Bundessozialgericht, Urteil vom 30.09.2015, Az. B 3 P 1/14 R

3. Senat | REWIS RS 2015, 4607

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Soziale Pflegeversicherung - Pflegeheim - vollstationäre Pflege - Anerkennungsbetrag - aktivierende Pflege - Pflegestandard - rehabilitative Maßnahme


Leitsatz

1. Ein Pflegeheimträger kann von der Pflegekasse die Zahlung des für den Fall der Zuordnung eines vollstationär gepflegten Versicherten zu einer niedrigeren Pflegestufe vorgesehenen "Anerkennungsbetrags" beanspruchen, wenn das Heim über den ohnehin geschuldeten Pflegestandard hinausgehende Maßnahmen aktivierender Art insbesondere für die Bereiche Körperpflege, Nahrungsaufnahme, Mobilität und Toilettenbenutzung anbietet und der Versicherte daran mehr als nur gelegentlich teilgenommen hat.

2. Rehabilitative Maßnahmen können den Anspruch auf den "Anerkennungsbetrag" auslösen, wenn der Versicherte eine zur medizinischen Rehabilitation gehörende ambulante Behandlung (zB Krankengymnastik) erfahren und das Pflegepersonal die ärztliche Verordnung veranlasst, deren Durchführung sichergestellt und durch Begleitmaßnahmen unterstützt hat.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 27. November 2013 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 1536 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Streitig ist ein Anspruch auf Gewährung des sogenannten [X.] nach § 87a Abs 4 [X.].

2

Die klagende Kirchengemeinde ist Trägerin des Alten- und Pflegeheimes Haus St. B. in R. Am [X.] wurde dort die damals 83 Jahre alte, am 15.1.2013 verstorbene Versicherte [X.] aufgenommen; sie befand sich bis zum 4.8.2010 in [X.] (§ 42 [X.]) und sodann in vollstationärer Pflege (§ 43 [X.]). Dem Heimaufenthalt vorausgegangen war ein Sturz der Versicherten in ihrer Wohnung, der zu einer stationären Krankenhausbehandlung (30.5. bis [X.]) geführt hatte. Die anschließende stationäre geriatrische Rehabilitation (15. bis 21.6.2010) wurde vorzeitig beendet, weil der Gesundheitszustand der Versicherten eine erneute Krankenhausbehandlung (21.6. bis [X.]) erforderlich gemacht hatte. Die vor ihrem Sturz nicht pflegebedürftige Versicherte wurde von der Beklagten aufgrund eines Gutachtens des [X.] ([X.]) vom 29.7.2010 rückwirkend zum [X.] der [X.]I zugeordnet, weil sich der durchschnittliche tägliche Hilfebedarf bei der Grundpflege auf 142 Minuten belief (Bescheid vom 10.8.2010).

3

Bei einer Wiederholungsuntersuchung (§ 18 Abs 2 Satz 5 [X.]) kam der [X.] zu dem Ergebnis, im Vergleich zur Vorbegutachtung sei die Versicherte deutlich mobiler geworden. Der Hilfebedarf bei der Körperpflege und beim An- und Auskleiden habe sich verringert. Das Gehen mit dem Rollator unter sichernder Begleitung sei ihr wieder möglich und ein Transport im Rollstuhl nicht mehr erforderlich. Wegen Altersgebrechlichkeit und inkompletter Harninkontinenz bestehe ein Pflegebedarf von nur noch 100 Minuten (Gutachten vom 21.3.2011). Die Beklagte gewährte der Versicherten deshalb Leistungen der vollstationären Pflege (§ 43 [X.]) ab 1.5.2011 nur noch nach der [X.] (Bescheid vom 19.4.2011).

4

Mit Schreiben vom 12.5.2011 beantragte die Klägerin die Zahlung des [X.] nach § 87a Abs 4 [X.], weil die Herabstufung Resultat ihrer Bemühungen um aktivierende Pflege und Rehabilitation sei. Die Beklagte lehnte den Antrag nach Einholung einer Stellungnahme des [X.] vom 17.5.2011 ab (Schreiben vom 19.5.2011). Sie schloss sich dabei der Auffassung der Fachärztin für Allgemein- und Sozialmedizin Dr. A. an, die niedrigere Pflegestufe sei vermutlich auf die geriatrische Rehabilitationsmaßnahme im Juni 2010 zurückzuführen. Bei der [X.] vom 29.7.2010 habe der dauerhafte Hilfebedarf noch nicht abschließend eingeschätzt werden können. Zudem habe das Heim eine ausführliche Dokumentation, aus der sich der Verlauf der Minderung der Pflegebedürftigkeit ergeben könnte, nicht vorgelegt.

5

Im Klageverfahren hat die Klägerin geltend gemacht, eine Einrichtung habe nicht den Nachweis zu erbringen, dass mit dem Betroffenen aktivierende oder rehabilitative Maßnahmen durchgeführt worden seien. Es sei gesetzlich zu vermuten, dass die Einrichtungen alle Leistungen der vollstationären Pflege (§ 43 Abs 2 Satz 1 [X.]) erbrächten, wozu auch aktivierende und rehabilitative Maßnahmen gehörten (§ 11 Abs 1 Satz 2 und § 28 Abs 4 Satz 1 [X.]). Die Verpflichtung zur aktivierenden Pflege ergebe sich ferner aus dem Versorgungsvertrag (§ 72 [X.]) und aus dem Rahmenvertrag für [X.] und vollstationäre Pflege (§ 75 [X.]). Der [X.] lasse schon zeitlich und personell eine über das normale Maß hinausgehende Leistungserbringung nicht zu. Komme es zur Rückstufung eines Versicherten in eine niedrigere Pflegestufe, bestehe ohne weitere Prüfung ein Anspruch des Heimträgers auf Zahlung des [X.].

