Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.05.2012, Az. KVR 51/11

Kartellsenat | REWIS RS 2012, 6456

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BUND[X.]SG[X.]RICHTSHOF

B[X.]SCHLUSS
KVR 51/11

Verkündet am:

15. Mai 2012

Bürk

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in der Kartellverwaltungssache
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

Wasserpreise [X.]
[X.] § 19 Abs. 4 Nr. 2
[X.]in Preishöhenmissbrauch im Sinne des §
19 Abs.
4 Nr.
2 [X.] kann nicht nur aufgrund einer Vergleichsmarktbetrachtung festgestellt, sondern auch dadurch ermittelt werden, dass die Preisbildungsfaktoren daraufhin überprüft werden, ob und inwieweit sie darauf schließen lassen, dass ein wirksamem Wettbewerb ausgesetztes Unternehmen zur bestmöglichen Ausnutzung seines [X.] abweichend kalkulieren würde.
[X.], Beschluss vom 15. Mai 2012 -
KVR 51/11 -
[X.]

-
2
-
Der Kartellsenat des [X.] hat auf die
mündliche Verhandlung vom 15. Mai 2012 durch den Präsidenten des [X.] Prof. Dr.
Tolksdorf, den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Meier-Beck
und die Richter Dr.
Raum, Dr.
Strohn und Dr.
Löffler
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der [X.] wird der [X.] des Kartellsenats des [X.] vom 25.
August 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und [X.]ntscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das
Be-schwerdegericht zurückverwiesen.

Gründe:
[X.] Die [X.] (nachfolgend: Betroffene) beliefert in der [X.] [X.] Kunden mit Trinkwasser. Gesellschafter der Betroffenen sind zu 51
% die [X.]werke [X.] GmbH, deren Alleingesellschafterin die [X.] [X.] ist, und zu 49 % die [X.] Beteiligungsgesellschaft mbH. Die Betroffene ist der einzige Wasserversorger in [X.].
Die [X.] des [X.] hat mit [X.] vom 24.
Februar 2011 die Betroffene verpflichtet, bei der
Berechnung 1
2
-
3
-
der Wasserentgelte von [X.] im Sinne der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser ([X.]) für die [X.] vom 1.
Januar 2008 bis 31.
Dezember 2009 unter
Beibehaltung des aktuel-len Grundpreises einen Nettoarbeitspreis von nicht mehr als 1,82

e-ter anzulegen
und, soweit in
bereits erfolgten
[X.]ndabrechnungen
ein höherer Arbeitspreis angelegt worden ist, den [X.] die Differenz bis zum 31.
Mai 2011 zu erstatten.
Zur Begründung hat die [X.] ausgeführt:
Die Betroffene verlange nach ihren allgemeinen Bedingungen seit dem 1.
Januar 2008 für den Bezug von Trinkwasser einen jährlichen Grundpreis von netto 45,96

