Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.05.2005, Az. 1 StR 290/04

1. Strafsenat | REWIS RS 2005, 3382

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 290/04
vom 31. Mai 2005 in der Strafsache gegen

wegen Mordes
- 2 - Der 1. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 31. Mai 2005, an der teilgenommen haben: [X.] am [X.] [X.]

und [X.] am [X.] Dr. Wahl, [X.], [X.]in am [X.] Elf, [X.] am [X.] Dr. [X.],

Bundesanwalt

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt

als Verteidiger, Rechtsanwältin

als Vertreterin der Nebenklägerin,

Justizangestellte (in der Verhandlung), Justizangestellte (bei der Verkündung)

als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt: - 3 - - 4 - Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 5. März 2004 wird verworfen.

Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen.

Gründe:

[X.] Der Angeklagte spaltete am Vormittag des 22. Mai 2003 auf dem Spei-cher des von ihm mit seiner Lebensgefährtin [X.]und deren 1991 geborener Tochter bewohnten [X.]s mit einer Axt alte Schranktüren zu Kleinholz für ein Grillfest. [X.]war auch auf dem Speicher. [X.] für eine massive, etwa sexuell gefärbte Beleidigung des Angeklagten durch [X.]oder sonst einen ernsthaften Streit zwischen ihnen gibt es nicht, wenn es überhaupt eine Auseinandersetzung gegeben haben sollte, ging es dabei allenfalls um weniger bedeutsame Fragen wie z.B. "den Dachausbau" oder "allgemein ... Unehrlichkeiten". Damit ist z. B. gemeint, daß es ihr nicht gefiel, daß der Angeklagte ihr zwar seit langem ein Auto versprochen hatte, dieses Versprechen aber nicht einhielt. Selbst wenn es aber wegen derartiger Fragen auf dem Speicher zu einer Auseinandersetzung gekommen sein sollte, wollte ihm jedenfalls die ahnungslose [X.] M.

beim Holzspalten helfen - 5 - und hielt deshalb eine alte Tür mit beiden Händen umfaßt. Sie befand sich da-bei vor ihm in der Hocke und drehte ihm den Rücken zu. In dieser Lage schlug er sie mit mehreren Axtschlägen nieder, um sie zu töten. Da er "sichergehen wollte", daß [X.] M. , die kein Lebenszeichen mehr von sich gab, auf je-den Fall zu Tode käme, holte er aus der Küche im Erdgeschoß ein großes Messer, mit dem er ihr, weiter in Tötungsabsicht handelnd, eine Reihe [X.] zufügte, was zu ihrem sofortigen Tode führte. Unmittelbar nach der Tat ("sogleich") ging er daran, die "Tatspuren soweit wie möglich zu verwi-schen". So trug er etwa Kleider und den Beautycase (Schminkkoffer) der Getö-teten auf den Speicher, was wiederum die Grundlage dafür war, daß er die Tochter von [X.] M. , die kurz darauf aus der Schule nach [X.] kam, glauben machen konnte, ihre Mutter hätte völlig überraschend auf einen Lehr-gang reisen müssen. Es gelang ihm insgesamt, sowohl die Tochter als auch sonstige Verwandte von [X.] M. über Wochen hinzuhalten, bis schließlich nach mehr als einem Monat Vermißtenanzeige erstattet und die in einen Tep-pich einge- wickelte Leiche am 2. Juli 2003 auf dem Speicher gefunden wurde. Auf der Grundlage dieser Feststellungen wurde der Angeklagte wegen heimtückisch begangenen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt.

