Bundesfinanzhof, Beschluss vom 21.07.2016, Az. X R 36/08

10. Senat | REWIS RS 2016, 7792

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Gegenstand

Rubrumsberichtigung bei Erbfolge


Leitsatz

1. NV: Ergeht eine Entscheidung gegenüber dem vermeintlichen Erben, so kann es zulässig sein, den wirklichen Erben im Wege der Rubrumsberichtigung als Beteiligten zu benennen.

2. NV: In diesem Falle ist auch eine den Erben belastende Kostenentscheidung zu berichtigen.

3. NV: Mit der Erbausschlagung gilt der wirkliche Erbe rückwirkend vom Erbfall an als Erbe. Er ist nicht Rechtsnachfolger des vermeintlichen Erben.

4. NV: Eine Prozessvollmacht kann auch Wirkung für einen unbekannten Erben entfalten.

Tenor

Das Rubrum des als Urteil wirkenden [X.] vom 15. Juni 2010 [X.] wird dahingehend berichtigt, dass der Fiskus des [X.] anstelle von [X.] als Alleinerbe des verstorbenen [X.] benannt wird.

Ferner wird der Tenor des vorstehend genannten [X.] dahingehend berichtigt, dass der Fiskus des [X.] die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen hat.

Tatbestand

1

I. [[[X.].].] erhob Klage gegen den Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --[[[X.].].]--) wegen des ihn betreffenden Gewinnfeststellungsbescheids 1998. Dieser Klage gab das [[[X.].].], [[[X.].].] [[[X.].].] ([[[X.].].]), durch Urteil vom 31. Januar 2007  13 K 139/04 statt und hob den Feststellungsbescheid auf. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des [[[X.].].], die sich zunächst noch gegen [[[X.].].] richtete, ließ der angerufene Senat durch Beschluss vom 13. August 2008 [[X.].] B 38/07 gegen das Urteil des [[[X.].].] die Revision zu. Hierbei erging dieser Beschluss auf [[[X.].].]eite gegen die testamentarisch als Alleinerbin eingesetzte Frau [[[X.].].], da [[[X.].].] inzwischen verstorben war. Durch den Gerichtsbescheid des erkennenden Senats vom 15. Juni 2010 [[[X.].].], in dem im Rubrum Frau [[[X.].].] als Alleinerbin des verstorbenen [[[X.].].] und zugleich als Revisionsbeklagte ausgewiesen war, wurde auf die Revision des [[[X.].].] das Urteil des [[[X.].].] aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Kosten des gesamten Verfahrens wurden der [[[X.].].] auferlegt. Zur Kostenentscheidung ist in den Gründen des [[[X.].].] ausgeführt, die Kosten des Revisionsverfahrens trage die Revisionsbeklagte als Beteiligte. Die Kosten des Klageverfahrens trage sie als Rechtsnachfolgerin des [[[X.].].], also des [[[X.].].].

2

Mit [[[X.].].] vom 30. September 2010 stellte Frau [[[X.].].] rechtzeitig Antrag auf mündliche Verhandlung. Sie teilte mit [[[X.].].] vom 8. Oktober 2010 mit, sie habe mit an das [[[X.].].] als Nachlassgericht gerichtetem [[[X.].].] vom 4. Oktober 2010 die Versäumung der [[[X.].].] wegen Irrtums angefochten und die [[[X.].].]rbschaft ausgeschlagen. Ihr sei nicht bekannt gewesen, dass gegen [[[X.].].] Forderungen (gemeint wohl: [[[X.].].]) bestanden hätten. Auf Anregung des beschließenden Senats stellten die Beteiligten übereinstimmend den Antrag, das Verfahren bis zur Klärung der Rechtsnachfolge ruhen zu lassen. Dem entsprach der Senat durch Beschluss vom 28. Juni 2011. Das [[[X.].].] teilte mit Schreiben vom 14. September 2015 mit, dass mit Beschluss vom 2. September 2015 als [[[X.].].]rbe des [[[X.].].] der Fiskus des [[[X.].].] festgestellt worden sei, weil alle [[[X.].].]rben erster Ordnung die [[[X.].].]rbschaft ausgeschlagen hätten und keine weiteren gesetzlichen [[[X.].].]rben ermittelbar gewesen seien. Der Fiskus des [[[X.].].] werde durch [[X.].] vertreten. [[X.].] wies mit [[[X.].].] vom 29. Januar 2016 darauf hin, die [[[X.].].]ntscheidung, ob das beim [X.] ([X.]) anhängige Verfahren [[[X.].].] weiterverfolgt werde, treffe das [X.] ([X.]). Das [X.], vertreten durch die Referatsleiterin der Rechtsabteilung, welche die Befähigung zum Richteramt besitzt, teilte mit am 24. Februar 2016 beim beschließenden Senat eingegangenen [[[X.].].] vom 22. Februar 2016 mit, der Antrag auf mündliche Verhandlung werde hiermit zurückgenommen.

