet."

3

Nummer 3.3 der Allgemeinen Darlehensbedingungen der Beklagten beinhaltet eine gleichlautende Regelung nebst der Ergänzung, dass der Basiszinssatz jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres ermittelt und von der [X.] im [X.] bekannt gegeben wird.

4

Mit Schreiben vom 23. Oktober 2018 widerrief der Kläger seine Darlehensvertragserklärung. Die Beklagte wies den Widerruf als verfristet zurück. Mit Anwaltsschreiben vom 20. März 2019 verlangte der Kläger die Rückzahlung der von ihm erbrachten Leistungen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs. In der Folgezeit führte der Kläger das Darlehen im Mai 2020 vertragsgemäß vollständig zurück, worauf die Beklagte die Sicherheiten freigab.

5

Mit der Klage hat der Kläger zuletzt (1.) die Zahlung von 38.000 € nebst Zinsen nach Übergabe und Übereignung des finanzierten Kfz, (2.) die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten und (3.) die Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten begehrt. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der - vom Senat im Hinblick auf den [X.] zu 1 zugelassenen - Revision verfolgt der Kläger sein Begehren insoweit weiter.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision ist unbegründet.

I.

7

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

8

Der Kläger habe seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung nicht wirksam widerrufen. Der Widerruf sei verfristet, weil sich die Beklagte im Hinblick auf die dem Kläger erteilte [X.] auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB berufen könne und im Übrigen die ihm zur Verfügung gestellte [X.]urkunde alle für die [X.] der Widerrufsfrist erforderlichen Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB enthalten habe. Dies gelte insbesondere für die Angaben zur Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung, zum Verzugszinssatz und zum einzuhaltenden Verfahren bei Kündigung des [X.].

II.

9

Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.

Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein wirksamer Widerruf des streitgegenständlichen, gemäß § 358 Abs. 3 BGB mit einem Kaufvertrag über ein Kraftfahrzeug verbundenen [X.] nicht verneint werden. Das Berufungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass dem Kläger bei Abschluss des Darlehensvertrags gemäß § 495 Abs. 1 i.V.m. § 355 BGB ein Widerrufsrecht zustand und die Widerrufsfrist nicht zu laufen begann, bevor der Kläger die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hatte. Es hat aber zu Unrecht angenommen, dass die Beklagte ihre aus § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB resultierende Verpflichtung, über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung zu unterrichten, ordnungsgemäß erfüllt hat.

Wie der Senat nach Erlass der Berufungsentscheidung entschieden und im Einzelnen begründet hat, erfordert zwar die Information über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung nach Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB nach den Maßstäben des nationalen Rechts nicht die Angabe des zum Zeitpunkt des [X.]schlusses geltenden konkreten Prozentsatzes (vgl. Senatsurteil vom 5. November 2019 - [X.], [X.], 1 Rn. 52 mwN). Im Geltungsbereich der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über [X.] und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates ([X.]. 2008, [X.], [X.], berichtigt in [X.]. 2009, [X.], [X.], [X.]. 2010, [X.], [X.] und [X.]. 2011, [X.], [X.]) genügt dies aber den Anforderungen des Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB nicht, sondern verlangt die Angabe des zum Zeitpunkt des [X.]schlusses geltenden konkreten Prozentsatzes (vgl. Senatsurteil vom 12. April 2022 - [X.], [X.], 979 Rn. 11 f.). Dem ist die Beklagte nicht nachgekommen.

III.

Das Berufungsurteil erweist sich jedoch aus anderen Gründen als richtig, so dass die Revision zurückzuweisen ist (§ 561 ZPO).