6

Demgegenüber hat die Beklagte eingewandt, ein pauschales Unterstellen der Kausalität normaler aktivierender Pflege finde im Gesetz keine Stütze. Vielmehr setze die Zahlung des [X.] voraus, dass die Pflegeeinrichtung spezielle aktivierende oder rehabilitative Maßnahmen angeboten und der Betroffene nachweislich daran teilgenommen habe. Die Regelung des § 87a Abs 4 [X.] belohne nur "gesteigerte Anstrengungen" der Einrichtungen. Daran fehle es hier.

7

Das [X.] hat die Beklagte zur Zahlung des [X.] in Höhe von 1536 Euro verurteilt (Urteil vom [X.]). § 87a Abs 4 Satz 1 [X.] setze nicht den Nachweis voraus, dass die Zuordnung eines Versicherten zu einer niedrigeren Pflegestufe auf besondere aktivierende oder rehabilitative Maßnahmen der Pflegeeinrichtung ursächlich zurückzuführen sei. Vielmehr sei grundsätzlich zu unterstellen, dass die Einrichtung die gesetzlich und vertraglich geschuldete aktivierende Pflege durchgeführt und dies die Herabstufung kausal bewirkt habe. Die Vorschrift eröffne die Annahme von [X.] nur für den Fall, dass nachweislich andere Gründe, also nicht die aktivierende Pflege selbst, Ursache für die pflegestufenrelevante Reduzierung des Hilfebedarfs gewesen sind, wie [X.] die zeitnahe Durchführung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme außerhalb der Pflegeeinrichtung (§ 40 Abs 2 [X.]B V). Hier sei ein solcher Ausnahmetatbestand nicht ersichtlich.

8

Das L[X.] hat das Urteil des [X.] aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 27.11.2013). Die Zahlung des [X.] sei nur dann gerechtfertigt, wenn die Pflegeeinrichtung über den von ihr ohnehin zu erbringenden [X.] hinaus ein erkennbares "Mehr" an Maßnahmen aktivierender oder rehabilitativer Art im Sinne einer positiven Beeinflussung und eines besonderen Einwirkens auf den Pflegeprozess erbracht habe. Allein mit der "aktivierenden Pflege" nach dem [X.] (§ 11 Abs 1 Satz 2 und § 28 Abs 4 Satz 1 [X.]) würden die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 87a Abs 4 [X.] nicht erfüllt. Die Einrichtung habe die Durchführung solcher aktivierender oder rehabilitativer Maßnahmen nachzuweisen; dazu seien die konkrete Pflegeplanung und die Pflegedokumentation vorzulegen. Dass diese zusätzlichen Maßnahmen auch kausal für die Herabstufung gewesen seien, könne sodann regelmäßig unterstellt werden. Im vorliegenden Fall habe die Klägerin weder nachvollziehbar dargelegt noch gar bewiesen, dass das Heim bei der Versicherten besondere, über den [X.] hinausgehende Anstrengungen unternommen habe. Die Auflistung der gesellschaftlichen Gruppenaktivitäten, an denen die Versicherte von September 2010 bis Oktober 2011 teilgenommen habe, belegten keine gesteigerten mobilitätsfördernden Aktivierungsmaßnahmen.

9

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Das L[X.] gehe zu Unrecht davon aus, dass die in § 87a Abs 4 [X.] genannten aktivierenden Maßnahmen sich von den Pflegeleistungen des § 43 [X.] inhaltlich unterscheiden müssten. Schon wenn die normale aktivierende Pflege zu einer relevanten Reduzierung des [X.] führe, sei der Anerkennungsbetrag verdient.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des L[X.] Nordrhein-Westfalen vom 27. November 2013 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 27. April 2012 zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Klägerin ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das [X.] zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 170 Abs 2 Satz 2 [X.][X.]) begründet. Es kann auf [X.]rundlage der bisher getroffenen Feststellungen nicht abschließend - positiv oder negativ - entschieden werden, ob die Voraussetzungen des § 87a Abs 4 Satz 1 [X.] für die Zahlung des [X.] erfüllt sind. Im Zuge des erneut durchzuführenden Berufungsverfahrens wird das [X.] die dazu notwendigen Feststellungen zu treffen haben.

A. Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu berücksichtigenden Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor. Der Heimträger rechnet den [X.] wie ein zusätzliches Heimentgelt gegenüber der Pflegekasse ab. Die Regelung des § 87a Abs 4 [X.] findet sich im [X.] Abschnitt des [X.] mit der Überschrift "Vergütung der stationären Pflegeleistungen" (§§ 84 ff [X.]) und dort in der Vorschrift über die "Berechnung und Zahlung des [X.]" (§ 87a [X.]). Verweigert die Pflegekasse die Zahlung des [X.], steht dem Heimträger die isolierte Leistungsklage (§ 54 Abs 5 [X.][X.]) offen, weil die Pflegekasse gegenüber dem Heimträger im [X.] mangels eines Subordinationsverhältnisses nicht durch Verwaltungsakt über den Anspruch entscheiden kann ([X.] in jurisPK-[X.], 2. Aufl 2012, § 87a [X.]). Die Beklagte hat deshalb zu Recht die Ablehnung des Antrags der Klägerin vom 12.5.2011 nur in Form eines einfachen Schreibens bekannt gegeben. Eines Vorverfahrens bedurfte es nicht; eine Klagefrist war nicht einzuhalten.

B. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs ist § 87a Abs 4 Satz 1 [X.] idF des Art 1 Nr 53 des [X.] ([X.]) vom 28.5.2008 ([X.]). Danach erhalten Pflegeeinrichtungen, die Leistungen iS des § 43 [X.], dh vollstationäre Pflege erbringen, seit dem [X.] von der Pflegekasse zusätzlich den Betrag von 1536 Euro (ab 1.1.2015 erhöht auf 1597 Euro, vgl Art 1 Nr 25 des [X.] vom 17.12.2014, [X.]), wenn der Pflegebedürftige nach der Durchführung aktivierender oder rehabilitativer Maßnahmen in eine niedrigere Pflegestufe oder von erheblicher zu nicht erheblicher Pflegebedürftigkeit (sog Pflegestufe 0) zurückgestuft wurde. Nach § 87a Abs 4 Satz 3 [X.] ist der Betrag aber an die Pflegekasse zurückzuzahlen, wenn der Pflegebedürftige - anders als hier - innerhalb von sechs Monaten wieder in eine höhere Pflegestufe oder von nicht erheblicher zu erheblicher Pflegebedürftigkeit eingestuft wird. Streitig ist im vorliegenden Fall allein die Auslegung des Tatbestandsmerkmals "nach Durchführung aktivierender oder rehabilitativer Maßnahmen" und unter welchen Voraussetzungen die Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmals anzunehmen ist. Da die aktivierende Pflege eines Pflegebedürftigen schon zum allgemeinen Pflegestandard gehört (§ 11 Abs 1 Satz 2 und § 28 Abs 4 Satz 1 [X.]), ist die Zahlung des [X.] nach Sinn und Zweck der Regelung nur dann gerechtfertigt, wenn das Heim ein erkennbares "Mehr" als das gesetzliche Mindestmaß an pflegerischen Maßnahmen erbracht hat. Dass dies so geschehen ist, hat das Heim nachvollziehbar darzulegen und ggf zu beweisen. Es muss allerdings nicht den Nachweis erbringen, das dieses überobligatorische Bemühen im Einzelfall auch kausal für die Rückstufung des Versicherten war. Es ist nicht ausgeschlossen, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall entgegen der Auffassungen des [X.] und der [X.] erfüllt sind.

1. Was der [X.]esetzgeber mit dem Tatbestandsmerkmal "nach Durchführung aktivierender oder rehabilitativer Maßnahmen" meint, hat er in § 87a Abs 4 Satz 1 [X.] nicht näher beschrieben. Er verwendet diese Wendung im [X.] im übrigen nicht, sodass der [X.] nicht auf entsprechende andere Vorschriften und die dazu ergangene Rechtsprechung zurückgreifen kann.

a) Bereits vom Wortlaut her ist der Begriff "aktivierende Maßnahme" von der allgemeinen "aktivierenden Pflege" abzugrenzen. Dabei handelt es sich um eine Form der alltäglichen Pflegepraxis, die verbliebene Fähigkeiten und Ressourcen des Pflegebedürftigen bei den einzelnen Pflegemaßnahmen einbezieht und - im [X.]egensatz zur kompensatorischen Pflege - Hilfe zur Selbsthilfe bietet und verhindern soll, dass Fähigkeiten wegen fehlender körperlicher und geistiger Übung weiter abnehmen. Im Idealfall können dadurch sogar verloren gegangene Fähigkeiten wiedererlangt werden. Die aktivierende Pflege ist anerkannter [X.]rundsatz professioneller Pflege. Im [X.] wird sie an mehreren Stellen vorausgesetzt und auch konkret erwähnt:
Nach § 2 Abs 1 [X.] sollen die Leistungen der Pflegeversicherung den Pflegebedürftigen helfen, trotz ihres Hilfebedarfs ein möglichst selbstständiges und selbstbestimmtes Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht. Die Hilfen sind darauf auszurichten, die körperlichen, geistigen und seelischen Kräfte der Pflegebedürftigen wiederzugewinnen oder zu erhalten.
§ 5 Abs 6 [X.] ordnet an, dass die Leistungsträger im Rahmen ihres Leistungsrechts auch nach Eintritt der Pflegebedürftigkeit ihre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ihre ergänzenden Leistungen im vollen Umfang einzusetzen und darauf hinzuwirken haben, die Pflegebedürftigkeit zu überwinden, zu mindern sowie eine Verschlimmerung zu verhindern.
[X.]emäß § 6 Abs 2 [X.] haben die Pflegebedürftigen nach Eintritt der Pflegebedürftigkeit an Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und der aktivierenden Pflege mitzuwirken, um die Pflegebedürftigkeit zu überwinden, zu mindern oder eine Verschlimmerung zu verhindern.
Nach § 11 Abs 1 Satz 2 [X.] haben Inhalt und Organisation der durch die Pflegeeinrichtung angebotenen Leistungen eine humane und aktivierende Pflege unter Achtung der Menschenwürde zu gewährleisten.
§ 28 Abs 4 [X.] stellt ausdrücklich klar, dass die Pflege auch die Aktivierung des Pflegebedürftigen zum Ziel haben soll, um die vorhandenen Fähigkeiten zu erhalten und, soweit dies möglich ist, verlorene Fähigkeiten zurückzugewinnen.
Nach § 11 Abs 2 [X.]B V haben Versicherte auch Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie auf unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen, die notwendig sind, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern (Satz 1). Leistungen der aktivierenden Pflege nach Eintritt von Pflegebedürftigkeit werden von den [X.] erbracht (Satz 2).

