Bundesfinanzhof, Urteil vom 13.07.2016, Az. VIII R 73/13

8. Senat | REWIS RS 2016, 8266

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Gegenstand

Besteuerung eines ausländischen sog. "Spin-off" - Bindungswirkung der BFH-Entscheidung im ersten Rechtsgang - Bindung des BFH an die Feststellungen des FG zum ausländischen Recht


Leitsatz

1. Der BFH ist bei einer Entscheidung im zweiten Rechtsgang auch bei einem Wechsel der Zuständigkeit des Senats und bei von den Beteiligten geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken an die Rechtsauffassung des BFH im ersten Rechtsgang gebunden .

2. Eine Rückgewähr von Eigenkapital i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG im Rahmen eines "Spin-off" einer US-amerikanischen Kapitalgesellschaft liegt vor, soweit die Leistungen der Kapitalgesellschaft im Wirtschaftsjahr das Nennkapital und den im Vorjahr festgestellten ausschüttbaren Gewinn übersteigen oder wenn sich dies aus der Bilanz der ausschüttenden Gesellschaft ergibt .

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 28. Oktober 2013 5 K 1227/11 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

2

Der Kläger erwarb am 25. [X.]ebruar 1998  1 500 [X.]ktien der [X.], die ihren Sitz in den [X.] ([X.]) hat, zum Tageskurs von 55,25 US-Dollar je [X.]nteil. Zu diesem Zeitpunkt hielt [X.] 80,7 % des Nominalkapitals an der [X.]. Die Geschäftsleitung von [X.] legte am 2. März 1998 die [X.]usgliederung der Beteiligung an der [X.], den sog. "Spin-off", für den 7. [X.]pril 1998 fest. Infolgedessen erhielt der Kläger als [X.]nteilseigner der [X.] neben der Bardividende je [X.]-[X.]ktie einen [X.]nteil von 0,262085 an der [X.], somit insgesamt 393,12 [X.]ktien der [X.], zugeteilt.

3

Nach einer [X.]ußenprüfung war der Beklagte und Revisionskläger (das [X.]inanzamt --[X.][X.]--) der [X.]uffassung, die Zuteilung der [X.]ktien der [X.] sei wie eine Bardividende zu besteuern. Es legte dementsprechend in dem zuletzt am 3. März 2010 geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr (1998) der Besteuerung Kapitaleinkünfte aus dem "Spin-off" in Höhe von 53.298,24 DM zugrunde. Der Einspruch und die Klage hiergegen blieben im ersten Rechtsgang ohne Erfolg ([X.]inanzgericht --[X.]G-- Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. September 2007  5 K 1484/07, Entscheidungen der [X.]inanzgerichte --E[X.]G-- 2008, 41). Der [X.] des [X.] (B[X.]H) gab der Revision der Kläger im ersten Rechtsgang durch Urteil vom 20. Oktober 2010 I R 117/08 (B[X.]HE 232, 15) statt und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.]G zurück. Das [X.]G gab der Klage im zweiten [X.] mit seinem Urteil vom 28. Oktober 2013  5 K 1227/11 (E[X.]G 2014, 350) statt.

4

Hiergegen wendet sich die Revision des [X.][X.], der das Bundesministerium der [X.]inanzen (BM[X.]) beigetreten ist.

5

Das [X.][X.] beantragt,
das angefochtene Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Die Kläger beantragen,
die Revision des [X.][X.] als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

I[X.] Die Revision des [X.] ist begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Sache mangels Spruchreife zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der [X.]inanzgerichtsordnung --[X.]O--).

8

Das [X.] ist aufgrund der von ihm getroffenen [X.]eststellungen rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass es sich bei der Zuteilung der Aktien im Rahmen des "Spin-off" um eine nicht steuerbare Einlagenrückgewähr handelt. Die [X.]eststellungen des [X.] erlauben keine abschließende Beurteilung der [X.]rage, ob dies zutrifft.

