Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.01.2024, Az. 1 StR 413/23

1. Strafsenat | REWIS RS 2024, 175

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Gegenstand

Strafprozessrecht: Verzicht auf Prozessanträge gegen Zusicherung eines Strafrahmens


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 23. Mai 2023 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hatte den Angeklagten mit Urteil vom 20. August 2020 wegen Steuerhinterziehung in sieben Fällen, Fälschung technischer Aufzeichnungen in sechs Fällen und der Vorbereitung von [X.] in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und gegen ihn eine Einziehungsentscheidung getroffen. Der Senat hat mit Beschluss vom 2. Juni 2021 (1 StR 44/21) das Urteil wegen der Verletzung der Mitteilungspflicht (§ 243 Abs. 4 Satz 2 StPO) aufgehoben.

2

Das [X.] hat den Angeklagten nunmehr wegen Fälschung technischer Aufzeichnungen in sechs Fällen und der Vorbereitung von [X.] in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat und von der ein Monat wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung als vollstreckt gilt. Ferner hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen und von Gegenständen angeordnet. Die hiergegen vom Angeklagten mit der Beanstandung der Verletzung formellen und materiellen Rechts geführte Revision hat erneut mit einer Verfahrensrüge Erfolg, weil das [X.] im Rahmen der Verfahrensverständigung § 257c Abs. 1 Satz 2 StPO verletzt hat.

3

1. Nach dem Vorschlag der Wirtschaftsstrafkammer sollte der Angeklagte neben einem abzugebenden Geständnis zusätzlich als weitere Voraussetzung einer Verfahrensverständigung auch „keine Beweisanträge bzw. sonstige Anträge" stellen. Im Gegenzug sicherte das [X.] zu, eine Gesamtfreiheitsstrafe zwischen einem Jahr zwei Monaten und einem Jahr fünf Monaten zu verhängen, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.

4

Mit diesem Vorschlag, den der Angeklagte und die Verfahrensbeteiligten zugestimmt haben, hat das [X.] die Zusage eines bestimmten Strafrahmens unsachgemäß mit einem vom Angeklagten erwarteten Prozessverhalten geknüpft. Der [X.] hat hierzu ausgeführt:

„Den umfassenden Verzicht auf Prozessanträge gegen die Zusicherung eines Strafrahmens hat der Gesetzgeber als zu weitgehend erachtet (BT-Drucks. 16/12310, [X.]). Allenfalls einzelne Anträge können zum Gegenstand der Verständigung gemacht werden (vgl. § 257c Abs. 2 Satz 1 Variante 3 StPO). Anderenfalls wäre die Verletzung der Aufklärungspflicht zu besorgen, die der Verständigung entzogen ist (§ 257c Abs. 1 Satz 2, § 244 Abs. 2 StPO). Eine solch weitgehende Unterwerfung ist mit der Subjektstellung des Angeklagten unvereinbar, die auch bei Urteilsabsprachen zu wahren ist (Senat, Beschluss vom 21. September 2022 - 1 [X.] -, NStZ 2023, 56; vgl. hierzu auch [X.], Beschluss vom 3. März 2005 - [X.] - [X.]St 50, 40, 48; [X.], Beschluss vom 18. Mai 2006 - 4 [X.] -, [X.], 586)."

5

Dem tritt der Senat bei. Der Rechtsfehler nötigt zur Aufhebung des Urteils, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Urteil auf diesem beruht.

6

2. Das neue Tatgericht wird im Hinblick auf die vom [X.] aufgezeigte Problematik betreffend die tatbestandlichen Voraussetzungen der § 303a Abs. 1 und Abs. 3, § 202c Abs. 1 Nr. 2 StGB zu erwägen haben, ob eine Sachbehandlung nach § 154 Abs. 2 StPO aus prozessökonomischen Gründen in Betracht kommt. Dem Senat ist eine Entscheidung in der Sache verwehrt, weil das [X.] keine ausreichenden Feststellungen zu der Verfügungsbefugnis über die sich im Glücksspielautomaten befindlichen Daten getroffen hat.

Jäger     

      

Bellay     

      

Fischer

      

Wimmer     

      

Leplow     

      

Meta

1 StR 413/23

10.01.2024

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Stuttgart, 23. Mai 2023, Az: 11 KLs 211 Js 18177/17 (2)

§ 257c Abs 1 S 2 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.01.2024, Az. 1 StR 413/23 (REWIS RS 2024, 175)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 175

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1 StR 479/21

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