Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.03.2006, Az. 2 StR 271/05

2. Strafsenat | REWIS RS 2006, 4313

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[X.] vom 24. März 2006 in der Strafsache gegen wegen Betrugs - 2 - Der 2. Strafsenat des [X.] hat am 24. März 2006 beschlossen: 1. Ein Ausschließungsgrund gemäß § 22 StPO gegen den [X.] am [X.] liegt nicht vor. 2. Die Anträge der Angeklagten, den [X.] am [X.] wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, werden zurückgewiesen. Gründe: [X.] [X.] am [X.] war in der [X.] vom 1. De-zember 1999 bis zum 31. März 2001 als stellvertretender Abteilungsleiter der Abteilung 3 (Strafrecht) an das [X.] abgeordnet. Zu sei-nem dortigen Aufgabengebiet gehörte neben anderem die [X.]. Darüber hinaus war er im Rahmen der Dienst-aufsicht zuständig für alle großen Wirtschaftsstrafsachen, die bei der [X.] konzentriert waren, und damit auch für das gegen die Angeklagten stattfindende Verfahren. Es bestanden in Bezug auf diese Verfah-ren besondere mündliche und schriftliche Berichtspflichten der [X.]en dem [X.] gegenüber. 1 Zum [X.]punkt des Beginns der Abordnung des [X.]s am [X.] war das Ermittlungsverfahren gegen die Angeklagten bereits abgeschlossen und die Anklage erhoben. Über die in der Folgezeit stattgefun-dene und mehrfach ausgesetzte Hauptverhandlung fanden regelmäßige [X.] 3 - richtungen der Strafrechtsabteilung des [X.]s statt. Zum [X.]punkt des Beginns der letzten, mit Urteil des [X.] vom 19. April 2004 abgeschlossenen Hauptverhandlung am 6. September 2002 war die Abordnung des [X.]s am [X.] beendet. [X.] am [X.] hat mit dienstlicher Erklärung vom 31. Januar 2006 den vorstehenden Sachverhalt dem Senat angezeigt. Der Angeklagte [X.] hat, nachdem ihm die dienstliche Anzeige des [X.]s am [X.] zur Kenntnis gebracht worden ist, diesen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Er hat über seinen Verteidiger ausfüh-ren lassen, dass der [X.] am [X.] während der [X.] seiner Abordnung an das [X.] auf Seiten der [X.] auf das Verfahren Einfluss genommen habe. Die ihm erstatteten Berichte und die geführten Erörterungen unter seiner Beteiligung legten den Schluss nahe, dass der [X.] am [X.] sich bereits zum damaligen [X.]punkt eine den Angeklagten [X.] belastende Meinung gebil-det habe. Es sei davon auszugehen, dass er mit der Staatsanwaltschaft auch deren Rechtsansichten und Strafmaßvorstellungen abgesprochen habe und so während der gegen den Angeklagten geführten Hauptverhandlung zu dessen Nachteil tätig geworden sei. Unabhängig vom Vorliegen eines Ausschließungs-grundes nach § 22 Nr. 4 StPO ergebe sich eine Besorgnis der Voreingenom-menheit des [X.]s aus seiner Tätigkeit im [X.] und seines Kontaktes zu dem gegen den Angeklagten geführten Strafverfahren während dieser [X.]. 3 Der Angeklagte [X.]hat zu der dienstlichen Erklärung des Rich-ters am [X.] sowie zu der Stellungnahme des [X.] vom 22. Februar 2006 geäußert, dass sich hieraus zwar seiner 4 - 4 - Auffassung nach kein Ausschlussgrund, wohl aber die Möglichkeit zu einer Ein-flussnahme auf das damalige Verfahren ergebe. Dies erwecke die Besorgnis, dass der [X.] am [X.] auch im Revisionsverfahren unter dem Einfluss seiner früheren Tätigkeit stehe, was seine [X.] störend beeinflussen könne. In einer weiteren dienstlichen Erklärung vom 28. Februar 2006 hat sich der [X.] am [X.] zu den Schreiben der Angeklagten geäußert und ausgeführt, es sei nicht zutreffend, dass er auf Seiten der [X.] Einfluss auf das Verfahren gegen die Angeklagten genommen ha-be. Er habe in seiner dienstlichen Funktion im [X.] die Berichte der Staatsanwaltschaft lediglich entgegengenommen und [X.] in komprimierter Form an die [X.] weitergeleitet. Im Rahmen der Erörterung bestimmter [X.] und gerichtlich veranlasster Er-mittlungsmaßnahmen seien durch ihn keine Weisungen an die [X.] erfolgt. 5 I[X.] Ein Ausschlussgrund gegen den [X.] am [X.] liegt nicht vor. In Betracht käme hierbei allein ein möglicher Ausschluss des [X.]s nach § 22 Nr. 4 StPO, wenn er in der Sache als Beamter der [X.] tätig gewesen wäre. Dies ist hier nicht der Fall. 6 Entscheidend hierfür ist darauf abzustellen, ob der [X.] zuvor als Be-amter der Staatsanwaltschaft irgendetwas zur Erforschung des Sachverhalts oder zur Beeinflussung des Ganges des Verfahrens getan hat ([X.], 161, 162; [X.], Urteil vom 7. August 1973 - 1 StR 219/73; [X.], 78; [X.] bei 7 - 5 - [X.] 1982, 281, 282; [X.]