Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.03.2003, Az. AnwZ (B) 3/02

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2003, 3909

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[X.] ([X.]) 3/02vom17. März 2003in dem [X.]:ja[X.]GHZ: nein[X.]RAO § 14 Abs. 2 Nr. 8Zur Vereinbarkeit der Tätigkeit eines Arztes mit dem [X.]eruf des Rechtsanwalts.[X.]GH, [X.]eschluß vom 17. März 2003 - [X.] ([X.]) 3/02 - [X.] KoblenzwegenWiderrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschafthier: Vereinbarkeit mit dem Arztberuf- 2 -Der [X.]undesgerichtshof, [X.], hat durch den Präsidentendes [X.]undesgerichtshofs Prof. Dr. Hirsch, [X.], die RichterinDr. [X.], [X.] sowie die Rechtsanwälte Prof. [X.],[X.] und [X.] 17. März 2003beschlossen:Auf die sofortige [X.]eschwerde des Antragstellers werden der[X.]eschluß des 1. Senats des [X.] [X.] 30. August 2001 und die Widerrufsverfügung der [X.] vom 5. Februar 2001 aufgehoben.Gerichtliche Gebühren und Auslagen werden nicht erhoben. Au-ßergerichtliche Auslagen sind nicht zu erstatten.Der Geschäftswert für das [X.]eschwerdeverfahren wird auf50.000,00 Gründe:[X.] Antragsteller ist seit dem 22. Juni 1983 als Rechtsanwalt bei [X.] [X.]und dem [X.]zugelassen.Er betreibt die Kanzlei an seinem ersten Wohnsitz in [X.] mit einem Sozius. Zugleich übt der in Medizin promovierte Antragsteller- 3 -den Arztberuf aus. Seit dem 6. August 1997 ist er als Leitender Arzt in [X.] im [X.]rüderkrankenhaus in [X.]([X.]) tätig.Mit Verfügung vom 5. Februar 2001 widerrief die Antragsgegnerin [X.] des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft nach § 14 Abs. 2 Nr. 8[X.]RAO wegen Unvereinbarkeit der ärztlichen und der anwaltlichen Tätigkeit [X.]. Während des Verfahrens über den hiergegen gestellten [X.] gerichtliche Entscheidung gestattete die Antragsgegnerin dem Antragstellermit [X.]escheid vom 8. Dezember 2001, die [X.]ezeichnung "Fachanwalt für [X.]" zu führen.Der [X.] hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu-rückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige [X.]eschwerde des [X.].II.Die sofortige [X.]eschwerde ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 [X.]RAO)und hat in der Sache Erfolg. Der Widerruf der Zulassung des Antragstellers [X.] hat keinen [X.]estand. Die Tätigkeit des Antragstellers alsArzt ist mit seinem [X.]eruf als Rechtsanwalt unter den besonderen Umständendieses Falles nicht unvereinbar.1. [X.] nicht vereinbaren Tätigkeit (§ 14 Abs. 2 Nr. 8 [X.]RAO) greift in dieFreiheit der [X.]erufswahl (Art. 12 Abs. 1 GG) ein. Dieses Grundrecht umfaßt dieFreiheit, mehrere [X.]erufe zu wählen und nebeneinander auszuüben ([X.]Verf-GE 21, 173, 179; 87, 287 unter [X.] die gesetzliche [X.]eschränkung der [X.]erufsfreiheit durch § 14Abs. 2 Nr. 8 [X.]RAO bestehen von [X.] wegen keine [X.]edenken. Das Zielder Regelung besteht darin, die fachliche Kompetenz und Integrität sowie denausreichenden Handlungsspielraum der Rechtsanwälte zu sichern und die not-wendige Vertrauensgrundlage der Rechtsanwaltschaft zu schützen; damit dientdie Regelung der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege, einem Gemeinwohlbe-lang von großer [X.]edeutung ([X.]VerfGE 87, 287, aaO). Dem [X.]etroffenen ist [X.] seiner [X.]erufswahlfreiheit durch die als Generalklausel [X.] Unvereinbarkeitsvorschrift des § 14 Abs. 2 Nr. 8 [X.]RAO jedoch nur dannzumutbar, wenn bei der Anwendung und Konkretisierung der Generalklauseldurch die Rechtsprechung der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtetwird, der vor allem Zurückhaltung bei der Entwicklung typisierender Unverein-barkeitsregeln gebietet ([X.]VerfGE aaO).2. Auf dieser