b) Auch außerhalb der Vorschriften des [X.] wird die "aktivierende Pflege" als generelle Pflicht der Pflegeheime mehrfach angesprochen:
Die "Maßstäbe und [X.]rundsätze für die Qualität und die Qualitätssicherung sowie für die Entwicklung eines einrichtungsinternen Qualitätsmanagements nach § 113 [X.] in der vollstationären Pflege" vom 27.5.2011 ([X.] vollstationäre Pflege, BAnz vom 21.7.2011, [X.]) beschreiben unter Punkt 1.1, dass stationäre Einrichtungen die Leistungen im Rahmen des § 2 Abs 2 Satz 2 [X.] (Berücksichtigung der Wünsche des Pflegebedürftigen bei der [X.]estaltung der Hilfe) und § 4 Abs 3 [X.] ([X.]rundsatz der Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der Leistungen) unter anderem auf der Basis des Zieles erbringen, Pflege, [X.] Betreuung, Unterkunft und Verpflegung darauf auszurichten, die körperlichen, geistigen und seelischen Kräfte der Bewohner wiederzugewinnen oder zu erhalten.
Im Rahmenvertrag nach § 75 Abs 1 [X.] zur [X.] und vollstationären Pflege in [X.] ist in § 2 vereinbart: "Inhalt der Pflegeleistungen sind die im Einzelfall erforderlichen Tätigkeiten zur Unterstützung, zur teilweisen oder zur vollständigen Übernahme der Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens oder zur Beaufsichtigung oder Anleitung mit dem Ziel der eigenständigen Übernahme dieser Verrichtungen in der anerkannten Pflegestufe. Die Hilfen sollen diejenigen Maßnahmen enthalten, welche die Pflegebedürftigkeit mindern sowie eine Verschlimmerung der Pflegebedürftigkeit und der Entstehung von [X.] vorbeugen."
Nach § 5 des [X.] nach § 72 [X.] verpflichten sich die [X.], dass sowohl die Bestimmungen des Rahmenvertrages nach § 75 [X.] als auch die Maßstäbe und [X.]rundsätze für die Qualität und die Qualitätssicherung sowie für die Entwicklung eines einrichtungsinternen Qualitätsmanagements nach § 113 [X.] in der jeweils gültigen Fassung uneingeschränkt und unmittelbar Anwendung finden.
In Ziffer 2 der "Richtlinien der Spitzenverbände der [X.] über die Abgrenzung der Merkmale der Pflegebedürftigkeit und der Pflegestufen sowie zum Verfahren der Feststellung der Pflegebedürftigkeit" (Pflegebedürftigkeits-Richtlinien vom 7.11.1994, zuletzt geändert durch Beschluss vom 11.5.2006) und Abschnitt [X.] / 6. S 51 der "Richtlinien des [X.] zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem [X.]. Buch des [X.]" (Begutachtungs-Richtlinien vom [X.], geändert durch Beschluss vom 16.4.2013) wird wiederum, wie in § 11 Abs 1 Satz 2 [X.], der Begriff der "aktivierenden Pflege" verwendet.

c) Die [X.]esetzesbegründung zu § 87a Abs 4 [X.] spricht die "aktivierende Pflege" als allgemeinen Pflegestandard ebenfalls an (Entwurf des [X.], BT-Drucks 16/7439, zu [X.]). Begründet wird die Einführung des [X.] für Einrichtungen der dauerhaften vollstationären Pflege mit der Notwendigkeit eines finanziellen Anreizes, durch den die Anstrengungen in den Bereichen der aktivierenden Pflege und der Rehabilitation (§ 5 Abs 2 [X.]) gesteigert werden sollen. Was dabei konkret unter "aktivierenden oder rehabilitativen Maßnahmen" zu verstehen sein soll, wird aber auch in der [X.]esetzesbegründung nicht näher erläutert. Lediglich der [X.]rund für die Beschränkung des [X.] auf die dauerhafte vollstationäre Pflege (§ 43 [X.]) wird offengelegt: "Nicht vorgesehen werden finanzielle Anreize für Pflegedienste und Einrichtungen von Tages-, Nacht- und [X.], da die Ausgangssituationen nicht vergleichbar sind. Pflegedienste erbringen typischerweise bzw. häufig nur einen Teil des insgesamt erforderlichen Versorgungs- und Betreuungsaufwands, überdies findet regelmäßig eine begleitende ambulante Rehabilitation statt, so dass ein Erfolg nur schwerlich allein oder auch nur überwiegend den Anstrengungen eines [X.] zugeordnet werden kann. Ähnliches gilt für die teilstationäre Versorgung. In Einrichtungen der [X.] halten sich Pflegebedürftige nur für einen begrenzten [X.]raum auf, so dass sich etwaige Erfolge auch hier kaum kausal auf die professionelle Versorgung zurückführen lassen."

