Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.02.2009, Az. 4 StR 529/08

4. Strafsenat | REWIS RS 2009, 5078

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES Urteil 4 [X.] vom 12. Februar 2009 in der Strafsache gegen wegen [X.] - Der 4. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 12. Februar 2009, an der teilgenommen haben: Vorsitzende [X.]in am [X.] [X.], [X.] am [X.] Maatz, [X.], [X.]in am [X.] [X.], [X.] am [X.] [X.]

als beisitzende [X.], Oberstaatsanwalt beim [X.]

als Vertreter der [X.], Rechtsanwalt als Verteidiger, Rechtsanwältin als Nebenkläger-Vertreterin, Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt: - 3 - 1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 2. Juli 2008 wird verwor-fen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren ent-standenen notwendigen Auslagen zu tragen. 2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das [X.] Urteil mit den Feststellungen zum [X.] hinsichtlich der Heimtücke aufgeho-ben; die übrigen Feststellungen bleiben aufrechterhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des [X.] zurückverwiesen. Die weiter gehende Revision wird verworfen. Von Rechts wegen - 4 - Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Frei-heitsstrafe von 13 Jahren verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungs-verwahrung angeordnet. 1 Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Mit der Sachrüge beanstandet sie, dass der Angeklagte nicht wegen Mordes verurteilt ist. 2 [X.] Der Angeklagte und [X.]. - das spätere Tatopfer - hatten seit 1987 eine von Anfang an konfliktbeladene Beziehung unterhalten, in deren [X.] es mehrfach zu Trennungen und anschließenden Versöhnungen kam. Ihre im April 2004 geschlossene Ehe wurde im April 2007 geschieden. Am Tattage, dem 3. Oktober 2007, machte der Angeklagte, dem zugetragen worden war, dass sich [X.]. mit [X.] in einem Lokal [X.] und mit diesem getrunken habe, ihr Vorhaltungen, weil sie mit [X.] "[X.] sei. Im weiteren Verlauf des Tages kam es zwischen dem Angeklagten und [X.]. zu zahlreichen telefonischen Kontakten. Gegen 20.15 Uhr rief der Angeklagte [X.].

