Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.05.2013, Az. III R 12/12

3. Senat | REWIS RS 2013, 5685

STEUERRECHT STEUERN BUNDESFINANZHOF (BFH) EINKOMMENSTEUER STEUERBERATER

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Gegenstand

Überlassung einer komprimierten "Elster"-Einkommensteuererklärung: Grobes Verschulden des steuerlichen Beraters


Leitsatz

1. Den Steuerberater trifft ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden von Tatsachen, die Voraussetzung für die Gewährung eines Entlastungsbetrags für Alleinerziehende sind, wenn er dem steuerlich unerfahrenen Steuerpflichtigen lediglich eine komprimierte Einkommensteuererklärung zur Prüfung aushändigt, ohne den für die Abgabe einer vollständigen Steuererklärung maßgebenden Sachverhalt zu ermitteln, und dem Steuerpflichtigen damit die Möglichkeit nimmt, die darin enthaltenen Angaben auf Vollständigkeit und Richtigkeit zu prüfen .

2. Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Ausdruck der komprimierten Steuererklärung auf die Verwendung des Programms "Elster" zurückzuführen ist .

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Vater einer Tochter, die im Streitjahr 2007 in seiner Wohnung lebte und für die ihm Kindergeld zustand. Mit der Mutter des Kindes war er nicht verheiratet; im Streitjahr lebte er nicht mehr in [X.] mit ihr.

2

Der Kläger beauftragte seinen Steuerberater mit der Erstellung der Steuererklärung für das Streitjahr. Dieser fertigte die Erklärung anhand der Angaben des [X.] an und legte die mit Hilfe des Programms "Elster" der Finanzverwaltung erstellte, komprimierte Einkommensteuererklärung dem Kläger zur Prüfung, Unterzeichnung und Weiterleitung an den Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --[X.]--) vor. Die komprimierte Steuererklärung enthielt dabei keine Rubriken --und damit auch keine [X.] zum Entlastungsbetrag für Alleinerziehende, wie sie in dem amtlichen Vordruck ("Anlage Kind") vorgesehen sind.

3

Am 19. Februar 2009 ging die komprimierte, von dem Kläger unterzeichnete Steuererklärung postalisch beim [X.] ein.

4

Der daraufhin erlassene Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 9. März 2009, in dem kein Entlastungsbetrag für Alleinerziehende berücksichtigt worden ist, wurde bestandskräftig.

5

Mit Schreiben vom 3. August 2009 beantragte der Kläger die Änderung dieses Einkommensteuerbescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung ([X.]) und begehrte die Gewährung des [X.]. Bei der Erstellung der Einkommensteuererklärung des Jahres 2008 sei dem steuerlichen Berater aufgefallen, dass die "Anlage Kind" für das Streitjahr unvollständig ausgefüllt worden sei. Es hätten in den Zeilen 35 ff. der "Anlage Kind" Angaben zum Entlastungsbetrag für Alleinerziehende gemacht werden müssen, weil er seit Dezember 2006 von der Mutter seines Kindes getrennt lebe und deshalb alleinerziehend sei. Er, der Kläger, habe aus der ihm übersandten komprimierten Steuererklärung nicht erkennen können, dass diese steuerrelevanten Angaben fehlten. Ihm sei außerdem gar nicht bekannt gewesen, dass die Tatsache der Alleinerziehung zu einer zusätzlichen steuerlichen Entlastung führen könne.

6

Das [X.] lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 11. September 2009 ab.

7

Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das [X.] ([X.]) mit dem in Entscheidungen der [X.]e 2011, 1677 veröffentlichten Urteil statt. Nach Auffassung des [X.] könne der Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 [X.] geändert werden. Den Kläger treffe insbesondere kein grobes Verschulden an dem nachträglichen Bekanntwerden der Tatsache der räumlichen Trennung des [X.] von der Mutter seines Kindes, so dass eine Änderung des streitgegenständlichen Steuerbescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 [X.] nicht ausgeschlossen sei.

