Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.02.2004, Az. 2 StR 378/03

2. Strafsenat | REWIS RS 2004, 4608

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[X.] DES VOLKESURTEIL2 StR 378/03vom11. Februar 2004in der Strafsachegegenwegen Vergewaltigung- 2 -Der 2. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 11. Februar2004, an der teilgenommen haben:Vorsitzende Richterin am [X.]. [X.] [X.] am [X.]. h. c. Detter,[X.],[X.],Prof. Dr. [X.] als beisitzende [X.]als Vertreter der [X.],Rechtsanwältin als Verteidigerin,Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,für Recht erkannt:- 3 -Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 11. Juni 2003 wird verworfen.Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels unddie hierdurch der Nebenklägerin entstandenen notwendigenAuslagen zu tragen.Von Rechts wegenGründe:[X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung [X.] der Nebenklägerin unter Einbeziehung der Geldstrafe aus dem [X.] vom 31. Juli 2002 - 582 [X.]/02(63/02) - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zwei Wochen ver-urteilt. Von dem Vorwurf einer weiteren Vergewaltigung zu ihrem Nachteil hates ihn freigesprochen.Die Revision des Angeklagten richtet sich gegen seine Verurteilung. [X.] die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet insbesondere die Be-weiswürdigung des [X.] -Die auf die Sachrüge hin gebotene umfassende Überprüfung des [X.] hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erge-ben. Einer Erörterung bedarf hier nur die Frage, ob das landgerichtliche Urteilden Anforderungen der Rechtsprechung zur Beweiswürdigung gerecht wird.Dies ist vorliegend der Fall.[X.] Das [X.] hat unter anderem folgende Feststellungen getrof-fen:Die am 10. September 1987 geborene Nebenklägerin L. [X.] der Halbschwester der Mutter des Angeklagten. Am 25. Mai 2002, alssich L. auf Besuch bei der Familie des Angeklagten aufhielt, nahm die-ser sie abends im Auto mit, um bei einer Tankstelle Bier zu holen. Der Ange-klagte bot ihr an, auf einem nahegelegenen Parkplatz unter seiner Anleitungmit dem Pkw zu fahren, wobei sie sich auf seinen Schoß zu setzen hatte. [X.] wollte dann gegen den Willen des Mädchens mit diesem den [X.] ausüben, wobei er es festhielt. Es gelang ihm aber nicht, sei-nen Penis in die enge Scheide des Mädchens, das zuvor noch keinen [X.] ausgeübt hatte, einzuführen. Deshalb packte er sie an [X.], zog ihren Kopf herüber und zwang sie zum Oralverkehr, bei dem sieseine Samenflüssigkeit herunterschlucken mußte. Als sie beide später in [X.] des Angeklagten kamen, schliefen die anderen Familienmitgliederbereits. Der Angeklagte forderte das Mädchen auf zu duschen und dann zu [X.] zu kommen. Dort verlangte er von ihr, ihm nochmal "einen zublasen", worauf das Mädchen erneut den Oralverkehr ausübte. Während des- 5 -Oralverkehrs erschien die Ehefrau des Angeklagten und begann laut [X.], worauf es zu einem Streit zwischen den beiden kam. Am nächstenTag brachte der Angeklagte die Nebenklägerin nach Hause, wobei er drohte,daß ihr und ihrer Familie etwas Schlimmes passieren werde, falls sie etwassagen sollte.Da nicht sicher festzustellen war, daß die Geschädigte gegen den Oralverkehrim Wohnzimmer Widerstand leistete, den der Angeklagte mit Gewalt hätteüberwinden müssen, hat das [X.] ihn insoweit freigesprochen.Die