10. Senat | REWIS RS 2013, 9233
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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
(Abhilfeentscheidung nach § 130 Abs. 1 FGO - Kein Wahlrecht zur Bestimmung des zuständigen Richters in den Fällen des § 79a Abs. 1 FGO; Fiskus als gesetzlicher Erbe des Klägers)
1. NV: Die gemäß § 130 Abs. 1 FGO nach Einlegung einer Beschwerde erforderliche Entscheidung des FG über eine Abhilfe bedarf eines Beschlusses, der von allen Richtern, die ihn gefasst haben, zu unterschreiben ist. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die Beschwerde offensichtlich nicht statthaft oder offensichtlich unzulässig ist.
2. NV: In den Fällen des § 79a Abs. 1 FGO ist allein der Vorsitzende --bzw. ein bestellter Berichterstatter-- der gesetzliche Richter. Ein Wahlrecht, die Entscheidung stattdessen durch den Senat zu treffen, besteht nicht.
3. NV: Ist der ursprüngliche Kläger während des finanzgerichtlichen Verfahrens verstorben und haben sämtliche bekannten Erben die Erbschaft ausgeschlagen, kann der Fiskus erst dann prozessuale Rechte als gesetzlicher Erbe des verstorbenen Klägers ausüben --insbesondere die Klagerücknahme erklären--, wenn das Nachlassgericht gemäß § 1964 Abs. 1 BGB, § 38 FamFG durch Beschluss festgestellt hat, dass ein anderer Erbe nicht vorhanden ist.
I. Vor dem [X.]inanzgericht ([X.]) ist seit dem [X.] ein Klageverfahren anhängig, mit dem sich der im Jahr 2007 verstorbene [X.]rblasser ([X.]) und seine in den Streitjahren 1997, 1998 und 2001 mit ihm zusammen veranlagte [X.]hefrau ([X.]) gegen geänderte [X.]inkommensteuerbescheide gewandt haben, in denen für [X.] erhebliche Gewinne aus einem gewerblichen Grundstückshandel angesetzt worden sind. In dem Klageverfahren wurden [X.] und [X.] durch einen [X.]rozessbevollmächtigten ([X.]) vertreten.
Nach dem Tod des [X.] beantragte [X.] am 16. Oktober 2007, das Verfahren --soweit es den Nachlass des [X.] betraf-- gemäß § 246 Abs. 1 Halbsatz 2 der Zivilprozessordnung (Z[X.]O) auszusetzen. [X.]erner erklärte er, das Verfahren solle fortgeführt werden, soweit es die [X.] betreffe. Das [X.] entschied über den Aussetzungsantrag zunächst ebenso wenig wie über zwei vom Beklagten und Beschwerdeführer ([X.]inanzamt --[X.]A--) gestellte Anträge auf Beiladung von [X.]ersonengesellschaften.
Weil der Nachlass des [X.] überschuldet war, schlug [X.] --sowohl als durch letztwillige Verfügung eingesetzte Alleinerbin als auch als gesetzliche [X.]rbin-- die [X.]rbschaft aus. Auch alle vom Nachlassgericht um Annahme der [X.]rbschaft ersuchten [X.]rben erster und zweiter Ordnung schlugen die [X.]rbschaft aus. Das Nachlassgericht unternahm keine Versuche, etwaige [X.]rben entfernterer Ordnungen zu ermitteln. [X.]s nahm weder die in § 1965 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) vorgesehene öffentliche Aufforderung zur Anmeldung von [X.]rbrechten vor noch stellte es gemäß § 1964 BGB fest, dass ein anderer [X.]rbe als der [X.]iskus nicht vorhanden sei.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 28. [X.]ebruar 2012 entschied das [X.] --in der Besetzung mit [X.] und zwei weiteren Richtern--, den Rechtsstreit "des [X.]" abzutrennen sowie das abgetrennte Verfahren auszusetzen und aus den gerichtlichen Registern zu löschen.
