Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 30.06.2010, Az. 6 B 7/10

6. Senat | REWIS RS 2010, 5307

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Gegenstand

Telekommunikation; Regulierung; Beurteilungsspielraum bei der Bestimmung der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung


Gründe

1

1. Die [X.]eschwerden, die sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache stützen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), bleiben ohne Erfolg. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne dieser Vorschrift ist eine Rechtssache nur, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von [X.]edeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Den Darlegungen der [X.]eschwerden lässt sich nicht entnehmen, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind.

2

a) Die [X.]eklagte will geklärt wissen:

"Hat die [X.]eklagte einen [X.]eurteilungsspielraum dahingehend, in welchem Umfang die Kosten des regulierten Unternehmens für die [X.]eurteilung, ob die Entgelte sich an den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung orientieren, nachgewiesen sein müssen, mit der Folge, dass sie auch auf den Nachweis einzelner in die zu vergütende Leistung einfließender Kosten des regulierten Unternehmens verzichten kann?

Kann die [X.]eklagte ein genehmigungspflichtiges Entgelt ganz oder teilweise genehmigen, obwohl die Stundensätze des regulierten Unternehmens und die den [X.] zugrundeliegenden Einzelkosten je Kostenstelle nicht nachgewiesen sind?"

3

Diese Fragen rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht. Sie lassen sich, soweit sie sich in dem erstrebten Revisionsverfahren stellen würden, auf der Grundlage der bisher ergangenen Rechtsprechung unmittelbar aus dem Gesetz beantworten.

4

Ob und inwieweit ein regulierungsbehördlicher [X.]eurteilungsspielraum bei der [X.]estimmung der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung besteht, ist zwar in der Rechtsprechung des [X.]s noch nicht allgemein geklärt. Der [X.] hat bisher angenommen, dass bei der Überprüfung von Kostenpositionen auf Richtigkeit und Erforderlichkeit, wie sie die [X.] regelmäßig kennzeichnet, die Anerkennung eines nur eingeschränkt überprüfbaren [X.] jedenfalls nicht durchgängig geboten, sondern allenfalls in [X.]ezug auf abgrenzbare Teilaspekte angezeigt ist (Urteil vom 24. Juni 2009 - [X.]VerwG 6 C 19.08 - [X.] 442.066 § 35 TKG Nr. 3 Rn. 21). Zu einer weitergehenden Klärung etwaiger [X.]eurteilungsspielräume bei der [X.] bietet auch der vorliegende Fall keinen Anlass. Denn das angefochtene Urteil beruht nicht auf der Anerkennung eines derartigen Spielraums für einen bestimmten [X.], sondern umgekehrt auf der - zutreffenden - Einschränkung, dass ein etwaiger [X.]eurteilungsspielraum, soweit er anzuerkennen sein sollte, jedenfalls den in der Rechtsprechung hierfür allgemein entwickelten Grenzen unterliegt. Danach hat das Gericht mindestens zu überprüfen, ob die [X.]ehörde die gültigen Verfahrensbestimmungen eingehalten hat, von einem richtigen Verständnis des anzuwendenden Gesetzesbegriffs ausgegangen ist, den erheblichen Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt hat und sich bei der eigentlichen [X.]eurteilung an allgemein gültige Wertungsmaßstäbe gehalten, insbesondere das Willkürverbot nicht verletzt hat (s. nur Urteil vom 2. April 2008 - [X.]VerwG 6 C 15.07 - [X.]VerwGE 131, 41 = [X.] 442.066 § 10 TKG Nr. 1 Rn. 21 m.w.N.).

5

Unter dieser Prämisse hat das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen, dass sich aus dem Urteil des [X.] vom 24. April 2008 - [X.]. [X.]/06 - (Slg. 2008, [X.]) keine zusätzliche Einschränkung des gerichtlichen Kontrollmaßstabes ergibt. Zwar hat der Gerichtshof den nationalen Regulierungsbehörden hinsichtlich der [X.]eurteilung der [X.] Kosten des Zugangs zum [X.] eine "weitreichende [X.]efugnis" zugesprochen (a.a.[X.] Rn. 155 ff.). Das bedeutet aber nicht, dass die dem effizienten Rechtsschutz verpflichtete gerichtliche Kontrolle hinter den für die Überprüfung von [X.]eurteilungsspielräumen allgemein entwickelten Kriterien zurückzubleiben hätte. Der [X.] hat vielmehr in seinem vorbezeichneten Urteil ausdrücklich klargestellt, dass die damals maßgeblichen und auch auf den vorliegenden Fall noch anwendbaren [X.]en [X.]estimmungen - insbesondere der Verordnung ([X.]) Nr. 2887/2000 über den entbündelten Zugang zum [X.] - keine Angleichung der nationalen Vorschriften über den Umfang der gerichtlichen Kontrolle im Einzelfall anstrebten. Die Ausgestaltung gerichtlicher Verfahren, einschließlich der Art und Weise der richterlichen Kontrolle von Entscheidungen der nationalen Regulierungsbehörde über die [X.], sei vielmehr unter [X.]eachtung des Äquivalenzgrundsatzes und des Effektivitätsgrundsatzes eine Angelegenheit der innerstaatlichen Rechtsordnung, wobei das nationale Gericht die Einhaltung der [X.] gebotenen Kostenorientierung der Entgelte sicherzustellen habe (a.a.[X.] Rn. 163 ff.).

