Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.05.2012, Az. KVR 51/11

Kartellsenat | REWIS RS 2012, 6413

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Gegenstand

Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung: Von der Vergleichsmarktbetrachtung abweichende Ermittlung eines Preishöhenmissbrauchs - Wasserpreise Calw


Leitsatz

Wasserpreise Calw

Ein Preishöhenmissbrauch im Sinne des § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB kann nicht nur aufgrund einer Vergleichsmarktbetrachtung festgestellt, sondern auch dadurch ermittelt werden, dass die Preisbildungsfaktoren daraufhin überprüft werden, ob und inwieweit sie darauf schließen lassen, dass ein wirksamem Wettbewerb ausgesetztes Unternehmen zur bestmöglichen Ausnutzung seines Preissetzungsspielraums abweichend kalkulieren würde.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Landeskartellbehörde wird der Beschluss des Kartellsenats des [X.] vom 25. August 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Die [X.] (nachfolgend: Betroffene) beliefert in der [X.] [X.] Kunden mit Trinkwasser. Gesellschafter der Betroffenen sind zu 51 % die [X.]werke [X.] GmbH, deren Alleingesellschafterin die [X.] [X.] ist, und zu 49 % die [X.] Beteiligungsgesellschaft mbH. Die Betroffene ist der einzige Wasserversorger in [X.].

2

Die [X.] des [X.] hat mit Verfügung vom 24. Februar 2011 die Betroffene verpflichtet, bei der Berechnung der Wasserentgelte von [X.] im Sinne der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser ([X.]) für die [X.] vom 1. Januar 2008 bis 31. Dezember 2009 unter Beibehaltung des aktuellen Grundpreises einen Nettoarbeitspreis von nicht mehr als 1,82 € je Kubikmeter anzulegen und, soweit in bereits erfolgten [X.] ein höherer Arbeitspreis angelegt worden ist, den [X.] die Differenz bis zum 31. Mai 2011 zu erstatten.

3

Zur Begründung hat die [X.] ausgeführt: Die Betroffene verlange nach ihren allgemeinen Bedingungen seit dem 1. Januar 2008 für den Bezug von Trinkwasser einen jährlichen Grundpreis von netto 45,96 € und einen verbrauchsabhängigen Preis von netto 2,79 €/m³. Damit fordere sie entgegen § 19 Abs. 1 [X.] missbräuchlich überhöhte Preise. Dies ergebe sich aus einer Kostenprüfung anhand der Abweichungen der tatsächlich verlangten [X.]ntgelte von denjenigen, die sich bei Anwendung eines nachvollziehbaren und angemessenen Kalkulationsschemas ergäben. [X.] könnten den gesetzgeberischen Wertungen in der Stromnetzentgeltverordnung und der Gasnetzentgeltverordnung entnommen werden. § 32 Abs. 1 und 2 [X.] ermächtige zu der getroffenen Verfügung einschließlich der Anordnung, die missbräuchlich erwirtschafteten Vorteile zurückzuerstatten.

4

Das [X.] hat auf die Beschwerde der Betroffenen die Verfügung aufgehoben ([X.], [X.]/[X.] 3389 ff.). Dagegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde der [X.]. Mit ihrer Anschlussrechtsbeschwerde wendet sich die Betroffene gegen die Kostenentscheidung des [X.], nach der eine Kostenerstattung nicht stattfindet.

5

II. Das Beschwerdegericht hat seine [X.]ntscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

6

Die [X.] habe ihre Verfügung allein auf §§ 19, 32 Abs. 1 und 2 [X.] gestützt, was möglich sei. Zu einem ebenfalls denkbaren Vorgehen nach § 22 Abs. 5, § 103 Abs. 5, 7 [X.] idF der [X.] ([X.]) i.V. mit § 131 Abs. 6 [X.] enthalte die angefochtene Verfügung keine tragenden [X.]rwägungen.

7

[X.]s sei nicht von vorneherein zu beanstanden, dass die [X.] die Preise der marktbeherrschenden Betroffenen einer Missbrauchskontrolle nach der Generalklausel des § 19 Abs. 1 [X.] unterzogen habe. Denn § 19 Abs. 4 [X.] enthalte lediglich beispielhafte Bestimmungen. Der Maßstab zur Feststellung eines Preismissbrauchs, insbesondere im Sinne von § 19 Abs. 4 Nr. 2 [X.], sei nicht auf das Vergleichsmarktkonzept beschränkt. [X.]s könne unter besonderen Umständen auch auf andere Methoden wie die Kostenkontrolle oder das Konzept der Gewinnbegrenzung zurückgegriffen werden.

