Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.01.2024, Az. II ZB 20/22

2. Zivilsenat | REWIS RS 2024, 798

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Gegenstand

Aktiengesellschaft: Gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats bei Boykottverhalten eines Aufsichtsratsmitglieds


Leitsatz

Ein Aufsichtsrat, der wegen eines dauerhaft boykottierenden Aufsichtsratsmitglieds beschlussunfähig ist, kann nicht entsprechend § 104 Abs. 1 Satz 1 AktG ergänzt werden.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des 2. Zivilsenats des [X.] vom 14. September 2022 wird auf ihre Kosten verworfen.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 60.000 €.

Gründe

I.

1

Die Antragsteller zu 1 und 2 sind Vorstandsmitglieder, die Antragsteller zu 3 und 4 sind Aufsichtsratsmitglieder der [X.], deren Aufsichtsrat nach § 9 Abs. 2 ihrer Satzung aus drei Mitgliedern besteht. Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 der Satzung ist der Aufsichtsrat nur beschlussfähig, wenn drei Mitglieder an der Beschlussfassung teilnehmen.

2

In der mündlichen Verhandlung vor dem [X.](1 [X.]) traten die beiden Aktionäre der [X.], die [X.], deren Gesellschafter die Töchter der weiteren Beteiligten sind, und die [X.] unter Verzicht auf alle Form- und Fristvorschriften zu einer außerordentlichen Hauptversammlung zusammen und bestellten die weitere Beteiligte für die Dauer bis zum Ablauf derjenigen Hauptversammlung, die über den Jahresabschluss und die Entlastung für das vierte Jahr nach der Bestellung beschließt, zum Mitglied des Aufsichtsrats.

3

Die Antragsteller beantragten mit Schriftsatz vom 9. Februar 2022, Rechtsanwalt Prof. Dr.       L.     gemäß § 104 Abs. 1 [X.] für die Dauer bis zur Bestellung eines neuen [X.] durch die Hauptversammlung als Ersatzaufsichtsratsmitglied der [X.] für die weitere Beteiligte zu bestellen, da diese ihre Mitwirkung im Aufsichtsrat verweigere und dessen Beschlussunfähigkeit herbeiführe.

4

Das Amtsgericht - Registergericht - hat den Antrag zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgen die Antragsteller ihr Begehren weiter.

II.

5

Das Beschwerdegericht ([X.], BeckRS 2022, 53394) hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

6

Die Voraussetzungen für die Bestellung eines [X.] nach § 104 Abs. 1 [X.] lägen nicht vor. Der Aufsichtsrat der [X.] bestehe nach § 9 Abs. 2 der Satzung, § 95 Satz 1, 2 [X.] aus drei Aufsichtsratsmitgliedern und sei zahlenmäßig nicht unterbesetzt, da ihm die weitere Beteiligte sowie die Antragsteller zu 3 und 4 angehörten.

7

Dem Fehlen eines Mitglieds gemäß § 104 Abs. 1 [X.] sei die dauernde Amtsverhinderung gleichgestellt. Der auf Sicherung der Handlungs- und Funktionsfähigkeit gerichtete Zweck des § 104 Abs. 1 [X.] gebiete die Anwendung der Vorschrift immer dann, wenn die Verhinderung so beschaffen sei, dass das Aufsichtsratsmitglied längerfristig nicht in der Lage sei, seiner Überwachungsaufgabe nachzukommen und bei Beschlussfassungen seine Stimme zumindest schriftlich abzugeben. Ein Aufsichtsratsmitglied sei aber nicht dauerhaft verhindert iSd § 104 Abs. 1 [X.], wenn es zur Verfolgung von Eigeninteressen die Mitwirkung an den Beschlussfassungen des Aufsichtsrats verweigere. Das Amt des verhinderten [X.] erlösche nicht, sondern ruhe nur bis zur Beendigung des Amts des ersatzweise gerichtlich bestellten [X.]. Nach § 104 Abs. 6 [X.] erlösche das Amt des gerichtlich bestellten [X.] wiederum kraft Gesetzes, sobald der Mangel behoben sei. Die Mitwirkung an den erforderlichen Beschlussfassungen in den Fällen der Obstruktion hänge deshalb ausschließlich vom entsprechenden Willen des [X.] ab. Hingegen erlösche das Amt des bestellten [X.] mit der zwischenzeitlichen Mitwirkung des verhinderten [X.] nach der gerichtlichen Entscheidung. [X.] die Einberufung einer Hauptversammlung aus, sei der Antrag auf Abberufung des [X.] nach § 103 Abs. 3 [X.] mit dem Antrag auf Ersatzbestellung nach § 104 Abs. 1 [X.] zu kombinieren. Das betroffene Aufsichtsratsmitglied sei dabei nicht stimmberechtigt. Die Durchführung und Wirksamkeit der Beschlussfassung nach § 103 Abs. 3 [X.] könne entweder dadurch gesichert werden, dass die Beschlussfassung durch die verbleibenden Aufsichtsratsmitglieder als wirksam angesehen oder eine Ergänzungsbestellung nur für die anstehende Beschlussfassung beantragt werde.