/[X.] 5. Auflage § 22 Rdn. 10; [X.] StPO 48. Auflage § 22 Rdn. 18). [X.] am [X.] ist in dem gegen die Ange-klagten geführten Strafverfahren nicht als Beamter der Staatsanwaltschaft tätig geworden. Er hat, wie sich aus der Selbstanzeige des [X.]s vom 31. Januar 2006 sowie der weiteren dienstlichen Erklärung vom 28. Februar 2006 ergibt, während der [X.] seiner Abordnung an das [X.] keine Tätigkeiten entfaltet, die der Erforschung des Sachverhalts oder einer Beein-flussung des Ganges des Verfahrens dienten oder dienen sollten. Die Aus-übung der Dienstaufsicht ist nicht dazu bestimmt, Einfluss auf ein bestimmtes Strafverfahren zu nehmen, sondern dient allein der allgemeinen dienstlichen Überprüfung des Handelns der beaufsichtigten Behörde. [X.] Weisungen an die Staatsanwaltschaft sind nicht erfolgt. Auch sonst sind das Strafverfahren gegen die Angeklagten betreffende Weisungen an die Staatsan-waltschaft unter Beteiligung des [X.]s am [X.] nicht ergangen. Fakten, die auf eine solche Tätigkeit des [X.]s hindeuteten oder sie belegten, sind aus den Akten weder ersichtlich noch werden sie von den Angeklagten vorgetragen. Insbesondere ergibt sich aus dem von dem Ange-klagten [X.] vorgelegten Wortprotokoll des Justizausschusses des [X.] vom 27. Oktober 2000 eine solche Tätigkeit nicht. Ausweislich dieses Protokolls erhielt der [X.] in Vertretung des Abteilungsleiters 3 des [X.]s am 14. Juni 2000 einen Anruf des damaligen [X.] Ge-neralstaatsanwalts, der ihm mitteilte, dass ein Beschluss des [X.] in dem gegen die Angeklagten stattfindenden Strafverfahren er-gangen sei, der die Durchsuchung des [X.] Wirtschaftsministeriums an-ordne. Der Beschluss werde per Fax an das [X.] geleitet, wobei er darum bitte, dass [X.]ihn persönlich entgegennehme, um die [X.] - 6 - nahme durch Unbefugte zu verhindern. [X.] am [X.] versuchte nach Erhalt des Beschlusses, den [X.] Justizminister zu unter-richten, was jedoch zunächst misslang, da dieser einen auswärtigen Termin wahrnahm. Nach der Rückkehr des Ministers überbrachte ihm der [X.] den Durchsuchungsbeschluss des [X.] und wies ihn auf dessen Inhalt hin. Der Justizminister informierte sodann im Beisein [X.] s telefonisch das [X.] darüber, dass eine Durchsuchung bevorstehe. Auch nach dem Ende des Telefongesprächs des Justizministers erfolgte keine Besprechung mit [X.] . Der Minister bat [X.] nur, die Staatsanwaltschaft davon zu unterrichten, dass die von dem [X.] gewünschten Unterlagen durch das [X.] Wirtschaftsministerium herausgegeben wür-den, ohne dass es einer Vollziehung des [X.] bedürfte. [X.] informierte nach der Abfahrt des Ministers den [X.] den [X.] der Staatsanwaltschaft [X.] entsprechend. Am Abend des 14. Juni 2000 unterrichtete [X.] seinen vorgesetzten Abtei-lungsleiter im [X.] über den Vorgang; dieser übernahm am folgenden Tag die weitere Bearbeitung der Angelegenheit. Danach hat der [X.] am [X.] in Bezug auf die anstehende Durchsuchung des [X.] Wirtschaftsministeriums lediglich eine als Überbringertätigkeit einzuordnende Funktion erfüllt. Seine Aufgabe er-schöpfte sich in der Entgegennahme und anschließenden Weiterleitung des dem [X.] mitgeteilten [X.] des Landge-richts [X.]. Die Entscheidung über die Information des [X.] oblag allein dem [X.] Justizminister, die dieser ohne Mitwirkung des [X.]s getroffen hat. Darüber hinaus folgt aus dem Wortprotokoll der [X.] des [X.], dass der [X.] am [X.] erst den vorstehend dargestellten Vorgang zum [X.] - 7 - lass nahm, in die das Strafverfahren gegen die Angeklagten beim [X.] geführten Akten Einsicht zu nehmen ([X.]. 31 des Protokolls); zuvor hatte er ersichtlich noch keine Kenntnis von deren Inhalt. II[X.] Die Ablehnungsgesuche der Angeklagten [X.] und [X.]sind nicht begründet. 10 Der Senat legt die Stellungnahmen des Angeklagten [X.] , obgleich dieser nicht ausdrücklich die Ablehnung des [X.]s am [X.] erklärt hat, als Ablehnungsgesuch im Sinne von § 24 StPO aus. Der Angeklagte [X.]