2. Dass eine dem allgemeinen Pflegestandard entsprechende aktivierende Pflege im Einzelfall das Maß der Pflegebedürftigkeit absenken kann, ist unbestritten ([X.], aaO, § 87a [X.] mwN). Allein daraus aber zu schließen, es reiche für den [X.] nach § 87a Abs 4 [X.] aus, wenn das Pflegeheim ganz allgemein den [X.]rundsätzen der aktivierenden Pflege gefolgt sei, würde zu weit gehen. Auf [X.]rundlage dieser Rechtsauffassung wäre das Tatbestandsmerkmal "nach Durchführung aktivierender oder rehabilitativer Maßnahmen" praktisch überflüssig und ohne eigenen Regelungsgehalt. Der [X.]esetzeswortlaut, Sinn und Zweck des [X.]esetzes sowie die [X.]esetzesmaterialien sprechen gegen diese von der Klägerin und auch vom [X.] vertretene Rechtsauffassung.

Der [X.] stimmt dem [X.] dahin zu, dass die Voraussetzungen des § 87a Abs 4 [X.] nicht allein dadurch erfüllt werden können, dass sich das Heim nach seinem Konzept und der Ausrichtung seines Leistungsangebotes dem [X.]edanken der "aktivierenden Pflege" verpflichtet sieht. Mit der Wendung "nach Durchführung aktivierender oder rehabilitativer Maßnahmen" geht der [X.] über das allgemeine Prinzip der aktivierenden Pflege hinaus, wonach bei der gesamten Ausgestaltung der Pflege die Kompetenzen der pflegebedürftigen Menschen abzurufen und sie soweit wie möglich bei der [X.]estaltung des Tagesablaufs zu nutzen sind. Dazu ist jedes Heim gesetzlich und vertraglich verpflichtet. Nach dem Wortlaut des § 87a Abs 4 [X.] setzt der Anspruch auf den Ausgleichsbetrag aber nicht nur die Herabstufung eines pflegebedürftigen Bewohners in eine niedrigere Pflegestufe, sondern darüber hinaus die Durchführung aktivierender oder rehabilitativer Maßnahmen und damit einen das gesetzliche Mindestmaß überschreitenden Umfang an pflegerischen Maßnahmen voraus. Diese müssen sich dem Sinn der Regelung des § 87a Abs 4 [X.] nach zentral auf die Fähigkeiten der Betroffenen beziehen, die nach § 14 Abs 4 [X.] für die Zuordnung zu einer Pflegstufe maßgeblich sind, also etwa Mobilität, Körperpflege, Nahrungsaufnahme und Toilettenbenutzung. Hat das Heim dazu spezielle Angebote gemacht, die der Betroffene regelmäßig auch genutzt hat, greift die Vermutung ein, dass diese überobligatorischen Anstrengungen zur Herabstufung beigetragen haben. Auch eine quantitative Ausweitung der aktivierenden Pflege kann im Einzelfall ausreichen, wie [X.] ein in der Dauer ausgeweitetes begleitetes [X.][X.]ehtraining zur Förderung des Ziels des späteren eigenständigen [X.]ehens mit dem Rollator. Einen Nachweis der Kausalität der durchgeführten überobligatorischen Maßnahmen verlangt die Vorschrift aber ausdrücklich nicht.

3. Neben den aktivierenden Maßnahmen stehen in § 87a Abs 4 Satz 1 [X.] gleichrangig und alternativ die rehabilitativen Maßnahmen.

a) Nach dem Wortlaut der Vorschrift kann sich der Begriff der "rehabilitativen Maßnahme" sowohl auf die Rehabilitation im teilhaberechtlichen Sinne (§§ 1, 4, 5 [X.]B IX), also die Kombination aus medizinischer, beruflicher und [X.]r Rehabilitation als auch auf die rein medizinische Rehabilitation (§ 5 Abs 6 [X.]; § 5 [X.] §§ 26 ff [X.]B IX, § 11 Abs 2 und § 40 [X.]B V) beziehen. Die Rehabilitation im teilhaberechtlichen Sinne umfasst nach der Definition im Technical Report 668/1981 der [X.] ([X.]) entsprechend dem von ihr vertretenen "biopsycho[X.]n Modell" von [X.]esundheit und Krankheit (vgl [X.], [X.], 2. Aufl 2015, Teil 1 Kapitel A, [X.], 10) den koordinierten Einsatz medizinischer, [X.]r, beruflicher, pädagogischer und technischer Maßnahmen sowie Einflussnahmen auf das physische und [X.] Umfeld zur Funktionsverbesserung zum Erreichen einer größtmöglichen Eigenaktivität zur weitestgehenden Partizipation in allen Lebensbereichen, damit der Betroffene in seiner Lebensgestaltung so frei wie möglich wird. Die Rehabilitation in diesem weiten Sinne betrifft also Maßnahmen, die darauf zielen, die körperlichen, psychischen und [X.]n Folgen einer Behinderung bzw Aktivitätseinschränkung und Störung der Teilhabe am Leben zu reduzieren und auf ein Minimum zu beschränken. Dies verdeutlicht, dass die aktivierende Pflege einen starken Bezug zu rehabilitativen Aspekten wie Selbstbestimmung, Alltagsbewältigung sowie Umgang mit der eigenen Behinderung hat (Plantholz im LPK-[X.], 4. Aufl 2014, § 28 RdNr 28). An der Definition des Begriffs "Rehabilitation" durch die [X.] orientiert sich der [X.]esetzgeber auch im [X.]B IX, das der "Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen" gewidmet ist. Nach § 1 Satz 1 [X.]B IX erhalten behinderte oder von Behinderung bedrohte Menschen Leistungen nach diesem Buch und dem für die Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen, um ihre Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der [X.] zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken. Die medizinische Rehabilitation ist dabei ein wesentlicher Bestandteil des Teilhabeanspruchs (§ 5 Nr 1 [X.]B IX).