III.

8

Die durch das Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für eine Ergänzung des Aufsichtsrats gemäß § 104 Abs. 1 Satz 1 [X.] liegen nicht vor.

9

1. Dem Aufsichtsrat der [X.] gehört mit den Antragstellern zu 3 und 4 und der weiteren Beteiligten die zur Beschlussfähigkeit nötige Zahl von Mitgliedern an.

Nach § 104 Abs. 1 [X.] sind der Vorstand, ein Mitglied des Aufsichtsrats oder ein Aktionär berechtigt, bei Gericht einen Antrag auf Ergänzung des Aufsichtsrats zu stellen, wenn dem Aufsichtsrat die zur Beschlussfassung erforderliche Anzahl von Mitgliedern nicht angehört. Die Norm soll die Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats sicherstellen (vgl. [X.], Urteil vom 24. Juni 2002- [X.], [X.], 1619, 1621 mwN). Dem Fehlen eines Mitglieds wird die dauerhafte Amtsverhinderung des [X.] gleichgesetzt, etwa wegen rechtlicher, wie die Vertretung eines Vorstandsmitglieds nach § 105 Abs. 2 S. 1 [X.], oder tatsächlicher Verhinderung, etwa infolge Krankheit, Unerreichbarkeit oder eines dauerhaften Interessenkonflikts ([X.] in [X.], [X.], 5. Aufl., § 104 Rn. 3; [X.], [X.], 17. Aufl., § 104 Rn. 2; [X.] in Hölters/[X.], [X.], 4. Aufl., § 104 Rn. 7; BeckOGK[X.]/[X.], Stand: 01.07.2023, § 104 Rn. 12).

Die weitere Beteiligte ist weder rechtlich noch tatsächlich dauerhaft an der Ausübung ihres Aufsichtsratsmandats gehindert. Das Beschwerdegericht hat offengelassen, ob die weitere Beteiligte die Mitwirkung im Aufsichtsrat seit September 2021 boykottiert und damit dessen Beschlussunfähigkeit herbeiführt, um so die Geltendmachung von Zahlungsansprüchen der [X.] gegen die Erbengemeinschaft nach H.          , der neben der weiteren Beteiligten auch ihre drei Töchter angehören, zu verhindern. Dies ist deshalb für das Rechtsbeschwerdeverfahren zu unterstellen. Dabei handelt es sich aber nicht um einen dauerhaften, sondern lediglich um einen punktuellen Interessenkonflikt der weiteren Beteiligten bei ihrer Aufsichtsratstätigkeit für die [X.], der auch nach den von der Rechtsbeschwerde dazu angeführten [X.] (MünchKomm[X.]/[X.], 6. Aufl., § 104 Rn. 13; [X.], [X.], 17. Aufl., § 104 Rn. 2; [X.]/Lieder, 6. Aufl., § 26 Rn. 270) nicht vom Anwendungsbereich des § 104 Abs. 1 [X.] erfasst wird. Die von der Rechtsbeschwerde in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge hat der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet (§ 577 Abs. 6 Satz 2, § 564 Satz 1 ZPO).

