Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.11.2007, Az. AnwZ (B) 99/06

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2007, 649

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[X.]UNDESGERICHTSHOF [X.]([X.]) 99/06 vom 26. November 2007 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]GHZ: nein [X.]GHR: ja [X.]RAO § 14 Abs. 2 Nr. 8 Die Tätigkeit als angestellter Leiter des Personal-, des Haupt-, des Ordnungs-, des Standes-, und des [X.]auamts einer [X.] ist mit dem Anwaltsberuf nicht verein-bar. [X.]GH, [X.]eschluss vom 26. November 2007 - [X.]([X.]) 99/06 - [X.]ayerischer AGH wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft - 2 - Der [X.]undesgerichtshof, [X.], hat durch [X.], [X.] Ernemann, [X.] und [X.] sowie die Rechtsanwälte [X.], [X.] und Prof. Dr. [X.] nach mündlicher Verhandlung am 26. November 2007 beschlossen: Die sofortige [X.]eschwerde des Antragstellers gegen den [X.]eschluss des 1. Senats des [X.]ayerischen [X.]s vom 28. August 2006 wird zurückgewiesen. Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im [X.]eschwerdeverfahren entstande-nen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten. Der Geschäftswert für das [X.]eschwerdeverfahren wird auf 50.000 • festgesetzt. Gründe: [X.] Der Antragsteller wurde am 17. November 1987 zur Rechtsanwaltschaft und als Rechtsanwalt beim [X.]

und beim [X.]

zugelassen; später erfolgte die Zulassung auch beim Ober-landesgericht [X.].
. Seit dem 1. Juli 2005 ist der Antragsteller bei der im [X.]gelegenen [X.] [X.]

, die knapp 2000 Ein-wohner hat, unter Eingruppierung in die Vergütungsgruppe III [X.]AT angestellt. Zu seinen Aufgaben gehören die Leitung des [X.] (Personalführung 1 - 3 - und -entwicklung), die Systembetreuung der EDV-Anlage, die Leitung des Hauptamtes (Erstellung von Lösungskonzepten zu kommunalen Grundsatzfra-gen, Vorbereitung und Verknüpfung von Entscheidungsprozessen, [X.] von Satzungen bzw. Satzungsänderungen, Mitwirkung beim Vollzug des [X.]) sowie die Leitung des Ordnungs-, des Standes- und des [X.]auamtes. Der erste [X.]ürgermeister der [X.]

ist [X.]; der Kämmerer ist [X.]eamter des mittleren Dienstes. Neben dem Antragsteller sind bei der [X.] noch der Forsttechniker sowie drei Arbeiter und drei Teilzeitkräfte angestellt. Mit Verfügung vom 17. Mai 2006 widerrief die Antragsgegnerin die Zu-lassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft nach § 14 Abs. 2 Nr. 8 [X.]RAO. Der [X.] hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen [X.]eschwerde. 2 I[X.] Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 [X.]RAO), hat in der Sache aber keinen Erfolg. Die Antragsgegnerin hat die Zulassung des [X.] zur Rechtsanwaltschaft zu Recht nach § 14 Abs. 2 Nr. 8 [X.]RAO [X.]. Die vom Antragsteller ausgeübte Tätigkeit als angestellter Leiter des [X.], des Hauptamtes, des Ordnungsamtes, des Standesamtes und des [X.]auamtes der [X.]