I[X.] Die auf die näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revision des Ange-klagten bleibt erfolglos. In der Hauptverhandlung vor dem Senat hat die Revision - im [X.], aber nicht in allen Einzelheiten entsprechend ihren vorbereitenden schriftlichen Aus-führungen - im wesentlichen geltend gemacht, die Unerklärlichkeit der Tat - 6 - spreche für Tatauslösung durch einen hochgradigen Affekt bzw. affektiven Durchbruch. Soweit die [X.] nach sachverständiger Beratung zu einer gegenteiligen Auffassung gelangt sei, seien die Ausführungen des Sachver-ständigen unzulänglich. Er hätte seinen Erwägungen eine Reihe von der Revi-sion näher ausgeführter Hypothesen zu Grunde legen müssen, z. B. die "einer narzißtischen Kränkung" oder die "eines Impulsdurchbruchs bei einer Verfüh-rungssituation im Sinne eines kurzschlüssigen [X.]". Im übri-gen habe aber die [X.] auch selbst einen hochgradigen Affekt zumin-dest zu [X.] nicht völlig ausschließen können. Insoweit habe sie ver-kannt, daß - unabhängig vom Zustand des Angeklagten beim weiteren [X.] - hier wegen der Besonderheiten des Falles ein auch nur bei Beginn der Tat vorliegender hochgradiger Affekt zu einer Strafrahmenmilderung ge-mäß §§ 21, 49 StGB habe führen müssen. Unabhängig davon führe aber die-ser Affekt jedenfalls dazu, daß die objektiv zweifelsfrei vorliegenden Voraus-setzungen von Heimtücke in subjektiver Hinsicht zu verneinen seien.
1. Zu den hier offensichtlich erfüllten objektiven Voraussetzungen des [X.] der Heimtücke muß das sog. Ausnutzungsbewußtsein hinzu- kommen, der Täter muß also die äußeren Umstände der Arg- und Wehrlosig-keit des Opfers wahrgenommen und sie bewußt zur Tatbegehung instrumenta-lisiert haben (st. Rspr., vgl. zusammenfassend [X.] in Münch-Komm § 211 Rdn. 140 m. zahlr. Nachw. in [X.]. 514 ff.). Auch bei Taten aus rascher Eingebung - Anhaltspunkte für eine andere Annahme hat die [X.] nicht festgestellt - bedarf in objektiv klaren Fällen all dies bei einem psychisch nor-mal disponierten Täter keiner näheren Darlegung (vgl. [X.] aaO Rdn. 142 [X.]. 521). Anders kann es jedoch gerade bei "[X.]" - 7 - insbesondere bei affektiven Durchbrüchen oder sonstigen heftigen Gemütsbewegungen sein. Dann kann je nach den Umständen eine nähere Darlegung geboten sein, warum der spontan agierende Täter trotz seiner Erregung die für die Heimtücke maßgebenden Aspekte in sein Bewußtsein aufgenommen hat (vgl. [X.] aaO [X.]. 522 ff.). 2. Die [X.] hat jedoch einen affektiven Durchbruch oder sonst eine in diesem Zusammenhang bedeutsame Gemütsbewegung des Angeklag-ten rechtsfehlerfrei verneint.
a) Die Urteilsgründe ergeben, daß nach Auffassung der [X.] all dies mit Sicherheit ausgeschlossen war. Sie begründet dies mit den Ausfüh-rungen des Sachverständigen Dr. [X.] sowie den im einzelnen genannten Feststellungen zum Tat- und Nachtatgeschehen und den Feststellungen zum Lebenslauf und der Persönlichkeit des Angeklagten.
b) Zu seinem Motiv hatte er im Ermittlungsverfahren trotz stundenlanger intensiver Befragungen speziell hierzu keine in die genannte Richtung [X.] Angaben gemacht, einen Streit vor der Tat habe es nicht gegeben ebenso-wenig habe ihn [X.] M. vor der Tat beleidigt. Er könne sein Verhalten nicht erklären. Mehrere Monate später erklärte er dann gegenüber dem Sach-verständigen, sie hätten "eine glückliche sexuelle Beziehung geführt", nie sei "thematisiert worden, daß der Sex zu wenig gewesen sei". Allerdings habe es auf dem Speicher Streit gegeben, z. B. über die Frage des Dachausbaus oder des [X.]. Nachdem er dann in der Anklageschrift gelesen hatte, daß für eine Einschränkung der Schuldfähigkeit jeder Anhalt fehle, wollte er nochmals mit dem Sachverständigen sprechen. Dies wurde ihm ermöglicht. Dabei be-hauptete er, [X.] M. habe ihn vor der Tat mit drastischen Worten wegen seiner Erektionsprobleme beleidigt. Die [X.] hat dies mit eingehenden, - 8 - [X.] und von der Revision auch nicht konkret in Frage gestellten Erwägungen als prozeßtaktisch bedingte Unwahrheit bewertet. Eine sexuell gefärbte Kränkung oder Beleidigung schließt die [X.] dementspre-chend "mit Sicherheit" aus.
