Bundessozialgericht, Urteil vom 17.12.2013, Az. B 1 KR 52/12 R

1. Senat | REWIS RS 2013, 189

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Krankenversicherung - Krankenhaus - Auffälligkeit einer Krankenhausabrechnung - Anfangsverdacht - Berechtigung zur umfassenden Überprüfung - Herausgabe der Behandlungsunterlagen zum Zwecke der Abrechnungsprüfung auch bei örtlicher Unzuständigkeit des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung - keine drittschützende Wirkung der Richtlinien über die Zusammenarbeit der Krankenkassen mit dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDKRL) gegenüber Leistungserbringern


Leitsatz

1. Jede Auffälligkeit einer Krankenhausabrechnung begründet einen Anfangsverdacht, der die grundsätzlich vergütungspflichtige Krankenkasse zur umfassenden Überprüfung berechtigt (Bestätigung von BSG vom 16.12.2008 - B 1 KN 3/08 KR R = BSGE 102, 181 = SozR 4-2500 § 109 Nr 15; Klarstellung zu BSG vom 16.5.2013 - B 3 KR 32/12 R = SozR 4-2500 § 275 Nr 13).

2. Das behandelnde Krankenhaus kann sich gegenüber dem Anspruch der Krankenkasse auf Herausgabe von Behandlungsunterlagen zum Zwecke der Abrechnungsprüfung nicht auf die örtliche Unzuständigkeit des MDK berufen.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 31. Mai 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 1317,76 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Herausgabe von Behandlungsunterlagen an den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung ([X.]) Rheinland-Pfalz.

2

Die Beklagte betreibt in [X.] ([X.]) ein nach § 108 [X.] zur Behandlung Versicherter zugelassenes Krankenhaus. Es behandelte den bei der klagenden Krankenkasse ([X.]) versicherten [X.] (im Folgenden: Versicherter) vom 16.10. bis 10.11.2009 stationär. Die Beklagte berechnete hierfür 3953,29 Euro unter Zugrundelegung der [X.] ([X.] Atemwegserkrankung ohne äußerst schwere [X.], ohne starre Bronchoskopie, ohne FEV1 < 35 %, Alter > 0 Jahre; 25.11.2009). Die Klägerin beglich zunächst die Rechnung. Sie beauftragte sodann den [X.] Rheinland-Pfalz über das Krankenhaus Kompetenz Centrum ([X.]C), das Vorliegen medizinischer Gründe insbesondere für die Überschreitung der oberen Grenzverweildauer zu prüfen. Der [X.] bat die Beklagte erfolglos darum, den Entlassungsbericht, die Fieberkurven, den Pflegebericht, die Operations-, [X.], [X.] sowie die Labordaten zu übersenden (2.12.2009), und gab den Auftrag unerledigt zurück. Auch die Klägerin forderte die Beklagte ohne Erfolg auf, die Unterlagen dem [X.] zu überlassen. Das [X.] hat die Beklagte zur Herausgabe der für eine medizinische Begutachtung erforderlichen Unterlagen (vollständige Krankenakte und Pflegedokumentation) an den [X.] Rheinland-Pfalz verurteilt (Gerichtsbescheid vom [X.]). Das L[X.] hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen: Die Klägerin sei für die isolierte Herausgabeklage [X.], ihr Begehren begründet. Es gebe keine ausschließliche Zuständigkeit des [X.] des [X.] (Urteil vom 31.5.2012).

3

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung der §§ 278, 282, 283, 112 Abs 2 S 1 Nr 2 [X.] sowie der Richtlinien über die Zusammenarbeit der [X.]n mit dem [X.] ([X.]RL) iVm § 210 Abs 2 [X.]. Die Vorinstanzen hätten die ausschließliche Zuständigkeit des [X.] des [X.] verkannt. Der [X.] nach § 112 Abs 2 S 1 Nr 2 [X.] könne die Prüfzuständigkeit nicht einem [X.] eines anderen Bundeslandes übertragen.