8

Dem Kläger sei ein eigenes grobes Verschulden nicht vorzuwerfen. Die Angaben zu dem Entlastungsbetrag für Alleinerziehende, die auf der Seite 2 der "Anlage Kind" in den Zeilen 35 ff. vorgesehen seien, seien in der komprimierten Steuererklärung nicht enthalten gewesen, die dem Kläger von seinem steuerlichen Berater zur Prüfung, Unterzeichnung und Weiterleitung überlassen worden sei. Es sei dem Kläger damit nicht möglich gewesen, insoweit auf ausdrücklich gestellte Fragen zu antworten oder insoweit vorbereitete Angaben zu überprüfen. Ein Anlass für den Kläger, auf die steuerliche Bedeutsamkeit dieser Fragestellung aufmerksam zu werden, habe deshalb nicht vorgelegen. Dem Kläger könne überdies nicht vorgeworfen werden, dass er dem Umstand, dass er im Streitjahr alleinerziehend gewesen sei, nicht von sich aus seinem steuerlichen Berater mitgeteilt habe, da hierzu --mangels entsprechender Fragestellung-- für einen steuerlichen Laien kein Anlass bestanden habe.

9

Dem Kläger sei auch nicht ein grobes Verschulden seines steuerlichen Beraters zuzurechnen. Der Steuerberater sei nicht verpflichtet gewesen, "ins Blaue" nach einer Änderung der Familienverhältnisse zu fragen, da hierzu keinerlei Anlass bestanden habe. Anders als in dem der Entscheidung des [X.] ([X.]) vom 3. Dezember 2009 VI R 58/07 ([X.]E 227, 365, [X.], 531) zugrunde liegenden Sachverhalt, in dem es um das nachträgliche Bekanntwerden von als außergewöhnliche Belastungen zu qualifizierenden Krankheitskosten gegangen sei, bestehe keine Verpflichtung des Steuerberaters, sich jährlich nach dem Stand der ehelichen oder nichtehelichen Beziehung des Mandanten zu erkundigen, wenn insoweit keine Anhaltspunkte für eine steuerrelevante Veränderung vorlägen.

Mit seiner Revision rügt das [X.] die Verletzung des § 173 Abs. 1 Nr. 2 [X.]. In Bezug auf ein dem Steuerpflichtigen zuzurechnendes grobes Verschulden des Steuerberaters führt es aus, der Steuerberater habe bei dem Auftrag, die Steuererklärung zu fertigen, u.a. zu prüfen, welche [X.] verwirklicht worden seien und welche Begünstigungsvorschriften zu berücksichtigen seien. Es verweist auf das [X.]-Urteil in [X.]E 227, 365, [X.], 531, nach dem ein Steuerberater seinen Mandanten, von dessen Belehrungsbedürftigkeit er grundsätzlich auszugehen habe, umfassend zu beraten habe und nach dem er --im Rahmen dieser Verpflichtung-- den für die Abgabe einer vollständigen Steuererklärung maßgebenden Sachverhalt zu ermitteln habe.

Diesen Maßstäben werde das [X.] mit seinem Urteil nicht gerecht, in dem es in den Entscheidungsgründen anführe, der Steuerberater sei nicht verpflichtet, "ins Blaue" nach einer Änderung der Familienverhältnisse zu fragen, da hierzu im Streitfall keinerlei Anlass bestanden habe. Das [X.] verlange damit seitens des steuerlichen Beraters lediglich eine anlassbezogene Rückfrage, und zwar nur dann, wenn Anhaltspunkte für eine steuerrelevante Veränderung vorlägen.

Jedoch sei die steuerliche Relevanz der persönlichen Verhältnisse in Anbetracht der verschiedenen kinderbedingten Vergünstigungen dem steuerlichen Laien nicht ohne weiteres bewusst und erfordere daher einen Informationsaustausch mit dem Steuerpflichtigen. Die im Streitfall mangelnde Kommunikation müsse sich der Kläger als Verschulden seines steuerlichen Beraters zurechnen lassen.