2. Ein Aufsichtsrat, der wegen eines dauerhaft boykottierenden [X.] beschlussunfähig ist, kann nicht entsprechend § 104 Abs. 1 Satz 1 [X.] ergänzt werden.

a) Teilweise wird allerdings, insbesondere bei einem dreiköpfigen Aufsichtsrat, eine entsprechende Anwendung der Norm befürwortet (BeckOGK [X.]/[X.], Stand: 01.07.2023, § 104 Rn. 13, § 108 Rn. 45; MünchKomm[X.]/[X.], 6. Aufl., § 104 Rn. 13; [X.] in [X.] Aktiengesellschaft, [X.]. 80, Rn. [X.]; [X.], [X.] 2019, 85, 86; [X.], AG 2012, 359, 361 ff.).Dagegen liegt nach einer anderen Ansicht auch im Fall eines dauerhaften obstruktiven Verhaltens des [X.] keine Beschlussunfähigkeit des Aufsichtsrats vor, die eine entsprechende Anwendung des § 104 Abs. 1 Satz 1 [X.] erfordere. Vielmehr sei jeder Form von Obstruktion mit den üblichen Rechtsbehelfen gegen unbotmäßiges Verhalten von Organmitgliedern zu begegnen ([X.] in [X.], [X.], 5. Aufl., § 108 Rn. 10; [X.], [X.], 5. Aufl., § 104 Rn. 5; [X.], [X.], 17. Aufl., § 104 Rn. 2; [X.]/Lieder, 6. Aufl., § 26 Rn. 270; [X.]/[X.] in Großkomm[X.], 5. Aufl., § 104 Rn. 27; [X.] in Hölters/[X.], [X.], 4. Aufl., § 104 Rn. 7; [X.]/Tielmann, Aufsichtsrat, 2. Aufl., § 104 Rn. 32;E. Vetter in [X.]/[X.], Handbuch börsennotierte AG, 5. Aufl., Rn. 25.39).

b) Der Senat schließt sich der zuletzt genannten Ansicht an. Eine Analogie setzt voraus, dass das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke aufweist und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem Tatbestand, den der Gesetzgeber geregelt hat, vergleichbar ist, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen [X.] gekommen ([X.], Urteil vom 15. Februar 2022 - [X.]/20, [X.]Z 232, 375 Rn. 25 mwN). Das ist nicht der Fall.

aa) Ein dauerhaftes, zur Beschlussunfähigkeit des Aufsichtsrats führendes Boykottverhalten des [X.] kann mit einer dauerhaften rechtlichen oder tatsächlichen Verhinderung bereits deshalb nicht gleichgesetzt werden, da es jederzeit beendet werden kann. Zudem ist eine gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats nicht geeignet, die durch das obstruierende Aufsichtsratsmitglied herbeigeführte Situation rechtssicher aufzulösen. Gemäß § 104 Abs. 6 [X.] erlischt das Amt des gerichtlich bestellten [X.], sobald der Mangel behoben ist. Das obstruktive Aufsichtsratsmitglied hat es also in der Hand, durch sein Erscheinen zur Aufsichtsratssitzung nach der gerichtlichen Ersatzbestellung die Beschlussfähigkeit des Gremiums wieder herbeizuführen, was zum [X.] des gerichtlich bestellten [X.] führt. Es bedürfte dann einer erneuten gerichtlichen Ersatzbestellung, wenn das Aufsichtsratsmitglied zu seinem obstruktiven Verhalten zurückkehrt ([X.] in [X.], [X.], 5. Aufl., § 108 Rn. 10; [X.] in Hölters/[X.], [X.], 4. Aufl., § 104 Rn. 7 [X.]. 27).

bb) Das Aktiengesetz eröffnet auch in der Konstellation eines [X.] Aufsichtsrats die Möglichkeit, ein ohne Bindung an Wahlvorschläge gewähltes, die Teilnahme an der Beschlussfassung boykottierendes Aufsichtsratsmitglied abzurufen, ein neues Aufsichtsratsmitglied durch die Hauptversammlung oder das Gericht zu bestellen und damit die Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats sicherzustellen. Dem Schutzanliegen des § 104 [X.] kann daher auch ohne entsprechende Anwendung der Norm Rechnung getragen werden.