4

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts [X.] vom 31. Mai 2012 sowie den Gerichtsbescheid des [X.] vom 30. Juni 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

5

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Die Vorinstanzen haben die Beklagte zu Recht zur Herausgabe der medizinischen Unterlagen bezüglich des stationären Aufenthalts des Versicherten in der [X.] vom 16.10. bis zum [X.] an den [X.] zwecks Prüfung der sachlichen Richtigkeit der erfolgten Abrechnung verurteilt. Die [X.]lage ist zulässig (dazu 1.). Die Voraussetzungen des Herausgabeanspruchs sind erfüllt (dazu 2.). Die Einwendungen der Beklagten greifen nicht durch (dazu 3.).

8

1. Die [X.]lägerin macht ihren Anspruch auf Herausgabe der Behandlungsunterlagen des Versicherten über den stationären Aufenthalt vom 16.10. bis [X.] an den [X.] zutreffend mit der (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG gegen die Beklagte geltend (stRspr, zur Anwendung des § 54 Abs 5 SGG im [X.] zwischen [X.] und [X.]rankenhaus vgl nur [X.], 236 = [X.]-5560 § 17b [X.], Rd[X.] mwN). Die [X.]lägerin ist auch klagebefugt. Der Anspruch auf Herausgabe von Behandlungsunterlagen eines [X.]rankenhauses an den [X.] zur Prüfung der Richtigkeit der Abrechnung eines Behandlungsfalles steht nicht dem [X.], sondern der [X.] zu. Das [X.] verweist richtig darauf, dass ein der Tatsachenermittlung dienender Herausgabeanspruch grundsätzlich nur demjenigen zustehen kann, der auch Gläubiger des möglichen Zahlungsanspruchs ist, deren Durchsetzung er sichern soll. Eine [X.] ist im Verhältnis zum [X.]rankenhausträger allein Schuldnerin der Vergütungsansprüche (§ 109 [X.]) und Gläubigerin der Erstattungsansprüche bei Überzahlungen. Sie ist bei der Prüfung von [X.] "Herrin" des Begutachtungsauftrages an den [X.] gemäß §§ 275 ff [X.]. Die [X.] bleibt dies auch, wenn sie einen Gutachtenauftrag über ein [X.]C erteilt, an dem sie sich beteiligt. Die [X.]lägerin war in diesem Sinne als Vertragspartnerin beteiligt an der Bildung eines [X.]C in Form einer [X.] nach § 219 [X.] iVm § 94 Abs 1a [X.] (idF durch Art 4 [X.] Buchst b und Art 9 [X.] Buchst a Verwaltungsvereinfachungsgesetz vom 21.3.2005, [X.] 818), um eine effektive und effiziente Prüfung der [X.]rankenhausabrechnungen und ein aktives [X.]rankenhausfallmanagement sicherzustellen (vgl Präambel der [X.]ooperationsvereinbarung der beteiligten zehn B[X.]n vom 20.6.2008). Die [X.]lägerin übertrug dabei ihre Rechte als Auftraggeberin nicht vertraglich (vgl § 9 [X.]ooperationsvereinbarung), die gesetzlichen Grenzen zulässiger Delegation in § 94 Abs 4 [X.] sind insoweit ohne Belang.

9

2. Die allgemeinen Voraussetzungen des geltend gemachten Herausgabeanspruchs sind erfüllt. Die [X.]lägerin war grundsätzlich zur Prüfung des [X.]rankenhausaufenthalts berechtigt und die Beklagte zur Herausgabe der für die Prüfung nötigen Unterlagen ([X.]rankenakte und Pflegedokumentation) verpflichtet (vgl entsprechend [X.], 141 = [X.]-2500 § 275 [X.], Rd[X.]2 mwN). Rechtsgrundlage des Anspruchs ist § 276 [X.] S 1 Halbs 2 [X.] (idF durch Art 3 [X.] Buchst b [X.] aa Gesetz zur Änderung von Vorschriften des [X.] über den Schutz der [X.] sowie zur Änderung anderer Vorschriften <Zweites Gesetz zur Änderung des [X.]> vom 13.6.1994, [X.] 1229, [X.]; vgl zur Eröffnung des Anwendungsbereichs a). Hat danach die [X.] nach § 275 Abs 1 bis 3 [X.] eine gutachtliche Stellungnahme oder Prüfung durch den [X.] veranlasst, sind die Leistungserbringer verpflichtet, [X.] auf Anforderung des [X.] unmittelbar an diesen zu übermitteln, soweit dies für die gutachtliche Stellungnahme und Prüfung erforderlich ist (dazu b).