8

Im Streitfall sei die von der [X.] gewählte Kontrollmethode aber nicht nur wegen des unterbliebenen [X.]rheblichkeitszuschlags zu beanstanden, sondern vor allem deswegen, weil sie grundlegenden rechtsdogmatischen Bedenken unterliege. Sie verlange von der Betroffenen eine vertiefte Aufdeckung der Kalkulationsgrundlagen, die mit der Darlegungs- und Beweislast im Rahmen des § 19 [X.] unvereinbar sei. Liege - wie hier - eine vollständige Übersicht über die Tarife der privaten Wasserversorger vor, so müsse die Missbrauchsbewertung der Vergleichsmarktbetrachtung folgen. Das Gesetz gehe in § 19 Abs. 1 i.V. mit Abs. 4 Nr. 2 [X.] vorrangig vom Vergleichsmarktkonzept aus. Die [X.] habe sich mit ihrer Kalkulation an die Stelle der Betroffenen gesetzt und eine unzulässige kalkulatorische Gegenkontrolle durchgeführt. [X.]iner analogen Anwendung der Bewirtschaftungsvorgaben der Strom- und der Gasnetzentgeltverordnung stehe der gesetzgeberische [X.]e entgegen.

9

III. Die Rechtsbeschwerde der [X.] hat [X.]rfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.

1. Ohne Rechtsfehler hat das Beschwerdegericht allerdings angenommen, im Rahmen der Missbrauchsaufsicht über ein Wasserversorgungsunternehmen könne die Kartellbehörde ihre Verfügung auf §§ 19, 32 [X.] stützen. Diese Vorschriften sind neben den gemäß § 131 Abs. 6 [X.] fortgeltenden § 22 Abs. 5, § 103 Abs. 5, 7 [X.] anwendbar ([X.], Beschluss vom 2. Februar 2010 - [X.] 66/08, [X.]Z 184, 168 Rn. 26 - Wasserpreise [X.]).

Zutreffend ist auch die Annahme des [X.], die Betroffene sei auf dem Markt der Versorgung von [X.]ndkunden mit Trinkwasser im [X.]gebiet von [X.] marktbeherrschend i.S. des § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.]. Sie hat dort aufgrund des von ihrer Rechtsvorgängerin geschlossenen Konzessionsvertrages ein rechtliches und aufgrund ihrer Verfügungsberechtigung über das Leitungsnetz ein natürliches Monopol.

2. Rechtsfehlerhaft ist das Beschwerdegericht aber hinsichtlich der Methoden zur [X.]rmittlung eines Marktmachtmissbrauchs davon ausgegangen, dass die Vergleichsmarktbetrachtung gegenüber der Kostenkontrolle rechtlich vorrangig sei, und hat deshalb den von der [X.] gewählten Ansatz rechtlich unzutreffend für ausgeschlossen gehalten.

a) Nach § 19 Abs. 4 Nr. 2 Halbsatz 1 [X.], der lediglich eine Ausprägung der Generalklausel des § 19 Abs. 1 [X.] ist, liegt ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung insbesondere dann vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen [X.]ntgelte fordert, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden. Dabei sind nach § 19 Abs. 4 Nr. 2 Halbsatz 2 [X.] insbesondere die Verhaltensweisen von Unternehmen auf vergleichbaren Märkten mit wirksamem Wettbewerb zu berücksichtigen. [X.]ine solche Vergleichsmarktbetrachtung, von der auch die für die kartellrechtliche Überprüfung von [X.] fortgeltende Vorschrift des § 103 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 [X.] 1990 ausgeht, ist aber nicht die einzige Art, wie die Kartellbehörde ermitteln kann, ob der hypothetische Wettbewerbspreis überschritten ist. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 19 Abs. 4 Nr. 2 Halbsatz 2 [X.] ("insbesondere") und entspricht auch dem [X.]en des Gesetzgebers. Der Gesetzgeber hat mit dem [X.] eine zwar beson[X.] wichtige (Beschlussempfehlung und Bericht des [X.], BT-Drucks. 8/3690, [X.]), aber nicht die einzige Möglichkeit benannt, um eine Abweichung vom wettbewerbsanalogen Preis i.S. des § 19 Abs. 4 Nr. 2 Halbsatz 1 [X.] festzustellen.