b) Dieser weite Begriff der "Rehabilitation" liegt allerdings nicht dem Begriff der "rehabilitativen Maßnahmen" zugrunde, wie er in § 87a Abs 4 Satz 1 [X.] verwendet wird. Er beschränkt sich dort auf die medizinische Rehabilitation. Die [X.]esetzesbegründung zum [X.] (BT-Drucks 16/7439, zu [X.] c S 73) führt bei den zu fördernden Anstrengungen der Pflegeeinrichtungen im Bereich der Rehabilitation ausdrücklich den Klammerzusatz "§ 5 Abs 2" an. § 5 Abs 2 [X.] in seiner damaligen Fassung (ab 25.7.2015: § 5 Abs 6 [X.] idF des [X.] vom 17.7.2015, [X.] 1368) betrifft aber ausschließlich die medizinische Rehabilitation (vgl § 11 Abs 2, § 40 [X.]B V sowie § 26 [X.]B IX) und verpflichtet alle Leistungsträger, im Rahmen ihres Leistungsrechts auch nach Eintritt der Pflegebedürftigkeit ihre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzenden Leistungen im vollen Umfang einzusetzen und darauf hinzuwirken, die Pflegebedürftigkeit zu überwinden, zu mindern sowie ihre Verschlimmerung zu verhindern (so auch § 107 Abs 2 Nr 1b [X.]B V zur Aufgabe der Rehabilitationseinrichtungen). Demgemäß haben die Pflegeheime [X.] auch die Pflicht zur Aufforderung und Anleitung des Versicherten nach dem Heilungsprozess einer Fraktur regelmäßig an vertragsärztlich verordneter Krankengymnastik teilzunehmen und diese ggf durch regelmäßige eigene Übungen zu begleiten (vgl § 26 Abs 2 Nr 4 [X.]B IX: Krankengymnastik als Leistung zur medizinischen Rehabilitation). Die Heime haben ferner die Pflicht, regelmäßig dafür Sorge zu tragen, dass ein Betroffener, [X.] ein Schlaganfallpatient, Leistungen der Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie oder Neuropsychologie ärztlich verordnet bekommt und auch an den jeweiligen Therapien teilnimmt (vgl § 5, § 18 Abs 1 Satz 3 und [X.] und 3, § 31 [X.]).

Die eigentlichen Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation (Einzelmaßnahmen iS des § 26 [X.]B IX, Komplexleistungen nach § 40 [X.]B V) sind aber anders als die aktivierende Pflege (§ 28 Abs 4 Satz 1 [X.]), nicht vom Leistungskatalog der [X.]n Pflegeversicherung nach § 28 Abs 1 [X.] umfasst und sie gehören dementsprechend nicht zu den durch die [X.] und die Leistungserbringer sicherzustellenden Leistungen nach § 28 Abs 3 [X.] (Welti in [X.], [X.], 2. Aufl 2015, Teil 3 Kapitel [X.], [X.]; vgl auch [X.], [X.], Forum D - 31/2015: [X.] müssen [X.] werden). Eine Ausnahme bilden lediglich die vorläufigen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach § 32 [X.], die zwar von den [X.] als Sachleistung (§ 4 Abs 1 [X.]) einstweilen sicherzustellen, anschließend aber von den Krankenkassen zu finanzieren sind. Bestandteil der vollstationären Pflege sind nach § 43 Abs 2 Satz 1 [X.] auch die Leistungen der medizinischen Behandlungspflege (wie [X.] Medikamentengabe und Verbandwechsel). Diese ansonsten von den Krankenkassen zu erbringenden Leistungen (§ 37 [X.]B V) sind bei vollstationärer Pflege der Versicherten von den [X.] und den Pflegeheimen sicherzustellen, es sei denn, es geht um einen besonders hohen Bedarf, der dann wiederum in die Zuständigkeit der Krankenkassen fällt (§ 37 Abs 2 Satz 3 [X.]B V ). Bei der medizinischen Behandlungspflege geht es aber um Krankenbehandlung in Form häuslicher Krankenpflege (§ 37 und § 27 Abs 2 Satz 1 Nr 4 [X.]B V) und nicht um eine Leistung der medizinischen Rehabilitation (§ 27 Abs 2 Satz 1 Nr 6 [X.]B V). Die medizinische Rehabilitation ist originäre Aufgabe der Krankenkassen. Um dem Tatbestandsmerkmal der "rehabilitativen Maßnahmen" in § 87a Abs 4 Satz 1 [X.] einen Sinn zu geben, ist davon auszugehen, dass die Vorschrift nicht auf den Leistungskatalog des § 28 Abs 1 [X.] abstellt, sondern alle in dem Heim angebotenen von ihm veranlassten, überwachten und organisatorisch begleiteten Maßnahmen mit rehabilitativem Charakter belohnen möchte, sofern sie geeignet sind, den Umfang der Pflegebedürftigkeit zu reduzieren, also insbesondere auf die Mobilität, die Körperpflege und die Nahrungsaufnahme abzielen (vgl § 14 Abs 4 [X.]).

c) Da grundsätzlich nicht unterschieden werden kann, ob eine eingetretene Reduzierung des Pflegebedarfs, die auf der Wiedergewinnung körperlicher oder geistiger Fähigkeiten beruht, letztlich auf aktivierende Maßnahmen des Pflegepersonals (wie [X.] [X.]eh-, [X.], [X.] oder Toilettentraining, [X.]edächtnistraining) oder auf die gleichzeitig stattfindenden Maßnahmen der Krankenkassen zur medizinischen Rehabilitation zurückzuführen sind, die aber vom Pflegepersonal ggf veranlasst und begleitet werden, muss davon ausgegangen werden, dass auch alle Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation unabhängig von der Kostenträgerschaft in den Tatbestand des § 87a Abs 4 [X.] einzubeziehen sind, solange sie ambulant im Pflegeheim durchgeführt werden und dem Pflegepersonal eine Veranlasser- und Begleitfunktion zukommt.

