Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.05.2018, Az. AK 23/18

3. Strafsenat | REWIS RS 2018, 9008

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:170518BAK23.18.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS

AK 23/18
vom
17. Mai 2018
in dem Strafverfahren
gegen

wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat

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Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des Angeschul-digten und seiner Verteidiger am 17.
Mai
2018
gemäß
§§
121, 122
StPO be-schlossen:

Die Untersuchungshaft hat [X.].
Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesge-richtshof findet in drei Monaten statt.
Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem [X.] übertragen.

Gründe:
I.
Der Angeschuldigte wurde aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrich-ters des [X.] vom 31.
Oktober 2017 (1 [X.] 436/17) am selben Tage vorläufig festgenommen und befindet sich seit dem 1.
November 2017 ununterbrochen in Untersuchungshaft. Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Beschuldigte habe als Heranwachsender eine schwere [X.] Gewalttat vorbereitet, nämlich eine Straftat gegen das Leben nach §§
211, 212 StGB, die nach den Umständen bestimmt und geeignet ist, die
Sicherheit der [X.] zu beeinträchtigen, indem er [X.] sowie Stoffe sich verschafft und verwahrt habe, die für die Herstel-lung von Sprengstoffen und Spreng-
oder
Brandvorrichtungen wesentlich seien (§
89a Abs.
1, 2 Nr.
3 StGB i.V.m. §§
1, 105 JGG).
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II.
Die Voraussetzungen für den Vollzug der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.
1. Der Angeschuldigte ist der ihm zur Last gelegten Tat dringend ver-dächtig.
a) Nach dem gegenwärtigen Ermittlungsstand ist im Sinne eines drin-genden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:
Der Angeschuldigte, der in [X.] nach seinem naturwissenschaftli-chen Abitur an der [X.] studierte, reiste Ende des Jahres 2015 in die [X.] ein und wurde durch den [X.] vom 16.
Februar 2016 als Flüchtling anerkannt; seine [X.] gilt bis zum 17.
April 2019. Der Angeschuldigte befürwortet seit [X.] 2017 die Ideologie der ausländischen terroristischen Vereinigung "Isla-mischer Staat ([X.])". Er hatte vor, ins Kampfgebiet dieser [X.], um sich ihr anzuschließen und sich dort am [X.] gegen die "[X.]" zu beteiligen. Zuvor wollte er jedoch in der [X.] die "[X.]" bekämpfen und verfolgte spätestens seit Juli 2017 die [X.], hier zu einem nicht bekannten Zeitpunkt an einem unbekannten Ort einen Sprengsatz in einer Ansammlung von Menschen zu zünden, um eine möglichst große Anzahl
von Personen zu töten und zu verletzen. Der Anschlag sollte in seiner Dimension den bisherigen [X.] gleichkommen, zu de-nen sich der [X.] bekannt hatte. Durch eine solche Tat wäre in der [X.] Bevölkerung ein Klima der Angst und Verunsicherung entstanden, worauf es dem Angeschuldigten ankam.
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Um seinen Entschluss in die Tat umzusetzen, nahm der Angeschuldigte am 26.
Juli 2017 über das von ihm benutzte [X.]-Konto "M.

"
Kontakt mit [X.] mit Nutzernamen
"A.