a) Der Anwendungsbereich dieses Herausgabeanspruchs ist eröffnet. Weder geht es um eine Überprüfung der [X.] und der vorgenommenen Abrechnung auf der Grundlage der an die [X.] zu übermittelnden Abrechnungsdaten des [X.]rankenhauses ( § 301 [X.] und/oder einen [X.]urzbericht gemäß dem maßgeblichen [X.]vertrag nach § 112 [X.] S 1 [X.] [X.] - [X.]ÜV [X.]) noch ist eine Stichprobenprüfung nach § 17c [X.]rankenhausfinanzierungsgesetz ( idF vor Inkrafttreten des Art 5c [X.] Gesetz zur Beseitigung [X.] Überforderung bei Beitragsschulden in der [X.]rankenversicherung vom [X.], [X.] 2423) betroffen. Vielmehr will die [X.]lägerin erreichen, dass die Beklagte verurteilt wird, dem [X.] alle Behandlungsunterlagen vorzulegen, die er zur Beantwortung der Prüfanfrage der [X.]lägerin benötigt (hierzu [X.], 141 = [X.]-2500 § 275 [X.], Rd[X.]6 mwN).

b) Die Voraussetzungen des § 276 [X.] S 1 Halbs 2 [X.] sind erfüllt. Die [X.]lägerin beauftragte den [X.] über das zwischengeschaltete [X.]C, nach § 275 Abs 1 [X.] [X.] eine gutachtliche Stellungnahme zur Überschreitung der oberen [X.] im Behandlungsfall F. abzugeben. Nach § 275 Abs 1 [X.] [X.] (idF durch Art 1 [X.] Gesetz zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für [X.]rankenhäuser <Fallpauschalengesetz - [X.]> vom 23.4.2002, [X.] 1412) sind die [X.]n in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem [X.]rankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung eine gutachtliche Stellungnahme des [X.] einzuholen. Es bestehen Auffälligkeiten, die die [X.] zur Einleitung einer Abrechnungsprüfung unter Anforderung einer gutachtlichen Stellungnahme des [X.] berechtigen und verpflichten, wenn die Abrechnung und/oder die vom [X.]rankenhaus zur ordnungsgemäßen Abrechnung vollständig mitgeteilten Behandlungsdaten und/oder weitere zulässig von der [X.] verwertbare Informationen (vgl zu Letzterem BSG [X.]-2500 § 301 [X.] RdNr 33 und 35-36) Fragen nach der - insbesondere sachlich-rechnerischen - Richtigkeit der Abrechnung und/oder nach der Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots aufwerfen, die die [X.] aus sich heraus ohne weitere medizinische Sachverhaltsermittlung und -bewertung durch den [X.] nicht beantworten kann (vgl [X.], 141 = [X.]-2500 § 275 [X.], Rd[X.]8; zustimmend [X.] vom 16.5.2013 - B 3 [X.]R 32/12 R - Rd[X.]5). Die Auffälligkeit begründet einen "Anfangsverdacht" (vgl Bericht des [X.] zum Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des [X.], BT-Drucks 14/7862 [X.] zu 2.7.), der die [X.] zu einer umfassenden Prüfung berechtigt (vgl [X.] vom 17.12.2013 - [X.] [X.]R 14/13 R - RdNr 9, zur [X.] in [X.] vorgesehen). Es bedarf weder eines "konkreten" Verdachts noch muss ein solcher im Zweifel von der [X.] bewiesen werden (so etwa noch 3. Senat des BSG im Urteil vom [X.] - B 3 [X.]R 12/06 R - [X.], 142 = [X.]-2500 § 276 [X.], Rd[X.]2 mwN, überholt durch Beschluss des [X.] vom [X.] - [X.], 111 = [X.]-2500 § 39 [X.]; vgl dazu 1. Senat des [X.] vom 16.12.2008 - [X.] [X.]N 3/[X.] R - [X.], 181 = [X.]-2500 § 109 [X.]5, RdNr 30 ff mwN).

