Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.05.2022, Az. XI ZR 237/21

11. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 2677

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Tenor

Der Antrag des [X.] auf Aussetzung des Verfahrens wird abgelehnt.

Die Revision des [X.] gegen den Beschluss des 6. Zivilsenats des [X.] vom 10. März 2021 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Streitwert: bis 30.000 €

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung des Klägers.

2

Der Kläger erwarb im Mai 2015 einen Gebrauchtwagen [X.] zum Kaufpreis von 28.470 €. Zur Finanzierung des Kaufpreises schlossen die Parteien mit Datum vom 28. Mai 2015 einen Darlehensvertrag über 28.470 €. Das Darlehen sollte in 48 Monatsraten zu je 383,33 € und einer Schlussrate von 12.526,80 € zurückgezahlt werden. Seite 1 des Darlehensvertrags enthält folgende Angabe über die Verzugsfolgen:

"Für ausbleibende Zahlungen wird Ihnen der gesetzliche Zinssatz für Verzugszinsen berechnet. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz."

3

Mit Schreiben vom 27. November 2018 erklärte der Kläger den Widerruf seiner auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung und forderte die Beklagte zur Rückabwicklung des Vertrags auf. Die Beklagte wies den Widerruf als verfristet zurück. Mit Anwaltsschreiben vom 23. Januar 2019 verlangte der Kläger von der Beklagten die Rückzahlung der von ihm geleisteten [X.] um Zug gegen Rückgabe des finanzierten Fahrzeugs. Im Mai 2019 löste der Kläger das Darlehen vorzeitig vollständig ab.

4

Mit der Klage hat der Kläger zuletzt (1.) die Zahlung von 26.283,36 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Herausgabe des finanzierten Fahrzeugs, (2.) die Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befinde, und (3.) die Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten begehrt. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der - vom Senat im Hinblick auf den [X.] zu 1 zugelassenen - Revision verfolgt der Kläger sein Begehren insoweit weiter.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision ist unbegründet.

I.

6

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

7

Der Kläger habe seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung nicht wirksam widerrufen. Der Widerruf sei verfristet, weil die dem Kläger zur Verfügung gestellte Vertragsurkunde alle für die [X.] der Widerrufsfrist erforderlichen Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB enthalten habe. Im Hinblick auf die erteilte [X.] könne sich die Beklagte auf die Gesetzlichkeitsfiktion gemäß Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB berufen. Die dem Kläger erteilten weiteren Pflichtangaben unter anderem über den Verzugszins seien ebenfalls nicht zu beanstanden.

II.

8

Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.

9

Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein wirksamer Widerruf des streitgegenständlichen, gemäß § 358 Abs. 3 BGB mit einem Kaufvertrag über ein Kraftfahrzeug verbundenen ([X.] nicht verneint werden. Das Berufungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass dem Kläger bei Abschluss des Darlehensvertrags gemäß § 495 Abs. 1 [X.]. § 355 BGB ein Widerrufsrecht zustand und die Widerrufsfrist nicht zu laufen begann, bevor der Kläger die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hatte. Es hat aber zu Unrecht angenommen, dass die Beklagte ihre aus § 492 Abs. 2 BGB [X.]. Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 (in der hier maßgeblichen, vom 11. Juni 2010 bis zum 20. März 2016 geltenden Fassung) [X.]. § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB resultierende Verpflichtung, über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung zu unterrichten, ordnungsgemäß erfüllt hat.

Wie der Senat nach Erlass der Berufungsentscheidung entschieden und im Einzelnen begründet hat, erfordert zwar die Information über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung nach Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB nach den Maßstäben des nationalen Rechts nicht die Angabe des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden konkreten Prozentsatzes (vgl. Senatsurteil vom 5. November 2019 - [X.], [X.], 1 Rn. 52 mwN). Im Geltungsbereich der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über [X.] und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates ([X.]. 2008, [X.], [X.], berichtigt in [X.]. 2009, [X.], [X.], [X.]. 2010, [X.], [X.] und [X.]. 2011, [X.], [X.]) genügt dies aber den Anforderungen des Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB nicht, sondern verlangt die Angabe des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden konkreten Prozentsatzes (vgl. Senatsurteil vom 12. April 2022 - [X.], juris Rn. 11 f.). Dem ist die Beklagte nicht nachgekommen.