Das [X.] beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Nach seiner Auffassung sei das Problem letztlich in der Verkürzung der Steuererklärung bei Ausdruck der "Elster-Übermittlungen" zu sehen. Wären hier ebenfalls die genannten Rubriken und damit [X.] für den Steuerpflichtigen erkennbar, so wären Informationsverluste wie im vorliegenden Fall vermeidbar. Die in dem [X.] ausdrücklich gestellte Frage zum Entlastungsbetrag für Alleinerziehende sei für den Steuerpflichtigen bei der verkürzt ausgedruckten Steuererklärung gerade nicht erkennbar.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] war zu Unrecht der Ansicht, der bestandskräftige Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr könne nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 [X.] zugunsten des [X.] geändert werden, weil diesem kein grobes Verschulden vorzuwerfen sei.

Nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 [X.] sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden.

1. Allein streitig ist das Vorliegen von grobem Verschulden.

a) Als grobes Verschulden hat der Steuerpflichtige Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. Letztere ist dann anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt hat (z.B. [X.]-Urteile vom 20. November 2008 III R 107/06, [X.], 545, und vom 9. November 2011 [X.], [X.], 545).

Grob fahrlässiges Handeln liegt insbesondere vor, wenn ein Steuerpflichtiger seiner Erklärungspflicht nur unzureichend nachkommt, indem er unvollständige Steuererklärungen abgibt (z.B. [X.]surteile vom 30. Oktober 1986 III R 163/82, [X.], 208, [X.] 1987, 161; vom 1. Oktober 1993 III R 58/92, [X.], 397, [X.] 1994, 346, und in [X.], 545). Beruht die unvollständige Steuererklärung auf einem Rechtsirrtum wegen mangelnder Kenntnis steuerrechtlicher Vorschriften, ist dies dem Steuerpflichtigen in der Regel nicht als grobes Verschulden anzulasten ([X.]-Urteile vom 23. Februar 2000 VIII R 80/98, [X.], 978, und in [X.], 545).

Auf einen die grobe Fahrlässigkeit ausschließenden, entschuldbaren Rechtsirrtum kann sich der Steuerpflichtige allerdings dann nicht berufen, wenn er eine im [X.] ausdrücklich gestellte, auf einen bestimmten Vorgang bezogene und für ihn verständliche Frage nicht beantwortet (z.B. [X.]surteile vom 23. Oktober 2002 III R 32/00, [X.] 2003, 441, und in [X.], 545). Dies gilt auch dann, wenn er eine derartige, im [X.] ausdrücklich gestellte Frage nur deshalb nicht oder nur unvollständig beantwortet, weil er infolge eines [X.] der Ansicht ist, die unterlassenen Angaben hätten in seinem Einzelfall keine Auswirkung (z.B. [X.]surteile in [X.] 2003, 441, und in [X.], 545).

Einem Steuerpflichtigen kann des Weiteren dann ein eigenes grobes Verschulden angelastet werden, wenn er die von seinem steuerlichen Berater angefertigte Steuererklärung nicht auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit durchgesehen hat und ihm ohne Weiteres hätte auffallen müssen, dass steuermindernde Tatsachen oder Beweismittel nicht berücksichtigt worden sind ([X.]-Urteil vom 28. August 1992 VI R 93/89, [X.] 1993, 147).

b) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] hat der Steuerpflichtige auch ein Verschulden seines steuerlichen Beraters bei der Anfertigung der Steuererklärung zu vertreten (z.B. [X.]-Urteile vom 17. November 2005 III R 44/04, [X.]E 211, 401, [X.] 2006, 412, und in [X.]E 227, 365, [X.] 2010, 531). Die Zurechnung des Verschuldens des steuerlichen Beraters bei der Anfertigung der Steuererklärung ergibt sich aus der Verantwortung des Steuerpflichtigen für die Vollständigkeit und Richtigkeit seiner Angaben in der Steuererklärung (vgl. § 150 Abs. 2 Satz 1 [X.]; vgl. [X.]-Urteile vom 14. Januar 1998 [X.], [X.]E 185, 111, [X.] 1999, 203; in [X.]E 211, 401, [X.] 2006, 412, und in [X.]E 227, 365, [X.] 2010, 531). Dieser Verantwortung kann er sich nicht dadurch entziehen, dass er die Ausarbeitung der Steuererklärung seinem steuerlichen Berater überträgt ([X.]-Urteile in [X.]E 211, 401, [X.] 2006, 412, und in [X.]E 227, 365, [X.] 2010, 531). Dabei sind an einen steuerlichen Berater, dessen sich der Steuerpflichtige zur Ausarbeitung der Steuererklärung bedient, erhöhte Anforderungen hinsichtlich der von ihm zu erwartenden Sorgfalt zu stellen (z.B. [X.]-Urteile vom 28. Juni 1983 VIII R 37/81, [X.]E 139, 8, [X.] 1984, 2; vom 26. August 1987 I R 144/86, [X.]E 151, 299, [X.] 1988, 109, und vom 13. Juni 1989 VIII R 174/85, [X.]E 157, 196, [X.] 1989, 789).

