Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.05.2013, Az. III R 8/11

3. Senat | REWIS RS 2013, 5721

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Gegenstand

Kindergeld für einen polnischen Saisonarbeitnehmer


Leitsatz

1. Ein sich aus § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG ergebender Anspruch auf Kindergeld entfällt nicht dadurch, dass der Anspruchsberechtigte gemäß Art. 13 ff. der VO Nr. 1408/71 nicht den deutschen Rechtsvorschriften, sondern nur den Vorschriften eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union unterliegt. Für die Anwendbarkeit der deutschen Rechtsvorschriften bedarf es keines zusätzlichen nationalen Anwendungsbefehls.

2. Ist Deutschland nach den Bestimmungen der Art. 13 ff. der VO Nr. 1408/71 der nicht zuständige Mitgliedstaat und auch nicht der Wohnmitgliedstaat des betreffenden Kindes, dann ist die Konkurrenz zu Ansprüchen, die im zuständigen Mitgliedstaat bestehen, nach nationalem Recht zu lösen.

3. Bei der Auslegung der deutschen Konkurrenzvorschrift des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG sind die Anforderungen des Primärrechts der Union auf dem Gebiet der Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu beachten.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), ein [X.] [X.]taatsangehöriger, ist der Vater der 1995 und 2000 geborenen [X.] und [X.]. Er lebt mit seiner Familie in [X.].

2

Vom 30. Mai bis 6. Juli und vom 16. August bis 12. Oktober 2007 war der Kläger bei einem [X.] Unternehmen im Inland [X.] beschäftigt. In seinem Heimatland [X.] war er als [X.]elbständiger sozialversicherungspflichtig. In der von ihm eingereichten Einkommensteuererklärung 2007 beantragte er, als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt zu werden. Ausweislich der beigefügten Bescheinigung "[X.]/EWR" hatte er im [X.] in [X.] keine steuerpflichtigen Einkünfte erzielt.

3

Er beantragte im März 2008 die Bewilligung von Kindergeld und gab hierbei unter anderem an, dass seine Ehefrau für den Zeitraum [X.]eptember 2006 bis August 2007 [X.] Familienleistungen bezogen habe. Außerdem legte er eine Lohnsteuerbescheinigung vor. Danach hatte er während seines Aufenthalts in [X.] insgesamt 4.236,69 € brutto verdient.

4

Die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) lehnte den Antrag ab. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht ([X.]) gab zur Begründung an, dass ein Kindergeldanspruch aufgrund der Regelungen der Verordnung ([X.]) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der [X.]ysteme der [X.] [X.]icherheit auf Arbeitnehmer und [X.]elbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der [X.] zu- und abwandern ([X.] 1408/71), nur nach [X.]m, nicht aber nach [X.] Recht bestehe. Der Kläger unterliege wegen seiner selbständigen Tätigkeit in [X.] und seiner nur vorübergehenden unselbständigen Tätigkeit in [X.] gemäß Art. 14a Nr. 1 Buchst. a der [X.] 1408/71 den [X.]n Rechtsvorschriften über Familienleistungen. Die Regelungen der [X.] 1408/71 seien abschließend, so dass das [X.] Kindergeldrecht auch nicht subsidiär anwendbar sei. Den §§ 62 ff. des Einkommensteuergesetzes (E[X.]tG) sei nicht zu entnehmen, dass [X.]s Kindergeldrecht auch dann anzuwenden sei, wenn nach dem Wortlaut der [X.] 1408/71 die Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats Anwendung fänden. Ein [X.] zugunsten des nationalen Rechts wäre aber zu erwarten, weil die [X.] 1408/71 als überstaatliches Recht den nationalen Rechtsvorschriften vorgehe und deren Anwendungsbereich begrenze.

5

Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, dass Art. 14a Nr. 1 Buchst. a der [X.] 1408/71 nicht einschlägig sei. Nach dem Grundsatz des Art. 13 Abs. 2 der [X.] 1408/71 sei wegen der in [X.] ausgeübten [X.]en Beschäftigung daher [X.]s Recht anzuwenden. Das [X.] habe damit bereits das [X.]srecht fehlerhaft angewandt. Darüber hinaus habe es dem [X.]srecht zu Unrecht eine rechtsnormverkürzende Wirkung beigemessen. [X.]elbst bei Anwendbarkeit des [X.]n Rechts seien die [X.] Rechtsvorschriften nicht gesperrt. Die Entscheidung des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) vom 20. Mai 2008 [X.]/06, [X.] ([X.]lg. 2008, [X.]) werde in der Literatur zutreffend so bewertet, dass [X.] [X.]ozialrecht niemals rechtsverkürzend oder gar rechtsvernichtend, sondern stets nur rechtserweiternd wirke.