Mit dieser Rechtsprechung knüpft der erkennende 1. Senat des BSG nicht etwa pauschal an frühere BSG-Rechtsprechung an, die vor dem grundlegenden Beschluss des [X.] vom 25.9.2007 (vgl [X.], 111 = [X.]-2500 § 39 [X.]) ergangen war. Der [X.] hat früheren Versuchen, die im Ergebnis dazu führten, dass im Vergütungsstreit die [X.]rankenhausbehandlungsbedürftigkeit zugunsten des [X.]rankenhauses vermutet wird (vgl [X.], 111 = [X.]-2500 § 39 [X.], Rd[X.]9), eine klare Absage erteilt. Der erkennende 1. Senat des BSG hat hieraus abgeleitet: Beruft sich die [X.] ohne Rechtsmissbrauch gegenüber einem Anspruch auf [X.]rankenhausvergütung auf die fehlende Erforderlichkeit der Behandlung, ist hierzu von Amts wegen zu ermitteln; die in der [X.]rankenhausabrechnung enthaltene Bejahung der Notwendigkeit ist nicht ausschlaggebend (vgl [X.], 181 = [X.]-2500 § 109 [X.]5, [X.] und Rd[X.]0 bis 22 mwN). Abgesehen von hier nicht eingreifenden gesetzlich geregelten Ausnahmen und atypischen, eng zu verstehenden, außergewöhnlichen Missbrauchskonstellationen dürfen nachträgliche Einwendungen und Überprüfungsbefugnisse der [X.] wie des Gerichts weder faktisch noch rechtlich ausgeschlossen oder über die gesetzlichen Wertungen hinaus erschwert werden (vgl [X.], 181 = [X.]-2500 § 109 [X.]5, RdNr 30 ff mwN). An dieser Rechtsprechung hält der erkennende 1. Senat des BSG fest (unzutreffend insoweit [X.] vom 16.5.2013 - B 3 [X.]R 32/12 R - Rd[X.]5, zur [X.] vorgesehen in [X.] und [X.]; [X.] vom 18.7.2013 - B 3 [X.]R 22/12 R - Rd[X.]7, zur [X.] vorgesehen in [X.]).

Gemessen hieran begründete die Überschreitung der oberen [X.] eine Auffälligkeit. Bei der konkret abgerechneten [X.] war ein Aufenthalt jenseits der oberen [X.] von 16 Tagen (vgl [X.] 2009) angesichts der erhobenen Hauptdiagnose und der [X.] nicht bereits aus sich heraus für die [X.]lägerin plausibel. Insoweit kam in Betracht, dass ggf eine ambulante Behandlung ausreichte. Der allgemeine Hinweis der Beklagten auf einen Verstoß gegen die durch § 275 [X.] vorgegebene Einzelfallprüfung durch massenhafte Beauftragung eines [X.] eines anderen Bundeslandes geht ins Leere. Massenhaft auftretende Unwirtschaftlichkeit bei der [X.]rankenhausbehandlung kann in einer Vielzahl von Fällen Auffälligkeiten begründen, die alle jeweils Auffälligkeitsprüfungen rechtfertigen. Statistische Angaben über die Häufigkeit von Auffälligkeiten besagen insoweit nichts über die Zulässigkeit der Prüfungen nach § 275 Abs 1 S 1 [X.] Fall 2 [X.].

Die [X.]lägerin leitete die Prüfung auch innerhalb der durch § 275 Abs 1c [X.] [X.] (idF durch Art 1 [X.]85 [X.] - [X.] vom [X.], [X.]) vorgegebenen [X.] nach Eingang der Abrechnung bei sich (25.11.2009) ein. Der [X.] zeigte sie der Beklagten fristgerecht an (2.12.2009).