Den Behörden und Gerichten ist es danach aus Rechtsgründen nicht verwehrt, bei der Feststellung eines Preismissbrauchs auch andere, hierzu ebenfalls geeignete Umstände heranzuziehen ([X.] in [X.][X.]/[X.], Kartellrecht, 2. Aufl., [X.] § 19 Rn. 80; [X.]/[X.], Handbuch des Kartellrechts, 2. Aufl., § 23 Rn. 51; [X.] in [X.]/Bunte, Kartellrecht, 11. Aufl., [X.] § 19 Rn. 107; [X.], 5. [X.] 1982/1983, BT-Drucks. 10/1791 Rn. 415 ff.). [X.]in anderes Vorgehen kann vor allem dann angezeigt sein, wenn - wie im Bereich der Trinkwasserversorgung - keine vergleichbaren Märkte mit wirksamem Wettbewerb existieren. Zwar kann auch dann nach § 103 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 [X.] 1990 ein Vergleich mit anderen oder mit nur einem Monopolunternehmen durchgeführt werden, weil davon auszugehen ist, dass jedenfalls eine Überschreitung dieses Vergleichspreises missbräuchlich ist ([X.], Beschluss vom 28. Juni 2005 - [X.] 17/04, [X.]Z 163, 282, 291 f. - [X.]werke Mainz). Damit kann aber der Preis, der sich bei wirksamem Wettbewerb einstellen würde, nicht ermittelt werden (vgl. [X.], Beschluss vom 2. Februar 2010 - [X.] 66/08, [X.]Z 184, 168 Rn. 26 - Wasserpreise [X.]). [X.] die Kartellbehörde nicht nur erreichen, dass der günstigste Monopolpreis nicht überschritten wird, sondern den wettbewerbsanalogen Preis als Maßstab heranziehen, ist sie nicht nur berechtigt, sondern sogar darauf angewiesen, eine andere Kontrollmethode, gegebenenfalls neben der [X.], anzuwenden.