6

Der Kläger beantragt, das [X.]-Urteil aufzuheben und die Familienkasse unter Aufhebung des Bescheids vom 2. Mai 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. Mai 2008 zu verpflichten, Kindergeld für die [X.] und [X.] für die Monate Mai bis einschließlich Oktober 2007 festzusetzen.

7

Die Familienkasse beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

8

Der Kläger habe in keinem Versicherungspflichtverhältnis zur [X.] gestanden, sondern der [X.]n [X.]ozialversicherung unterlegen. Da bereits die Versicherung in einem Zweig der [X.] [X.]icherheit zur Eröffnung des persönlichen Anwendungsbereichs der [X.] 1408/71 führe, müsse auch die Frage, in welchem Mitgliedstaat die Beschäftigung ausgeübt werde, am Versichertenstatus festgemacht werden. Das [X.] habe daher als Beschäftigungsland i.[X.]. der Art. 13 ff. der [X.] 1408/71 zu gelten. Es bleibe daher bei der Zuweisung des hier zu beurteilenden [X.]achverhalts unter die [X.]n Rechtsvorschriften.

9

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

II. [X.]ie Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des [X.] und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.] (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). [X.]as [X.] ist rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass die [X.] Kindergeldvorschriften (§§ 62 ff. [X.]) deshalb nicht anwendbar seien, weil der Streitfall gemäß Art. 13 Abs. 1 i.V.m. Art. 14a Nr. 1 [X.]. a der [X.] 1408/71 --ausschließlich-- den [X.] Rechtsvorschriften unterlegen habe.

1. [X.]ie [X.] der [X.] ist aufgrund eines Organisationsaktes (Beschluss des Vorstands der [X.] Nr. 21/2013 vom 18. April 2013 gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 des Finanzverwaltungsgesetzes, Amtliche Nachrichten der [X.], Ausgabe Mai 2013, S. 6 ff., Nr. 2.2 der Anlage 2) im Wege des gesetzlichen Parteiwechsels in die Beteiligtenstellung der [X.] Wesel (Familienkasse) eingetreten (s. dazu Beschluss des [X.] --[X.]-- vom 3. März 2011 V B 17/10, [X.], 1105, unter II.A.).

2. Nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 [X.]. b [X.] hat u.a. Anspruch auf Kindergeld, wer ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland nach § 1 Abs. 3 [X.] als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird.

[X.]ie sich aus dieser Norm ergebende Anspruchsberechtigung entfällt nicht dadurch, dass eine Person gemäß Art. 13 ff. der [X.] 1408/71 nicht den [X.] Rechtsvorschriften, sondern nur (vgl. Art. 13 Abs. 1 Satz 1 der [X.] 1408/71) den Vorschriften eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen [X.] unterliegt. An der gegenteiligen Auffassung, die der vorinstanzlichen Entscheidung zugrunde liegt und die auch der [X.] bisher in ständiger Rechtsprechung vertreten hat (z.B. [X.]-Urteile vom 13. August 2002 VIII R 61/00, [X.]E 200, 205, [X.] 2002, 869, und VIII R 97/01, [X.]E 200, 211, [X.] 2002, 869; Senatsurteil vom 24. März 2006 III R 41/05, [X.]E 212, 551, [X.] 2008, 369), kann der Senat mit Blick auf die [X.]-Urteile in den Rechtssachen [X.] in [X.]. 2008, [X.] sowie vom 12. Juni 2012 [X.]/10, [X.]/10, [X.] und [X.] (Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeits-recht --[X.]-- 2012, 475) nicht mehr festhalten. [X.]as vom [X.] durch Auslegung des Art. 13 Abs. 1 der [X.] 1408/71 gewonnene "unionsrechtliche Verbot" der Gewährung [X.] Kindergeldes zugunsten von Personen, die nur den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats unterliegen, beruht nach Auffassung des [X.] auf einem fehlerhaften Verständnis der verordnungsrechtlichen Vorschriften zur Bestimmung des anwendbaren Rechts.