9

1. Wie der [X.] Senat des [X.] in seinem Urteil in [X.]E 232, 15 entschieden hat, handelt es sich bei der Übertragung der A-Aktien um eine im Inland zu besteuernde Sachausschüttung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden [X.]assung (EStG). Das [X.] hatte nach dem Zurückverweisungsbeschluss des [X.] im zweiten Rechtsgang zu klären, ob die Übertragung der Aktien zu Lasten des Gewinns von [X.] erfolgte oder als Einlagenrückgewähr zu qualifizieren ist. Sollte eine Rückzahlung der Einlage außerhalb der Herabsetzung des [X.] vorliegen, sei die Zuteilung der Aktien über den Wortlaut des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG hinaus nicht steuerbar.

2. An diese Rechtsauffassung ist der für die Entscheidung im zweiten Rechtsgang zuständig gewordene [X.]. Senat des [X.] gebunden (vgl. [X.]-Urteile vom 26. April 1988 VII R 97/87, [X.]E 153, 490, [X.] 1988, 865; vom 29. Juni 1994 I R 102/93, [X.]E 175, 82, [X.] 1995, 249). Diese Bindungswirkung besteht trotz der vom BM[X.] geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das Urteil des [X.] Senats in [X.]E 232, 15. Diese sind im zweiten Rechtsgang nicht entscheidungserheblich. Die Bindung an den Zurückverweisungsbeschluss eines anderen [X.]-Senats dient dem höherrangigen Zweck, einen alsbaldigen Rechtsfrieden zwischen den Prozessparteien herbeizuführen (vgl. Urteil des [X.] vom 21. November 2006 XI ZR 347/05, Neue Juristische Wochenschrift 2007, 1127).

3. Die Würdigung des [X.], dass es sich bei der Zuteilung der Aktien um eine nicht steuerbare Einlagenrückgewähr i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG handelt, hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.

a) [X.]ür das Revisionsgericht sind die vom [X.] zu Bestehen und Inhalt des ausländischen Rechts getroffenen [X.]eststellungen grundsätzlich bindend (§ 155 [X.]O i.V.m. § 560 der Zivilprozessordnung). Sie sind wie Tatsachenfeststellungen zu behandeln. Die Bindungswirkung entfällt allerdings, soweit die erstinstanzlichen [X.]eststellungen keine ausreichende Grundlage für eine Entscheidung über das Bestehen und den Inhalt des ausländischen Rechts geschaffen haben (vgl. [X.]-Urteil vom 8. Dezember 2014 III R 4/13, [X.]/NV 2015, 845, m.w.N).

b) Nach diesen Grundsätzen ist die vom [X.] vorgenommene Würdigung des [X.] Rechts revisionsrechtlich zu beanstanden.

aa) Das [X.] hat seine Entscheidung auf das von ihm eingeholte Gutachten über die [X.] Rechtslage gestützt. Dieses Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass sich die [X.]rage, ob die Zuteilung der Aktien der A als Einlagenrückgewähr zu qualifizieren sei, nicht nach dem maßgeblichen [X.] Handels- und Gesellschaftsrecht beantworten lasse, da die [X.]rage der Umstrukturierung einer Kapitalgesellschaft nicht gesetzlich geregelt sei. Die Rechtsfrage sei deshalb anhand der steuerrechtlichen Regelungen zu beurteilen. [X.] sei vorliegend § 355 Internal Revenue Code ([X.]R.C.). Danach sei die Umstrukturierung nach [X.]m Steuerrecht steuerfrei.

bb) Diese vom [X.] zu Bestehen und Inhalt des [X.] Rechts getroffenen [X.]eststellungen entfalten keine Bindungswirkung, weil sie in Bezug auf die entscheidungserhebliche [X.]rage, ob es sich bei der Anteilsgewährung um eine Einlagenrückgewähr handelt, unzulänglich sind.

(1) Bei der Anwendung des [X.] Steuerrechts auf ausländische Sachverhalte ist eine rechtsvergleichende Qualifizierung der ausländischen Einkünfte nach [X.] Recht vorzunehmen (vgl. [X.]-Urteil vom 23. Oktober 2013 [X.], [X.]E 243, 332, [X.] 2014, 103). Eine Vergleichbarkeit der Sachausschüttung mit einer Dividende i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG liegt dann vor, wenn sie aus vorhandenen --laufenden oder in früheren Jahren angesammelten-- Jahresüberschüssen der Gesellschaft (earnings und profits) gezahlt wird. Eine Rückzahlung von nicht in das [X.] geleisteten Einlagen kann u.a. dann vorliegen, wenn die Leistungen der Kapitalgesellschaft im Wirtschaftsjahr das [X.] und den im Vorjahr festgestellten ausschüttbaren Gewinn übersteigen. Eine Einlagenrückgewähr kann sich auch aus der nach ausländischem Recht aufgestellten Bilanz der ausschüttenden Gesellschaft ergeben.