3. Die Beklagte durfte die Herausgabe der medizinischen Unterlagen nicht deshalb verweigern, weil die [X.]rankenhausbehandlung in [X.] erfolgte, die [X.]lägerin aber länderübergreifend den [X.] mit einer gutachtlichen Stellungnahme beauftragte. Das [X.] regelt die örtliche Zuständigkeit des [X.] nicht nach dem Leistungsort, sondern schweigt hierzu beredt: Es überlässt es den [X.]n und ihren Verbänden, über die Auftragserteilung nach Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit im Rahmen der hierzu zu erlassenden Richtlinien ([X.]) zu entscheiden. Die Spitzenverbände der [X.]n, an deren Stelle heute der [X.] zuständig ist, haben nach diesen Grundsätzen die Zusammenarbeit zwischen den [X.]n und den [X.]n in [X.] geregelt (dazu a). Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt dem [X.]vertrag [X.] zur Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der [X.]rankenhausbehandlung dementsprechend nicht die Aufgabe zu, die Prüfzuständigkeit von einem [X.] auf den eines anderen Bundeslandes zu übertragen. Ein Verstoß gegen die in den [X.][X.] bestimmte örtliche Zuständigkeit des [X.] begründet keine Rechte der Leistungserbringer (dazu b).

a) Das [X.] begnügt sich insgesamt damit, Vorgaben für die grundsätzlich landesbezogene Organisationsstruktur des [X.] und für seine Finanzierung zu machen. Weder Wortlaut noch Systematik, Entstehungsgeschichte und Zielsetzung der gesetzlichen Regelungen bieten Anhaltspunkte für die Annahme, dass die dem [X.] zugewiesenen Aufgaben ausschließlich nach räumlichen Wirkungskreisen wahrzunehmen sind. Die Selbstverwaltung ist zur [X.]onkretisierung des gesetzlichen Rahmens in [X.] berufen.

Organisationsrechtlich bestimmt § 278 [X.] (idF durch Art 1 [X.]87 [X.] mWv 1.7.2008): "(1) In jedem Land wird eine von den [X.]n der in [X.] genannten [X.]assenarten gemeinsam getragene [X.] der [X.]rankenversicherung' errichtet. Die [X.] ist nach Maßgabe des Art 73 Abs 4 S 3 und 4 des Gesundheits-Reformgesetzes ([X.] vom 20.12.1988, [X.] 2477) eine rechtsfähige [X.]örperschaft des öffentlichen Rechts. (2) Mitglieder der [X.] sind die [X.]verbände der Orts-, Betriebs- und Innungskrankenkassen, die landwirtschaftlichen [X.]rankenkassen und die Ersatzkassen. (3) Bestehen in einem Land mehrere [X.]verbände einer [X.]assenart, kann durch Beschluss der Mitglieder der [X.] in einem Land ein weiterer Medizinischer Dienst errichtet werden. Für mehrere Länder kann durch Beschluss der Mitglieder der betroffenen [X.]en ein gemeinsamer Medizinischer Dienst errichtet werden. Die Beschlüsse bedürfen der Zustimmung der für die Sozialversicherung zuständigen obersten Verwaltungsbehörden der betroffenen Länder." Die Änderung des § 278 [X.] [X.] (durch Art 8 [X.]4 Gesetz zur Neuordnung der [X.] vom [X.], [X.] 579) zum 1.1.2013, wonach nur noch "die landwirtschaftliche [X.]rankenkasse" anstelle des zuvor verwendeten [X.] angesprochen ist, hat an dem Gesamtregelungskonzept nichts geändert.

Hinsichtlich der Finanzierung regelt § 281 [X.] (idF durch Art 1 [X.]89 [X.]): "(1) Die zur Finanzierung der Aufgaben des [X.] nach § 275 Abs 1 bis 3a erforderlichen Mittel werden von den [X.]rankenkassen nach § 278 Abs 1 Satz 1 durch eine Umlage aufgebracht. Die Mittel sind im Verhältnis der Zahl der Mitglieder der einzelnen [X.]rankenkassen mit Wohnort im Einzugsbereich des [X.] aufzuteilen. Die Zahl der nach Satz 2 maßgeblichen Mitglieder der [X.]rankenkasse ist nach dem Vordruck [X.]M 6 der Statistik über die Versicherten in der gesetzlichen [X.]rankenversicherung jeweils zum 1. Juli eines Jahres zu bestimmen. Werden dem Medizinischen Dienst Aufgaben übertragen, die für die Prüfung von Ansprüchen gegenüber Leistungsträgern bestimmt sind, die nicht Mitglied der [X.] nach § 278 sind, sind ihm die hierdurch entstehenden [X.]osten von den anderen Leistungsträgern zu erstatten. Die Pflegekassen tragen abweichend von [X.] die Hälfte der Umlage nach Satz 1. (1a) Die Leistungen der Medizinischen Dienste oder anderer Gutachterdienste im Rahmen der ihnen nach § 275 Abs. 4 übertragenen Aufgaben sind von dem jeweiligen Auftraggeber durch aufwandsorientierte Nutzerentgelte zu vergüten. Eine Verwendung von Umlagemitteln nach Absatz 1 Satz 1 zur Finanzierung dieser Aufgaben ist auszuschließen."

