Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.02.2019, Az. 4 StR 283/18

4. Strafsenat | REWIS RS 2019, 10328

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Gegenstand

Inverkehrbringen von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport: Verfassungsmäßigkeit der Bezugnahme auf den jährlich aktualisierten Anhang zum Übereinkommen gegen Doping


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 9. Februar 2018 im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 StPO sowie über die Kosten des Rechtsmittels zu treffen ist.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen des unerlaubten Handeltreibens mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit dem verbotenen Inverkehrbringen von Arzneimitteln zu [X.]zwecken im Sport, unter Einbeziehung einer Freiheitsstrafe aus dem Berufungsurteil des [X.]s Hagen vom 26. August 2014 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Hiervon hat es drei Monate wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung für vollstreckt erklärt. Gegen dieses Urteil richtet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel führt zu einer Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Der Schuldspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand.

3

Soweit der Angeklagte im Fall III. 1. der Urteilsgründe unter anderem wegen des verbotenen Inverkehrbringens von Arzneimitteln zu [X.]zwecken im Sport nach § 95 Abs. 1 Nr. 2a [X.] in der vom 13. August 2013 bis zum 17. Dezember 2015 gültigen Fassung verurteilt worden ist, hat der [X.] die für eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG erforderliche Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der Norm nicht gewonnen (vgl. hierzu [X.] 68, 352, 359; [X.] 80, 54, 58 f.; [X.] in Schmidt-Bleibtreu/[X.], GG, 14. Aufl., Art. 100 Rn. 16). Dies gilt auch angesichts der vom 3. Strafsenat im Beschluss vom 7. August 2018 (3 [X.], [X.] 2019, 28) - in nicht tragenden Entscheidungsgründen - geäußerten Bedenken, ob die in § 95 Abs. 1 Nr. 2a [X.]. § 6a Abs. 1 und 2 [X.] aF enthaltene Verweisung auf die jeweils geltende Fassung des Anhangs des Übereinkommens gegen [X.] (Gesetz vom 2. März 1994 zu dem Übereinkommen vom 16. November 1989 gegen [X.], BGBl. [X.], [X.]) mit der nach Art. 103 Abs. 2 GG gebotenen gesetzgeberischen Rechtssetzungshoheit in Einklang zu bringen ist.

4

Einer Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der in § 95 Abs. 1 Nr. 2a [X.]. § 6a Abs. 1 und 2 [X.] aF geregelten dynamischen Verweisung - eine solche ist auch bei einem Verweis auf einen Rechtsakt außerhalb der nationalen Rechtsordnung in einer Strafnorm nicht grundsätzlich unzulässig (vgl. [X.] 143, 38, 55 ff. [X.] [Verweis auf einen Rechtsakt der [X.]]; [X.] in Schmidt-Bleibtreu/[X.], aaO, Art. 103 Rn. 64; vgl. auch Dreier/Schulze-Fielitz, GG, 3. Aufl., Art. 103 Rn. 34) - steht insbesondere entgegen, dass in § 95 Abs. 1 Nr. 2a [X.]. § 6a Abs. 1 und 2 [X.] aF nicht ohne gesetzliche Konkretisierung auf das [X.]übereinkommen verwiesen wird. Vielmehr enthalten die genannten Vorschriften bereits eine eigene Umschreibung des verbotenen Stoffes, indem dieser konkret als ein Arzneimittel gekennzeichnet wird, das zu [X.]zwecken im Sport in Verkehr gebracht wird.

5

Es kommt hinzu, dass es sich bei dem von dem Angeklagten zu Verkaufszwecken aus [X.] importierten Stoff um Testosteron handelte - eine Substanz, die bereits im ursprünglichen Anhang zum [X.]übereinkommen aufgeführt wurde (vgl. BGBl. [X.], [X.]) und daher unzweifelhaft vom Gesetzgeber zum Kernbestand der verbotenen Stoffe gezählt und als solche unter ein strafrechtliches Verbot gestellt werden sollte (vgl. [X.], Urteil vom 18. September 2013 - 2 [X.], [X.]St 59, 11 ff.).