" auf, der sich als "Soldat des Kalifats" bezeichnete und wahrscheinlich [X.]-Mitglied ist. Der Angeschuldigte berichtete ihm von seinem Vorhaben, worauf ihm der im [X.] ansässige Gesprächspartner die Erreichbar-keit einer unbekannten Person in [X.] mitteilte, die über die notwendi-gen Kenntnisse und Informationen zur Herstellung eines Sprengstoffes verfü-gen sollte. Ob der Angeschuldigte zu dieser Person Kontakt aufnahm, ist [X.].
Jedenfalls gelang es
dem Angeschuldigten, sich von weiteren, dem [X.] zumindest nahestehenden Personen über [X.] Netzwerke die notwendigen Kenntnisse zur Herstellung von Sprengstoffen, Spreng-
und Brandvorrichtun-gen sowie [X.] zu verschaffen. Die Chat-Partner unterrichteten den Angeschuldigten u.a. im konspirativen Verhalten, erklärten ihm, wie er als Einzeltäter die Funktionstüchtigkeit der hergestellten Vorrichtungen überprüfen könne, und belehrten ihn über die Vor-
und Nachteile der verschiedenen in [X.] kommenden [X.]. In Umsetzung des erworbenen Wissens besorgte sich der Angeschuldigte elektronische Bauteile und Chemi-kalien, die für die Herstellung von Sprengstoffen, [X.] sowie Spreng-
und Brandvorrichtungen benötigt werden. Anschließend depo-nierte er die Utensilien in seiner Wohnung, wo er alsbald mit der Anfertigung von Sprengstoff und Zündvorrichtung begann. Insbesondere ließ sich der An-geschuldigte am 27.
Juli 2017 vom nicht identifizierten "Mu.

", der unter dem [X.] "G.

"
und dem Nutzernahmen "H.

" auftrat, eine Videoanleitung für den Bau eines Zünders einer unkonventionellen Spreng-
und Brandvorrichtung zusen-6
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den.
Auf dem gleichen Wege besorgte sich der Angeschuldigte am 1.
August 2017 schriftliche Anleitungen für die Konstruktion von [X.] für Sprengsätze mittels Mobiltelefon oder Funkgeräten sowie am 7.
August 2017 eine Videoanleitung zur Herstellung einer
unkonventionellen Spreng-
und Brandvorrichtung mit Splitterbelegung unter Verwendung von Triacetontriper-oxid ([X.]). Um diesen Stoff herzustellen, benötigt man Wasserstoffperoxid, Schwefelsäure und Aceton. Der Angeschuldigte erwarb im August 2017 geeig-nete Funkgeräte beim [X.] und Mini-Lichterketten sowie am 9.
August 2017 Streichhölzer, um entsprechend der Anleitung die Zündauslösevorrichtung aus [X.] und einem Glühbrückenzünder, bestehend aus einem präparierten, mit [X.] gefüllten Glühbirnchen, zu fertigen. Entsprechend der Anleitung begann der Angeschuldigte mit der Mani-pulation eines Funkgerätes. Er bestellte am 30.
Juli 2017 Batteriesäure, die zu 37 % aus Schwefelsäure bestand, und am 7.
August 2017 ein Tee-Thermometer, da [X.] unter Kühlung hergestellt werden muss. Anfang August 2017 erwarb der Angeschuldigte [X.] für das Zusammenführen von Stoffen, Mitte August 2017 einen Messbecher sowie jeweils einen Liter Oxyda-tor-Lösung, die aus Wasser und Wasserstoffperoxid bestand, sowie nochmals Schwefelsäure. Das erforderliche Aceton wollte der Angeschuldigte aus im Ein-zelhandel erworbenem Nagellackentferner gewinnen. Der Angeschuldigte ver-suchte mit den genannten erworbenen Mitteln zu mindestens fünfmal, [X.] herzustellen, was ihm entgegen seiner Annahme wenigstens einmal gelang.
Weil er nicht wusste, welcher Fehler ihm jeweils unterlaufen war, suchte der Angeschuldigte am 7.
September 2017 im [X.] nach weiteren Anleitun-gen.
Schließlich unterstützte ihn der nicht identifizierte Nutzer "[X.].