Das [X.]A begehrt mit seiner Beschwerde vom 9. März 2012, "das abgetrennte Verfahren ... weiter fortzuführen und im [X.]rozessregister zu belassen". Im weiteren Verlauf des Beschwerdeverfahrens hat das [X.]A am 20. März 2012 "die Rücknahme der Klagen" erklärt. [X.]s leitet seine Berechtigung zur Abgabe einer solchen [X.]rozesserklärung daraus ab, dass das Bundesland N [X.]iskalerbe geworden sei. Mit Schreiben vom 29. März 2012 hat das [X.]A erklärt, es halte an seinem [X.]ortführungsantrag nicht mehr fest, da die Klage sich zwischenzeitlich aufgrund der Klagerücknahme oder einer hilfsweise abgegebenen Hauptsacheerledigungserklärung erledigt habe.
In den Akten findet sich die nach § 130 Abs. 1 der [X.]inanzgerichtsordnung ([X.]O) erforderliche [X.]ntscheidung des [X.] über eine Abhilfe nicht. Allerdings richtete der Berichterstatter am 24. Mai 2012 ein Schreiben an das [X.]A, in dem er erklärte, "der Senat" könne der Beschwerde nicht abhelfen.
II. Die Beschwerde ist an das [X.] zurückzugeben.
1. Der Senat ist gehindert, über die Beschwerde in der Sache zu entscheiden, weil das [X.] die gemäß § 130 Abs. 1 [X.]O erforderliche Entscheidung über die Abhilfe bisher nicht getroffen hat.
Auch wenn § 130 Abs. 1 [X.]O keine ausdrückliche Regelung dazu enthält, in welcher Form die Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts über die Abhilfe oder Nichtabhilfe zu ergehen hat, entspricht es ständiger Rechtsprechung des [X.] ([X.]), dass es sich bei dieser Entscheidung um einen Beschluss handelt, der von allen Richtern, die ihn gefasst haben, zu unterschreiben ist (ausführlich [X.]-Beschluss vom 25. September 1967 IV B 33/66, [X.]E 90, 103, [X.]I 1967, 788; ferner [X.]-Beschluss vom 21. Mai 1999 I B 92/98, [X.]/NV 1999, 1606, unter [X.]; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 130 Rz 4). Eine Entscheidung über die Abhilfe ist nur dann entbehrlich, wenn die Beschwerde offensichtlich nicht statthaft ([X.]-Beschluss vom 3. Mai 1984 VII B 84/83, [X.]E 141, 116, [X.] 1984, 562) oder offensichtlich unzulässig ist ([X.]-Beschluss vom 26. September 1996 IV B 57/96, [X.]/NV 1997, 250).
Vorliegend ist die Beschwerde des [X.] weder als unstatthaft noch als offensichtlich unzulässig anzusehen. Das [X.] hätte daher --in der Besetzung, in der es den angefochtenen Beschluss gefällt [X.] eine ausdrückliche Entscheidung über die Abhilfe oder Nichtabhilfe treffen müssen. Diese Entscheidung --hier des Senats, der den mit der Beschwerde angefochtenen Beschluss erlassen [X.] kann nicht durch die bloße Mitteilung des Berichterstatters ersetzt werden, wonach der Senat der Beschwerde nicht abzuhelfen vermöge. Hinzu kommt, dass der Berichterstatter den Entwurf des Schreibens vom 24. Mai 2012 nicht unterschrieben, sondern nur mit einer [X.]araphe abgezeichnet hat.
2. Zur Förderung des Verfahrens über den bereits vor mehr als fünf Jahren gestellten Aussetzungsantrag des [X.] weist der Senat --ohne Bindungswirkung-- auf die folgenden Gesichtspunkte hin:
a) Gemäß § 79a Abs. 1 Nr. 1 [X.]O entscheidet nicht der Senat, sondern der Vorsitzende --bzw. gemäß § 79a Abs. 4 [X.]O der Berichterstatter, sofern ein solcher bestellt ist-- über die Aussetzung des Verfahrens, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht. Der angefochtene Beschluss hätte daher nicht durch den Senat ergehen dürfen; schon deshalb liegt es nahe, der Beschwerde in dem noch durchzuführenden Verfahren nach § 130 [X.]O abzuhelfen.