Die in § 278 Abs 1 S 1 [X.] vorgesehene Umlagefinanzierung [X.] für die hier betroffene Aufgabe nach § 275 Abs 1 [X.] [X.], mit der das streitgegenständliche Auskunftsrecht nach § 276 [X.] [X.] - wie dargelegt - korrespondiert, bedingt keine spezifische örtliche Zuständigkeit des [X.]. Die Regelung des § 281 Abs 1 S 4 [X.] verdeutlicht zusätzlich, dass das Gesetz selbst davon ausgeht, dass dem [X.] Aufgaben übertragen werden können, die für die Prüfung von Ansprüchen gegenüber Leistungsträgern bestimmt sind, die nicht Mitglied der [X.] nach § 278 [X.] sind. Örtliche Zuständigkeitsgrenzen folgen daraus nicht.

Auch die Aufgabenzuweisung an den [X.] in § 275 [X.] enthält keinen Hinweis auf eine örtliche Zuständigkeit des [X.]. Vielmehr sind danach die [X.]n nach näherer Maßgabe der Regelung verpflichtet, eine gutachtliche Stellungnahme des [X.] einzuholen. Hieraus folgen keine weiteren Vorgaben für eine örtliche Zuständigkeit. Weitergehend ordnet das [X.] ausdrücklich an, dass der [X.] vorrangig Gutachter zu beauftragen hat (§ 279 Abs 5 Halbs 2 [X.]). Die Regelung normiert für die Auswahl der Gutachter keine räumlichen Beschränkungen. Sie berücksichtigt, dass die vom vertrauensärztlichen Dienst der Rentenversicherungsträger übernommenen Beamten und Beamtenanwärter dem [X.] nur noch für eine vorübergehende [X.] zur Verfügung stehen (vgl Art 73 Abs 4 S 3 und 4 [X.]; [X.] in ders, Handbuch der [X.]rankenversicherung, Stand 1.1.2013, [X.], [X.] § 279 Rd[X.]3). Sie trägt dem Bedarf an speziellem Sachverstand und Nähe zur Praxis Rechnung und will die Erfahrungen und Erkenntnisse externer Gutachter aus Q[X.]litätsaspekten für den [X.] nutzbar machen (vgl Entwurf der Fraktionen der [X.] und [X.] eines Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen <[X.]>, BT-Drucks 11/2237, Zu § 287, Zu Absatz 5, [X.]; [X.] in jurisP[X.]-[X.], 2. Aufl 2012, § 279 Rd[X.]7; [X.] in [X.]/[X.], [X.], Stand Oktober 2013, [X.] § 279 Rd[X.]4). Unabhängigkeit der Gutachter (als "Ärzte des [X.]", vgl § 275 Abs 5 [X.]) und Datenschutz bleiben hierbei gewahrt (vgl § 276 [X.]b [X.]). Das [X.] überlässt heute dem [X.] der [X.]n die [X.]onkretisierung der Regelungen über die Zusammenarbeit zwischen [X.]n und [X.]n. Er hat hierbei zu berücksichtigen, dass [X.]n, Leistungserbringer und Versicherte darauf zu achten haben, dass die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden (vgl § 2 Abs 4 [X.] bereits idF des [X.]). Im Interesse der Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit der gesetzlichen [X.]rankenversicherung arbeiten die [X.]n und ihre Verbände sowohl innerhalb einer [X.]assenart als auch kassenartenübergreifend miteinander und mit allen anderen Einrichtungen des Gesundheitswesens eng zusammen (§ 4 Abs 3 [X.] idF des [X.]; heute § 4 Abs 3 S 1; [X.] eingefügt durch Art 3 [X.] 8. GWB-ÄndG vom [X.], [X.] 1738 mWv [X.]). Der [X.] der [X.]n erlässt [X.] über die Zusammenarbeit der [X.]n mit den Medizinischen Diensten, zur Sicherstellung einer einheitlichen Begutachtung sowie über Grundsätze zur Fort- und Weiterbildung (vgl § 282 [X.] S 3 [X.] idF durch Art 1 [X.]90 [X.]). Ursprünglich hatten die Spitzenverbände der [X.]n gemeinsam und einheitlich solche [X.] zu beschließen (vgl § 282 S 3 [X.] idF des [X.]). Sie haben hiervon Gebrauch gemacht, ohne dass seitdem neue [X.] erlassen worden sind ([X.][X.], Beschluss vom 27.8.1990 des Gremiums nach § 213 [X.] idF des [X.] auf Empfehlung des Vorstandes des [X.]; abrufbar unter [X.]). Sie bestimmen unter 1.2. [X.]: "Soweit ausreichende Beratungs- oder Begutachtungskapazität im Bereich eines [X.] nicht vorhanden ist, hat der betroffene Medizinische Dienst einen anderen Medizinischen Dienst oder externe Gutachter zu beauftragen."

