Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.05.2020, Az. 1 StR 632/19

1. Strafsenat | REWIS RS 2020, 1830

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Gegenstand

Strafzumessung: Doppelverwertungsverbot bei strafschärfender Berücksichtigung der Höhe vorenthaltener Beiträge zur Sozialversicherung


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 12. Juni 2019 aufgehoben im Ausspruch über

a) die Einzelstrafen in den Fällen 1 bis 48 der Urteilsgründe und

b) die Gesamtfreiheitsstrafe.

2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 48 Fällen und Steuerhinterziehung in 35 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Zudem hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 1.079.522 [X.] angeordnet. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Nach den Feststellungen des [X.]s meldete der Angeklagte im Zeitraum von April 2008 bis September 2014 in 48 Fällen für in seiner Firma [X.]     beschäftigte Schwarzarbeiter Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung in einer Gesamthöhe von 908.311,46 [X.] nicht an und führte diese Beiträge auch nicht ab. Zudem meldete er bei den Finanzbehörden im Zeitraum von August 2010 bis September 2014 in 35 Fällen die Lohnsteuer für von ihm „schwarz“ beschäftigte Arbeitnehmer nicht an und verkürzte dadurch Lohnsteuer im Umfang von 162.285,70 [X.] und Solidaritätszuschlag in Höhe von 8.925,64 [X.].

3

2. Die Revision des Angeklagten hat hinsichtlich des Ausspruchs über die Einzelstrafen in den Fällen 1 bis 48 der Urteilsgründe sowie bezüglich der Gesamtfreiheitsstrafe Erfolg und ist im Übrigen unbegründet.

4

a) Der Schuldspruch hält insgesamt rechtlicher Nachprüfung stand. Er beruht auf einer [X.] Beweiswürdigung. Auch die Strafzumessung in den Fällen der Steuerhinterziehung sowie der Ausspruch über die Einziehung von [X.] sind rechtsfehlerfrei.

5

b) Demgegenüber hat der Strafausspruch in den Fällen 1 bis 48 der Urteilsgründe wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt (§ 266a Abs. 1 und 2 StGB) keinen Bestand.

6

Zwar durfte das [X.] - ohne dass darin ein Verstoß gegen das [X.] nach § 46 Abs. 3 StGB läge - berücksichtigen, dass der Angeklagte aufgrund der Tathandlungen den Einzugsstellen nicht nur Arbeitnehmerbeiträge (§ 266a Abs. 1 StGB), sondern auch Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung (§ 266a Abs. 2 StGB) vorenthalten hat. Denn dieser Umstand erhöhte den Erfolgsunwert und damit den Schuldumfang der Taten ([X.], Beschluss vom 18. Mai 2010 - 1 [X.], [X.], 408 Rn. 6), der maßgeblicher Zumessungsgrund ist (vgl. [X.] in [X.], 4. Aufl., § 266a Rn. 32). Indem es aber den sich aus der Höhe der den Einzugsstellen vorenthaltenen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung ergebenden Schuldumfang im Rahmen der Strafzumessung daneben auch noch gesondert zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt hat, hat es rechtsfehlerhaft denselben [X.] doppelt strafschärfend herangezogen. Der [X.] kann nicht ausschließen, dass das [X.] ohne diesen Rechtsfehler in den Fällen 1 bis 48 der Urteilsgründe niedrigere Einzelstrafen verhängt hätte; diese sind daher aufzuheben.

7

c) Im Hinblick auf die Aufhebung eines Großteils der Einzelstrafen einschließlich der Einsatzstrafe kann auch die Gesamtfreiheitsstrafe keinen Bestand haben. Demgegenüber sind die für die Fälle der Steuerhinterziehung verhängten Einzelstrafen von dem Rechtsfehler nicht betroffen.

8

d) Einer Aufhebung von Feststellungen bei dem hier allein vorliegenden Wertungsfehler bedarf es nicht. Das neue Tatgericht kann zur Strafzumessung in den von der [X.] erfassten Teilen ergänzende Feststellungen treffen, die mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.

Raum     

        

Jäger     

        

Bellay

        

Hohoff     

        

Pernice     

        

Meta

1 StR 632/19

13.05.2020

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Leipzig, 12. Juni 2019, Az: 217 Js 16339/15 - 11 KLs

§ 266a Abs 1 StGB, § 266a Abs 2 StGB, § 46 Abs 3 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.05.2020, Az. 1 StR 632/19 (REWIS RS 2020, 1830)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1830

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Referenzen
Wird zitiert von

1 StR 272/20

Zitiert

1 StR 111/10

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x

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