Im Hinblick auf den Anspruch der Beteiligten auf eine Entscheidung durch [X.] (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes) ist § 79a Abs. 1 [X.]O --entsprechend seinem Wortlaut-- dahingehend auszulegen, dass allein der Vorsitzende (bzw. ein bestellter Berichterstatter) [X.] ist; ein "Wahlrecht", die Entscheidung auch durch den Senat zu treffen, besteht nicht (ebenso [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 79a [X.]O Rz 35). Dies ergibt sich auch aus einem Umkehrschluss aus § 79a Abs. 2 Satz 1 [X.]O, der dem Vorsitzenden ausdrücklich ein Wahlrecht ("kann") für eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid einräumt. Eine derartige Formulierung enthält § 79a Abs. 1 [X.]O nicht.
b) Gemäß § 246 Abs. 1 Halbsatz 2 Z[X.]O "hat" das Gericht auf Antrag des [X.]rozessbevollmächtigten die Aussetzung des Verfahrens anzuordnen. Ein Wahlrecht besteht auch hier nicht. Insofern hätte der Aussetzungsbeschluss auf den im Jahr 2007 gestellten Antrag nicht erst im [X.] --und zudem nach Vornahme mehrerer [X.] ergehen dürfen.
Die Aufnahme eines solchermaßen ausgesetzten Verfahrens richtet sich gemäß § 246 Abs. 2 Z[X.]O nach den Vorschriften des § 239 Z[X.]O. Danach setzt eine --auf Antrag des [X.]rozessgegners grundsätzlich mögliche-- Aufnahme des Verfahrens die Ladung der Rechtsnachfolger des Verstorbenen voraus, die indes noch zu ermitteln wären.
c) Das [X.] kann derzeit keine Rechte --einschließlich prozessualer Rechte-- aus einer Fiskalerbschaft des Bundeslandes N geltend machen.
Gemäß § 1966 BGB kann von dem Fiskus als gesetzlichem Erben ein Recht erst geltend gemacht werden, nachdem von dem Nachlassgericht festgestellt worden ist, dass ein anderer Erbe nicht vorhanden ist. Diese in § 1964 Abs. 1 BGB vorgesehene Feststellung hat das Nachlassgericht bisher nicht getroffen; auch das gemäß § 1965 Abs. 1 Satz 1 BGB grundsätzlich erforderliche Verfahren einer öffentlichen Aufforderung zur Anmeldung der Erbrechte ist bisher nicht durchgeführt worden.
Die Feststellung nach § 1964 BGB wäre durch Beschluss zu treffen (§ 38 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit --Fam[X.]--). Das vorgelagerte [X.] bzw. Aufgebotsverfahren nach § 1965 BGB wird nur auf Antrag durchgeführt (§ 434 Abs. 1 Fam[X.]).
Selbst wenn das Nachlassgericht feststellen sollte, dass ein anderer Erbe als der Fiskus nicht vorhanden ist, hätte das [X.] noch zu prüfen, ob der Fiskus im finanzgerichtlichen Verfahren durch das örtliche [X.] oder aber durch eine andere Stelle vertreten wird.
d) Zu Fällen, in denen --wie vorliegend-- eine Duldungspflicht des mit dem Verstorbenen zusammen veranlagten überlebenden Ehegatten gemäß § 278 Abs. 2 der Abgabenordnung hinzutritt, ist auf das [X.]-Urteil vom 7. März 2006 VII R 12/05 ([X.]E 212, 388, [X.] 2006, 584) zu verweisen.
Meta
08.01.2013
Beschluss
vorgehend FG Köln, 28. Februar 2012, Az: 1 K 638/12, Beschluss
§ 79a Abs 1 FGO, § 130 Abs 1 FGO, § 1964 Abs 1 BGB
Zitiervorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 08.01.2013, Az. X B 101/12 (REWIS RS 2013, 9233)
Papierfundstellen: REWIS RS 2013, 9233
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
Rubrumsberichtigung bei Erbfolge
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