, die sich zu diesem [X.]-punkt außerhalb ihrer Wohnung aufhielt, [X.] an und erklärte, sie und ihre Freundin könnten sich "auf ein Schlachtfest vorbereiten" und sich "ge-genseitig zugucken". [X.]. wusste mit dieser Äußerung des Ange-klagten, der mehrfach ohne realistischen Hintergrund verbal ausfällig geworden war, nichts anzufangen. Gegen 21.00 Uhr kehrte sie in Begleitung der Zeugin 3 - 5 - [X.]in ihre Wohnung zurück. Im Arbeitszimmer nahmen beide am [X.] und suchten das Internetportal "[X.]" auf. Der alkoholgewohnte, mi-telgradig alkoholisierte Angeklagte hatte sich zuvor Zugang zu der Wohnung verschafft und sich hinter einer Couch versteckt. Das [X.] hat zum [X.] Geschehen folgendes festgestellt: "[X.]. und die Zeugin [X.] bemerkten den in der Tür stehenden Angeklagten erst, als dieser mit erhobener Stimme und in bösem Ton sinngemäß äußerte 'Ach, [X.] ist dir wichtiger!'. Zwischen dem Angeklagten, der um den in der Mitte des Raumes stehenden Schreibtisch herum auf [X.]. zuging, und [X.]. gab es einen kurzen Wortwechsel. Der Angeklagte drückte dann mit der linken Hand [X.]. nach hinten, so dass sie in der Ecke des Raumes stand. Er stach sodann mit dem von ihm mitgeführten Klappmesser mit einer Klingenlänge von et-wa 7,5 cm vielfach auf [X.]. ein, und zwar insbe-sondere in deren Hals- und Brustbereich, um sie zu töten, und äußerte dabei '[X.]' ". Danach deutete er mit dem Messer auf die Zeugin [X.]und fragte: "Willst du auch?". Dann äußerte er, er wolle gemeinsam mit [X.]. sterben und rammte sich zweimal das Messer mit [X.] in den Oberkörper und brach am Tatort zusammen. [X.]. erlag den ihr zugefügten Stich-verletzungen. 4 - 6 - I[X.] Revision des Angeklagten 5 Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Sachrüge hat keinen Rechts-fehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Dies gilt aus den in der [X.] vom 28. Oktober 2008 ausgeführten Grün-den, auf die insoweit Bezug genommen wird, insbesondere auch für die von der Revision angegriffene Verneinung der Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB. Auch die Voraussetzungen für eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB hat das [X.] rechtsfehlerfrei verneint. Zwar kann die Anordnung einer Maßregel nach § 64 StGB grundsätzlich nicht allein deswegen verneint werden, weil außer der Sucht noch weitere [X.] eine Disposition für die Begehung von Straftaten begründen. Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf aber nicht ausschließlich zur Besserung des [X.], also ohne gleichzeitige günstige Auswirkungen auf die Interessen der öf-fentlichen Sicherheit im Sinne einer Verminderung der vom alkoholabhängigen Täter ausgehenden Gefährlichkeit erfolgen. Vielmehr ist erforderlich, dass bei erfolgreichem Verlauf der Behandlung jedenfalls das Ausmaß der Gefährlichkeit des [X.] nach Frequenz und krimineller Intensität der von ihm zu befürchten-den Straftaten deutlich herabgesetzt wird (vgl. Senat NStZ 2003, 86 m.w.[X.]). Davon hat sich das auch insoweit sachverständig beratene [X.], wie sich den [X.] noch hinreichend entnehmen lässt, jedoch nicht zu überzeugen vermocht. 6 II[X.] - 7 - Revision der Staatsanwaltschaft 7 [X.] ist nicht ausgeführt und des-halb unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die vom [X.] nur insoweit vertretene Revision hat jedoch mit der Sachrüge Erfolg, soweit sie sich gegen die Verneinung des [X.] —Heimtückefi wendet. 8 1. Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft hat das [X.] das Mordmerkmal —niedrige Beweggründefi rechtsfehlerfrei abgelehnt. Beim Vorliegen eines Motivbündels beruht die vorsätzliche Tötung nur dann auf nied-rigen Beweggründen, wenn das Hauptmotiv oder die vorherrschenden Motive, welche der Tat ihr Gepräge geben, nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und besonders verwerflich sind ([X.], 111 m.w.[X.]). 