hat seine Besorgnis dargelegt, der [X.] am [X.] könne durch seine frühere Tätigkeit für das [X.] beeinflusst sein. Aus einer "großen Nähe" des vorliegenden Sachverhalts zu den in § 22 StPO umschriebenen Konstellationen sei auch aus der Sicht eines verständigen Angeklagten die Besorgnis der Befangenheit [X.]. Dies lässt erkennen, dass der Angeklagte [X.] Misstrau-en in die Unparteilichkeit des [X.]s am [X.] hegt. 11 Soweit die Angeklagten geltend machen, die Tätigkeit des [X.]s am [X.] während der [X.] seiner Abordnung an das [X.] [X.] ergebe jedenfalls eine "große Nähe" zu dem in § 22 Nr. 4 StPO geregelten Ausschlussgrund, ist ihr nach § 24 StPO zulässiger Antrag nach dem oben Ausgeführten nicht begründet. 12 Eine Besorgnis der Befangenheit kann sich nicht allgemein aus dem Umstand der Abordnung des [X.]s am [X.] an das 13 - 8 - [X.] und seiner dortigen, im Wege der Dienstaufsicht erfolgten Befassung mit dem gegen die Angeklagten geführten Strafverfahren ergeben (vgl. [X.]/[X.] § 24 Rdn. 6). Auch aus dem Handeln des [X.]s im Zusammenhang mit dem Erlass eines gegen das [X.] Wirtschaftsministerium gerichteten Durchsuchungs-beschlusses des [X.] kann eine Besorgnis der Befangen-heit nicht gefolgert werden. Wie sich aus dem Wortprotokoll über die Sitzung des Justizausschusses des [X.] vom 27. Oktober 2000 ergibt, hat der [X.] am [X.] insoweit lediglich als Überbrin-ger des Beschlusses an den Justizminister gehandelt, ohne dass er auf die Entscheidung des Ministers über eine vorherige Benachrichtigung des Wirt-schaftsministeriums oder gar den Erlass des [X.] selbst Einfluss genommen hätte. Hieraus ergeben sich keine Anhaltspunkte, die [X.] schließen ließen, der [X.] nehme den Angeklagten gegenüber eine [X.] Haltung ein, die seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen könnte. 14 Auch aus den übrigen dem Senat vorliegenden Unterlagen sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die die Besorgnis der Befangenheit begründen könn-ten. Die oben dargestellten von den Angeklagten vorgetragenen Behauptungen und Vermutungen, aus denen aus ihrer Sicht eine Besorgnis der Befangenheit des [X.]s am [X.]
folgen soll, sind mit Tatsachen nicht belegt und vermögen das Ablehnungsgesuch daher nicht zu begründen. [X.] hat der [X.] am [X.] , wie sich aus seiner dienstlichen Erklärung vom 28. Februar 2006 ergibt, während der [X.] seiner Abordnung in keiner Weise auf eine Verurteilung der Angeklagten hingewirkt oder Vorstellungen über das Maß einer gegebenenfalls zu beantragenden [X.] - 9 - fe geäußert. Bereits die zeitlichen Umstände der Abordnung des [X.]s [X.] darauf hin, dass eine von den Angeklagten befürchtete Mitwirkung an ihrer durch das [X.] erfolgten Verurteilung nicht stattgefunden hat. [X.] Roggenbuck

Meta

2 StR 271/05

24.03.2006

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.03.2006, Az. 2 StR 271/05 (REWIS RS 2006, 4313)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 4313

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