Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.07.2018, Az. I R 52/16

1. Senat | REWIS RS 2018, 6247

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Gegenstand

Besteuerungsrückfall bei unterschiedlicher Abkommensanwendung


Leitsatz

Der Begriff der Einkünfte i.S. des § 50d Abs. 9 Satz 1 EStG 2002 i.d.F. des JStG 2007 erfasst positive und negative Einkünfte, so dass abkommensrechtlich steuerfrei gestellte Verluste bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen vom Besteuerungsrückfall erfasst werden und im Inland ungeachtet des Abkommens abziehbar sind.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 3. Juni 2016  1 K 848/13 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

A.

1

Die Kläger und [[X.].] (Kläger) wurden in den [[X.].]treitjahren (1991 bis 2004) als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war in dieser Zeit im Inland als selbständiger Rechtsanwalt unter der [[X.].] und Partner Rechtsanwälte berufstätig.

2

Der Kläger eröffnete im Jahr 1991 in [[X.].] ein Anwaltsbüro ([[X.].]üro [[X.].]) in angemieteten, zweckentsprechenden Räumlichkeiten ([[X.].]esprechungsräume, [[X.].]). Der [[X.].] bestand durchgängig bis zur [[X.].] 2010. Danach mietete der Kläger mit Vertrag vom 12. Mai 2010 ein "[X.]büro". [[X.].]eit Ende 2012 ist der Kläger in [[X.].] in keinerlei Organisationsform mehr präsent.

3

[[X.].]is zum 30. [[X.].]eptember 1992 war zunächst kein Anwalt im [[X.].]üro [[X.].] tätig. Halbtags wurde als Ansprechpartnerin eine Teilzeitsekretärin beschäftigt, die in geringem Umfang auch Verwaltungstätigkeiten erledigte.

4

[[X.].]eit Oktober 1992 war in unterschiedlicher Ausprägung, gleichwohl aber durchgängig, ein Anwalt präsent, der in der [[X.].]er Kanzlei Dienste erbrachte, die nach der damals gültigen [[X.].]undesrechtsanwaltsgebührenordnung ([[X.].]) zumindest als Rat, Auskunft (§ 20 [[X.].]) oder Gutachten (§ 21 [[X.].]) abrechenbar waren. Im Übrigen diente das [[X.].]üro als Repräsentanz der [[X.].] und Partner in [[X.].]. Letzteres ergab sich auch aus dem [[X.].]riefkopf der Kanzlei.

5

Von Oktober 1992 bis März 1994 war Rechtsanwalt [[X.].] im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses im [[X.].]üro [[X.].] tätig. Während seiner Tätigkeit für den Kläger verfügte [[X.].] über zwei Wohnsitze, einen im Inland und einen in [[X.].]. Er war nicht nur in der [[X.].] ([[X.].]) als Rechtsanwalt zugelassen, sondern ab Ende 1993 bei der Anwaltskammer in [[X.].] als "Membre Associé" registriert. [[X.].]eine Tätigkeit in [[X.].] bestand darin, für die Kanzlei bei den [[X.].] Institutionen Informationen zu erlangen und Kontakte herzustellen, die nur vor Ort in [[X.].] beschafft werden konnten. Von den Tätigkeiten des [[X.].] in [[X.].] entfielen ca. 60 % auf die Repräsentation des [[X.].]üros, 10 % auf die rechtliche [[X.].]eratung von Mandanten, je 5 % auf die Erstellung von Gutachten, rechtlichen [[X.].]tellungnahmen, rechtlichen Recherchen und die [[X.].]üroverwaltung. Im Übrigen (ca. 10 %) war er im Inland zur Erlangung weiterer Mandate sowie zur Gestaltung von Verträgen und der Vertretung vor Gericht tätig.

6

Ab Mitte 1994 beschäftigte der Kläger K[[X.].], einen ehemaligen Abteilungsdirektor der [[X.].]. K[[X.].] war seit 1994 in [[X.].] (Inland) als Rechtsanwalt zugelassen und verfügte dort über ein [[X.].]üro.