i-nen verbrauchsabhängigen Preis von netto 2,79

dere sie entge-gen §
19 Abs.
1 [X.] missbräuchlich überhöhte Preise. Dies ergebe sich aus einer
Kostenprüfung anhand der
Abweichungen der tatsächlich verlangten [X.]nt-gelte von denjenigen, die sich bei Anwendung eines nachvollziehbaren und an-gemessenen [X.] ergäben. [X.] könnten den gesetzgeberischen Wertungen in der Stromnetzentgeltver-ordnung und der Gasnetzentgeltverordnung entnommen werden. §
32 Abs.
1 und 2 [X.] ermächtige zu der getroffenen Verfügung einschließlich der Anord-nung, die missbräuchlich erwirtschafteten Vorteile zurückzuerstatten.
Das [X.] hat auf die Beschwerde der Betroffenen die [X.] aufgehoben ([X.], [X.]/[X.]
D[X.]-R 3389 ff.). Dagegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Landes-kartellbehörde. Mit ihrer Anschlussrechtsbeschwerde wendet sich die [X.] gegen die Kostenentscheidung des [X.],
nach der eine Kos-tenerstattung nicht stattfindet.
3
4
-
4
-
I[X.] Das Beschwerdegericht hat seine [X.]ntscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Die [X.] habe ihre Verfügung allein auf §§
19, 32 Abs.
1 und 2 [X.] gestützt, was möglich sei. Zu einem ebenfalls denkbaren Vorgehen nach § 22 Abs. 5, § 103 Abs.
5, 7 [X.] idF der [X.] ([X.]) i.V. mit §
131 Abs. 6 [X.] enthalte die angefochtene Verfügung keine tragenden [X.]rwägungen.
[X.]s
sei nicht von vorneherein zu beanstanden, dass die [X.] die Preise der marktbeherrschenden Betroffenen einer Missbrauchskon-trolle nach der Generalklausel des §
19 Abs.
1 [X.] unterzogen habe. Denn
§
19 Abs.
4 [X.] enthalte lediglich beispielhafte Bestimmungen. Der Maßstab zur Feststellung eines Preismissbrauchs, insbesondere im Sinne von §
19 Abs.
4 Nr.
2 [X.], sei nicht auf das Vergleichsmarktkonzept beschränkt. [X.]s könne unter besonderen Umständen auch auf andere Methoden wie die [X.] oder das Konzept der [X.] zurückgegriffen werden.
Im Streitfall sei die von der [X.] gewählte Kontrollme-thode aber nicht nur wegen des unterbliebenen [X.]rheblichkeitszuschlags zu be-anstanden, sondern vor allem deswegen, weil sie grundlegenden rechtsdogma-tischen Bedenken unterliege. Sie verlange von der Betroffenen eine vertiefte Aufdeckung der Kalkulationsgrundlagen, die mit der Darlegungs-
und Beweis-last im Rahmen des §
19 [X.] unvereinbar sei. Liege -
wie hier -
eine vollstän-dige Übersicht über die Tarife der privaten Wasserversorger vor, so müsse die Missbrauchsbewertung der
Vergleichsmarktbetrachtung folgen. Das Gesetz gehe in §
19 Abs.
1 i.V.
mit Abs.
4 Nr.
2 [X.] vorrangig vom Vergleichsmarkt-konzept aus. Die [X.] habe sich mit ihrer Kalkulation an die Stelle der Betroffenen gesetzt und eine unzulässige kalkulatorische Gegenkon-5
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-
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-
trolle durchgeführt. [X.]iner analogen Anwendung der Bewirtschaftungsvorgaben der Strom-
und der Gasnetzentgeltverordnung stehe der gesetzgeberische [X.] entgegen.
II[X.] Die Rechtsbeschwerde
der
[X.]
hat [X.]rfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
1.
Ohne Rechtsfehler hat
das Beschwerdegericht allerdings angenom-men, im Rahmen der Missbrauchsaufsicht über ein Wasserversorgungsunter-nehmen könne die Kartellbehörde ihre Verfügung auf
§§
19, 32 [X.] stützen. Diese Vorschriften sind neben den
gemäß § 131 Abs. 6 [X.] fortgeltenden §
22 Abs.
5, §
103 Abs.
5,
7
[X.] anwendbar
([X.], Beschluss vom 2.
Februar
2010 -
KVR 66/08, [X.]Z
184, 168 Rn.
26 -
Wasserpreise [X.]).