ist mit dem Anwaltsberuf unverein-bar. 3 1. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 8 [X.]RAO ist die Zulassung zur Rechtsanwalt-schaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt eine Tätigkeit ausübt, die mit sei-nem [X.]eruf, insbesondere seiner Stellung als unabhängiges Organ der [X.] nicht vereinbar ist oder das Vertrauen in seine Unabhängigkeit gefährden 4 - 4 - kann; dies gilt nicht, wenn der Widerruf für ihn eine unzumutbare Härte [X.] würde. Die Regelung greift in die Freiheit der [X.]erufswahl (Art. 12 Abs. 1 GG) ein, die grundsätzlich auch das Recht umfasst, mehrere [X.]erufe zu wählen und nebeneinander auszuüben ([X.]VerfGE 87, 287, 316). Gegen diese gesetzli-che [X.]eschränkung der [X.]erufswahl durch § 14 Abs. 2 Nr. 8 [X.]RAO bestehen von [X.] wegen keine [X.]edenken; sie dient - ebenso wie die [X.] in § 7 Nr. 8 [X.]RAO - der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege ([X.]VerfGE aaO, 321). Das Ziel der Regelungen besteht darin, die fachliche Kompetenz und Integrität sowie ausreichenden Handlungsspielraum der Rechtsanwälte zu sichern sowie die notwendigen Vertrauensgrundlagen der Rechtsanwaltschaft zu schützen ([X.]VerfGE aaO). Dabei kommt es für die Frage der Vereinbarkeit des Anwaltsberufs mit anderen Tätigkeiten nicht nur auf die Integrität des [X.] [X.]ewerbers und die [X.]esonderheiten seiner beruflichen Situation an; un-abhängig davon ist auch zu berücksichtigen, ob die Ausübung des zweiten [X.]e-rufs beim [X.] Publikum begründete Zweifel an der Unabhängigkeit und Kompetenz des Rechtsanwalts erwecken müsste und dadurch das [X.] der Rechtsanwaltschaft insgesamt in Mitleidenschaft gezogen würde ([X.]VerfGE aaO, 320 f.). Insbesondere kann eine Anstellung des Rechtsanwalts im öffentlichen Dienst wegen der damit verbundenen "Staatsnähe" mit dem [X.]e-rufsbild der freien Advokatur unvereinbar sein ([X.]VerfGE aaO, 321, 324; [X.]VerfG, [X.]eschluss vom 15. März 2007 - 1 [X.]vR 1887/06, [X.]RAK-Mitt. 2007, 122, 123, zu § 14 Abs. 2 Nr. 5 [X.]RAO). Ob der Gesichtspunkt der "Staatsnähe" auch in einem konkreten Fall die Versagung der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft rechtfertigt oder ob die [X.]eschränkung der [X.]erufswahlfreiheit für den [X.]etroffe-nen unzumutbar ist, hängt von einer Würdigung der Umstände des Einzelfalles unter [X.]erücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ab ([X.]VerfGE aaO, 322); denn der öffentliche Dienst ist weit gefächert, seine vielfältigen An-- 5 - forderungen und Dienstleistungen verlangen eine differenzierte [X.]ewertung ([X.]VerfGE aaO, 324). 5 2. Nach Maßgabe dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben hat der [X.] die Angestelltentätigkeit des Antragstellers als Leiter des [X.], des Haupt-, des Ordnungs-, des Standes- und des [X.]auamtes der Ge-meinde [X.]

mit Recht als mit dem Anwaltsberuf nicht vereinbar ange-sehen. a) Die angefochtene Entscheidung geht zutreffend davon aus, dass eine Unvereinbarkeit dann gegeben sein kann, wenn nach dem vom Rechtsanwalt wahrgenommenen Aufgabenbereich im öffentlichen Dienst aus der Sicht des [X.] Publikums der Eindruck entstehen kann, die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts sei durch [X.]indungen an den Staat beeinträchtigt. Das wird insbesondere dann der Fall sein, wenn der Rechtsanwalt in seinem Zweitberuf beamtenähnliche Funktionen ausübt und hoheitlich tätig wird; von Gewicht ist insoweit aber ebenso, ob die Tätigkeit des Rechtsanwalts im öffentlichen Dienst beim [X.] Publikum die Vorstellung nahe legen kann, sie verschaffe ihm besondere Vorteile in der Wahrnehmung der Interessen seiner Mandanten (Senatsbeschlüsse vom 16. November 1998 - [X.]([X.]) 44/98, NJW-RR 1999, 570, unter [X.], und [X.]([X.]) 36/98, NJW-RR 1999, 571, unter [X.]). Unter beiden Gesichtspunkten ist das Anstellungsverhältnis zwischen dem [X.] und der [X.] [X.] mit dem Anwaltsberuf nicht vereinbar. 6 aa) Als Leiter des Personal-, des Haupt-, des Ordnungs-, des Standes- und des [X.]auamtes hat der Antragsteller eine herausgehobene Stellung in der [X.]verwaltung inne. Dies kommt in der [X.]ündelung der verschiedenen Amtsleiterpositionen in der Person des Antragstellers zum Ausdruck. Dem [X.] obliegen mit Ausnahme der Aufgaben des Kämmerers alle relevan-7 - 6 - ten - auch hoheitlichen - Aufgaben der [X.]. Diese nimmt er eigenverant-wortlich und ohne fachliche Weisungen wahr; er unterliegt nur der Dienstauf-sicht des ersten [X.]ürgermeisters (Art. 37 Abs. 4 [X.]ayGO). Sowohl als Leiter des Hauptamtes (Vollzug des [X.]), als auch als Leiter des [X.], als Leiter des [X.]auamtes und nicht zuletzt als Leiter des Ordnungsamtes nimmt der Antragsteller hoheitliche Aufgaben der [X.] [X.]