Der vom Kläger mit der Revision verfolgte [X.] aus § 358 Abs. 4 Satz 1 BGB in der bis zum 27. Mai 2022 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) i.V.m. § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB auf Rückgewähr der von ihm an die Beklagte geleisteten Zins- und Tilgungszahlungen ist jedenfalls derzeit unbegründet. Insoweit steht der Beklagten - was sie mit der Klageerwiderung geltend gemacht hat - nach § 358 Abs. 4 Satz 1 aF i.V.m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB gegenüber dem vorleistungspflichtigen Kläger ein Leistungsverweigerungsrecht zu, bis sie das finanzierte Fahrzeug zurückerhalten hat oder der Kläger den Nachweis erbracht hat, dass er das Fahrzeug abgesandt hat. Dass die Beklagte angeboten hätte, das Fahrzeug beim Kläger abzuholen (§ 357 Abs. 4 Satz 2 BGB), ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Soweit der Kläger die Zahlung "nach" Herausgabe des Fahrzeugs begehrt, setzt dies in entsprechender Anwendung des § 322 Abs. 2 BGB voraus, dass die Beklagte mit der Entgegennahme des Fahrzeugs im Verzug der Annahme ist (vgl. Senatsurteil vom 27. Oktober 2020 - [X.], [X.], 253 Rn. 29). Dies ist indes nicht der Fall. Zwischen den Parteien steht aufgrund der rechtskräftigen Abweisung des Antrags des [X.] auf Feststellung des Annahmeverzugs fest, dass sich die Beklagte nicht in Annahmeverzug befunden hat (§ 322 Abs. 1 ZPO).

Der Beklagten steht das Leistungsverweigerungsrecht nach § 358 Abs. 4 Satz 1 aF i.V.m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB - was der Senat mit Urteil vom 25. Januar 2022 ([X.], [X.], 418 Rn. 17) entschieden und im Einzelnen begründet hat - auch in Bezug auf die von dem Kläger nach der Widerrufserklärung auf das Darlehen erfolgten Zahlungen zu. Soweit die Revision meint, die Beklagte könne sich auf das Leistungsverweigerungsrecht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht stützen, weil sie den [X.] des [X.] bereits dem Grunde nach in Abrede stelle, trifft dies nicht zu. Für den Kläger besteht in entsprechender Anwendung des § 322 Abs. 2 BGB die Möglichkeit, Zahlung "nach" Herausgabe des Fahrzeugs zu verlangen, was er in seinem [X.] berücksichtigt hat. Dies setzt allerdings des Weiteren voraus, dass die Beklagte mit der Entgegennahme des Fahrzeugs im Verzug der Annahme ist (vgl. Senatsurteil vom 27. Oktober 2020 - [X.], [X.], 253 Rn. 29). Das ist hier nicht der Fall.

Vorsorglich weist der Senat für ein etwaiges Folgeverfahren darauf hin, dass aus der Abweisung des [X.]s als derzeit unbegründet lediglich in Rechtskraft erwächst, dass der Kläger gegen die Beklagte bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung keinen zur Zahlung fälligen Anspruch hatte, nicht dagegen, dass die Beklagte einem solchen Anspruch nicht weitere Einreden und Einwendungen entgegenhalten kann (vgl. Senatsurteil vom 30. März 2021 - [X.], [X.], 371 Rn. 18 mwN).

IV.

Der Antrag des [X.] auf Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des [X.] über das Vorabentscheidungsersuchen des [X.] vom 19. März 2021 (2 O 282/19, 2 O 384/19, 2 O 474/20, 2 [X.]/20, juris) hat keinen Erfolg, weil sich die dort aufgeworfenen Fragen vorliegend nicht stellen oder - im Hinblick auf die Vorleistungspflicht des Käufers und Darlehensnehmers und eine diesbezügliche Vorlagepflicht - vom Senat bereits beantwortet worden sind (vgl. Senatsurteil vom 26. Oktober 2021 - [X.], [X.], 2248 Rn. 19 f.).

[X.]     

      

Grüneberg     

      

Matthias

      

Menges     

      

Derstadt     

      

Meta

XI ZR 306/21

20.09.2022

Bundesgerichtshof 11. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 12. April 2021, Az: 17 U 7419/20

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.09.2022, Az. XI ZR 306/21 (REWIS RS 2022, 5372)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5372

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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