[X.]a somit eine europarechtlich begründete Sperrwirkung des Art. 13 Abs. 1 Satz 1 der [X.] 1408/71 gerade nicht besteht, richtet sich die Anspruchsberechtigung auch bei Personen und bei Leistungen, die dem persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich der [X.] 1408/71 unterliegen, allein nach den Bestimmungen des [X.] Rechts.

Es bedarf nach Auffassung des Senats auch keines zusätzlichen nationalen [X.]s. Ungeachtet der schwierigen Frage, wie ein solcher [X.] zu formulieren wäre, basiert diese Forderung auf der Rechtsauffassung, dass Art. 13 Abs. 1 Satz 1 der [X.] 1408/71 eine Sperrwirkung (Verbot) für die Anwendung der Rechtsvorschriften des nicht zuständigen Mitgliedstaats begründet. Sollen die an sich nicht anwendbaren Vorschriften des unzuständigen Mitgliedstaats dennoch angewendet werden, so bedarf es einer ausdrücklichen Willensäußerung des Gesetzgebers dieses Staates. [X.]ieser in der Rechtsprechung der [X.] vertretenen Auffassung (vgl. z.B. Urteile des [X.] [X.]üsseldorf vom 17. Februar 2009  10 K 501/08 Kg, Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 761; vom 24. September 2010  16 K 3718/08 Kg, juris) wurde spätestens durch das [X.]-Urteil [X.] und [X.] in [X.], 475 die Grundlage entzogen. [X.]enn die angenommene europarechtliche Sperrwirkung besteht gerade nicht. Richtet sich die Kindergeldberechtigung einer Person demnach allein nach den nationalen Vorschriften des an sich unzuständigen Mitgliedstaats, dann ist für das geltende [X.] Recht festzustellen, dass diesem keine Einschränkung zu entnehmen ist, dass Kindergeld im Falle grenzüberschreitender Sachverhalte nur unter dem Vorbehalt der Zuständigkeit [X.] i.S. der Art. 13 ff. der [X.] 1408/71 zu gewähren ist. Selbst wenn ein solcher --still-schweigender-- Vorbehalt dem Willen des Gesetzgebers entsprochen haben sollte, so fehlt es jedenfalls an der tatbestandlichen Ausformulierung dieser Absicht. Aus der Gesetzgebungsgeschichte geht hervor, dass der Gesetzgeber die mit dem Jahressteuergesetz 1996 vollzogene Neukonzeption des Kindergeldrechts durchaus mit der [X.] 1408/71 abgestimmt hat. So hat er den sozialrechtlichen Kindergeldanspruch insbesondere für solche Wanderarbeitnehmer vorgesehen, die nach der [X.] 1408/71 den [X.] Bestimmungen über [X.] Sicherheit unterliegen (vgl. BT[X.]rucks 13/1558, S. 163) und (nur) deshalb in einem Versicherungspflichtverhältnis zur [X.] (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Bundeskindergeldgesetzes --BKGG--) stehen (können). [X.]as Abstellen auf ein bestehendes Versicherungspflichtverhältnis in der [X.] Sozialversicherung, das wiederum von der Anwendbarkeit des [X.] Sozialrechts gemäß Art. 13 ff. der [X.] 1408/71 abhängt, stellt gewissermaßen den [X.] [X.] für den sozialrechtlichen Kindergeldanspruch dar. Ein vergleichbarer Vorbehalt bzw. --positiv gewendet-- [X.] hinsichtlich der Anwendbarkeit der [X.] Bestimmungen gemäß der [X.] 1408/71 fehlt dagegen im Anwendungsbereich des steuerrechtlichen Kindergeldes. [X.]ieses hat der Gesetzgeber ohne weitere einschränkende Voraussetzungen (nur) vom Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, also der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht (§ 62 Abs. 1 Nr. 1 [X.]) und --für bestimmte grenzüberschreitende Sachverhalte-- von der fiktiven unbeschränkten Einkommensteuerpflicht gemäß § 1 Abs. 3 [X.] (§ 62 Abs. 1 Nr. 2 [X.]. b [X.]) abhängig gemacht. Eine [X.]ifferenzierung der sich aus § 62 Abs. 1 Nr. 2 [X.] ergebenden Anspruchsberechtigung nach der Anwendbarkeit der [X.] Bestimmungen findet sich dort nicht. Nur wenn die Regelung in [X.]. b des § 62 Abs. 1 Nr. 2 [X.] in dieser Form nicht existierte, würde der Kindergeldanspruch einer Person, die auf Antrag als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gemäß § 1 Abs. 3 [X.] behandelt wird, von der Anwendbarkeit der [X.] Rechtsvorschriften gemäß Art. 13 ff. der [X.] 1408/71 abhängen. [X.]enn in einem solchen Fall würde die steuerliche Freistellung des [X.] allein durch den auch im Falle des § 1 Abs. 3 [X.] bestehenden Anspruch auf einen Kinderfreibetrag (vgl. [X.]/[X.], [X.], 32. Aufl., § 32 Rz 2) bewirkt werden. Kindergeld als Sozialleistung könnte von der als unbeschränkt steuerpflichtig behandelten Person aber nur dann beansprucht werden, wenn sie nach Art. 13 ff. der [X.] 1408/71 den [X.] Bestimmungen über [X.] Sicherheit unterliegen würde. [X.]enn nur bei Anwendbarkeit des [X.] Sozialrechts kann überhaupt ein Versicherungspflichtverhältnis zur [X.] i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 BKGG begründet werden. [X.]ies zeigt, dass nach geltender Rechtslage der nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 [X.]. b [X.] begründete Anspruch eines Saisonarbeitnehmers, der gemäß Art. 13 ff. der [X.] 1408/71 den [X.] Bestimmungen über [X.] Sicherheit nicht unterliegt, nicht ausgeschlossen werden kann. [X.]ie Versagung des Kindergeldes kann nicht mit dem Hinweis auf den fehlenden positiven [X.] des Gesetzgebers begründet werden, sondern kann allenfalls durch Änderung bzw. Streichung des [X.]. b in § 62 Abs. 1 Nr. 2 [X.] erreicht werden. Somit obliegt die Entscheidung, den Kindergeldanspruch solcher als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelter Personen, die gemäß Art. 13 ff. der [X.] 1408/71 den [X.] Bestimmungen über [X.] Sicherheit nicht unterliegen, durch Änderung oder Aufhebung des § 62 Abs. 1 Nr. 2 [X.]. b [X.] zu versagen, allein dem Gesetzgeber.

