Bundesfinanzhof, Beschluss vom 25.06.2019, Az. II B 84/18

2. Senat | REWIS RS 2019, 6133

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Gegenstand

Schweizer Steuerberatungsgesellschaft


Leitsatz

1. NV: Ist das Urteil des FG kumulativ auf mehrere Begründungen gestützt, findet die Zulassung der Revision nur statt, wenn für jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund ordnungsgemäß dargelegt ist und vorliegt .

2. NV: Es ist nicht für sich genommen völkerrechtswidrig, wenn ein Staat Regelungen für Sachverhalte trifft, die in seinem Hoheitsgebiet Rechtswirkungen auslösen .

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 29.06.2018 - 3 K 1114/17 wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine in der [X.] ansässige Gesellschaft, die als Steuerberatungsgesellschaft tätig wird. Eine Eintragung nach § 3a Abs. 3 Satz 1 des [X.]) besteht nicht. Sie wurde ab 2016 für ein im Inland ansässiges Unternehmen steuerberatend gegenüber dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --[X.]--) tätig. Dazu gehörten die Steuerberatung, Rechtsbehelfe, Steuererklärungen und die Erstellung von Jahresabschlüssen. Die Leistungen führte sie in der [X.] aus. Das [X.] wies die Klägerin unter Berufung auf § 80 Abs. 5 der Abgabenordnung i.d.F. des Achten Gesetzes zur Änderung des [X.] vom 8. April 2008 ([X.], 666) --AO a.F.-- zurück.

2

Einspruch und Klage, mit der sich die Klägerin auf fehlenden Grenzübertritt sowie das Gesetz zu dem Abkommen zwischen der [X.] und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der [X.]erischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom 2. September 2001 ([X.] 2001, 810) --[X.]-- berief, blieben erfolglos. Das Finanzgericht ([X.]) geht davon aus, dass die Klägerin nach nationalem Recht nicht zur Hilfeleistung in Steuersachen befugt sei, sich als Drittstaatsgesellschaft nicht auf die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 des [X.] Arbeitsweise der [X.] ([X.]) i.d.[X.] zur Änderung des [X.] [X.] und des [X.] [X.] (Amtsblatt der [X.] 2008, Nr. [X.], 47) berufen könne und das [X.] auf Dienstleistungen ohne Grenzübertritt nicht anwendbar sei. Zudem habe sie keine die grenzüberschreitende steuerberatende Dienstleistung umfassende Berufshaftpflichtversicherung nachgewiesen. Das [X.]-Urteil wurde der Klägerin am 9. August 2018 zugestellt.

3

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin zunächst sinngemäß die grundsätzliche Bedeutung der Frage geltend, ob das [X.] auch auf Dienstleistungen ohne Grenzübertritt anwendbar sei, und beruft sich hierfür auf das Schrifttum. Die Behandlung der Korrespondenzdienstleistungen habe für alle "remote"-Dienstleistungen Bedeutung (Auseinanderfallen von Ort des Leistenden und des Servers). Ferner beanstandet sie sinngemäß einen Widerspruch zu dem Urteil des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) "[X.]" vom 17. Dezember 2015 - [X.]/14 ([X.]:[X.]:[X.]), der auch Korrespondenzleistungen als von Art. 56 [X.] erfasst sehe. Schließlich habe sie beantragt, die Fragen dem [X.] zur Entscheidung vorzulegen.

4

In einem am 20. Mai 2019 eingegangenen Schriftsatz hat sie nochmals ihre [X.] betreffend Art. 56 [X.] sowie das [X.] aufgegriffen und weiter eingewandt, dass sie keine Berufshaftpflichtversicherung vorlegen müsse, da § 3a StBerG nicht anwendbar sei. Ein Staat könne nicht rechtliche Sachverhalte in einem anderen Staat regeln und ggf. reglementieren, die sich ausschließlich in dem anderen Staat abspielten (hier Unternehmenssitz, kein physischer Grenzübertritt, bloße Korrespondenzdienstleistungen), ohne die Souveränität des anderen Staates zu verletzen. Dies sei ohne vertragliche Regelung völkerrechtswidrig.

5

Sie habe im Übrigen zusätzlich eine Kommissionsbeschwerde bei der [X.] wegen Verletzung der Grundfreiheiten eingereicht mit dem Antrag, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die [X.] ([X.]) zu prüfen.

Entscheidungsgründe

II.