III.

Das Berufungsurteil erweist sich jedoch aus anderen Gründen als richtig, so dass die Revision zurückzuweisen ist (§ 561 ZPO).

Der vom Kläger mit der Revision verfolgte [X.] aus § 358 Abs. 4 Satz 1 [X.]. § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB auf Rückgewähr der von ihm an die Beklagte geleisteten Zins- und Tilgungszahlungen ist jedenfalls derzeit unbegründet. Insoweit steht der Beklagten - was sie mit der Klageerwiderung geltend gemacht hat - nach § 358 Abs. 4 Satz 1 [X.]. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB gegenüber dem vorleistungspflichtigen Kläger ein Leistungsverweigerungsrecht zu, bis sie das finanzierte Fahrzeug zurückerhalten hat oder der Kläger den Nachweis erbracht hat, dass er das Fahrzeug abgesandt hat. Dass die Beklagte angeboten hätte, das Fahrzeug beim Kläger abzuholen (§ 357 Abs. 4 Satz 2 BGB), ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Das Leistungsverweigerungsrecht nach § 358 Abs. 4 Satz 1 [X.]. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB steht der Beklagten - was der Senat mit Urteil vom 25. Januar 2022 ([X.], [X.], 418 Rn. 17) entschieden und im Einzelnen begründet hat - auch in Bezug auf die von dem Kläger nach der Widerrufserklärung auf das Darlehen erbrachten Zahlungen zu. Soweit die Revision meint, die Beklagte könne sich auf das Leistungsverweigerungsrecht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht stützen, weil sie den [X.] des [X.] bereits dem Grunde nach in Abrede stelle, trifft dies nicht zu. Für den Kläger besteht in entsprechender Anwendung des § 322 Abs. 2 BGB die Möglichkeit, Zahlung "nach" Herausgabe des Fahrzeugs zu verlangen. Dies setzt allerdings voraus, dass die Beklagte mit der Entgegennahme des Fahrzeugs im Verzug der Annahme ist (vgl. Senatsurteil vom 27. Oktober 2020 - [X.], [X.], 253 Rn. 29). Das ist hier nicht der Fall. Zwischen den Parteien steht aufgrund der rechtskräftigen Abweisung des Antrags des [X.] auf Feststellung des Annahmeverzugs fest, dass sich die Beklagte nicht in Annahmeverzug befunden hat (§ 322 Abs. 1 ZPO).

Vorsorglich weist der Senat für ein etwaiges Folgeverfahren darauf hin, dass aus der Abweisung des [X.]s als derzeit unbegründet lediglich in Rechtskraft erwächst, dass der Kläger gegen die Beklagte bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung keinen zur Zahlung fälligen Anspruch hatte, nicht dagegen, dass die Beklagte einem solchen Anspruch nicht weitere Einreden und Einwendungen entgegenhalten kann (vgl. Senatsurteil vom 30. März 2021 - [X.], [X.], 371 Rn. 18 mwN).

IV.

Der Antrag des [X.] auf Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des [X.] über das Vorabentscheidungsersuchen des [X.] vom 19. März 2021 (2 O 282/19, 2 O 384/19, 2 O 474/20, 2 [X.]/20, juris) hat keinen Erfolg, weil sich die dort aufgeworfenen Fragen vorliegend nicht stellen oder - im Hinblick auf die Vorleistungspflicht des Käufers und Darlehensnehmers und eine diesbezügliche Vorlagepflicht - vom Senat bereits beantwortet worden sind (vgl. Senatsurteil vom 26. Oktober 2021 - [X.], [X.], 2248 Rn. 19 f.).

Ellenberger    

        

Grüneberg    

        

[X.]

        

Derstadt    

        

Ettl    

        

Meta

XI ZR 237/21

24.05.2022

Bundesgerichtshof 11. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Stuttgart, 10. März 2021, Az: 6 U 228/20

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.05.2022, Az. XI ZR 237/21 (REWIS RS 2022, 2677)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 2677

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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