c) Ob ein Beteiligter grob fahrlässig gehandelt hat, ist im Wesentlichen Tatfrage. Die hierzu getroffenen Feststellungen des [X.] dürfen --abgesehen von zulässigen und begründeten [X.] nur daraufhin überprüft werden, ob der Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit und die aus ihm abzuleitenden Sorgfaltspflichten richtig erkannt worden sind und ob die Würdigung der Umstände hinsichtlich des individuellen Verschuldens den Denkgesetzen und allgemeinen [X.] entspricht. Dies hindert das Revisionsgericht allerdings nicht, selbst zur Annahme eines groben Verschuldens zu kommen, wenn hierfür ausreichende tatsächliche Feststellungen vorliegen (z.B. [X.]surteile in [X.] 2003, 441, und in [X.], 545).

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall kann das Urteil des [X.] keinen Bestand haben.

a) Rechtsfehlerfrei hat das [X.] zwar zunächst ein eigenes grobes Verschulden des [X.] verneint. Es hat zutreffend darauf abgestellt, dass aus der komprimierten Steuererklärung für den Kläger nicht ersichtlich war, dass weitere Angaben zur Gewährung des [X.] erforderlich waren und insoweit steuermindernde Tatsachen nicht berücksichtigt worden sind. Außerdem kann dem Kläger --wie das [X.] zutreffend ausgeführt [X.] nicht vorgeworfen werden, die Tatsache, dass er im Streitjahr nicht mehr in [X.] mit der Mutter gelebt hat, nicht von sich aus dem Berater mitgeteilt zu haben, da hierzu für einen steuerlichen Laien mangels Kenntnis der steuerlichen Relevanz dieser Tatsache kein Anlass bestand.

b) Entgegen der Auffassung des [X.] trifft jedoch den steuerlichen Berater ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden dieser Tatsache, welches sich der Kläger zurechnen lassen muss.

aa) Indem er dem insoweit steuerlich unerfahrenen Kläger lediglich die komprimierte Einkommensteuererklärung zur Prüfung überließ, ohne den für die Abgabe einer vollständigen Steuererklärung maßgebenden Sachverhalt zu ermitteln, handelte er grob fahrlässig. Denn damit nahm er dem Kläger die Möglichkeit zur Kenntnisnahme, dass --wie in den Zeilen 35 ff. der "Anlage Kind" aufgeführt-- ein Entlastungsbetrag für Alleinerziehende gewährt werden kann und insoweit weitere Angaben zur vollständigen Beantwortung der in dem amtlichen Vordruck gestellten Fragen erforderlich sind. Durch sein Handeln übernahm der steuerliche Berater die Verantwortung, dass die in der von ihm erstellten komprimierten Steuererklärung aufgeführten Angaben des Steuerpflichtigen (auch) vollständig sind.