4. Da der [X.] nach § 87a Abs 4 [X.] die Reduzierung des Pflegebedarfs infolge Wiedergewinnung körperlicher oder geistiger Fähigkeiten belohnen will, scheidet ein Anspruch aus, wenn die Rückstufung auf eine stationäre Krankenbehandlung oder auf eine außerhalb des [X.] durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme zurückzuführen ist (BT-Drucks 16/7439, zu [X.] b S 73). [X.]leiches gilt dann, wenn die Rückstufung auf dem Einsatz von Hilfsmitteln beruht. Eine Verschlimmerung des [X.]esundheitszustands, [X.] fortschreitende Demenz, die Bettlägerigkeit zur Folge hat, kann ebenfalls den Hilfebedarf vermindern und zu einer niedrigeren Pflegestufe führen, ohne dass der Anspruch auf den [X.] ausgelöst wird.

5. Die Durchführung der aktivierenden oder rehabilitativen Maßnahmen und die erfolgte Teilnahme des Pflegebedürftigen ist zu dokumentieren, und die Pflegedokumentation ist auf Veranlassung der Pflegekasse dem allein zur Einsichtnahme berechtigten [X.] (bzw [X.]) vorzulegen, wenn ein Heim einen [X.] nach § 87a Abs 4 [X.] zur Abrechnung stellt. Es besteht insoweit kein unmittelbares Einsichtsrecht der Pflegekasse (vgl [X.] in LPK-[X.], 4. Aufl 2014, § 105 RdNr 7). Das Heim muss aber grundsätzlich nicht nachweisen, dass zwischen den erbrachten Maßnahmen und der Herabstufung in eine niedrigere Pflegestufe ein Ursachenzusammenhang besteht; die Kausalität wird vielmehr vermutet (BT-Drucks 16/7439 zu [X.] 73).

a) Bei dem [X.] handelt es sich um eine Art Prämie. Sie soll in erster Linie einen gewissen Ausgleich für die finanziellen Einbußen des Heims darstellen. Einer Herabstufung der Pflegestufe bzw Pflegeklasse (§ 84 Abs 2 Satz 3 [X.]) steht nicht unbedingt eine entsprechende Verringerung der Kosten gegenüber. Der pflegerische Aufwand verringert sich allenfalls unmerklich, wenn der [X.]rundpflegebedarf eines Pflegebedürftigen um nur eine kurze [X.]spanne, [X.] von 121 auf 119 Minuten, absinkt, aber dies ist mit einer Absenkung der [X.] verbunden. Nur auf [X.] hat diese Prämie auch Anreizwirkung. Sie kann lediglich als Entschärfung und Verminderung der Fehlanreize angesehen werden, die durch die Vergütungsstruktur in der stationären Pflege gegeben sind, die nämlich zu finanziellen Einbußen des Heims bei "erfolgreicher" Pflege führen. Wenn aber bei dem [X.] die Ausgleichsfunktion im Vordergrund steht, ist maßgeblich die Herabstufung selbst, nicht so sehr ein Kausalzusammenhang zu den aktivierenden und rehabilitativen Maßnahmen. Hierfür spricht auch die Erwägung des [X.]esetzgebers, der [X.] solle "unbürokratisch" gewährt werden. Ein Kausalzusammenhang zwischen aktivierender Maßnahme und Verringerung des Pflegebedarfs kann mit vertretbarem Aufwand nicht belegt oder gar nachgewiesen werden.

b) Dem Anliegen des [X.]esetzgebers, den Nachweis der Voraussetzungen des § 87a Abs 4 [X.] nicht zu bürokratisch auszugestalten, ist dadurch Rechnung zu tragen, dass die Anforderungen an die Dokumentation der aktivierenden oder rehabilitativen Maßnahmen nicht zu hoch angesetzt werden. Es reicht regelmäßig aus, wenn das Heim sein Angebot in dieser Hinsicht darstellt und belegt, dass der Betroffene von diesem Angebot mehr als nur ganz beiläufig [X.]ebrauch gemacht hat. Eine Aufzeichnung in der Form, dass für jeden Tag dokumentiert würde, an welchen aktivierenden Maßnahmen der Betroffene für wie viele Minuten teilgenommen hat, ist nicht geboten. [X.]rundsätzlich wird das Heim schon im eigenen Interesse seine spezifischen [X.] schriftlich dokumentieren; es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass das Heim über eine mündliche Aussage der für diesen Teil der Pflege zuständigen Pflegekräfte seine Angebote darstellt. Das gilt insbesondere für die [X.] bis zur Verkündung dieses Urteils. Bisher konnten die Heime nicht wissen, welche Anforderungen an den Nachweis der Durchführung aktivierender Maßnahmen zu stellen sind. Deshalb durfte das [X.] das Angebot der Klägerin, über die Darstellung der Maßnahmen durch die Pflegedienstleiterin den Nachweis der Voraussetzungen des § 87a Abs 4 [X.] zu erbringen, nicht unbeachtet lassen.