c) Allerdings erwägt die [X.] an anderer Stelle des [X.]: "Selbst wenn man die Richtigkeit dieser nachgeschobenen Behaup-tung (bez. sexueller Beleidigung) indes hypothetisch unterstellen würde, hätte dies ... keine (für den Angeklagten günstige) Auswirkungen, da es jedenfalls beim zweiten [X.]" - gemeint sind damit die Messerstiche - "in jedem Fall an einem hochgradigen ... Affekt fehlt." Hieran knüpft die Annahme der Revision an, die [X.] selbst hätte einen hochgradigen Affekt zu Beginn der Tat selbst nicht ausgeschlossen und dessen Bedeutung für die subjektive Seite der Heimtücke verkannt.
d) Der Senat kann dem nicht folgen. Allerdings sollen sich die Urteils-gründe auf die Mitteilung beschränken, welche Tatsachen aus welchen Grün-den als erwiesen angesehen werden (vgl. § 267 Abs. 1 Satz 2 StPO). [X.], etwa dazu, wie es wäre, wenn etwas [X.] nicht [X.] wäre oder umgekehrt, sind eine unnötige Belastung der Urteilsgründe, beeinträchtigen ihre Klarheit und können so zu Mißdeutungen Anlaß geben. Im Einzelfall kann auf diese Weise der Bestand des Urteils in Frage gestellt wer-den, wenn durch solche Erwägungen Zweifel an der Eindeutigkeit der [X.] (in vergleichbarem Sinne [X.] in Löwe/[X.] StPO 25. Aufl. § 267 Rdn. 42 m. w. N.). So verhält es sich hier jedoch nicht, da die [X.] die genannten Erwägungen ausdrücklich als "hypothetisch" bezeichnet und insgesamt mehrfach betont, daß sie der nachgeschobenen Be-hauptung (über sexuell motivierte Beleidigungen) nicht folgt. - 9 - e) Es ist auch nicht ersichtlich, daß die [X.] rechtlich bedeut-same Möglichkeiten (Hypothesen) hinsichtlich der psychischen Ursachen der Tat außer [X.] gelassen hätte. Bei der in Rede stehenden Frage geht es um eine sog. innere Tatsache, für die sich Anhaltspunkte im wesentlichen nur aus dem äußeren Geschehensablauf oder aus den Angaben des Betroffenen selbst ergeben können (vgl. [X.], 147 f.; NStZ 2003, 596 f. m. w. N.). Äußere Anhaltspunkte, die für einen schwerwiegenden Affekt sprächen, sind nicht ersichtlich, die unmittelbar nach der Tat einsetzenden systematischen Vertuschungsbemühungen des Angeklagten sprechen vielmehr dagegen (vgl. [X.], 149, 150 m. w. N.). Die genannten Angaben des Angeklagten waren teils falsch und teils unbehelflich. Zwar dürfen einem Angeklagten aus seinem [X.] als solchem keine Nachteile erwachsen, jedoch gilt auch in diesem Zusammenhang der Grundsatz, daß es weder im Hinblick auf den [X.] noch sonst geboten ist, zu Gunsten des Angeklagten (hier: innere) Vorgänge (auch nicht hypothetisch) zu unterstellen, für deren Vorliegen keine konkreten Anhaltspunkte ersichtlich sind (st. Rspr., vgl. zuletzt [X.] aaO 147 m. w. N.).
f) Nach alledem ist es rechtlich nicht zu beanstanden, daß das Gericht (bzw. im Vorverfahren die Staatsanwaltschaft) im Rahmen der ihm (ihr) nach Maßgabe des Einzelfalls obliegenden Leitung des Sachverständigen (§ 78 StPO) diesem nicht die genannten Hypothesen (vgl. [X.] vor 1) vorgegeben hat. Im übrigen hat ein Sachverständiger, wenn er im Rahmen seiner Tätigkeit Feststellungen trifft, die dem bisher bekannten Sachverhalt nicht entsprechen, seinen Auftraggeber hierauf hinzuweisen (in vergleichbarem Sinne [X.]/[X.] und andere [X.], 59, 61, dort [X.] 1.8), gegebenenfalls kann er dann als sachverständiger Zeuge in Betracht kommen. Daß dem Sach-verständigen Dr. [X.], dem die [X.] zutreffend langjährige Erfah-- 10 - rung und große Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt bescheinigt, all dies unbe-kannt gewesen sein sollte, erscheint ausgeschlossen. Ersichtlich hatte er keine konkreten Anhaltspunkte für möglicherweise bedeutsame Varianten bezüglich eines Tatmotivs bzw. eines Affekts gefunden. 3. Auch im übrigen sind Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht ersichtlich. [X.]
Wahl [X.]

Elf

[X.]

Meta

1 StR 290/04

31.05.2005

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.05.2005, Az. 1 StR 290/04 (REWIS RS 2005, 3382)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 3382

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