3. Gemessen an diesen Maßstäben kann die Entscheidung der [X.] keinen Bestand haben.

a) Nach den nicht angegriffenen und damit bindenden Feststellungen des [X.] war der Kläger in [X.] selbständig tätig und nur vorübergehend in [X.] als Arbeitnehmer beschäftigt. [X.]as [X.] hat danach gemäß Art. 13 Abs. 1 i.V.m. Art. 14a Nr. 1 [X.]. a der [X.] 1408/71 zutreffend das [X.] Recht als anwendbar bestimmt (zum anwendbaren Recht bei einem Saisonarbeitnehmer vgl. [X.]-Beschluss vom 21. Oktober 2010 III R 35/10, [X.]E 231, 194; [X.]-Urteil [X.] und [X.] in [X.], 475).

b) Entgegen der Auffassung der Vorinstanz entfalten die Art. 13 ff. der [X.] 1408/71 aber keine Sperrwirkung hinsichtlich der Anwendung der [X.] Rechtsvorschriften. [X.]ie grundsätzliche Anspruchsberechtigung des [X.] folgt damit aus § 62 Abs. 1 [X.]. Eines zusätzlichen [X.]s bedarf es nicht.

4. [X.]ie Sache ist nicht spruchreif.

[X.]as [X.] hat --von seinem Standpunkt aus [X.] keine Tatsachen zur Anspruchsberechtigung des [X.] nach [X.]m Recht festgestellt. [X.]iese Feststellungen, insbesondere zum Vorliegen der fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht (§ 62 Abs. 1 Nr. 2 [X.]. b [X.]), wird das [X.] im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben. Für die weitere Prüfung weist der Senat auf Folgendes hin:

a) Ausgangspunkt der Prüfung ist die Frage, ob der Kläger im Streitzeitraum die Anspruchsvoraussetzungen der §§ 62 ff. [X.] erfüllt hat.