Nach der Rechtsprechung des Senats kommt als zulässige Kontrollmethode auch eine - hier von der [X.] vorgenommene - Überprüfung der Preisbildungsfaktoren in Betracht ([X.], Urteil vom 18. Oktober 2005 - [X.], [X.]Z 164, 336, 346 - Stromnetznutzungsentgelt I; Beschluss vom 19. Juni 2007 - [X.], [X.]St 52, 1 Rn. 19 - Papiergroßhandel; ebenso [X.], Urteil vom 14. Februar 1978 - [X.]/76, Slg. 1978, 207, 305 = NJW 1978, 2439 - [X.]; zurückhaltend noch [X.], Beschluss vom 16. Dezember 1976 - [X.] 2/76, [X.]Z 68, 23, 33 f. - Valium; Beschluss vom 12. Februar 1980 - [X.] 3/79, [X.]/[X.] 1678, 1684 - Valium II, insoweit in [X.]Z 76, 142 nicht abgedruckt). Zwar kann sich nicht die Art der Preisfindung als solche, sondern nur deren [X.]rgebnis als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung i.S. des § 19 [X.] darstellen. Deshalb kommt es - wie die Rechtsbeschwerdeerwiderung zu Recht geltend macht - nicht vorrangig auf die Methode an, mit der das Unternehmen seine Preise kalkuliert. Der Ansatz insbesondere einer Mehrheit von Preisbildungsfaktoren, von denen anzunehmen ist, dass auf ihrer Grundlage kalkulierte Preise bei wirksamem Wettbewerb auf dem Markt nicht durchgesetzt werden könnten, kann aber ein Indiz für einen missbräuchlich überhöhten Preis sein ([X.], Urteil vom 18. Oktober 2005 - [X.], [X.]Z 164, 336, 346 - Stromnetznutzungsentgelt I; [X.], [X.]/[X.] 914, 916 f.; KG, [X.]/[X.] OLG 2892, 2895 - [X.]uglucon; [X.], [X.] 1975, 1607 ff.; [X.]., [X.] 1979, 1101; [X.], Festschrift [X.], 2006, S. 593, 598 ff.; [X.], [X.], 6. Aufl., § 19 Rn. 93; [X.] in [X.] Kommentar zum Kartellrecht, Stand Okt. 2005, [X.] § 19 Rn. 950 f., 1228; [X.], 5. [X.] 1982/1983, BT-Drucks. 10/1791 Rn. 416; zurückhaltend Möschel in [X.]/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 4. Aufl., [X.] § 19 Rn. 158, 169; [X.] in [X.]/Bunte, Kartellrecht, 11. Aufl., [X.] § 19 Rn. 125 ff.; [X.], [X.] 2006, 578, 582 ff.). Dabei kann auf den [X.]rfahrungssatz zurückgegriffen werden, dass das marktbeherrschende Unternehmen, wäre es wirksamem Wettbewerb ausgesetzt, die Ausübung seines Preisgestaltungsspielraums maßgeblich davon abhängig machen würde, welchen [X.]rlös es erzielen müsste, um die bei Ausschöpfung von [X.] zu erwartenden Kosten zu decken und eine möglichst hohe Rendite zu erwirtschaften, andererseits aber zu verhindern, dass Kunden wegen zu hoher Preise zu einem Wettbewerber abwandern (vgl. [X.], Beschluss vom 28. Juni 2005 - [X.] 17/04, [X.]Z 163, 282, 291, 294 - [X.]werke Mainz). Bei der danach erforderlichen Überprüfung der Preisbildungsfaktoren kann die Kartellbehörde - und im Beschwerdeverfahren das Beschwerdegericht - auf die einschlägigen und gegebenenfalls weiterzuentwickelnden ökonomischen Theorien zurückgreifen (vgl. zu dem vergleichbaren Problem bei § 29 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 [X.] Begr. Reg[X.]., BT-Drucks. 16/5847, S. 11; Lücke in [X.]/Bunte, Kartellrecht, 11. Aufl., [X.] § 29 Rn. 44 ff.). Den im [X.]inzelfall auftretenden Unsicherheiten bei der Feststellung der relevanten Preisbildungsfaktoren ist durch entsprechend bemessene Sicherheitszuschläge Rechnung zu tragen.

b) Diese Art der [X.]rmittlung eines Preishöhenmissbrauchs führt entgegen der Auffassung der Betroffenen nicht zu einer - für die Wasserversorgung im Gesetz nicht vorgesehenen - Preisregulierung. Bei einer Preisregulierung wird die [X.]ntgeltforderung des Unternehmens der - vorherigen - Zustimmung einer Behörde nach gesetzlich im einzelnen festgelegten Voraussetzungen unterworfen. Hier geht es dagegen um die - nachträgliche - Kontrolle, ob der verlangte Preis nach dem Maßstab des hypothetischen Wettbewerbspreises missbräuchlich überhöht ist.

c) [X.]ntgegen der Ansicht des [X.] kann gegen die Zulässigkeit einer kostenbasierten [X.]rmittlung des Als-ob-Wettbewerbspreises nicht eingewendet werden, sie hätte eine unzulässige Verlagerung der Darlegungs- und Beweislast zur Folge. Im [X.] Verwaltungsverfahren gilt der [X.]. Danach muss die Kartellbehörde die Voraussetzungen des § 19 Abs. 4 Nr. 2 [X.] feststellen. Gelingt ihr das nicht, kann sie keine Abstellungsverfügung nach § 32 Abs. 1 [X.] erlassen. [X.]twaige Unsicherheiten bei der [X.]rmittlung eines Preishöhenmissbrauchs muss sie durch angemessene Sicherheitszuschläge ausgleichen.

Dem betroffenen Unternehmen obliegt hinsichtlich der Beschaffung der für die Überprüfung der Preisbildungsfaktoren erforderlichen Daten lediglich eine Mitwirkungspflicht, die durch die Auskunftspflicht nach § 59 Abs. 1 [X.] konkretisiert wird. Das Unternehmen hat der Kartellbehörde die Daten aus seinem [X.]inwirkungsbereich zu übermitteln, die sich die Behörde nicht auf anderem zumutbaren Wege beschaffen kann ([X.], Urteil vom 23. Juni 2009 - [X.], juris Rn. 14).