Nebenklägerin berichtete zu Hause ihrer Mutter und einer weiterenZeugin von den Geschehnissen. Eine Strafanzeige wollte sie nicht erstatten.Die Ehefrau des Angeklagten bestätigte gegenüber den Zeuginnen den von ihrwahrgenommenen Oralverkehr im Wohnzimmer, erklärte aber nach [X.] mit dem Angeklagten, daß alle sexuellen Handlungen auf Initiative der [X.] und freiwillig stattgefunden hätten. Die Ehefrau des [X.], von einer Strafanzeige Abstand zu nehmen. Die Geschädigte wollte trotzDrängens ihrer Mutter keine Strafanzeige erstatten, obwohl es sie empörte,daß der Angeklagte sie als Initiatorin der sexuellen Handlungen hinstellte. [X.] erstattete am 31. Mai 2002 "Selbstanzeige", in der er alle [X.] als freiwillig bezeichnete.Am 2. Juni 2002 erstattete die Mutter der Geschädigten Anzeige gegenden Angeklagten, nachdem ihre Tochter jetzt damit einverstanden war. Die [X.] wurde an diesem Tage polizeilich vernommen. Am 4. Juli 2002erzählte die Geschädigte der sachverständigen Zeugin [X.]-E. , einerFachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie, daß der Angeklagte sie auf [X.] und im Wohnzimmer zum Oralverkehr gezwungen habe. Die sach-- 6 -verständige Zeugin gewann den Eindruck, daß bei der Geschädigten eineechte Traumatisierung gegeben sei und schrieb sie für die Schule krank.Auch nach dem Eindruck der sachverständigen Zeugin [X.], einer [X.] und [X.], die L. am 3. September 2002 aufsuchte,bestand bei dieser eine echte Traumatisierung wegen des [X.]. [X.] August 2002 wurde die Nebenklägerin von der Sachverständigen [X.], [X.], aussagepsychologisch exploriert. Dort gab die Ge-schädigte - wie schon bei ihrer polizeilichen Vernehmung - über das sexuelleGeschehen hinaus an, daß der Angeklagte die [X.] seines Autos durchDrücken des Knopfes auf der Fahrerseite verriegelt habe. Tatsächlich verfügteder Pkw des Angeklagten nicht über eine Zentralverriegelung. Hinsichtlich [X.] in der Wohnung gab die Nebenklägerin an, der Angeklagte [X.] auch mit einem Messer bedroht.2. Der Angeklagte, der bei seiner polizeilichen Vernehmung angegebenhatte, das Mädchen habe von ihm entjungfert werden wollen, hat sich in [X.] nicht eingelassen.Das [X.] stützt sich bei seiner Verurteilung in erster Linie auf dieAussage der Nebenklägerin und das gesamte Ergebnis der sonstigen Beweis-aufnahme. [X.] zieht, soweit es um die sexuellen Handlungen an sichgeht, heran, daß der Angeklagte bei seiner polizeilichen [X.] diese eingeräumt hat. [X.] legt sodann die allgemeine undspezielle Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin dar. Hierbei prüft sie eine Reihevon Realkennzeichen wie Vielaktigkeit, Detaillierungsgrad, Schilderung [X.] usw. [X.] sieht, daß einzelne Inkonstanzen auf-- 7 -getreten sind, insbesondere auch, daß die Angaben zur Zentralverriegelungunzutreffend sind. Gleichwohl ist sie - beraten durch die psychologische [X.] - der Auffassung, daß die Aussage glaubhaft sei. [X.] der [X.] könne ein Irrtum durch nachträgliche Er-innerungsverschiebungen vorliegen, zumal da sie auf eine entsprechende [X.] reagiert habe. Die Zeugin habe den Anstoß der Sachverständigen lediglichim Sinne einer Schlußfolgerung, nicht aber im Sinne einer zuverlässigen Erin-nerung aufgegriffen ("Ja, habe ich [X.] so gedacht ..."; [X.]). Eine bewußteFalschaussage schließt die Kammer aus, insbesondere auch, daß das [X.] nur einer Erwartungshaltung der Verwandtschaft gebeugt habe.