aa) Für Kinder i.S. des § 63 [X.] hat nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 [X.]. b [X.] Anspruch auf Kindergeld, wer ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland nach § 1 Abs. 3 [X.] als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird. Hierzu hat der erkennende Senat entschieden, dass eine Kindergeldberechtigung nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 [X.]. b [X.] voraussetzt, dass der Anspruchsteller aufgrund eines entsprechenden Antrags vom zuständigen Finanzamt ([X.]) nach § 1 Abs. 3 [X.] als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird (Senatsurteil vom 24. Mai 2012 III R 14/10, [X.]E 237, 239, [X.] 2012, 897). [X.]ie Tatsache allein, dass beispielsweise bei einem ausländischen Saisonarbeitnehmer im Einkommensteuerbescheid von einer unbeschränkten Steuerpflicht ausgegangen wurde, besagt nicht notwendigerweise, dass es sich um eine Behandlung nach § 1 Abs. 3 [X.] gehandelt hat. Vielmehr kann einem solchen Bescheid z.B. auch eine --für die Familienkasse und das [X.] nicht bindende-- unzutreffende Bejahung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 [X.] zugrunde liegen. Soweit sich daher eine Behandlung nach § 1 Abs. 3 [X.] nicht unmittelbar aus dem Wortlaut oder Inhalt des Steuerbescheids selbst ergibt, ist zu prüfen, ob der Anspruchsteller sein Antragswahlrecht gegenüber dem [X.] entsprechend ausgeübt hat (insbesondere durch entsprechende Erklärung im Antragsformular) und welchen Erklärungsgehalt der Anspruchsteller dem Bescheid nach den ihm im Laufe des Veranlagungsverfahrens bekannt gewordenen Umständen beimessen konnte (§ 124 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung). [X.] kann insoweit auch eine Beiziehung der Veranlagungsakten notwendig werden. Wurde dem Anspruchsteller im Laufe des jeweiligen Veranlagungszeitraums eine Bescheinigung nach § 39c Abs. 4 [X.] in der bis zum Veranlagungszeitraum 2011 geltenden Fassung erteilt, ist gleichwohl zu prüfen, ob in der in diesem Fall von Amts wegen durchzuführenden Veranlagung (§ 46 Abs. 2 Nr. 7 [X.]. b [X.] in der bis zum Veranlagungszeitraum 2011 geltenden Fassung) die Behandlung des Anspruchstellers als nach § 1 Abs. 3 [X.] unbeschränkt Steuerpflichtiger vom [X.] beibehalten wurde.

bb) Wurde dem Antrag des Anspruchstellers auf Behandlung nach § 1 Abs. 3 [X.] entsprochen, lässt sich daraus nicht ableiten, dass deshalb in jedem Fall eine Kindergeldberechtigung nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 [X.]. b [X.] für das gesamte Kalenderjahr gegeben ist. Insoweit ist vielmehr zu beachten, dass nach dem [X.]-Urteil vom 24. Oktober 2012 V R 43/11 ([X.]E 239, 327), dem sich der Senat anschließt, eine solche Kindergeldberechtigung nur in den Monaten des betreffenden Kalenderjahres besteht, in denen der Anspruchsteller Einkünfte i.S. des § 49 [X.] erzielt hat.

cc) [X.]ie Gründe der angegriffenen Entscheidung enthalten keine hinreichenden Feststellungen dazu, ob der Kläger vom [X.] nach § 1 Abs. 3 [X.] als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt wurde. [X.]as [X.] hat lediglich festgestellt, dass der Kläger einen entsprechenden Antrag gestellt hat. Es wird daher noch zu prüfen sein, ob das [X.] den Kläger entsprechend seinem Antrag nach § 1 Abs. 3 [X.] behandelt hat und in welchem Teil des [X.] der Kläger nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 11 [X.] inländische Einkünfte erzielt hat.

b) Soweit sich danach das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 [X.]. b [X.] ergibt, ist weiter zu prüfen, wie eine Konkurrenz zu etwaigen von der Ehefrau des [X.] in [X.] bezogenen Familienleistungen aufzulösen ist.

