Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.03.2012, Az. 5 StR 525/11

5. Strafsenat | REWIS RS 2012, 7648

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5 [X.]/11

BUNDESGERICHTSHOF

IM [X.] DES VOLKES

URTEIL

vom 28. März 2012
in der Strafsache
gegen

wegen besonders schweren Raubes u.a.

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Der 5. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung
vom 28. März 2012, an der teilgenommen haben:

[X.],

[X.] Raum,
[X.],
[X.]in Dr. [X.],
[X.] Bellay

als beisitzende [X.],

[X.]

als Vertreter der [X.]schaft,

Rechtsanwältin

als Verteidigerin,

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

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für Recht erkannt:

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des [X.] vom 17. Juni 2011 wird verworfen.

Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen [X.] zu tragen.

Von Rechts wegen

[X.] n d e

Das [X.] hat den Angeklagten wegen (besonders) schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung der Strafen aus einem weiteren Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt und ein Klappmesser eingezogen. Mit ihrer entsprechend
beschränkten und auf die Sachrüge gestützten Revi-sion, die vom [X.] vertreten wird, macht die Staatsanwalt-schaft geltend, das [X.] habe zu Unrecht von der Anordnung der [X.] abgesehen.

1. Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getrof-fen:

a) Der auch einschlägig vorbestrafte Angeklagte hatte im Rahmen ei-nes mit hoher Wahrscheinlichkeit illegalen Geschäftes zugesagt, für den Zeugen K.

Ware zu besorgen, die dieser gegen Zahlung eines Kaufprei-ses
in Höhe von 1.000

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traf sich der Angeklagte

vorgeblich zur Abwicklung des Geschäfts

mit K.

. Der Angeklagte, der von Anfang an die Absicht hatte, in den Besitz des Geldes des Zeugen zu gelangen, erschien zu dem Treffen mit einem
unbekannten Mann. Nach einer Begrüßung nahm der Angeklagte den [X.] unvermittelt in den Schwitzkasten

und forderte die Herausgabe des mitgeführten Bargeldes. Nachdem K.

sich diesem Ansinnen widersetzte, sprang der unbekannte Dritte ihm in den Rücken, schlug ihn mit Fäusten und trat auf den bereits am Boden liegenden K.

ein. Auch der Angeklagte schlug auf den Zeugen ein
und setzte ihm
ein Klappmesser an den [X.]. Da K.

gleichwohl nicht bereit war, sein Geld herauszugeben, schnitt ihm der Angeklagte zweimal in den [X.]. K.

hielt seine Geldbörse, die sich in seiner seitlichen Hosentasche befand, weiterhin von außen fest.
Der An-geklagte
drohte, ihm
den Finger abzuschneiden, und schnitt
ihm in den Daumen. Da auch dieses
nicht zur Herausgabe des Geldes führte, wurde dem Zeugen schließlich das Portemonnaie
aus der Hosentasche herausge-schnitten. Der Geschädigte erlitt durch die Handlungen des Angeklagten und seines Mittäters drei bis zu etwa sechs Zentimeter lange, insgesamt ober-flächliche Schnittverletzungen am [X.] und am Daumen, die teilweise
genäht wurden, darüber hinaus eine Prellung an der Schläfe und Hautab-schürfungen an [X.] und Hinterkopf ohne tiefer gehende Verletzungen.

b) Das [X.] hat das Vorliegen der formellen Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 1, Abs. 4 Satz
3 und 4 StGB aF mit Rücksicht darauf bejaht, dass der Angeklagte be-reits am
15. Dezember 1998 wegen einer am 17. August 1997 begangenen gefährlichen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten und am
10. November 2006 wegen eines am 21. Dezem-ber
2002 begangenen versuchten schweren Raubes in Tateinheit mit gefähr-licher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden war und sich vor der neuen Tat auf der Grundlage des ersten ge-nannten Urteils mehr als zwei Jahre in Haft befunden hatte.

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Darüber hinaus ist die sachverständig beratene [X.] zu dem Ergebnis gekommen, dass auch die materiellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 StGB aF
vorlägen.
Der Angeklagte
habe eine fest eingewurzelte Nei-gung, immer wieder straffällig zu werden, wenn sich die Gelegenheit böte. l-

Indes sieht die [X.]
den nach dem Urteil des [X.] vom 4. Mai 2011 ([X.] 128, 326) geltenden erhöhten Ge-fährlichkeitsmaßstab nicht als erfüllt an:
Das Verhalten des Angeklagten sei S. 26).
Bei den bisherigen Straftaten sei es dem Angeklagten in der Regel um materielle Vorteile gegangen.
Sie
ließen sich überwiegend dem Bereich der unteren bis mittleren Kriminalität zuordnen.
Auch soweit Tatbestände
schwerer Gewaltta-ten erfüllt gewesen
seien, zeigten die bislang verhängten Strafen, dass die innerhalb der Gruppe der schweren Kriminalität im unteren Bereich angesie-
hohe Gefahr weiterer auch schwerer Gewaltstraftaten, jedoch nicht eine