[X.] stellt vor allem auf weitere Zeugenaussagen ab, die über-einstimmend bekundeten, daß L. einen durch das fragliche Tatgeschehenbelasteten Eindruck machte. Insbesondere haben die sachverständigen [X.] [X.]-E. und [X.] glaubhaft bekundet, daß nach ihrem [X.] eine echte Traumatisierung der Geschädigten infolge des damals von ihrgeschilderten [X.] vorlag ([X.]. S. 68).[X.] prüft auch, ob ihrer Überzeugung von der Glaubwürdigkeitdes Tatopfers bezüglich des [X.] im Auto entgegenstehen könnte, daßes hinsichtlich des [X.] im Wohnzimmer zu keiner Verurteilung kam,und verneint dies. Zum einen sieht die Kammer, daß das sexuelle Geschehenauch insoweit vom Angeklagten selbst eingeräumt und von seiner [X.] wurde. Zum anderen erkennt sie, daß die Geschädigte - zwar nicht inder Hauptverhandlung, wohl aber bei der Sachverständigen [X.] - unter [X.] eine zusätzliche Bedrohung mit dem Messer erfunden hat. Die na-heliegende Erklärung für die unzutreffende Mehrbelastung des [X.] -hinsichtlich der Drohung mit dem Messer sieht die Kammer in einem Bestrebender Geschädigten nach Selbstentlastung ([X.]). Denn anders als beimVorfall im Pkw habe sie sich in der Wohnung nicht in einer aussichtslosen Lagebefunden. Ein weiterer Rechtfertigungsdruck sei insoweit auch dadurch ent-standen, daß es dem Angeklagten hier möglicherweise auch ohne [X.] körperlicher Gewalt gelungen sein könnte, das Mädchen erneut zum Oral-verkehr zu veranlassen. Im Hinblick darauf vermochte die Kammer jedenfallsnicht sicher auszuschließen, daß die Geschädigte der weiteren [X.] Angeklagten, ihn erneut oral zu befriedigen, keinen Widerstand mehr ent-gegensetzte und daß dementsprechend der von ihr geschilderte Gewalteinsatzdurch Ziehen und Festhalten ihres Kopfes sowie die Mehrbelastung hinsichtlichder Drohung mit dem Messer lediglich zur Selbstentlastung vorgetragen [X.] sind ([X.], 77). [X.] sah sich auch nicht in der Lage, die Vor-aussetzungen des § 182 StGB festzustellen ([X.]). [X.] hatgleichwohl keine Zweifel an der Richtigkeit der Bekundungen des Opfers zuder Tat im Auto, da es hier an Anhaltspunkten fehlt, die ein [X.] der Geschädigten nahelegen würden. Die Geschädigte habe hier inder Hauptverhandlung zurückhaltend und ohne jeden Belastungseifer bekundetund naheliegende Mehrbelastungsmöglichkeiten ausgelassen. [X.] hatweiter verschiedene Alternativhypothesen (erfundene oder unbewußte Falsch-aussage, Übertragungstheorie, unbewußte Erwartungshaltung der [X.] usw.) nach Vernehmung mehrerer Zeugen ausgeschlossen.[X.] -Diese Beweiswürdigung des Tatrichters ist rechtlich nicht zu beanstan-den. Seine Schlußfolgerungen sind nachvollziehbar und möglich, zwingendbrauchen sie nicht zu [X.] Die Beweiswürdigung widerspricht - anders als der [X.] meint - nicht den in der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen [X.], in denen Aussage gegen Aussage steht (vgl. u.a. [X.], 153 f.,256 f.; [X.], 496 f., 551 f.).Jedenfalls liegen hier ausweislich der schriftlichen Urteilsgründe wichti-ge Gründe außerhalb der Aussage des Opfers vor.Der Angeklagte selbst hatte vor der Hauptverhandlung die [X.] eingeräumt, wie von glaubhaften Zeugen bekundet wurde. [X.] wird die Angabe des Opfers zu den sexuellen Handlungen selbst bestä-tigt. Die Behauptung des