7

Mit K[[X.].] schloss der Kläger einen Vertrag über freie Mitarbeit, in dem u.a. festgelegt wurde, dass die Anwaltstätigkeit i.[[X.].]. der [[X.].]undesrechtsanwaltsordnung ausschließlich im Rahmen der [[X.].] und Partner auszuüben sei. Die Honorarnoten zur anwaltlichen Tätigkeit seien nur im Rahmen der [[X.].] und Partner zu stellen. Alle Mandate, gleich welcher Art, sollten dabei als Mandate der [[X.].] und Partner gelten. Die Honorareinnahmen wurden nach einem festgelegten Verteilungsschlüssel verteilt. Die Kooperation mit K[[X.].] dauerte bis 2004.

8

K[[X.].] nutzte das [[X.].]üro [[X.].], um die Kanzlei des Klägers in [[X.].] zu repräsentieren. Er erhielt hierfür zwar keine besondere Vergütung, K[[X.].] bearbeitete aber im [[X.].]üro [[X.].], wie auch mehrfach monatlich im [[X.].]üro in [[X.].], Mandate. Das Unterhalten des [[X.].]üro [[X.].] verursachte in allen [[X.].]treitjahren erhebliche Verluste.

9

Für das [[X.].]üro [[X.].]rüssel wurden für die Jahre 1991 bis 2004 bei den [[X.].] Finanzbehörden [[X.].]teuererklärungen eingereicht, denen eine "Gewinnermittlung" beigefügt war. Es fand darüber hinaus eine "[[X.].]etriebsprüfung" vor Ort durch [[X.].] [[X.].]teuerbeamte statt. Die [[X.].] Finanzverwaltung erteilte unter den Daten des 27. August 2008 und des 31. März 2010 jeweils eine [[X.].]escheinigung. Dort wird dreisprachig (französisch, flämisch, englisch) durch [[X.].]piegelstriche getrennt ausgeführt, dass [X.] Rechtsanwälte

-       

bezüglich der Anwendung des zwischen [[X.].]elgien und [[X.].] geschlossenen Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht als in [[X.].]elgien ansässig betrachtet wird ("is not regarded as a resident of [[X.].]elgium for the purpose of applying the double taxation convention concluded between [[X.].]elgium and Germany");

-     

für die Geschäftsjahre 1991 bis 2007 Einkünfte der Jahre 1990 bis 2006, hinsichtlich aller seiner in [[X.].]elgien erzielten oder bezogenen Einkünfte nicht der Einkommensteuer von Nichtansässigen (Gesellschaften) unterliegt ("is not liable to income tax on non-residents (companies) on his total income earned or collected in [[X.].]elgium for the tax years 1991 – 2007, income of the years 1990 – 2006");

-   

nicht mehr die Möglichkeit hat, hinsichtlich des vorgenannten Zeitraums in [[X.].]elgien frühere Verluste auszugleichen ("carry-forward of losses in [[X.].]elgium is not allowed for the above mentioned period").

Während der Kläger vorinstanzlich die Ansicht vertrat, dass das [[X.].]üro angesichts seiner Ausrichtung als Repräsentanz in [[X.].] nicht als feste Einrichtung qualifiziert werden könne, ging der [[X.].]eklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) im [X.] an mehrere [[X.].]etriebsprüfungen davon aus, dass der Kläger in [[X.].] über eine feste Einrichtung i.[[X.].]. des Art. 14 Abs. 1 des Abkommens zwischen der [[X.].] und dem Königreich [[X.].]elgien zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und zur Regelung verschiedener anderer Fragen auf dem Gebiete der [[X.].]teuern vom Einkommen und vom Vermögen einschließlich der Gewerbesteuer und der Grundsteuern vom 11. April 1967 --D[[X.].]A-[[X.].]elgien-- ([[X.].]G[[X.].]l II 1969, 18, [[X.].][[X.].]t[[X.].]l I 1969, 39) verfügt habe und dem Königreich [[X.].]elgien nach Art. 14 Abs. 1 [[X.].]atz 2 des genannten Abkommens daher das Recht zur [[X.].]esteuerung der der festen Einrichtung zuzurechnenden Einkünfte zustehe. Die Verluste des [[X.].]üros [[X.].] seien im Inland lediglich bei der Ermittlung des besonderen [[X.].]teuersatzes (Progressionsvorbehalt) zu berücksichtigen.