Grundlage geht der angefochtene [X.]eschluß zutreffend da-von aus, daß der Anwaltsberuf mit dem Arztberuf nicht von vornherein unver-einbar ist, sondern dies davon abhängt, ob eine anwaltliche Tätigkeit neben derTätigkeit als Arzt tatsächlich ausgeübt werden kann. Denn der Rechtsanwalts-beruf darf neben einem anderen [X.]eruf nur gewählt und ausgeübt werden, wenndem Rechtsanwalt der für eine Anwaltstätigkeit unentbehrliche rechtliche undtatsächliche Handlungsspielraum verbleibt ([X.]VerfGE 87, 287, 323; [X.] vom 16. November 1998 - [X.] ([X.]) 44/98, NJW-RR 1999, 570 unterII 1 c). Maßgebend dafür ist nach ständiger Rechtsprechung des [X.]undesge-richtshofs, ob der Rechtsanwalt neben seinem anderen [X.]eruf in der Lage ist,den Anwaltsberuf in einem wenn auch beschränkten, so doch nennenswertenUmfang und jedenfalls mehr als nur gelegentlich auszuüben; eine bloß gering-fügige Möglichkeit, sich als Rechtsanwalt zu betätigen, reicht nicht aus ([X.]GHZ33, 266, 268; Senatsbeschluß vom 16. November 1998, aaO). Dieser Grund-satz, der ein Mindestmaß an Unabhängigkeit und Professionalität des [X.] 5 -anwalts sichern soll, ist vom [X.]undesverfassungsgericht gebilligt und auch fürerforderlich gehalten worden, um den reinen "Feierabend-Anwalt" auszuschlie-ßen und die [X.]erufsbezeichnung des Rechtsanwalts nicht zu einem bloßen Titelwerden zu lassen ([X.]VerfGE aaO, 323).3. Die Anwendung dieser Kriterien auf den vorliegenden Fall ergibt, daßdie Widerrufsverfügung und der angefochtene [X.]eschluß bei umfassender Wür-digung des Sachverhalts, wie er sich in der [X.]eschwerdeinstanz darstellt, keinen[X.]estand haben [X.]) Der Antragsteller hat im [X.]eschwerdeverfahren dargetan, daß er [X.] Tätigkeit als Arzt die rechtliche und auch die tatsächliche Möglichkeit zurAusübung des Anwaltsberufs hat. Der Rechtsträger des [X.]rüderkrankenhauses in [X.] hat dem Antragsteller unwiderruflich die Ausübung [X.] gestattet und ihn für eilbedürftige und fristgebundene anwaltlicheTätigkeiten auch während der Dienstzeit freigestellt. Aufgrund dieser Erklärungseines Dienstherrn ist der Antragsteller befugt, seine ärztliche und seine [X.] Tätigkeit nach den Erfordernissen dieser beiden [X.]erufe eigenverant-wortlich zu organisieren und aufeinander abzustimmen.Mögliche Ausnahmesituationen, in denen gleichermaßen dringliche Auf-gaben des Antragstellers als Arzt und als Rechtsanwalt miteinander kollidierenund eine Entscheidung zugunsten der ärztlichen oder anwaltlichen [X.], rechtfertigen es nicht, dem Antragsteller die Ausübung des [X.] zu untersagen. Aufgrund der Freistellungserklärung des Krankenhaus-trägers ist der Antragsteller seinem Dienstherrn gegenüber berechtigt, der [X.]n Tätigkeit - soweit erforderlich - auch während seiner Dienstzeit alsArzt den Vorrang einzuräumen und sich in seinen ärztlichen Aufgaben durch- 6 -einen der vier ihm nachgeordneten Fachärzte für Anästhesie vertreten zu [X.].Im übrigen ist auch ein Rechtsanwalt, der keinen Zweitberuf ausübt, Kol-lisionen zwischen verschiedenen (anwaltlichen) Aufgaben, die nicht zugleicherledigt werden können, ausgesetzt. Auch der Rechtsanwalt muß dann der ei-nen Aufgabe Vorrang einräumen und hinsichtlich der anderen für eine Vertre-tung sorgen. [X.]eim Antragsteller verhält es sich nicht anders. Für [X.] der Antragsteller sowohl in seinem Arztberuf sorgen, in dem er dazu [X.] der Freistellung durch seinen Dienstherrn und aufgrund seiner Wei-sungsbefugnis als Leitender Arzt berechtigt ist, als auch in seinem Anwaltsbe-ruf, in dem er die Kanzlei gemeinsam mit einem Sozius betreibt.b) Der Umstand, daß das Krankenhaus, in dem der Antragsteller als Arzttätig