aa) Ist der persönliche Anwendungsbereich der [X.] 1408/71 eröffnet (s. zu dieser Frage im Einzelnen Senatsurteil vom 4. August 2011 III R 55/08, [X.]E 234, 316, unter II.2.c), muss geprüft werden, ob [X.] nach den Art. 13 ff. der [X.] 1408/71 der zuständige oder der unzuständige Mitgliedstaat ist (s. zu dieser Frage im Einzelnen Senatsurteile in [X.]E 234, 316, unter II.3.; vom 15. März 2012 III R 52/08, [X.]E 237, 412, unter II.3., und vom 5. Juli 2012 III R 76/10, [X.]E 238, 87, unter II.3.).

bb) Ist [X.] der zuständige Mitgliedstaat, kommen hinsichtlich konkurrierender Ansprüche der Kindsmutter in [X.] grundsätzlich die Antikumulierungsvorschriften des Art. 10 der Verordnung ([X.]) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die [X.]urchführung der Verordnung ([X.]) Nr. 1408/71 über die Anwendung der Systeme der [X.]n Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der [X.] zu- und abwandern ([X.] 574/72) zur Anwendung. Zwar kann dessen Anwendbarkeit aufgrund der für [X.] geltenden Einschränkungen des Anhangs I Teil I [X.]. [X.] in der im Streitjahr geltenden Fassung der [X.] 1408/71 ausgeschlossen sein (s. hierzu Senatsurteil in [X.]E 234, 316, unter [X.]). Jedoch hat der Senat unter Bezugnahme auf das Urteil des [X.] in der Rechtssache vom 14. Oktober 2010 [X.]/09, [X.] ([X.] 2011, 235 Rdnr. 38) bereits darauf hingewiesen, dass auch in einem Fall, in dem der nach [X.]m Recht Kindergeldberechtigte die Voraussetzungen des Anhangs I Teil I [X.]. [X.] der [X.] 1408/71 nicht erfüllt, die europarechtlichen Antikumulierungsvorschriften wie des Art. 76 der [X.] 1408/71 und des Art. 10 der [X.] 574/72 gleichwohl zur Anwendung kommen können (Senatsurteil in [X.]E 238, 87, unter [X.]). [X.]ies kann sich vor allem daraus ergeben, dass die Kinder des Anspruchstellers als Familienangehörige des anderen Elternteils in den persönlichen Anwendungsbereich der [X.] 1408/71 fallen und parallele Ansprüche auf Familienleistungen für denselben Zeitraum bestehen.

cc) Ist [X.] nach den Bestimmungen der Art. 13 ff. der [X.] 1408/71 der nicht zuständige Mitgliedstaat, was die Vorinstanz im Streitfall rechtsfehlerfrei angenommen hat, und ist [X.] auch nicht der Wohnmitgliedstaat des betreffenden Kindes (vgl. [X.]-Urteil [X.] und [X.] in [X.], 475 [X.]. 74 bis 76), dann ist die Konkurrenz zu Ansprüchen im anderen Mitgliedstaat [X.] nach nationalem Recht zu lösen.

[X.]ie nationalen Vorschriften sehen in § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] zwar vor, dass Kindergeld nicht für ein Kind gezahlt wird, für das Leistungen für Kinder, die im Ausland gewährt werden und dem Kindergeld oder einer der unter § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] genannten Leistungen vergleichbar sind, zu zahlen ist oder bei entsprechender Antragstellung zu zahlen wäre. [X.]ie Auslegung dieser Vorschrift hat jedoch unter Beachtung der Anforderungen des Primärrechts der [X.] auf dem Gebiet der Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu erfolgen ([X.]-Urteil [X.] und [X.] in [X.], 475). [X.]anach darf in einem Fall, in dem in einem anderen Mitgliedstaat dem Kindergeld vergleichbare Leistungen gewährt werden, der Anspruch auf Kindergeld nach dem [X.] gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] nur in entsprechender Höhe gekürzt, jedoch nicht völlig ausgeschlossen werden, wenn anderenfalls das Freizügigkeitsrecht des [X.] beeinträchtigt wäre.

Meta

III R 8/11

16.05.2013

Bundesfinanzhof 3. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 1. Februar 2011, Az: 10 K 2378/08 Kg, Urteil

Art 13 Abs 1 S 1 EWGV 1408/71, Art 14a Nr 1 Buchst a EWGV 1408/71, § 1 Abs 3 EStG 2002, § 62 Abs 1 Nr 2 Buchst b EStG 2002, EStG VZ 2007

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.05.2013, Az. III R 8/11 (REWIS RS 2013, 5721)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5721

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