Dieses Ergebnis ergibt sich auch aus der Verantwortung des Steuerpflichtigen für die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben in der Steuererklärung, der er sich nicht dadurch entziehen kann, dass er die Ausarbeitung der Steuererklärung seinem steuerlichen Berater überträgt ([X.]-Urteile in [X.]E 185, 111, [X.] 1999, 203; in [X.]E 211, 401, [X.] 2006, 412, und in [X.]E 227, 365, [X.] 2010, 531). Diese Verantwortung des Steuerpflichtigen rechtfertigt die Zurechnung des Verschuldens des steuerlichen Beraters, welche letztlich sicherstellen soll, dass der Steuerpflichtige durch die Bevollmächtigung nicht besser gestellt wird als der nicht vertretene Steuerpflichtige. Hätte der Kläger seine Steuererklärung selbst erstellt, wäre ihm regelmäßig grobes Verschulden anzulasten, wenn er eine unvollständige Steuererklärung abgegeben und eine ausdrücklich gestellte, auf einen bestimmten Vorgang bezogene und für ihn verständliche Frage nicht beantwortet hätte (s. oben unter [X.]). Dann muss nach Auffassung des erkennenden [X.]s ein grobes Verschulden des vom Steuerpflichtigen beauftragten steuerlichen Beraters bejaht werden, wenn dieser --im Falle der Nichtermittlung des für die Abgabe einer vollständigen Steuererklärung maßgebenden [X.] dem Steuerpflichtigen lediglich eine komprimierte Steuererklärung aushändigt und ihm damit die Möglichkeit nimmt, die darin enthaltenen Angaben auf Vollständigkeit und Richtigkeit zu prüfen. Würde man ein grobes Verschulden des steuerlichen Beraters in diesen Fällen verneinen, käme es zu einer Besserstellung des vertretenen Steuerpflichtigen gegenüber dem nicht vertretenen, da dem Steuerpflichtigen selbst --insbesondere mangels Erkennbarkeit der Unvollständigkeit der in der komprimierten Steuererklärung enthaltenen [X.] ein grobes Verschulden nicht vorgeworfen werden kann (vgl. oben unter II.2.a).

bb) Dabei kann es --entgegen der Auffassung des [X.]-- nicht darauf ankommen, dass der Ausdruck der komprimierten Steuererklärung auf die Verwendung des Programms "Elster" zurückzuführen ist. Insoweit hat der steuerliche Berater selbst sicherzustellen, dass er dem Steuerpflichtigen, von dessen Belehrungsbedürftigkeit er grundsätzlich auszugehen hat, die Möglichkeit belässt, die Angaben in der von ihm gefertigten Steuererklärung auf Vollständigkeit und Richtigkeit prüfen zu können, wenn sich der Berater entscheidet, den für die Abgabe einer vollständigen Steuererklärung maßgebenden Sachverhalt nicht vor Erstellung der Steuererklärung --ggf. durch ausdrückliche Nachfrage beim [X.] vollständig zu ermitteln. Indem der steuerliche Berater dem Steuerpflichtigen lediglich eine komprimierte Steuererklärung aushändigt, übernimmt er die Verantwortung, dass die in dieser Steuererklärung aufgeführten Angaben des Steuerpflichtigen (auch) vollständig sind (s. oben unter II.2.b aa).

cc) Der [X.] kann offenlassen, ob ein grobes Verschulden des steuerlichen Beraters auch aufgrund der fehlenden Nachfrage bei dem Kläger hinsichtlich des Umstands der [X.] der Kindseltern angenommen werden müsste. Offen bleiben kann damit, ob ein grobes Verschulden des steuerlichen Beraters stets dann anzunehmen ist, wenn dieser im Rahmen seiner Verpflichtung, seinen Mandanten im Rahmen dessen Belehrungsbedürftigkeit umfassend zu beraten, den für die Abgabe einer vollständigen Steuererklärung maßgebenden Sachverhalt --auch ohne entsprechende Anhaltspunkte für eine steuerrelevante [X.] selbst nicht vollständig ermittelt hat (so --im Hinblick auf als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigungsfähige Zahnbehandlungskosten-- wohl: [X.]-Urteil in [X.]E 227, 365, [X.] 2010, 531; ebenso: von [X.] in [X.], [X.] § 173 Rz 95.1.; kritisch: [X.] in Tipke/ [X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 173 [X.] Rz 84; [X.]/Rüsken, [X.], 11. Aufl., § 173 Rz 126) oder ob insoweit auch Fälle der "lediglich" einfachen Fahrlässigkeit denkbar sind.

Meta

III R 12/12

16.05.2013

Bundesfinanzhof 3. Senat

Urteil

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 24. Mai 2011, Az: 3 K 249/10, Urteil

§ 173 Abs 1 Nr 2 AO, § 24b EStG 2002, EStG VZ 2007, § 150 Abs 2 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.05.2013, Az. III R 12/12 (REWIS RS 2013, 5685)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5685

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