ist, etwa 280 Kilometer von seiner Kanzlei entfernt liegt, rechtfertigt im vor-liegenden Fall keine andere [X.]eurteilung. Die Rechtsanwaltskanzlei des [X.] ist mit dessen Sozius besetzt und arbeitet somit auch in der [X.], inwelcher der Antragsteller sich nicht in [X.], sondern in [X.] auf-hält. Der Antragsteller verfügt aufgrund seiner Weisungsbefugnis als [X.] und aufgrund der Freistellung durch seinen Dienstherrn über die erforderli-che Flexibilität in seiner ärztlichen Tätigkeit, um diese so einzurichten, daß er inder Lage ist, Gerichtstermine wahrzunehmen und Gespräche mit Mandanten inseiner Kanzlei in [X.] zu führen. [X.] sind [X.] im Dienstbüro des Antragstellers in [X.] möglich, wenn ein persönli-ches Gespräch keinen Aufschub bis zur Rückkehr des Antragstellers nach [X.] duldet. Im übrigen ist die Erreichbarkeit des Antragstellers [X.] und gegnerische Anwälte sowie [X.]ehörden und Gerichte mit [X.] modernen Telekommunikationsmittel in [X.] und [X.] glei-chermaßen [X.] 7 -c) Der Antragsteller hat belegt, daß er eine anwaltliche Tätigkeit mit demvon ihm gewählten Schwerpunkt im Sozialrecht trotz der Entfernung zwischenseinen Arbeitsplätzen in der Kanzlei und im Krankenhaus mehr als nur gering-fügig auszuüben imstande ist und auch tatsächlich ausübt. Ihm ist während deslaufenden Widerrufsverfahrens mit [X.]escheid der Antragsgegnerin [X.] Dezember 2001 die [X.]efugnis verliehen worden, die [X.] das Sozialrecht zu führen. Dafür hat der Antragsteller, wovon sich die An-tragsgegnerin selbst überzeugt hat, nachgewiesen, daß er innerhalb der [X.] Fälle im Sozialrecht mit der erforderlichenAnzahl gerichtlicher Verfahren vor verschiedenen Sozialgerichten bis hin zum[X.]undessozialgericht selbständig bearbeitet [X.]) [X.]eanstandungen der anwaltlichen Tätigkeit des Antragstellers hat esvon seiten seiner Mandanten, wie die Antragsgegnerin nicht bestreitet, in denannähernd 20 Jahren, in denen der Antragsteller seinen [X.]eruf als Rechtsanwaltausübt, und auch in den vergangenen 6 Jahren, in denen der Antragsteller [X.] Arzt am [X.]rüderkrankenhaus in [X.] tätig ist, nicht gegeben. [X.] diesem Gesichtspunkt wäre ein Widerruf der Zulassung des [X.] Rechtsanwaltschaft wegen dessen ärztlicher Tätigkeit ein für den An-tragsteller unzumutbarer, mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht zuvereinbarender Eingriff in dessen verfassungsmäßig geschütztes Recht auffreie [X.]erufswahl.e) Unerheblich für den [X.] nach § 14 Abs. 1 Nr. 8 [X.]RAO istdas Vorbringen der Antragsgegnerin, daß der Antragsteller den wesentlichenTeil seiner anwaltlichen Tätigkeit von [X.] aus verrichte und seinen Kanzlei-sitz in [X.] aufgrund der großen Entfernung von [X.] nur proforma aufrechterhalte. Im Falle einer Verletzung der Kanzleipflicht des [X.] wäre dessen Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nach § 14 Abs. 2- 8 -Nr. 6 i.V.m. § 35 Abs. 1 Nr. 5 [X.]RAO zu widerrufen. Darauf hat die Antragsgeg-nerin den angefochtenen [X.]escheid aber nicht gestützt.4. Da der Antragsteller erst im [X.]eschwerdeverfahren nähere Einzelheitenzu seiner Tätigkeit als Leitender Arzt im [X.]rüderkrankenhaus vorgetragen unddie Freistellungsbescheinigung seines Dienstherrn vorgelegt hat, entsprach esnicht der [X.]illigkeit, eine Erstattung seiner außergerichtlichen Auslagen anzu-ordnen (§ 13 a FGG i.V.m. § 42 Abs. 6 Satz 2 [X.]RAO).Hirsch [X.] [X.] [X.] Schott Wosgien

Meta

AnwZ (B) 3/02

17.03.2003

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.03.2003, Az. AnwZ (B) 3/02 (REWIS RS 2003, 3909)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 3909

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