". Nach Scheitern der Übermittlung von Fotografien wies ihn dieser Nutzer an, u.a. fünf [X.] mit einer Konzentration von [X.] sechs Prozent für eine Sprengladung zu besorgen. Diese Menge solle zur 8
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Herstellung einer Sprengladung genügen, die für die Tötung von mindestens 200 Personen geeignet sein sollte. Am selben Tage bestellte der Angeschuldig-te zehn Kilogramm Wasserstoffperoxid; aus unbekanntem Grund stornierte er diese Bestellung jedoch wieder.
Am 16.
Oktober 2017 suchte der Angeschuldigte weiteren Rat bei einem bislang nicht identifizierten [X.]. Dieser übersandte ihm eine Anlei-tung zur Aufkonzentrierung einer handelsüblichen [X.], da für die Herstellung von Sprengstoffen eine Konzentration von 30 % benötigt werde. Deshalb suchte der Angeschuldigte am 22.
Oktober 2017 im [X.] nach Oxydator-Lösung mit einer Konzentration von 30 % Wasserstoffperoxid, die jedoch aufgrund der seit Januar 2017 geltenden Chemikalien-Verbotsverordnung nicht über den Versandhandel erworben werden konnte. Infolge seiner Festnahme konnte der Angeschuldigte sein Vorhaben nicht reali-sieren.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Konkretisierung der Tat wird auf die Anklageschrift des [X.] vom 28.
Februar 2018 verwie-sen.
b) Der dringende Tatverdacht beruht auf den Angaben des Angeschul-digten, auf der Sicherstellung der vorgenannten Gegenstände und Stoffe zur Herstellung des Sprengsatzes in seiner Wohnung sowie auf den Nachrichten, die der Angeschuldigte über die Nachrichtendienste [X.] und [X.] versandte und erhielt. Soweit der Angeschuldigte sich dahin eingelassen hat, er habe mit den Gegenständen nur experimentieren wollen, wird sein Vorbringen durch seinen Chatverkehr widerlegt, in dem er gegenüber Personen, die ihm Ratschläge erteilten, die Taten ankündigte. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die detaillierten Ausführungen im wesentlichen Ergebnis der Ermittlun-9
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gen in der genannten Anklageschrift des [X.] Bezug ge-nommen.
2. Danach hat der Angeschuldigte mit hoher Wahrscheinlichkeit eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet (§
89a Abs.
1, 2 Nr.
3 StGB i.V.m. §§ 1, 105 JGG). Er war zu einem Anschlag, der dem in [X.] im Jahre 2005 verübten gleichkommen sollte, fest entschlossen. Dies rechtfertigt die An-nahme der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (vgl. nur [X.], Urteil vom 8.
Mai 2014 -
3 [X.], [X.]St 59, 218, 239 f.).
3. Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§
112 Abs.
2 Nr.
2 StPO i.V.m. §
2 Abs.
2, §
72 JGG). Der Angeschuldigte hat auch unter Berücksichti-gung seines Alters mit der Verurteilung zu einer nicht unerheblichen Freiheits-
oder Jugendstrafe zu rechnen. Dem davon ausgehenden Fluchtanreiz stehen keine ausreichend gewichtigen fluchthindernden Umstände entgegen. Nahe Familienangehörige leben nicht in [X.]; auch sonst sind keine [X.]n Bindungen erkennbar, denen sich der Angeschuldigte nicht entziehen könnte. Zudem plante der Angeschuldigte seine Ausreise aus der [X.].
Aus den genannten Gründen kann der Zweck der Untersuchungshaft nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen als deren Vollzug erreicht werden (§
116 Abs.
1 StPO).
4. Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersu-chungshaft über sechs Monate hinaus (§
121 Abs.
1 StPO) liegen vor. Die be-sondere Schwierigkeit und der besondere Umfang der Ermittlungen haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen die Dauer der Untersuchungs-haft.
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Seit der Verhaftung des Angeschuldigten sind die Ermittlungen mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung fortgeführt worden. Die [X.] um-fassen mittlerweile 29 Stehordner; mehrere sichergestellte Mobiltelefone muss-ten ausgewertet werden. Für den Fall der Eröffnung des Hauptverfahrens hat die Vorsitzende des Staatschutzsenats des [X.] mit den Verteidigern Termine für den Zeitraum vom 26.
Juli 2018 bis 11.
Oktober 2018 abgestimmt.
5. Schließlich steht der weitere Vollzug der Untersuchungshaft nicht
außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der im Falle der Verurteilung zu erwartenden Strafe (§
120 Abs.
1 Satz 1 StPO i.V.m. §
72 Abs.
1 Satz 2 JGG).
Becker

Gericke Leplow

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Meta

AK 23/18

17.05.2018

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.05.2018, Az. AK 23/18 (REWIS RS 2018, 9008)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 9008

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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3 StR 243/13

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