6

2. Auch die [X.] halten rechtlicher Nachprüfung stand. Soweit in der konkreten Strafzumessung zu den [X.] bis 4. der Urteilsgründe - jeweils betreffend das unerlaubte Handeltreiben mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 4 [X.] aF - die Sicherstellung der von dem Angeklagten aus [X.] bestellten [X.] nicht ausdrücklich als strafmildernder Umstand benannt wird (vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 7. Februar 2012 - 4 [X.], [X.], 153), schließt der [X.] aus, dass der [X.] dieser Gesichtspunkt bei der Bemessung der Einzelstrafen aus dem Blick geraten ist, da die erfolgte Sicherstellung in der rechtlichen Würdigung ausdrücklich zur Ablehnung einer Strafbarkeit nach § 95 Abs. 1 Nr. 2a [X.] aF in den genannten Fällen herangezogen wird.

7

3. Dagegen kann der [X.] nicht bestehen bleiben. Die [X.] hat eine zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe von neun Monaten aus dem Berufungsurteil des [X.]s Hagen vom 26. August 2014 - die zugrunde liegende Tat ereignete sich im Jahr 2011 - gemäß § 55 Abs. 1 StGB in die Gesamtstrafenbildung einbezogen. Insoweit sind die Urteilsgründe jedoch lückenhaft und ermöglichen keine revisionsrichterliche Nachprüfung, ob die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 StGB vom [X.] zu Recht angenommen worden sind.

8

a) Es ist bereits unklar, ob die einbezogene Strafe mangels Erledigung überhaupt noch gesamtstrafenfähig ist.

9

Die in einem früheren Urteil verhängte Strafe darf nach § 55 Abs. 1 StGB nur einbezogen werden, wenn sie zum Zeitpunkt des letzten tatrichterlichen [X.] noch nicht vollstreckt, verjährt oder - im Fall einer Bewährungsstrafe - formell erlassen ist (vgl. [X.], Urteile vom 12. Januar 1993 - 5 [X.], [X.], 235; vom 28. Oktober 1958 - 5 StR 419/58, [X.]St 12, 94, 95; [X.], StGB, 66. Aufl., § 55 Rn. 6; LK-StGB/[X.], 12. Aufl., § 55 Rn. 22 f.). Die Nichterledigung der früheren Strafe muss in dem späteren Urteil als Voraussetzung für die Anwendbarkeit von § 55 Abs. 1 StGB festgestellt werden ([X.], Urteil vom 11. Juli 1995 - 1 [X.], [X.], 306, 307; [X.], aaO). Bezüglich der einbezogenen Bewährungsstrafe werden im angefochtenen Urteil jedoch weder die Dauer der Bewährungszeit noch das Fehlen eines [X.] mitgeteilt - mithin ist das Fehlen der Erledigung für den [X.] nicht nachprüfbar.

b) Hinzu kommt, dass offen bleibt, ob die einbezogene Strafe ihrerseits mit einer weiteren - möglicherweise zäsurbildenden - Vorverurteilung gesamtstrafenfähig ist. Auch dies würde einer Einbeziehung in vorliegender Sache entgegenstehen (vgl. zu einer entsprechenden Konstellation [X.], Beschluss vom 16. November 2016 - 2 StR 204/16, [X.], 411). Ausweislich der getroffenen Feststellungen wurde gegen den Angeklagten durch Strafbefehl des [X.] vom 7. Mai 2013 eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen verhängt. Da in dem angefochtenen Urteil jedoch keine Feststellungen dazu getroffen sind, ob und wann diese Geldstrafe vollstreckt worden ist, ist nicht nachprüfbar, ob diesbezüglich eine Gesamtstrafenbildung mit der Strafe aus dem Berufungsurteil des [X.]s Hagen vom 26. August 2014 - die zugrundeliegende Tat ereignete sich im Jahr 2011 - angezeigt ist.

4. Der [X.] macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO Gebrauch, die Entscheidung über den [X.] dem Nachverfahren gemäß den §§ 460, 462 StPO zuzuweisen. Diesem Beschlussverfahren bleibt auch die abschließende Kostenentscheidung vorbehalten.

Sost-Scheible     

        

Roggenbuck     

        

Cierniak

        

Bender     

        

Feilcke     

        

Meta

4 StR 283/18

14.02.2019

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Hagen (Westfalen), 9. Februar 2018, Az: 43 KLs 8/15

§ 6a Abs 1 AMG vom 07.08.2013, § 6a Abs 2 AMG vom 07.08.2013, § 95 Abs 1 Nr 2a AMG vom 07.08.2013, Art 100 Abs 1 S 1 GG, Art 103 Abs 2 GG, Art 2 Anh DopingÜbk

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.02.2019, Az. 4 StR 283/18 (REWIS RS 2019, 10328)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 10328

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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