b) Es bedarf keiner Feststellung dazu, dass die [X.]lägerin bei Auftragserteilung die Vorgaben der [X.][X.] beachtete. Die [X.] binden nämlich lediglich [X.]n und ihre Verbände sowie die [X.]n. Sie verschaffen [X.] keine Rechtspositionen. Leistungserbringende Dritte wie ein [X.]rankenhausträger, dessen Abrechnung überprüft werden soll, können sich auf die Verletzung der [X.][X.] nicht berufen, weil sie nicht drittschützend sind. Die [X.][X.] sind nach ihrer gesetzlichen [X.]onzeption untergesetzliche Normen der Selbstverwaltung. Sie sind insoweit den "Beitragsverfahrensgrundsätzen Selbstzahler" des [X.] der [X.]n ähnlich (vgl hierzu BSG [X.]-2500 § 240 [X.]7, Rd[X.]8 mwN, zur [X.] auch in [X.] 113, 1 vorgesehen), wenn sich auch ihre Drittwirkung - begrenzter - lediglich auf [X.]n und ihre Verbände sowie [X.]n erstreckt (vgl [X.] in [X.]rauskopf, Soziale [X.]rankenversicherung/Pflegeversicherung, [X.], Stand Juli 2013, § 282 RdNr 9; [X.] in [X.]/[X.], [X.], Stand Oktober 2013, [X.] § 282 Rd[X.]4 mwN; [X.] in [X.]ass[X.]omm, Stand [X.], [X.] § 282 RdNr 4; für die Q[X.]lifikation als bloße Verwaltungsvorschrift dagegen [X.] in jurisP[X.]-[X.], 2. Aufl 2012, § 282 Rd[X.]5 mwN). Die [X.] können ihren Zweck, die Zusammenarbeit der [X.]n mit den [X.]n zu regeln, nur dann voll erfüllen, wenn sie [X.]n und [X.]n auch binden. § 282 [X.] unterscheidet [X.] insoweit ausdrücklich von den dort ebenfalls geregelten "Empfehlungen", die keine vergleichbare Bindungswirkung haben. Die [X.][X.] fügen sich insoweit zwanglos in das System untergesetzlicher Normen des [X.] ein (vgl zum System zB [X.], Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, 2000, [X.] ff; kritisch zB [X.], Rechtsquellen im Sozialversicherungsrecht, 2001, [X.] ff). Das [X.] sichert die Bindungswirkung der [X.][X.] zusätzlich ab. So muss die Satzung der [X.]verbände der [X.]n Bestimmungen darüber enthalten, dass die [X.] nach § 282 [X.] für die [X.]verbände und ihre Mitgliedskassen verbindlich sind (vgl § 210 [X.] [X.]). Der Verwaltungsrat des [X.] hat [X.] [X.] für die Erfüllung der Aufgaben des [X.] unter Berücksichtigung der [X.] und Empfehlungen des [X.] der [X.]n nach § 282 [X.] [X.] aufzustellen (vgl § 284 Abs 1 S 1 Nr 4 [X.]).