Zutreffend ist auch die Annahme des [X.], die Betroffene sei auf dem Markt der Versorgung von [X.]ndkunden mit Trinkwasser im [X.]ge-biet von [X.] marktbeherrschend i.S. des § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.]. Sie hat dort aufgrund des von ihrer Rechtsvorgängerin geschlossenen Konzessi-onsvertrages ein rechtliches und aufgrund ihrer Verfügungsberechtigung über das Leitungsnetz ein natürliches Monopol.
2.
Rechtsfehlerhaft ist das Beschwerdegericht aber hinsichtlich der [X.] zur [X.]rmittlung eines Marktmachtmissbrauchs davon ausgegangen, dass die Vergleichsmarktbetrachtung gegenüber der Kostenkontrolle rechtlich vor-rangig sei, und hat deshalb den von der [X.] gewählten An-satz rechtlich unzutreffend für ausgeschlossen gehalten.
9
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-
6
-
a) Nach §
19 Abs.
4 Nr.
2 Halbsatz 1 [X.], der
lediglich eine Ausprä-gung der Generalklausel des § 19 Abs. 1 [X.] ist,
liegt ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung insbesondere dann vor, wenn ein marktbeherr-schendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen [X.]ntgelte fordert, die von denjenigen [X.], die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit er-geben würden. Dabei sind nach
§
19 Abs.
4 Nr.
2 Halbsatz
2 [X.] insbesonde-re
die Verhaltensweisen von Unternehmen auf vergleichbaren Märkten mit wirksamem Wettbewerb zu berücksichtigen. [X.]ine solche
Vergleichsmarktbe-trachtung, von der auch die für die kartellrechtliche Überprüfung von Wasser-preisen fortgeltende Vorschrift des § 103 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 [X.] 1990 aus-geht, ist aber
nicht die einzige Art, wie die Kartellbehörde ermitteln kann, ob der hypothetische Wettbewerbspreis überschritten ist. Das ergibt sich
schon aus dem Wortlaut des §
19 Abs.
4 Nr.
2 Halbsatz
2 [X.] ("insbesondere")
und ent-spricht auch dem [X.]en des Gesetzgebers.
Der Gesetzgeber hat mit dem Ver-gleichsmarktprinzip eine
zwar beson[X.] wichtige (Beschlussempfehlung und Bericht des [X.],
BT-Drucks. 8/3690, S.
25), aber nicht die einzige
Möglichkeit benannt, um eine Abweichung vom wettbewerbsanalo-gen Preis i.S.
des §
19 Abs.
4 Nr.
2 Halbsatz
1 [X.] festzustellen.
Den Behörden und Gerichten ist es danach
aus Rechtsgründen nicht verwehrt, bei der Feststellung eines Preismissbrauchs auch
andere, hierzu ebenfalls geeignete Umstände
heranzuziehen
(Götting in [X.]/[X.], Kartellrecht, 2.
Aufl., [X.] §
19 Rn.
80; [X.]/[X.], Handbuch des Kartellrechts, 2. Aufl., §
23 Rn.
51; [X.] in [X.]/Bunte, Kartellrecht, 11.
Aufl., [X.] §
19 Rn.
107; [X.], 5.
[X.] 1982/1983,
BT-Drucks. 10/1791 Rn. 415 ff.). [X.]in anderes Vorgehen kann vor allem dann angezeigt sein, wenn -
wie im Bereich der Trinkwasserversorgung -
keine vergleichbaren Märkte mit wirksamem Wettbe-14
-
7
-
werb
existieren. Zwar kann auch dann nach § 103 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 [X.] 1990 ein Vergleich mit anderen oder mit nur einem Monopolunternehmen durchgeführt werden, weil davon auszugehen ist, dass jedenfalls eine Über-schreitung dieses Vergleichspreises missbräuchlich ist ([X.], Beschluss vom 28. Juni 2005 -
KVR 17/04, [X.]Z 163, 282, 291 f.
-
[X.]werke [X.]).
Damit kann aber der Preis, der sich bei wirksamem Wettbewerb einstellen würde, nicht ermittelt werden
(vgl. [X.], Beschluss vom 2.
Februar 2010 -
KVR 66/08, [X.]Z
184, 168 Rn.
26 -
Wasserpreise [X.]). [X.] die Kartellbehörde nicht nur erreichen, dass der günstigste Monopolpreis nicht überschritten wird, son-dern den wettbewerbsanalogen Preis als Maßstab heranziehen, ist sie nicht nur berechtigt, sondern sogar darauf angewiesen, eine andere Kontrollmethode, gegebenenfalls
neben der [X.], anzuwenden.
Nach der Rechtsprechung des Senats kommt als zulässige Kontrollme-thode
auch eine -
hier von der [X.] vorgenommene -
Überprü-fung der Preisbildungsfaktoren in Betracht ([X.], Urteil vom 18. Oktober 2005