Danach hat die Betroffene im vorliegenden Fall ihre Preiskalkulation gegenüber der Kartellbehörde offen zu legen. Dass für sie die [X.]rfüllung dieser Obliegenheit mit einem unzumutbaren Aufwand verbunden wäre, ist weder festgestellt noch sonst ersichtlich. Auch im Rahmen einer Vergleichsmarktbetrachtung hätte die Betroffene im Zweifel eine Vielzahl von Zahlen mitteilen müssen, um die Berechtigung ihrer von den Preisen der Vergleichsunternehmen abweichenden Preise nachweisen zu können (siehe [X.], Beschluss vom 2. Februar 2010 - [X.] 66/08, [X.]Z 184, 168 Rn. 41 ff. - Wasserpreise [X.]). Im Übrigen wären die Kalkulationsdaten auch in einem [X.] nach § 315 BGB vorzutragen.

3. Die [X.]ntscheidung des [X.] stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend dar. Insbesondere ist der Beschwerde nicht unabhängig von der Berechtigung der [X.] jedenfalls in Bezug auf die Anordnung stattzugeben, den Kunden der Betroffenen die Differenz zwischen dem erhobenen Arbeitspreis und dem nur zulässigen Arbeitspreis zu erstatten. Sofern der von der Betroffenen verlangte Preis gegen § 19 [X.] verstößt, ist die [X.] auch berechtigt, die Rückzahlung des überhöhten Teils der Preise anzuordnen.

Gemäß § 32 Abs. 2 [X.] kann die Kartellbehörde dem Unternehmen alle Maßnahmen aufgeben, die für eine wirksame Abstellung der Zuwiderhandlung erforderlich und gegenüber dem festgestellten Verstoß verhältnismäßig sind. Nach einem obiter dictum des Senats gehört dazu auch die Anordnung, überhöhte Preise an die Kunden zurückzuerstatten ([X.], Beschluss vom 10. Dezember 2008 - [X.] 2/08, [X.]/[X.] 2538 Rn. 16 - [X.]werke Uelzen; ebenso [X.] in [X.]/Bunte, Kartellrecht, 11. Aufl., [X.] § 32 Rn. 32 ff. m.w.[X.]; [X.] in [X.] Wettbewerbsrecht, [X.] § 32 Rn. 45; differenzierend - nur bei Verschulden - Jaeger in [X.] Kommentar zum Kartellrecht, Stand Mai 2010, [X.] § 32 Rn. 35). Die in der Literatur dagegen vorgebrachte Kritik (Fuchs, [X.] 2009, 176, 179 ff.; [X.]/[X.], [X.] 2010, 513, 515 ff.; [X.] in [X.] Wettbewerbsrecht, [X.] § 29 Rn. 61; [X.], [X.], 6. Aufl., § 32 Rn. 14) gibt dem Senat keinen Anlass, von dieser Auffassung abzuweichen. Für eine Anwendung des § 32 Abs. 2 [X.] muss die Zuwiderhandlung noch fortbestehen. Bei der Auslegung dieses Merkmals darf kein zu enger Maßstab angelegt werden. Denn der Beseitigungsanspruch nach § 32 Abs. 2 [X.] entspricht der Notwendigkeit eines wirksamen Rechtsgüterschutzes (vgl. für den Beseitigungsanspruch eines betroffenen Unternehmens [X.], Urteil vom 2. Juli 1996 - [X.], [X.]Z 133, 177, 180 ff.). Von der nur bei Verschulden möglichen Vorteilsabschöpfung nach § 34 [X.] unterscheidet sich die Anordnung der Rückzahlung überhöht erhobener Preise dadurch, dass [X.]mpfänger dieser Rückzahlung - wie bei einem Anspruch nach § 812 BGB - die Kunden des marktbeherrschenden Unternehmens sind, während die nach § 34 Abs. 1 [X.] abgeschöpften Beträge - vorbehaltlich einer Rückzahlung nach § 34 Abs. 2 Satz 2 [X.] - in die Staatskasse fließen.

Im Übrigen hat die Bundesregierung in ihrem [X.]ntwurf eines 8. Gesetzes zur Änderung des [X.] (8. [X.]-ÄndG) vom 30. März 2012 die [X.]infügung eines § 32 Abs. 2a in das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen vorgeschlagen, nach dem die Verpflichtung zur Rückerstattung der aus dem kartellrechtswidrigen Verhalten erwirtschafteten Vorteile ausdrücklich vorgesehen wird. In der Begründung des Gesetzentwurfs hat die Bundesregierung ausgeführt, dass damit die Rechtslage "klargestellt" werde, da sie auch nach der [X.]ntscheidung des Senats vom 10. Dezember 2008 umstritten geblieben sei ([X.]. 176/12, S. 34; s. dazu [X.], [X.], 845, 850).