2. Die Revision der Staatsanwaltschaft bleibt im Ergebnis erfolglos. Zwar lässt die Bezugnahme des angefochtenen Urteils
auf die Anforderung einer das [X.]
den vom [X.] bestimmten Verhältnismä-ßigkeitsmaßstab (aaO Rn. 172) unzutreffend eng gesehen hat. Auf diesem Verstoß beruht das Urteil jedoch nicht.

a) Im Hinblick darauf, dass § 66 Abs. 1 StGB nach den Feststellungen des [X.]s derzeit wegen Verstoßes gegen Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 GG und Artikel 104 Abs. 1 GG verfassungswidrig ist, gilt die Vorschrift vorläufig nur unter eingeschränkten Voraussetzungen weiter 5
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([X.]
aaO). Danach dürfen Eingriffe in das Freiheitsrecht des Angeklag-ten nur so
weit reichen, wie sie unerlässlich sind, um die Ordnung des be-troffenen [X.] aufrecht zu erhalten. Die Sicherungsverwahrung darf zurzeit nur nach Maßgabe einer besonders strengen Verhältnismäßig-keitsprüfung angewandt werden, wenn eine Gefahr schwerer Gewalt-
oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder in dem [X.] des Betroffenen abzuleiten ist.

b) -
oder Sexual-

worauf der [X.] bereits wiederholt [X.] hat

eine Einschränkung gegenüber den Taten zum Ausdruck, die bislang für die Anordnung der Sicherungsverwahrung genügten ([X.], Urteil vom 13. März 2012

5 StR 497/11; Beschluss vom 27. September
2011

4 StR 362/11
Rn. 9; Urteil vom 4. August 2011

3 [X.], [X.], 672, 673; Beschluss vom 2.
August 2011

3 [X.], [X.]R StGB
§ 66 strikte Verhältnismäßigkeit 1). Danach sind erhöhte Anforderungen sowohl an die Konkretisierung der Rückfallprognose als auch an den Wert der ge-fährdeten Rechtsgüter zu stellen. Bei der auf den Einzelfall bezogenen Ver-hältnismäßigkeitsprüfung kommt es, über die
gesetzgeberische
Aufnahme in
den Katalog tauglicher Vor-
und Anlasstaten
hinaus, prinzipiell nicht auf die Bezeichnung des Straftatbestands an, dessen Verletzung für die Zukunft droht, auch nicht auf den durch gesetzliche Strafrahmen im Voraus gewichte-ten Schuldumfang, sondern auf die Bedeutung des vor Rückfalltaten des [X.] zu schützenden Rechtsgutes, ferner auf den Grad der Wahr-scheinlichkeit der künftigen Rechtsgutsverletzung und gegebenenfalls
auf die mögliche Verletzungsintensität ([X.], Urteil vom 19. Oktober 2011

2
StR 305/11
Rn. 10).

c) Bei der nach diesen Maßstäben vorzunehmenden Verhältnismäßig-keitsabwägung ist neben den vom [X.] herangezogenen [X.] insbesondere zu berücksichtigen, dass die Anlasstat
im Zeitpunkt der Hauptverhandlung gut vier Jahre zurücklag und eine langjährige Frei-9
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heitsstrafe verhängt wurde.
Der Angeklagte, der sich
bereits seit Septem-ber
2007 ununterbrochen in anderweitiger Strafhaft befindet,
hat noch bis zu etwa neun Jahren
Freiheitsstrafe zu verbüßen.
In dieser Zeit kann
mit den Mitteln des Strafvollzuges auf ihn eingewirkt werden. Vor diesem Hintergrund im Sinne der Entscheidung des [X.]s, um das mit der Maßregel verfolgte Ziel des Schutzes der Allgemeinheit vor schweren Sexu-al-
und Gewaltstraftaten zu erreichen.

Der Senat schließt aus, dass in einer neuen tatgerichtlichen Haupt-verhandlung weitergehende Feststellungen getroffen werden könnten, wel-che
die Anordnung von Sicherungsverwahrung tragen könnten.

[X.] Raum [X.]

[X.] Bellay

11

Meta

5 StR 525/11

28.03.2012

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.03.2012, Az. 5 StR 525/11 (REWIS RS 2012, 7648)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7648

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5 StR 525/11

4 StR 362/11

3 StR 175/11

3 StR 208/11

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