Entscheidungsgründe

3

II. 1. Gemäß § 107 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sind Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten vom Gericht zu berichtigen. Die Berichtigung ist nicht antrags- oder fristgebunden (Senatsurteil vom 17. November 2015 [X.], [X.], 388, m.w.N. aus der Rechtsprechung).

4

Die Voraussetzungen für eine solche Berichtigung liegen vor, weil der als Urteil wirkende Gerichtsbescheid im Rubrum noch Frau [X.] als Rechtsnachfolgerin des verstorbenen [X.] und als Revisionsbeklagte auswies, obwohl diese wirksam die [X.]rbschaft ausgeschlagen hat und der Fiskus des [X.] [X.]rbe geworden ist.

5

2. Diese Ausschlagung hat allerdings nicht zur Folge, dass nunmehr der zum [X.]rben gewordene Fiskus des [X.] als Rechtsnachfolger der "vorläufigen [X.]rbin" Frau [X.] anzusehen ist. Schlägt nämlich der vorläufige [X.]rbe gemäß § 1953 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) wirksam die [X.]rbschaft aus, dann gilt er materiell-rechtlich von Anfang an als Nichterbe. Stattdessen fällt die [X.]rbschaft gemäß § 1953 Abs. 2 BGB dem [X.] an. Dies war vorliegend gemäß § 1936 Satz 1 BGB der Fiskus des [X.]. Dieser nächstberufene [X.]rbe gilt rückwirkend vom [X.]rbfall an als [X.]rbe; er ist unmittelbarer Rechtsnachfolger des [X.]rblassers und nicht Rechtsnachfolger des vorläufigen [X.]rben, welcher die [X.]rbschaft ausgeschlagen hat. Dementsprechend können gegenüber einem solchen "vorläufigen [X.]rben" ergangene Urteile den endgültigen [X.]rben grundsätzlich nicht binden (Urteil des [X.] vom 8. Februar 1989 [X.], [X.] 1989, 2885).

6

3. Der als Urteil wirkende Gerichtsbescheid vom 15. Juni 2010 wirkte deshalb gegenüber dem Fiskus des [X.] als dem endgültigen [X.]rben, weil [X.] der ... Steuerberatungsgesellschaft am 17. April 2004 bezogen auf den vorliegenden Rechtsstreit eine Prozessvollmacht erteilt hatte. Diese erstreckte sich ausweislich der bei den Finanzgerichtsakten befindlichen Vollmachtsurkunde auch auf das Rechtsmittelverfahren; auch erlosch diese nicht durch den Tod des Vollmachtgebers. Dementsprechend wurde das finanzgerichtliche Verfahren in zweiter Instanz nach Zulassung der Beschwerde als Revisionsverfahren (vgl. § 116 Abs. 7 FGO) vor dem [X.] fortgeführt. Das Verfahren war nicht gemäß § 155 FGO i.V.m. § 246 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung unterbrochen. Vielmehr wurde der Prozess für den Rechtsnachfolger des [X.] fortgeführt, gleichgültig um [X.] es sich handelte. Da wie vorstehend unter 2. dargelegt infolge der [X.]rbschaftsausschlagung durch Frau [X.] der Fiskus des [X.] rückwirkend auf den Todeszeitpunkt des [X.] dessen [X.]rbe geworden ist, wurde im vorliegenden Streitfall das zweitinstanzliche Verfahren für den Fiskus des [X.] als Rechtsnachfolger des [X.], [X.]n auch unter unzutreffender Bezeichnung der Klägerseite im Rubrum des als Urteil wirkenden Gerichtsbescheids fortgesetzt. Diese unzutreffende Bezeichnung kann als offenbare Unrichtigkeit gemäß § 107 Abs. 1 FGO jederzeit berichtigt werden (Senatsurteil in [X.], 388, Rz 20).

7

4. Der Tenor des als Urteil wirkenden Gerichtsbescheids ist zudem insoweit unrichtig, als er die Kosten des gesamten Verfahrens Frau [X.] und nicht dem Fiskus des [X.] als zutreffenden Revisionsbeklagten auferlegt, was ebenfalls nach § 107 Abs. 1 FGO zu berichtigen ist. Der Fiskus des [X.] trägt als Beteiligter die Kosten des Revisionsverfahrens und zudem als Rechtsnachfolger des [X.] die Kosten des Klageverfahrens.

8

5. Das Berichtigungsverfahren ist gerichtskostenfrei (Gräber/ Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 107 Rz 11). [X.]ine Kostenentscheidung ist daher nicht zu treffen.

Meta

X R 36/08

21.07.2016

Bundesfinanzhof 10. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 31. Januar 2007, Az: 13 K 139/04, Urteil

§ 107 Abs 1 FGO, § 155 FGO, § 246 ZPO, § 1936 BGB, § 1953 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 21.07.2016, Az. X R 36/08 (REWIS RS 2016, 7792)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 7792

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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7 K 803/21

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