c) Nach Feststellung des [X.] war die Versicherte bei der Nachuntersuchung am 21.3.2011 deutlich mobiler als bei der [X.] am 29.7.2010. Insbesondere das [X.]ehen mit dem Rollator unter sichernder Begleitung war der Versicherten wieder möglich und ein Transport im Rollstuhl nicht mehr erforderlich. Außerdem gab es Fortschritte bei der selbstständigen Durchführung der Körperpflege und beim An- und Auskleiden. Der tägliche [X.]rundpflegebedarf hatte sich innerhalb von nur acht Monaten von 142 auf 100 Minuten reduziert. Dieser außerordentliche Mobilisationserfolg stellt ein starkes Indiz dar, dass die Versicherte nicht nur schlicht nach dem Mindeststandard gepflegt worden ist, sondern auch die von der Pflegedienstleiterin bei der informatorischen Anhörung geschilderten verrichtungsübergreifenden Trainingsmaßnahmen ([X.]eh-, Balance- und Motivationstraining) mitgemacht hat. Als bewiesen können die überobligatorischen Maßnahmen bisher aber nicht gelten.

aa) Zwar kann unter Umständen schon eine ganz erhebliche Reduzierung des [X.]rundpflegebedarfs dafür sprechen, dass tatsächlich aktivierende Maßnahmen durchgeführt worden sind. Denn wenn nicht lediglich eine geringfügige Verringerung des Pflegebedarfs im [X.]renzbereich der Pflegestufen zu einer Einstufung in eine niedrigere Pflegstufe geführt hat, wie es [X.] bei der schon erwähnten Verringerung des [X.]rundpflegebedarfs von 121 Minuten (Pflegestufe II) auf 119 Minuten (Pflegestufe I) der Fall wäre, sondern sich der Pflegebedarf - wie hier - tatsächlich ganz deutlich verringert hat, kann unter Umständen daraus bereits auf die Durchführung effektiver aktivierender Maßnahmen des [X.] geschlossen werden. Ein solcher Rückschluss ohne weiteren konkreten Nachweis aktivierender oder rehabilitativer Maßnahmen durch das Pflegeheim setzt aber voraus, dass keine anderen Ursachen für diesen [X.] maßgeblich gewesen sind. Davon konnte im vorliegenden Fall jedoch nicht ohne Weiteres ausgegangen werden, da die Diagnose zum Leistungsvermögen der Versicherten anlässlich der Aufnahme in dem Pflegeheim unsicher war; es stand von vornherein im Raum, dass die Versicherte noch nicht im medizinischen Sinne "austherapiert" war. Zudem ist die Versicherte kurz vor ihrer Heimaufnahme akut stationär behandelt worden und hat an einer stationären geriatrischen Rehabilitationsmaßnahme teilgenommen. Deshalb reicht allein die erhebliche Reduzierung des [X.]rundpflegebedarfs nicht aus, um daraus schon auf die Durchführung aktivierender oder rehabilitativer Maßnahmen seitens der Klägerin schließen zu können. Das [X.] wird daher aufzuklären haben, ob die Versicherte tatsächlich solche Maßnahmen kontinuierlich durchlaufen hat.

bb) Mit Blick auf die von der [X.] bestätigten krankengymnastischen Maßnahmen, die bei der Versicherten in der [X.] zwischen Juli und November 2010 regelmäßig durchgeführt worden sind (vgl Schriftsatz vom [X.]), ist ferner zu klären, inwieweit das Heim durch eigene Maßnahmen ([X.] Veranlassung der ärztlichen Verordnungen, organisatorische Hilfe, Überwachung, [X.] im Alltag) an der Versorgung der Versicherten mit krankengymnastischen Leistungen beteiligt war. Solche Unterstützungshandlungen können "rehabilitative Maßnahmen" des Heimträgers iS des § 87a Abs 4 [X.] im Rahmen einer - in die Zuständigkeit der Krankenkassen fallenden (§ 27 Abs 1 Satz 2 [X.], § 11 Abs 2 Satz 1 [X.]B V) - rehabilitativen Leistung (§ 26 [X.]B IX) sein.

C. Über die Kosten des Revisionsverfahrens hat das [X.] im Zuge des erneut durchzuführenden Berufungsverfahrens zu entscheiden.

Die Festsetzung des Streitwerts für das Revisionsverfahren folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 [X.][X.] iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 [X.]K[X.].

Meta

B 3 P 1/14 R

30.09.2015

Bundessozialgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: P

vorgehend SG Münster, 27. April 2012, Az: S 6 P 115/11, Urteil

§ 5 Abs 2 SGB 11 vom 19.06.2001, § 5 Abs 6 SGB 11 vom 17.07.2015, § 28 Abs 4 S 1 SGB 11, § 28 Abs 1 SGB 11, § 28 Abs 3 SGB 11, § 32 SGB 11, § 43 Abs 2 S 1 SGB 11, § 84 Abs 2 S 3 SGB 11, § 87a Abs 4 S 1 SGB 11 vom 28.05.2008, § 1 S 1 SGB 9, § 4 SGB 9, § 5 Nr 1 SGB 9, § 26 SGB 9, §§ 26ff SGB 9

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 30.09.2015, Az. B 3 P 1/14 R (REWIS RS 2015, 4607)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 4607

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