(1) Nach § 103 Abs. 1 Satz 1 [X.] können Aufsichtsratsmitglieder, die von der Hauptversammlung ohne Bindung an Wahlvorschläge gewählt worden sind, vor dem Ablauf ihrer Amtszeit abberufen werden. Der Möglichkeit der Abberufung durch die Hauptversammlung kann die Rechtsbeschwerde nicht mit Erfolg das Konfliktlösungspotential mit der Argumentation absprechen, die Abberufung des obstruierenden [X.] und die Neuwahl eines Nachfolgers durch einen Hauptversammlungsbeschluss sei schwerfällig und mit Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagerisiken behaftet (so aber [X.], AG 2012, 359, 360). Im Übrigen verfängt der Einwand gerade im vorliegenden Fall nicht, wenn man berücksichtigt, dass die weitere Beteiligte anlässlich eines [X.] im Wege einer außerordentlichen Hauptversammlung in den Aufsichtsrat der zweigliedrigen Aktiengesellschaft gewählt worden ist. Das zeigt jedenfalls, dass das Argument gerade in Aktiengesellschaften mit geschlossenem Aktionärskreis im Hinblick auf § 121 Abs. 6 [X.] nicht überzeugt.

Etwas Anderes folgt auch nicht aus der Argumentation der Rechtsbeschwerde, die weitere Beteiligte könne mit Hilfe der [X.] als hälftiger Aktionärin ihre Abberufung dauerhaft verhindern, da sie als mittelbare Anteilseignerin bei der Beschlussfassung in der Hauptversammlung über ihre eigene Abberufung nicht ausgeschlossen sei (vgl. dazu [X.], [X.], 17. Aufl., § 103 Rn. 4 mwN). Es kann dahinstehen, ob eine solche Beherrschung der [X.] durch die weitere Beteiligte, die ausweislich des von den Antragstellern vorgelegten Handelsregisterauszugs der [X.] vom 8. Februar 2022 am 1. Dezember 2021 als persönliche Gesellschafterin ausgeschieden und auch nicht als Kommanditistin ausgewiesen ist, über ihre Töchter als Gesellschafter vorliegt. Dies hätte zwar für den konkreten Streitfall, in dem zwei Aktionäre zu gleichen Teilen an einer Aktiengesellschaft beteiligt sind, zur Konsequenz, dass in einer Situation, in der nur einer der Aktionäre die Abberufung wünscht, eine Abberufung nach § 103 Abs. 1 [X.] nicht möglich ist. Das kann aber nicht zur Folge haben, dass der abberufungswillige Aktionär, der das betreffende Aufsichtsratsmitglied selbst in den Aufsichtsrat gewählt hat, aber nun nicht die Stimmrechtsmacht besitzt, sein Abberufungsverlangen durchzusetzen, seinen Willen über die gerichtliche Bestellung eines weiteren [X.] durch eine entsprechende Anwendung des § 104 Abs. 1 Satz 1 [X.] durchzusetzen vermag. Mit derartigen Einzelfallerwägungen lässt sich die analoge Anwendung einer Norm nicht begründen.

(2) Daneben kann das Gericht ein boykottierendes Aufsichtsratsmitglied nach § 103 Abs. 3 [X.] abberufen.

(a) Nach § 103 Abs. 3 Satz 1 [X.] hat das Gericht auf Antrag des Aufsichtsrats ein Aufsichtsratsmitglied abzuberufen, wenn in dessen Person ein wichtiger Grund vorliegt. Ein wichtiger Grund im Sinne der Norm liegt bei einem nachweisbaren Boykottverhalten vor ([X.], Beschluss vom 28. August 2018 - 31 Wx 61/17, [X.], 1932, 1933; [X.] in [X.], [X.], 5. Aufl., § 103 Rn. 16; MünchKomm[X.]/[X.], 6. Aufl., § 103 Rn. 41; [X.], [X.], 17. Aufl., § 103 Rn. 10).

(b) Der Aufsichtsrat beschließt über die Antragstellung mit einfacher Mehrheit, § 103 Abs. 3 Satz 2 [X.]. Ein solcher Beschluss kann auch in einem dreiköpfigen Aufsichtsrat ohne Teilnahme des boykottierenden [X.] an der Abstimmung mit den Stimmen der beiden anderen Aufsichtsratsmitglieder wirksam gefasst werden.