6

Das Verwaltungsgericht hat in Anwendung der allgemein anerkannten Schranken eines (etwaigen) [X.] beanstandet, dass die Regulierungsbehörde den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht vollständig und zutreffend ermittelt, sondern die Ansätze und [X.]erechnungen der [X.]eigeladenen ohne ausreichende Prüfung übernommen habe, obwohl ausweislich eines behördeninternen Prüfberichts sowohl die maßgeblichen Stundensätze als auch die [X.] nicht nachgewiesen gewesen seien. Dem Urteil lässt sich weder entnehmen, dass die [X.]ehörde daran gehindert wäre, anstelle der Kostenberechnung des Unternehmens gegebenenfalls auf ein analytisches Kostenmodell zurückzugreifen, noch, dass eine Schätzung bestimmter Kostenpositionen auf Grund nachvollziehbarer Schätzungsgrundlagen von vornherein ausgeschlossen wäre. Darauf kam es für die Entscheidung nicht an, weil die [X.]ehörde weder ein analytisches Kostenmodell aufgestellt, noch eine Schätzung vorgenommen, sondern auf die Kostenberechnung der [X.]eigeladenen abgehoben hatte. Welche Anforderungen an die diesbezügliche Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts konkret zu stellen sind, ist ersichtlich eine Frage des Einzelfalls und entzieht sich damit einer verallgemeinernden Klärung.

7

b) Die [X.]eigeladene hält für klärungsbedürftig:

"Darf die Regulierungsbehörde Angaben über Kosten, die das regulierte Unternehmen in den Antragsunterlagen gemacht hat, dann für die Ermittlung der genehmigungsfähigen Entgelte übernehmen, wenn die Kostenangaben nach Einschätzung der Regulierungsbehörde plausibel sind, auch wenn eine vollständige Prüfung nicht möglich ist?"

8

Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision schon deshalb nicht, weil sie sich dem Verwaltungsgericht nicht gestellt hat. Rechtsfragen, auf die die Vorinstanz nicht entscheidend abgehoben hat, können regelmäßig nicht zur Zulassung der Revision führen (s. [X.]eschlüsse vom 18. Mai 2006 - [X.]VerwG 6 [X.] 14.06 - juris Rn. 11 und vom 14. November 2008 - [X.]VerwG 6 [X.] 61.08 - [X.] 422.2 Rundfunkrecht Nr. 47 Rn. 3). Das Verwaltungsgericht ist in dem angefochtenen Urteil ausdrücklich davon ausgegangen, dass die Regulierungsbehörde die Plausibilität der Kostenansätze der [X.]eigeladenen gerade nicht festgestellt, sondern diese vielmehr ohne ausreichende [X.]egründung in die [X.] übernommen hat. Nach Maßgabe des angefochtenen Urteils unzutreffend ist ferner die der Fragestellung zugrundeliegende Prämisse, eine vollständige Prüfung der Kosten sei nicht möglich gewesen. Denn das Urteil geht im Gegenteil ausdrücklich davon aus, dass die entscheidungserheblichen Grundlagen der [X.] durch die [X.]eigeladene hätten nachgewiesen werden können. Ob die betreffenden Annahmen des [X.] in der Sache zutreffend sind oder nicht, betrifft wiederum nur den Einzelfall und hat keine darüber hinausreichende [X.]edeutung, soweit es sich nicht ohnehin um tatsächliche Feststellungen handelt, gegen die keine Verfahrensrügen vorgebracht sind.

9

Die [X.]eigeladene fragt weiter:

"Folgt eine Einschränkung der Sachaufklärungspflicht der [X.]ehörde aus der Fristbindung des Verfahrens (§ 28 Abs. 2 TKG 1996, § 31 Abs. 6 Satz 3 TKG)?"

Die Antwort auf diese Frage ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf. Sie gewinnt eine grundsätzliche [X.]edeutung insbesondere nicht im Hinblick darauf, dass ein Entgeltantrag, über den die Regulierungsbehörde nach dem auf den Streitfall noch anwendbaren § 28 Abs. 2 TKG 1996 fristgebunden zu entscheiden hat, von ihr lediglich abgelehnt werden "kann", wenn das Unternehmen die maßgeblichen [X.] nicht vollständig vorgelegt hat (§ 27 Abs. 4 TKG 1996 i.V.m. § 2 Abs. 3 [X.] 1996). Diese [X.] bezweckt, eine Versagung der Genehmigung trotz unzureichender [X.] dann zu vermeiden, wenn sich die [X.]ehörde die erforderlichen Informationen - etwa durch Marktdaten, durch [X.] aus anderen Genehmigungsverfahren und durch [X.] von dritter Seite - selbst verschaffen kann; sie bezweckt demgegenüber nicht, die materiellen Anforderungen an die Genehmigungserteilung herabzusetzen (s. Urteil vom 25. November 2009 - [X.]VerwG 6 C 34.08 - N&R 2010, 40 Rn. 29 zu § 35 Abs. 3 Satz 3 TKG 2004). Daher steht fest, dass über einen Entgeltantrag auch im Hinblick auf den nahenden Fristablauf nicht positiv entschieden werden darf, wenn und solange es für die vorgelegten Entgelte an einer ausreichenden Datengrundlage fehlt.

Meta

6 B 7/10

30.06.2010

Bundesverwaltungsgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend VG Köln, 19. November 2009, Az: 1 K 4166/02, Urteil

§ 28 Abs 2 TKG, § 31 Abs 6 S 3 TKG 2004, § 35 TKG 2004

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 30.06.2010, Az. 6 B 7/10 (REWIS RS 2010, 5307)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5307

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