[X.], [X.]Z 164, 336, 346 -
Stromnetznutzungsentgelt
I; Beschluss vom 19.
Juni 2007 -
KRB 12/07, [X.]St
52, 1 Rn.
19 -
Papiergroßhandel; [X.], Urteil vom 14. Februar 1978 -
C-27/76, Slg. 1978, 207, 305 = NJW 1978, 2439 -
United Brands; zurückhaltend noch [X.], Beschluss vom 16. [X.] 1976 -
KVR 2/76, [X.]Z 68, 23, 33 f. -
Valium; Beschluss vom 12. [X.] 1980 -
KVR 3/79, [X.]/[X.]
1678, 1684 -
Valium II, insoweit in [X.]Z 76, 142 nicht abgedruckt). Zwar kann sich nicht die Art der Preisfindung
als solche, sondern nur deren [X.]rgebnis als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stel-lung i.S. des § 19 [X.] darstellen. Deshalb kommt es -
wie die Rechtsbe-schwerdeerwiderung zu Recht geltend macht -
nicht vorrangig auf die Methode an, mit der das Unternehmen seine Preise kalkuliert. Der Ansatz insbesondere einer Mehrheit von Preisbildungsfaktoren, von denen anzunehmen ist, dass
auf ihrer Grundlage kalkulierte Preise bei wirksamem Wettbewerb auf dem Markt 15
-
8
-
nicht durchgesetzt werden könnten, kann aber ein Indiz für einen
missbräuch-lich überhöhten Preis
sein ([X.], Urteil vom 18. Oktober 2005 -
[X.], [X.]Z 164, 336, 346 -
Stromnetznutzungsentgelt
I; [X.], [X.]/[X.] 914, 916 f.; KG, [X.]/[X.] 2892, 2895 -
[X.]uglucon; [X.], [X.] 1975, 1607 ff.; [X.]., [X.] 1979, 1101; [X.], Festschrift [X.], 2006, S.
593, 598
ff.; [X.], [X.], 6. Aufl., § 19 Rn. 93; [X.] in [X.] Kommentar zum Kartellrecht, Stand Okt. 2005, [X.] §
19 Rn.
950 f., 1228; [X.], 5. [X.] 1982/1983, BT-Drucks. 10/1791
Rn. 416; [X.] in [X.]/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 4. Aufl., [X.] §
19 Rn. 158, 169; [X.] in [X.]/Bunte, Kartellrecht, 11.
Aufl., [X.] §
19 Rn.
125 ff.; [X.], [X.] 2006, 578, 582 ff.). Dabei kann auf den [X.]rfahrungssatz zurückgegriffen werden,
dass das marktbeherrschende Unternehmen, wäre es wirksamem Wettbewerb ausgesetzt, die Ausübung seines [X.] maßgeblich davon abhängig machen würde, welchen [X.]rlös es erzie-len müsste, um die bei Ausschöpfung von [X.] zu erwar-tenden Kosten zu decken
und eine möglichst hohe Rendite zu erwirtschaften, andererseits aber
zu verhindern, dass Kunden wegen zu hoher Preise zu einem Wettbewerber abwandern (vgl. [X.], Beschluss vom 28.
Juni 2005 -
KVR 17/04, [X.]Z
163, 282, 291, 294 -
[X.]werke [X.]). Bei der danach [X.] Überprüfung der Preisbildungsfaktoren kann die Kartellbehörde -
und im Beschwerdeverfahren das Beschwerdegericht -
auf die einschlägigen und ge-gebenenfalls weiterzuentwickelnden ökonomischen
Theorien
zurückgreifen (vgl. zu dem vergleichbaren Problem bei § 29 Satz 1 Nr. 2, Satz 2
[X.] Begr.
[X.], BT-Drucks. 16/5847, S. 11; Lücke in [X.]/Bunte, Kartellrecht, 11.
Aufl., [X.] § 29 Rn. 44 ff.). Den im [X.]inzelfall auftretenden Unsicherheiten bei der Feststellung der relevanten Preisbildungsfaktoren
ist durch entspre-chend bemessene Sicherheitszuschläge Rechnung zu tragen.