Gemäß § 108 Abs. 2 Satz 3 [X.] müssen in jedem Fall drei Mitglieder des Aufsichtsrats an der Beschlussfassung teilnehmen. Besteht ein Aufsichtsrat, wie vorliegend, nur aus der gesetzlichen Mindestzahl von drei Mitgliedern (§ 95 Satz 1 [X.]), kann deshalb das obstruktive Aufsichtsratsmitglied durch seine Nichtteilnahme nach dem Wortlaut der Norm eine wirksame Beschlussfassung tatsächlich verhindern. Diesem ist es jedoch verwehrt, sich auf diese formale Rechtsposition zu berufen, wonach der Aufsichtsrat als Organ aufgrund seiner Nichtteilnahme beschlussunfähig sei.

Ein Aufsichtsratsmitglied, gegen das ein Abberufungsverfahren nach § 103 Abs. 3 [X.] eingeleitet werden soll, unterliegt bei der Abstimmung einem Stimmverbot ([X.] 2003, 89, 92; [X.] in [X.], [X.], 5. Aufl., § 103 Rn. 13; [X.], [X.], 17. Aufl., § 103 Rn. 12; [X.]/[X.] in KK-[X.], 3. Aufl., § 103 Rn. 30; MünchKomm[X.]/[X.], 6. Aufl., § 103 Rn. 35; [X.]/[X.] in Großkomm[X.], 5. Aufl., § 103 Rn. 58; [X.] in Hölters/[X.], [X.], 4. Aufl., § 103 Rn. 31; BeckOGK[X.]/[X.], Stand: 01.07.2023, § 103 Rn. 31) und kann die Einleitung des Abberufungsverfahrens deshalb nicht verhindern. Der Stimmrechtsausschluss eines von drei Aufsichtsratsmitgliedern führt nicht zur Beschlussunfähigkeit des Organs gemäß § 108 Abs. 2 Satz 2, 3 [X.]. Vielmehr kann und muss das betreffende Aufsichtsratsmitglied zur Vermeidung einer Beschlussunfähigkeit des Organs an der Beschlussfassung teilnehmen, hat sich aber der Stimme zu enthalten ([X.], Urteil vom 2. April 2007 - [X.], [X.], 1056 Rn. 13). Infolgedessen missbraucht das betreffende Mitglied seine formale Rechtsposition, wenn es sich auf die durch sein eigenes schuldhaftes Fernbleiben verursachte Beschlussunfähigkeit beruft, um so den Beschluss über den erforderlichen Antrag nach § 103 Abs. 3 Satz 1 [X.] zu vereiteln. § 108 Abs. 2 Satz 3 [X.] ist deshalb in einem Fall des zielgerichteten Rechtsmissbrauchs dahingehendteleologisch zu reduzieren, dass der Antrag nach § 103 Abs. 3 [X.] auch dann zulässig ist, wenn bei der Beschlussfassung nur die zwei übrigen Aufsichtsratsmitglieder mitgewirkt haben, der Aufsichtsrat also an sich beschlussunfähig war ([X.] in [X.], [X.], 5. Aufl., § 108 Rn. 10; [X.]/[X.] in Großkomm[X.], 5. Aufl., § 103 Rn. 59; BeckOGK[X.]/[X.], Stand: 01.07.2023, § 103 Rn. 31, § 108 Rn. 44 f.; [X.]/[X.], [X.] 2003, 49, 51 ff.; [X.]/[X.], AG 2004, 27, 29; aA MünchKomm[X.]/[X.], 6. Aufl., § 103 Rn. 35; [X.] 2003, 89, 94; [X.]/[X.], [X.] 2003, 671, 673).

Diese Rechtsauffassung hat sich der Aufsichtsrat der [X.] auch in seinem Antrag vom 21. Juni 2022, die weitere Beteiligte nach § 103 Abs. 3 [X.] abzuberufen, zu eigen gemacht.

[X.]     

      

Wöstmann     

      

Bernau

      

von Selle     

      

[X.]     

      

Meta

II ZB 20/22

09.01.2024

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend Thüringer Oberlandesgericht, 14. September 2022, Az: 2 W 268/22

§ 103 Abs 1 AktG, § 103 Abs 3 AktG, § 104 Abs 1 S 1 AktG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.01.2024, Az. II ZB 20/22 (REWIS RS 2024, 798)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 798

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II ZR 235/20

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