Eine weitergehende Drittwirkung der [X.][X.] sieht das [X.] demgegenüber nicht vor. Ein Drittschutz der [X.][X.] zugunsten betroffener Leistungserbringer widerspräche auch dem Interesse an der Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit der [X.] [X.]. Es sind keinerlei Sachgründe erkennbar, die dafür sprächen, etwa vom [X.] überprüften Leistungserbringern Rechte zuzugestehen. Ihnen bleibt sachgerecht die Möglichkeit, sich vorprozess[X.]l und ggf vor Gericht auf die inhaltliche Unrichtigkeit von sie betreffenden [X.]-Gutachten zu berufen. Datenschutz und ärztliche Schweigepflicht bleiben unabhängig von der örtlichen Auswahl des [X.] gewahrt.

Die Verneinung einer drittschützenden Wirkung der [X.][X.] gegenüber Leistungserbringern steht in Einklang mit allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Verfahrensrechts. So begründen Mängel der örtlichen Zuständigkeit bei [X.] nicht die Nichtigkeit und regelmäßig nicht die Aufhebbarkeit des zugrunde liegenden Verwaltungsakts. Ein Verwaltungsakt ist nämlich nicht schon deshalb nichtig, weil die Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht eingehalten worden sind (§ 40 Abs 3 [X.] [X.]). Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 40 [X.] nichtig ist, kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat (§ 42 [X.]), und keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können. Es ist bei [X.] in aller Regel offensichtlich, dass die örtliche Unzuständigkeit der entscheidenden Behörde die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Die Neufassung der Regelung des § 42 [X.] (durch Art 10 [X.] vom [X.], [X.] 1983) hat hieran für den Bereich der gebundenen Verwaltung nichts geändert. Hier gelten die bisherigen Grundsätze fort (vgl BSG [X.] 3-4100 § 128 [X.]5 S 135; BSG [X.] 3-4100 § 62a [X.] [X.], 3 mwN; vgl zu einem Sonderfall BSG [X.]-7837 § 12 [X.] Rd[X.]3). Die Fehlerunempfindlichkeit gegenüber Verfahrens- und Formfehlern trägt dem überwiegenden Interesse an einer richtigen Sachentscheidung gegenüber der dienenden Funktion des Verfahrensrechts Rechnung (vgl zB Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Verwaltungsverfahrensgesetzes, BT-Drucks 7/910, Zu §§ 41, 42, [X.]5; Schütze in von [X.], [X.], 7. Aufl 2010, § 42 Rd[X.]).

4. Die [X.]ostenentscheidung beruht auf § 197a SGG, die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 [X.], § 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 Abs 1 und 3 G[X.]G (vgl auch [X.], 142 = [X.]-2500 § 276 [X.], RdNr 31).

Meta

B 1 KR 52/12 R

17.12.2013

Bundessozialgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Dortmund, 30. Juni 2011, Az: S 13 KR 928/10, Gerichtsbescheid

§ 17c KHG vom 21.07.2012, § 210 Abs 2 SGB 5, § 219 SGB 5, § 112 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB 5, § 275 Abs 1 Nr 1 SGB 5 vom 23.04.2002, § 276 Abs 2 S 1 Halbs 2 SGB 5 vom 13.06.1994, § 278 Abs 1 S 1 SGB 5 vom 20.12.1988, § 278 Abs 2 SGB 5 vom 26.03.2007, § 278 Abs 2 SGB 5 vom 12.04.2012, § 279 Abs 5 Halbs 2 SGB 5, § 281 Abs 1 S 4 SGB 5, § 282 Abs 2 S 3 SGB 5 vom 20.12.1988, § 301 SGB 5, § 31 SGB 10, § 40 Abs 3 Nr 1 SGB 10, § 42 S 1 SGB 10 vom 18.08.1980, § 42 S 1 SGB 10 vom 21.12.2000

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 17.12.2013, Az. B 1 KR 52/12 R (REWIS RS 2013, 189)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 189

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