4. Danach ist der angefochtene Beschluss insgesamt aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen, damit das Beschwerdegericht die Möglichkeit erhält, den angefochtenen Bescheid im Hinblick auf die Voraussetzungen des § 19 Abs. 1, 4 Nr. 2 [X.] zu überprüfen.

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

Die sich aus der Überprüfung der Preisbildungsfaktoren - und unter Berücksichtigung von etwa erforderlichen Sicherheitszuschlägen - ergebende Preisgrenze ist um einen "[X.]rheblichkeitszuschlag" zu erhöhen.

Nach der Rechtsprechung des Senats ist ein [X.]rheblichkeitszuschlag geboten, weil der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung ein Unwerturteil enthält und es dafür eines erheblichen Abstands zwischen dem von der Betroffenen geforderten Preis und dem niedrigeren wettbewerbsanalogen Preis bedarf ([X.], Beschluss vom 16. Dezember 1976 - [X.] 2/76, [X.]Z 68, 23, 36 f. - Valium; Beschluss vom 28. Juni 2005 - [X.] 17/04, [X.]Z 163, 282, 295 f. - [X.]werke Mainz; Urteil vom 7. Dezember 2010 - [X.], [X.]/[X.] 3145 Rn. 32 - [X.]ntega II; ebenso [X.], [X.], 6. Aufl., § 19 Rn. 86; aA [X.] in [X.]/Bunte, Kartellrecht, 11. Aufl., [X.] § 19 Rn. 117; an[X.] für eine Bestimmung des Vergleichspreises nach § 103 [X.] aF [X.], Beschluss vom 21. Februar 1995 - [X.] 4/94, [X.]Z 129, 37, 49 f. - Weiterverteiler). [X.]ntgegen der Auffassung des [X.] gilt das nicht nur bei einem im Wege des [X.]s ermittelten wettbewerbsanalogen Preis, sondern auch - und erst recht -, wenn dieser Preis mittels einer Nachprüfung der Preisbildungsfaktoren bestimmt worden ist. Mit dieser Methode kann nämlich im [X.]inzelfall ein niedrigerer Preis ermittelt werden als mit der Vergleichsmarktbetrachtung, wenn auf allen in Frage kommenden Vergleichsmärkten - wie hier - [X.]en herrschen.

Die Bemessung des [X.]rheblichkeitszuschlags obliegt dem Tatrichter, der dabei die Umstände des konkreten Falles zu bewerten hat. Dabei kann, wenn der sachliche Markt von einer [X.] geprägt ist, unter Umständen ein Missbrauch schon bei einem geringeren Zuschlag anzunehmen sein als unter normalen Marktgegebenheiten ([X.], Beschluss vom 28. Juni 2005 - [X.] 17/04, [X.]Z 163, 282, 296 - [X.]werke Mainz; Urteil vom 7. Dezember 2010 - [X.], [X.]/[X.] 3145 Rn. 32 - [X.]ntega II).

IV. Die Anschlussrechtsbeschwerde der Betroffenen ist analog § 554 ZPO zulässig ([X.], Beschluss vom 15. April 1986 - [X.] 1/85, [X.]/[X.] [X.] 2271, 2274 - Taxigenossenschaft). Das Rechtsmittel ist jedoch infolge der Aufhebung des Beschlusses des [X.] gegenstandslos geworden (vgl. [X.], Urteil vom 21. Februar 1992 - [X.], NJW 1992, 1897, 1898). Über die Kosten des Rechtsstreits hat das Beschwerdegericht nach Abschluss des Verfahrens insgesamt neu zu entscheiden.

[X.]                                           [X.]                                           Raum

                             Strohn                                                 [X.]

Meta

KVR 51/11

15.05.2012

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend OLG Stuttgart, 25. August 2011, Az: 201 Kart 2/11, Beschluss

§ 19 Abs 4 Nr 2 GWB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.05.2012, Az. KVR 51/11 (REWIS RS 2012, 6413)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6413

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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