-
9
-
b) Diese Art der [X.]rmittlung eines Preishöhenmissbrauchs führt entgegen der Auffassung der Betroffenen nicht zu einer -
für die Wasserversorgung im Gesetz nicht vorgesehenen -
Preisregulierung. Bei einer
Preisregulierung wird die
[X.]ntgeltforderung des Unternehmens der

vorherigen

Zustimmung einer Behörde nach gesetzlich
im einzelnen
festgelegten Voraussetzungen unterwor-fen.
Hier geht es dagegen um die -
nachträgliche
-
Kontrolle, ob der verlangte Preis nach dem Maßstab des hypothetischen Wettbewerbspreises missbräuch-lich überhöht ist.
c) [X.]ntgegen der Ansicht des [X.] kann gegen die Zuläs-sigkeit einer kostenbasierten [X.]rmittlung des Als-ob-Wettbewerbspreises
nicht eingewendet werden, sie hätte
eine unzulässige Verlagerung der Darlegungs-
und Beweislast zur Folge. Im
kartellbehördlichen Verwaltungsverfahren gilt der [X.]. Danach muss die Kartellbehörde die Voraussetzun-gen des § 19 Abs. 4 Nr. 2 [X.] feststellen. Gelingt ihr das nicht, kann sie keine Abstellungsverfügung nach § 32 Abs. 1 [X.] erlassen. [X.]twaige Unsicherheiten bei der [X.]rmittlung eines Preishöhenmissbrauchs muss sie durch angemessene Sicherheitszuschläge ausgleichen.
Dem
betroffenen Unternehmen obliegt hinsichtlich der Beschaffung der für die Überprüfung der Preisbildungsfaktoren erforderlichen Daten
lediglich ei-ne Mitwirkungspflicht, die durch die Auskunftspflicht nach § 59 Abs. 1 [X.] konkretisiert wird. Das Unternehmen
hat
der Kartellbehörde die Daten aus sei-nem [X.]inwirkungsbereich zu übermitteln, die sich die Behörde nicht auf anderem zumutbaren Wege beschaffen kann ([X.], Urteil vom 23. Juni 2009 -
KZR 22/08, juris Rn. 14).
Danach hat die Betroffene im vorliegenden Fall ihre Preiskalkulation ge-genüber der Kartellbehörde offen zu legen. Dass für sie die [X.]rfüllung dieser Ob-16
17
18
19
-
10
-
liegenheit mit einem unzumutbaren Aufwand verbunden wäre, ist weder [X.] noch sonst ersichtlich. Auch im Rahmen einer Vergleichsmarktbetrachtung hätte die Betroffene
im Zweifel eine Vielzahl von Zahlen mitteilen
müssen, um die Berechtigung ihrer von den Preisen der Vergleichsunternehmen abwei-chenden
Preise nachweisen zu können (siehe
[X.], Beschluss vom 2.
Februar
2010 -
KVR 66/08, [X.]Z
184, 168 Rn.
41 ff.
-
Wasserpreise [X.]). Im Übri-gen wären
die Kalkulationsdaten auch in einem [X.] nach § 315 BGB vorzutragen.
3. Die [X.]ntscheidung des [X.] stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend dar. Insbesondere ist der Beschwerde nicht unabhängig von der Berechtigung der [X.] jedenfalls in Bezug auf die Anordnung stattzugeben, den Kunden der Betroffenen die Differenz zwi-schen dem erhobenen Arbeitspreis und dem nur zulässigen Arbeitspreis zu er-statten. Sofern der von der Betroffenen verlangte Preis gegen § 19 [X.] ver-stößt, ist die [X.] auch berechtigt, die Rückzahlung des
über-höhten
Teils der
Preise anzuordnen.
Gemäß
§
32 Abs.
2 [X.] kann die Kartellbehörde dem Unternehmen al-le Maßnahmen aufgeben, die für eine wirksame Abstellung der Zuwiderhand-lung erforderlich und gegenüber dem festgestellten Verstoß verhältnismäßig sind.
Nach einem obiter dictum des Senats gehört dazu auch die
Anordnung, überhöhte Preise an die Kunden zurückzuerstatten ([X.], Beschluss vom 10.
Dezember 2008 -
KVR 2/08, [X.]/[X.] 2538
Rn.
16
-
[X.]werke Uel-zen; ebenso Bornkamm in [X.]/Bunte, Kartellrecht, 11.
Aufl., [X.] §
32 Rn.
32 ff. m.w.[X.]; [X.] in [X.], [X.] §
32 Rn.
45; differenzierend -
nur bei Verschulden -
Jaeger in [X.] Kommentar zum Kartellrecht, Stand Mai 2010, [X.] §
32 Rn.
35). Die in der Literatur dagegen vorgebrachte Kritik (Fuchs, [X.] 2009, 176, 179 ff.; [X.]/[X.], [X.] 20
21
-
11
-
2010, 513, 515 ff.; [X.] in [X.], [X.] §
29 Rn.
61; [X.], [X.], 6. Aufl., §
32 Rn.
14) gibt dem Senat keinen Anlass, von
dieser Auffassung abzuweichen. Für eine Anwendung des § 32 Abs. 2 [X.] muss die Zuwiderhandlung noch
fortbestehen. Bei der Auslegung dieses Merkmals darf kein zu enger Maßstab angelegt werden. Denn
der Beseiti-gungsanspruch nach
§ 32 Abs. 2 [X.] entspricht der Notwendigkeit eines
wirk-samen Rechtsgüterschutzes
(vgl. für den Beseitigungsanspruch eines [X.] Unternehmens [X.], Urteil vom 2. Juli 1996 -
KZR 31/95, [X.]Z 133, 177, 180 ff.).
Von der nur bei Verschulden möglichen Vorteilsabschöpfung nach § 34 [X.] unterscheidet sich die Anordnung der Rückzahlung überhöht erhobener Preise dadurch, dass [X.]mpfänger
dieser Rückzahlung -
wie bei einem Anspruch nach § 812 BGB -
die Kunden des marktbeherrschenden Unternehmens sind, während die nach § 34 Abs. 1 [X.] abgeschöpften Beträge -
vorbehaltlich [X.] Rückzahlung nach § 34 Abs. 2 Satz 2 [X.] -
in die Staatskasse fließen.