wahr. Der [X.] hat mit Recht darauf hingewiesen, dass insbe-sondere die Aufgaben und [X.]efugnisse der [X.] als Ordnungsbehörde zur klassischen Funktion des Staates gehören und umfassend das Recht und die Pflicht zu hoheitlichen Eingriffen mit sich bringen. Aus der Entscheidung des [X.]undesverfassungsgerichts vom 1. August 2006 zum einstweiligen Rechtsschutz im Verfahren 1 [X.]vR 1887/06 ([X.] in juris), auf die sich der Antragsteller beruft, ist zu dessen Gunsten nichts herzuleiten. Das [X.]undesverfassungsgericht hat in seiner in derselben Sache ergangenen Hauptsacheentscheidung vom 15. März 2007 zum Status von Kir-chenbeamten (aaO) bekräftigt, dass der [X.]eruf des Rechtsanwalts im Interesse des Gemeinwohls nach dem Grundsatz der freien Advokatur als ein vom Staat grundsätzlich unabhängiger freier [X.]eruf ausgestaltet ist, und daraus hergeleitet, dass der Rechtsanwalt deshalb nicht in Abhängigkeit vom Staat geraten und keine staatlichen Aufgaben wahrnehmen dürfe. Der Antragsteller nimmt aber, wie ausgeführt, staatliche und insbesondere auch hoheitliche Aufgaben wahr. 8 bb) Die [X.]ündelung der verschiedenen Amtsleiterpositionen in der Person des Antragstellers bewirkt, dass dieser in der gemeindlichen Öffentlichkeit als der Entscheidungsträger wahrgenommen wird, der neben dem [X.]ürgermeister "das Sagen" hat. Dies begründet die naheliegende Gefahr, dass Mandanten des Antragstellers oder deren Gegner sich vorstellen werden, die herausgeho-bene Stellung des Antragstellers in der [X.]verwaltung und auch die da-9 - 7 - mit verbundenen Kontakte des Antragstellers zu anderen staatlichen Stellen könnten den Antragsteller in die Lage versetzen, mehr für seine Mandanten zu bewirken als andere Rechtsanwälte. Die Gefahr, dass die Öffentlichkeit den Eindruck gewinnen kann, der Antragsteller vermöge seine herausgehobene Stellung in der [X.] für seine anwaltliche Tätigkeit auszunutzen, ist nicht deshalb zu vernachlässigen, weil es sich bei der [X.] [X.] um eine kleinere [X.] handelt, deren Geschäftsanfall verhältnismäßig gering ist. Gerade die Überschaubarkeit der [X.] bringt es mit sich, dass deren Entscheidungsträger innerhalb der [X.] persönlich bekannt sind und eine etwaige Koppelung einer Amtsleiterposition mit dem Anwaltsberuf in der ge-meindlichen Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Dem steht nicht entgegen, dass der Antragsteller im [X.]eschwerdeverfah-ren seinen Kanzleisitz von [X.]

nach [X.]

verlegt hat. Der [X.] kann nach wie vor seine bisherigen ebenso wie künftige Mandanten aus dem Umkreis von [X.]

und M.

vertreten; diese Orte [X.] zum [X.]ezirk des [X.]

. Das Erscheinungsbild des Antragstellers als eines mit der [X.] [X.]

aufs Engste verbunde-nen Rechtsanwalts wird durch die Verlegung des Kanzleisitzes nicht berührt. 10 Der [X.] hat schließlich mit Recht darauf hingewiesen, dass auch die Gefahr einer Kollision zwischen den staatlichen [X.]elangen, denen der Antragsteller als Amtsleiter verpflichtet ist, und den Interessen seiner [X.] nicht ausgeschlossen werden kann. Dies gilt auch dann, wenn der [X.], wie er geltend macht, seine Anwaltstätigkeit auf das Familienrecht beschränkt. Eine solche Selbstbeschränkung hängt allein vom Willen des [X.] ab und ist deshalb nicht kontrollierbar. 11 - 8 - b) Das Vorliegen einer unzumutbaren Härte als Ausnahmetatbestand für den Widerruf nach § 14 Abs. 2 Nr. 8 [X.]RAO wird vom Antragsteller nicht geltend gemacht und ist auch nicht ersichtlich. Eine Unverhältnismäßigkeit des Wider-rufs hat der [X.] ebenfalls mit Recht verneint; auch dagegen bringt der Antragsteller im [X.]eschwerdeverfahren nichts vor. 12 13 Das neue Vorbringen des Antragstellers, dass er ab Januar 2008 nicht mehr als Standesbeamter tätig sein würde, rechtfertigt im Hinblick auf die übri-gen hoheitlichen Aufgaben des Antragstellers keine andere [X.]eurteilung. [X.] Ernemann Frellesen [X.] Wüllrich Frey [X.] Vorinstanz: [X.], Entscheidung vom 28.08.2006 - [X.]ayAGH I - 20/06 -

Meta

AnwZ (B) 99/06

26.11.2007

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.11.2007, Az. AnwZ (B) 99/06 (REWIS RS 2007, 649)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 649

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