6

Die Beschwerde ist unzulässig. Die Klägerin hat entgegen § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) keine Zulassungsgründe i.S. des § 115 Abs. 2 [X.]O innerhalb der [X.] des § 116 Abs. 3 Satz 1 [X.]O dargelegt.

7

1. Ist das Urteil des [X.] kumulativ auf mehrere Begründungen gestützt, von denen jede für sich das Entscheidungsergebnis trägt, muss für jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 [X.]O schlüssig dargelegt werden (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. Beschluss des [X.] --[X.]-- vom 17. Januar 2017 - III B 20/16, [X.]NV 2017, 740, Rz 20). Dies hat innerhalb der [X.] nach § 116 Abs. 3 Satz 1 [X.]O zu geschehen. Denn die Gründe für die Zulassung der Revision müssen innerhalb der Begründungsfrist in der gebotenen Form dargelegt werden. Nach Ablauf der Frist ist nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] nur noch eine Erläuterung und Vervollständigung der fristgerecht geltend gemachten Zulassungsgründe möglich (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. [X.]-Beschluss vom 13. Oktober 2015 - I B 68/14, [X.]NV 2016, 558, Rz 20).

8

2. Es fehlt an einer fristgerechten schlüssigen Darlegung von [X.] für jede selbständige Begründung.

9

a) Das [X.] hat seine Entscheidung --neben seinen verschiedenen Erwägungen zum materiellen Recht einschließlich der Anwendbarkeit des [X.] und des [X.]-- unter Berufung auf die Urteile des Senats vom 21. Juli 2011 - II R 6/10 ([X.]E 234, 474, [X.], 906) und vom 18. Januar 2017 - II R 6/14 ([X.]NV 2017, 621) auf das Erfordernis und den fehlenden Nachweis einer die grenzüberschreitende steuerberatende Dienstleistung umfassenden Berufshaftpflichtversicherung gestützt. Zu dieser Begründung, die für sich allein das [X.]-Urteil trüge, hat die Klägerin bis zum Ablauf der verlängerten [X.] am 9. November 2018 nichts vorgetragen. Ihre später vorgebrachten Einwendungen sind eine erstmalige Begründung und gehen über "Ergänzung" oder "Vervollständigung" hinaus.

b) Im Übrigen könnten Einwände gegen die sachliche Richtigkeit der Rechtsprechung des [X.] --hier zur [X.] für sich genommen regelmäßig die Zulassung der Revision auch nicht rechtfertigen, so dass der Beschwerde auch dann der Erfolg versagt bliebe, wenn diese innerhalb der Frist erhoben wären.

Der Senat merkt lediglich ergänzend an, dass der Vortrag der Klägerin auch unschlüssig ist. Zum einen bezog sich das [X.]-Urteil in [X.]NV 2017, 621 ebenfalls auf eine Konstellation, in der die Tatbestände des StBerG keine Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen vermittelten und diese Befugnis unmittelbar aus der Dienstleistungsfreiheit abgeleitet werden sollte. Zum anderen spielt sich der Sachverhalt, dessen Reglementierung durch [X.] die Klägerin beanstandet, tatsächlich nicht ausschließlich in einem anderen Staat, nämlich der [X.], ab. Vielmehr überschreiten zwar möglicherweise nicht die Klägerin bzw. die für sie handelnden Personen, wohl aber die von ihr erbrachten Beratungsleistungen in Gestalt von steuerlich relevanten Dokumenten die Grenze und zeigen Wirkungen im Rahmen von Besteuerungsverfahren und damit hoheitlicher Tätigkeit im Inland. Diese zu regeln gehört zu den originären Befugnissen von [X.].

3. Auf die Frage, ob im Hinblick auf die Reichweite von [X.] und [X.] die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O oder der Divergenz nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O vorliegen, ferner darauf, ob das [X.] im Hinblick auf diese Rechtsfragen den [X.] als [X.] hätte anrufen müssen, kommt es demnach nicht mehr an.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 [X.]O.

5. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]O ab.

Meta

II B 84/18

25.06.2019

Bundesfinanzhof 2. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 29. Juni 2018, Az: 3 K 1114/17, Urteil

§ 116 Abs 3 FGO, § 3a StBerG, § 80 Abs 7 AO, § 80 Abs 5 AO vom 01.10.2002

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 25.06.2019, Az. II B 84/18 (REWIS RS 2019, 6133)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 6133

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