Im Übrigen hat die Bundesregierung in ihrem [X.]ntwurf eines 8. Gesetzes zur Änderung des [X.] (8. [X.]-ÄndG) vom 30. März 2012 die [X.]infügung eines § 32 Abs. 2a in das Gesetz ge-gen Wettbewerbsbeschränkungen vorgeschlagen, nach dem die Verpflichtung zur Rückerstattung der aus dem kartellrechtswidrigen Verhalten erwirtschafte-ten Vorteile ausdrücklich vorgesehen wird. In der Begründung des Gesetzent-wurfs hat die Bundesregierung ausgeführt, dass damit die Rechtslage "klarge-stellt"
werde, da sie auch nach der [X.]ntscheidung des Senats vom [X.] 2008 umstritten geblieben sei ([X.]. 176/12, S.
34; s. dazu [X.], [X.], 845, 850).
22
-
12
-
4.
Danach ist der angefochtene Beschluss insgesamt aufzuheben und die Sache
zurückzuverweisen, damit das Beschwerdegericht die Möglichkeit erhält, den
angefochtenen Bescheid im Hinblick auf die Voraussetzungen des §
19 Abs. 1, 4 Nr. 2 [X.] zu überprüfen.
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
Die sich aus der Überprüfung der Preisbildungsfaktoren
-
und unter Be-rücksichtigung von etwa erforderlichen Sicherheitszuschlägen -
ergebende Preisgrenze ist um einen
"[X.]rheblichkeitszuschlag"
zu erhöhen.
Nach der Rechtsprechung des Senats ist ein
[X.]rheblichkeitszuschlag ge-boten, weil der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung ein Unwertur-teil enthält und es dafür eines erheblichen Abstands zwischen dem von der Be-troffenen geforderten Preis und dem niedrigeren wettbewerbsanalogen Preis bedarf ([X.], Beschluss
vom 16. Dezember 1976 -
KVR 2/76, [X.]Z 68, 23, 36
f. -
Valium; Beschluss vom 28. Juni 2005 -
KVR 17/04, [X.]Z
163, 282, 295
f.