9 Ein solcher Fall ist nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen nicht gegeben. Das [X.] hat nicht verkannt, dass Eifersucht eine nicht unbeträchtliche Rolle gespielt hat. Dass es diese Motivation nicht als tatbeherr-schend angesehen hat, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Das Verhältnis zwischen dem Angeklagten und dem Tatopfer war nach den Feststellungen von [X.] und Her" geprägt. Es kam zwischen ihnen häufig zu [X.], wobei auch massive Beschimpfungen und Beleidigungen nicht unty-pisch waren. Der Angeklagte befand sich bei Begehung der Tat in einer [X.] von ihm subjektiv so empfundenen [X.] psychisch erheblich belastenden Situation. Vor diesem Hintergrund hält es sich im Rahmen des tatrichterlichen [X.], dass das [X.] die für den Angeklagten bestim-menden Motive in ihrer Gesamtheit nicht als niedrig im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB gewertet hat. 10 - 8 - 2. Die Staatsanwaltschaft beanstandet jedoch die Verneinung des [X.] "Heimtücke" zu Recht. 11 a) Nach den Feststellungen war [X.]. , was das [X.] nicht verkannt hat, bei Beginn des tödlichen Angriffs des Angeklagten arglos und infolgedessen wehrlos. Sie versah sich, als sie in ihre Wohnung [X.] war, trotz der telefonischen Äußerung des Angeklagten, sie und ihre Freundin könnten sich "auf ein Schlachtfest vorbereiten", keines Angriffs. Der Angeklagte hatte keinen Schlüssel zu der Wohnung und hatte auch nicht etwa angekündigt, er werde sich Zugang zur Wohnung verschaffen. [X.] der Täter [X.] wie hier [X.] seinem ahnungslosen Opfer auf, um an dieses heranzukommen, kommt es nicht darauf an, ob und wann es die von dem ihm gegenüber treten-den Täter ausgehende Gefahr erkennt (vgl. [X.], 261; NStZ-RR 1996, 98). 12 b) Für das bewusste Ausnutzen von Arg- und Wehrlosigkeit genügt es, dass der Täter diese in ihrer Bedeutung für die hilflose Lage des Angegriffenen und die Ausführung der Tat in dem Sinne erfasst, dass er sich bewusst ist, ei-nen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber einem Angriff schutzlosen Men-schen zu überraschen ([X.] NStZ 2003, 535). Die Erwägungen mit denen das [X.] diese Voraussetzungen verneint hat, entbehren einer tragfähigen Grundlage. 13 - 9 - Die Ankündigung des Angeklagten, das Tatopfer und dessen Freundin könnten sich "auf ein Schlachtfest" vorbereiten, spricht entgegen der [X.] des [X.] nicht gegen das [X.] des Ange-klagten. Der Entscheidung des 5. Strafsenats des [X.] ([X.] NStZ 2007, 268), auf die das [X.] ersichtlich abgestellt hat, lag eine an-dersartige Fallgestaltung zugrunde. Der Täter war dem Opfer kurz nach der telefonischen Ankündigung: "Ich komme jetzt zu dir ins Restaurant und mache dich platt" - wenn auch mit verdeckter Waffe [X.] entgegengetreten. Kann sich das spätere Opfer auf eine in Kürze zu erwartende Konfrontation einstellen, liegt es fern, dass der Täter das [X.] hat. So liegt es hier jedoch nicht. Der Angeklagte war vielmehr heimlich in die Wohnung des [X.] ein-gedrungen und hatte sich dort hinter einer Couch versteckt. Es liegt nahe, dass er dies tat, um das Tatopfer zu überraschen, denn er konnte, weil er nicht mehr über einen Schlüssel zu der Wohnung verfügte, davon ausgehen, dass das Tatopfer nicht damit rechnete, dass er sich in der Wohnung aufhielt. Dafür, dass sich der Angeklagte der Arg- und Wehrlosigkeit des [X.] bewusst war, spricht zudem, dass er erst einige [X.] nach dem Eintreffen des [X.] in der Tür zum Arbeitszimmer auftauchte und sofort zum Angriff überging. 14 Soweit das [X.] ausgeführt hat, auch die Alkoholisierung des [X.] spreche gegen die Annahme des erforderlichen Ausnutzungsbe-wusstseins, fehlt dafür jedwede Begründung. Dass der Angeklagte alkoholbe-dingt die Arg- und Wehrlosigkeit des [X.] nicht in sein Bewusstsein aufge-nommen haben könnte, versteht sich im Hinblick auf die Ausführungen zur un-eingeschränkten Schuldfähigkeit nicht von selbst. 15 - 10 - c) Die danach rechtsfehlerhafte Verneinung des [X.] —[X.] führt zur Aufhebung des Urteils mit den Feststellungen zum [X.] hinsichtlich der Heimtücke. Die übrigen Feststellungen sind jedoch rechtsfehlerfrei getroffen und können deshalb bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen, die den bestehen gebliebenen nicht widersprechen, sind zuläs-sig. 16 Tepperwien Maatz [X.] [X.] Mutzbauer

Meta

4 StR 529/08

12.02.2009

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.02.2009, Az. 4 StR 529/08 (REWIS RS 2009, 5078)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 5078

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