Angeklagten, das Geschehen sei auf Initiative [X.] erfolgt, hat die Kammer mit tragfähiger Begründung als lebensfremderachtet.Der Tatrichter durfte auch das [X.] der Sachver-ständigen [X.] als zusätzliches Indiz für die Glaubhaftigkeit der Aussage anse-hen (vgl. auch Senatsurteil vom 12. November 2003 - 2 [X.]). Dies gilthier schon deshalb, weil die Sachverständige selbst außerhalb der [X.] Opfers liegende Umstände zur Begutachtung herangezogen hat und dazuauch zeugenschaftlich vernommen wurde ([X.], [X.] allem aber hat das [X.] zutreffend auf die Aussage von [X.] Zeugen abgestellt, insbesondere auch auf sachverständige Zeugen, die- 10 -eine Traumatisierung des Opfers gerade durch das Tatgeschehen festgestellthaben. Dies alles sind wichtige Gründe außerhalb der Aussage des Opfers, dieder Tatrichter zu seiner Überzeugungsbildung heranziehen durfte.2. Der Tatrichter hat hier weiter ausführlich dargelegt, warum er bezüg-lich der Tat im Auto den Angaben der Geschädigten gefolgt ist und warum eshinsichtlich des Vorfalls in der Wohnung nicht zu einer Verurteilung gekommenist, wobei in letzterem Fall die Kammer nur zugunsten des Angeklagten nichtsicher ausschließen konnte ([X.], 76), daß das Mädchen keinen [X.] leistete, den der Angeklagte mit Gewalt überwinden mußte. Sie hat [X.] ausdrücklich damit auseinandergesetzt, daß das Opfer nicht einem Er-wartungsdruck der Familie erlegen ist. Das [X.] hat hierbei zum einendarauf abgestellt, daß weitere Zeugen glaubhaft bekundet haben, daß dieStrafanzeige in der freien Entscheidung der Nebenklägerin stand und auch ersteine Woche später nach Einholung der Zustimmung des Mädchens erstattetwurde. Zum anderen hat es ausgeführt, daß es zur Selbstentlastung über diebloße Schilderung gegenüber der Familie hinaus nicht notwendig gewesen sei,den Angeklagten mit einem Strafverfahren zu überziehen.Den Bestand des Urteils gefährdet auch nicht, daß der Tatrichter [X.], die er zum Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 182 StGBam Ende des Urteils ausgeführt hat, nicht ausdrücklich bei seinen Überlegun-gen zur Glaubwürdigkeit der Belastungszeugin erwähnt hat. Denn inhaltlich ister bei seiner Beweiswürdigung gerade davon ausgegangen, daß für den Vorfallin der Wohnung die Angaben nicht geeignet sind, eine Verurteilung darauf zustützen. Demgemäß hat er bereits auf [X.] in seine Würdigung einbezo-gen, daß er in dem besagten Umfang nicht von der Glaubhaftigkeit der [X.] -dungen der Geschädigten überzeugt ist, was zum Freispruch des [X.] der zweiten ihm vorgeworfenen Tat führte. Darin enthalten ist, daßdie Kammer keine Zwangslage der Geschädigten festzustellen vermochte.Deshalb hat sie betont, daß bei dem zweiten Vorwurf ein Bestreben zur Selbst-entlastung durch unzutreffende Mehrbelastung des Angeklagten bestand ([X.]. 75, 76).Die fehlende Fähigkeit des Tatopfers zur sexuellen Selbstbestimmunghat die Kammer schon mit dem Hinweis auf den bei der Tat im Auto geleistetenWiderstand verneint. Eine ausdrückliche Auseinandersetzung hiermit an ande-rer Stelle des Urteils war danach nicht geboten.[X.] [X.][X.]

Meta

2 StR 378/03

11.02.2004

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.02.2004, Az. 2 StR 378/03 (REWIS RS 2004, 4608)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 4608

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