(2) Das Urteil des [X.] enthält keine [X.]eststellungen dazu, ob es sich bei der Zuteilung der Aktien um Auszahlungen von Jahresüberschüssen der Gesellschaft oder um die Rückzahlung von nicht in das [X.] geleisteten Einlagen handelt. Die [X.]eststellungen zur Steuerfreiheit des "Spin-off" nach § 355 [X.]R.C. des [X.] Rechts geben hierzu keinen Aufschluss. Zwar darf nach dem für die Steuerfreiheit erforderlichen "[X.]" die [X.] nicht vorwiegend dazu genutzt werden, Einkünfte und Profite der ausgebenden Gesellschaft auszuschütten. [X.] wird dabei nach dem vom [X.] eingeholten Gutachten u.a. darauf, ob die Aktien zum Verkauf verteilt werden (negatives Kriterium) oder ob die Abspaltung einen eigenständigen wirtschaftlichen Zweck verfolgt (positives Kriterium). Dies lässt jedoch keinen Rückschluss darauf zu, ob die Sachausschüttung aus dem Gewinn bzw. einer Gewinnrücklage oder aus den Einlagen finanziert wurde.

4. Die Sache ist nicht spruchreif und deshalb an das [X.] zurückzuverweisen, damit dieses die erforderlichen [X.]eststellungen nachholt. [X.]ür den dritten Rechtsgang weist der Senat auf folgendes hin:

a) Das [X.] hat bislang keine [X.]eststellungen dazu getroffen, wie der "Spin-off" in der Bilanz der [X.] erfasst worden ist. Es hat die diesbezüglichen [X.]eststellungen unter Berücksichtigung der rechtsvergleichenden Ausführungen des erkennenden Senats zu § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG nachzuholen. Bei der erneuten Entscheidung wird es zu berücksichtigen haben, dass die [X.] und das Nachweisrisiko für das Vorliegen der Voraussetzungen einer steuerfreien [X.] die Kläger treffen, da diese zu einem Steuervorteil führt (vgl. [X.]-Urteile vom 15. Januar 2015 I R 69/12, [X.]E 249, 99, Schlussurteil zu den Urteilen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften Meilicke I und [X.]; vom 18. August 2015 I R 38/12, [X.]/NV 2016, 378; Senatsurteil vom 17. November 2015 [X.] R 27/12, [X.]E 252, 112, [X.] 2016, 539).

b) Sollte das [X.] zu der Überzeugung gelangen, dass es sich im Streitfall um eine steuerbare Gewinnausschüttung handelt, wäre diese dem Kläger zuzurechnen. Dies gilt unabhängig von der [X.]rage, ob nach Maßgabe des [X.] Rechts ein Gewinnverteilungsbeschluss i.S. des § 20 Abs. 2a Satz 2 EStG vorlag, da der Kläger nach den im zweiten Rechtsgang getroffenen [X.]eststellungen des [X.] im Zeitpunkt der Übertragung der Anteile an der [X.] der [X.] war (s. hierzu [X.]-Urteil in [X.]E 232, 15).

5. Die Übertragung der Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VIII R 73/13

13.07.2016

Bundesfinanzhof 8. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 28. Oktober 2013, Az: 5 K 1227/11, Urteil

§ 20 Abs 1 Nr 1 EStG 1997, § 20 Abs 2 EStG 1997, § 20 Abs 2a EStG 1997, § 30 Abs 2 Nr 4 KStG, § 560 ZPO, § 126 Abs 3 S 1 Nr 2 FGO, § 155 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 13.07.2016, Az. VIII R 73/13 (REWIS RS 2016, 8266)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 8266

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Steuerneutrale Sachausschüttung durch Zuteilung von Aktien im Rahmen eines „spin-offs“


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