[X.]werke [X.]; Urteil vom 7.
Dezember 2010
-
KZR 5/10, [X.]/[X.] 3145 Rn.
32 -
[X.]ntega II; ebenso [X.], [X.], 6. Aufl., §
19 Rn. 86; aA [X.] in [X.]/Bunte, Kartellrecht, 11. Aufl., [X.] § 19 Rn. 117; an[X.] für eine Bestimmung des Vergleichspreises nach § 103 [X.] aF [X.], [X.] vom 21. Februar 1995 -
KVR 4/94, [X.]Z 129, 37, 49 f. -
Weitervertei-ler).
[X.]ntgegen der Auffassung des [X.] gilt das nicht nur bei ei-nem im Wege des Vergleichsmarktprinzips ermittelten wettbewerbsanalogen Preis, sondern auch -
und erst recht -, wenn dieser Preis mittels einer Nachprü-fung der Preisbildungsfaktoren bestimmt worden ist. Mit dieser Methode kann nämlich im [X.]inzelfall ein niedrigerer Preis ermittelt werden als mit der [X.], wenn auf allen in Frage kommenden Vergleichsmärk-ten

wie hier -
[X.]en herrschen.
23
24
25
26
-
13
-
Die Bemessung des [X.]rheblichkeitszuschlags obliegt dem Tatrichter, der dabei die Umstände des konkreten Falles zu bewerten hat. Dabei kann, wenn der sachliche Markt von einer [X.] geprägt ist, unter Umständen ein Missbrauch schon bei einem geringeren Zuschlag anzunehmen sein als un-ter normalen Marktgegebenheiten ([X.], Beschluss vom 28. Juni 2005 -
KVR 17/04, [X.]Z
163, 282, 296 -
[X.]werke [X.]; Urteil vom 7.
Dezember 2010

KZR 5/10, [X.]/[X.] 3145 Rn.
32 -
[X.]ntega II).
IV. Die Anschlussrechtsbeschwerde
der Betroffenen ist analog § 554 ZPO
zulässig ([X.], Beschluss vom 15.
April 1986 -
KVR 1/85, [X.]/[X.]
[X.] 2271, 2274
Taxigenossenschaft). Das Rechtsmittel ist jedoch infolge der Auf-hebung des Beschlusses des [X.] gegenstandslos geworden
(vgl. [X.], Urteil vom 21.
Februar 1992 -
V [X.], NJW
1992, 1897, 1898).

27
28
-
14
-
Über die Kosten des Rechtsstreits hat das Beschwerdegericht nach Abschluss des Verfahrens insgesamt neu zu entscheiden.
Tolksdorf
Meier-Beck
Raum

Strohn
Löffler
Vorinstanz:
[X.], [X.]ntscheidung vom 25.08.2011 -
201 Kart 2/11 -

Meta

KVR 51/11

15.05.2012

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.05.2012, Az. KVR 51/11 (REWIS RS 2012, 6456)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6456

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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