Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.11.2017, Az. 4 StR 468/17

4. Strafsenat | REWIS RS 2017, 1918

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Gegenstand

Strafurteil: Notwendige Feststellung der Vorschriftsmäßigkeit einer Wahllichtbildvorlage bei Nichtidentifizierung des Angeklagten durch den Zeugen in der Hauptverhandlung


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 11. Juli 2017 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben

a) soweit der Angeklagte im Fall II. 1 verurteilt ist;

b) hinsichtlich der im Fall II. 2 verhängten Einzelstrafe und im Gesamtstrafenausspruch.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, davon in einem Fall „unter Mitführung eines sonstigen Gegenstandes, der nach seiner Art zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt ist“ (zur Tenorierung in diesen Fällen vgl. [X.], Urteil vom 28. August 1996 - 3 [X.], [X.]R BtMG § 30a Abs. 2 Urteilsformel 1) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine auf die ausgeführte Sachrüge gestützte Revision hat den aus der [X.] ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln im Fall II. 1 der Urteilsgründe kann nicht bestehen bleiben, weil die Beweiswürdigung einen durchgreifenden Rechtsfehler aufweist.

3

a) Nach den hierzu getroffenen Feststellungen verkaufte der Angeklagte in der [X.] zwischen dem 1. Februar 2016 und dem 31. August 2016 unter anderem in der [X.] in [X.]     in Kleinmengen Marihuana an die Zeugen [X.]    und S.    . Das Rauschgift entstammte einem Vorrat, den der Angeklagte und seine Mittäter in einer Wohnung in dem Anwesen [X.]   unterhielten. Dort konnten am 31. August 2016 noch insgesamt 1016,98 Gramm Marihuana (127,83 Gramm Tetrahydrocannabinol) aufgefunden werden. Im Badezimmer der Wohnung war neben Verpackungsmaterial griffbereit ein Springmesser abgelegt.

4

b) Die diesen Feststellungen zugrunde liegende Beweiswürdigung ist unter mehreren Gesichtspunkten lückenhaft, soweit das [X.] seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten auf ein Wiedererkennen durch den Zeugen [X.]    bei einer „in der mündlichen Verhandlung erneut vorgelegten Lichtbildvorlage“ ([X.]) gestützt hat. Zum einen ergeben die Urteilsgründe nicht, ob diese Lichtbildvorlage vorschriftsmäßig erfolgt ist (vgl. [X.] Nr. 18). Eine entsprechende Darstellung wäre hier aber erforderlich gewesen, da der Zeuge den Angeklagten im Rahmen der Hauptverhandlung nicht sicher zu identifizieren vermochte und die Lichtbildvorlage für den Beweiswert der Aussage dieses Zeugen deshalb von entscheidender Bedeutung war (vgl. [X.], Beschluss vom 27. Februar 1996 - 4 StR 6/96, [X.], 350, 351; [X.], [X.], 233, 236 mwN). Zum anderen setzt sich die [X.] nicht mit dem eingeschränkten Beweiswert eines wiederholten Wiedererkennens in der Hauptverhandlung auseinander (vgl. [X.], Beschlüsse vom 8. Dezember 2016 - 2 StR 480/16, [X.], 111; vom 30. März 2016 - 4 [X.], [X.], 223 [[X.]]; Urteile vom 14. April 2011 - 4 StR 501/10, [X.], 648, 650; vom 19. November 1997 - 2 [X.], [X.], 266, 267; vom 28. Juni 1961 - 2 StR 194/61, [X.]St 16, 204, 205 f.). Da sich das [X.] die Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten aus einer Gesamtschau des [X.] gebildet hat, vermag der Senat ein Beruhen des Urteils auf diesen [X.] nicht auszuschließen.

5

2. Die Aufhebung der Verurteilung im Fall II. 1 der Urteilsgründe zieht auch die Aufhebung der im Fall II. 2 der Urteilsgründe verhängten [X.] nach sich. Denn die [X.] hat dem Angeklagten bei deren Bestimmung maßgeblich angelastet, nach der Sicherstellung der Betäubungsmittel im Fall II. 1 der Urteilsgründe und der Festnahme seiner Mittäter mit einer noch größeren Betäubungsmittelmenge Handel getrieben zu haben. Dies und die umfassende Aufhebung im Fall II. 1 der Urteilsgründe haben die Aufhebung der Gesamtstrafe zur Folge.

6

3. Der neue Tatrichter wird bei der Darstellung der Ergebnisse der Auswertung von DNA-Spuren die insoweit geltenden Anforderungen der Rechtsprechung zu berücksichtigen haben (vgl. [X.], Beschlüsse vom 27. Juni 2016 - 2 StR 572/16, Rn. 12; vom 30. März 2016 - 4 [X.], Rn. 12 mwN). Sollte wiederum § 30a Abs. 3 BtMG zur Anwendung kommen, wird die Sperrwirkung von § 29a Abs. 1 BtMG zu beachten sein (vgl. [X.], Urteil vom 12. Februar 2015 - 5 StR 536/14, Rn. 5; Beschluss vom 14. August 2013 - 2 StR 144/13, [X.], 180).

Sost-Scheible          

      

Cierniak          

      

Franke

      

Bender          

      

Quentin          

      

Meta

4 StR 468/17

22.11.2017

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Paderborn, 11. Juli 2017, Az: 1 KLs 25/17

§ 261 StPO, Nr 18 RiStBV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.11.2017, Az. 4 StR 468/17 (REWIS RS 2017, 1918)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 1918

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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