Dem folgte das Finanzgericht (FG) München in seinem Urteil vom 3. Juni 2016  1 K 848/13 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2017, 304) nicht. Es ging zwar vom Vorliegen einer festen Einrichtung in den Jahren 1991 bis 2004 aus. Wie die in den Jahren 2008 und 2010 erteilten [[X.].]escheinigungen zeigten, sei aber das [X.] [[X.].] [[X.].]ehörden auf eine Weise angewandt worden, die zu einer Nichtbesteuerung der Einkünfte in [[X.].]elgien geführt habe. Dadurch sei es gemäß § 50d Abs. 9 [[X.].]atz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes 2002 i.d.[X.] (J[[X.].]tG 2007) vom 13. Dezember 2006 ([[X.].]G[[X.].]l I 2006, 2878, [[X.].][[X.].]t[[X.].]l I 2007, 28) --E[[X.].]tG 2002/[X.] (i.V.m. § 52 Abs. 59a [[X.].]atz 6 E[[X.].]tG 2002 i.d.F. des J[[X.].]tG 2007) zu einem Rückfall des [[X.].]esteuerungsrechts an [[X.].] mit der Folge gekommen, dass die [[X.].]er Verluste als [[X.].]etriebsausgaben im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung abzuziehen seien.

Dagegen wendet sich das [X.] mit seiner Revision. Es beantragt, das Urteil der Vorinstanz hinsichtlich Einkommensteuer 1991 bis 2004 aufzuheben und die [[X.].]ache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision des [X.] als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

B.

Die Revision ist zulässig und begründet.

I.

Die Revision ist zulässig.

Das [[X.].] hat nicht lediglich Verfahrensrügen erhoben, sondern auch die Verletzung sachlichen Rechts geltend gemacht (Sachrüge). Es hat unter --den Anforderungen des § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a der Finanzgerichtsordnung ([[X.].]O) genügender-- Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung dargelegt, dass die tatsächlichen Feststellungen des [[X.].] lückenhaft sind und die rechtliche Würdigung des [[X.].] nicht von ausreichenden tatsächlichen Feststellungen getragen ist. Derartige Mängel betreffen nach ständiger Rechtsprechung des [[X.].] ([[X.].]) das materielle Recht und nicht das Verfahrensrecht (vgl. Lange in [[X.].]/[[X.].]/[[X.].], § 118 [[X.].]O Rz 100, m.w.N.). Ob die materiellen Rechtsfehler tatsächlich vorliegen, ist allein Gegenstand der Begründetheit der Sachrüge. Da diese in zulässiger Weise erhoben wurde, kommt es im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Revision nicht mehr darauf an, ob auch die zusätzlich vom [[X.].] erhobene Verfahrensrüge einer Verletzung des § 96 Abs. 1 [[X.].]O ordnungsgemäß (vgl. § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b [[X.].]O) angebracht wurde (vgl. § 118 Abs. 3 [[X.].]O; hierzu Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 118 Rz 66, 73).

II.

Die Revision ist begründet.

Die Annahme des [[X.].], das Besteuerungsrecht sei gemäß § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 [[X.].] 2002/2007 an [[X.].] zurückgefallen, ist nicht von ausreichenden tatsächlichen Feststellungen getragen. Das Fehlen ausreichender Feststellungen stellt einen materiell-rechtlichen Mangel des Urteils dar, der --auch ohne [[X.].] zur Aufhebung der Vorentscheidung führt ([[X.].]-Urteile vom 27. April 1999 III R 21/96, [[X.].]E 189, 255, [[X.].] 1999, 670; vom 10. Juni 2008 VIII R 76/05, [[X.].]E 222, 313, [[X.].] 2008, 937; Senatsurteil vom 12. August 2015 I R 2/13, [[X.].]/NV 2016, 47).

1. Die der Anwendung des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 [[X.].] 2002/2007 [[X.].] vorgehende Beurteilung des [[X.].] nach Maßgabe des [[X.].] und des [[X.].]-[[X.].] durch das [[X.].] ist frei von Rechtsfehlern.

a) Dies gilt zunächst dafür, dass der Kläger in den Streitjahren seinen (einzigen) Wohnsitz i.S. des § 8 der Abgabenordnung in [[X.].] hatte und er deshalb mit seinem Welteinkommen der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht gemäß § 1 Abs. 1 [[X.].] unterlag. Nach Maßgabe des [[X.].] waren somit die Aufwendungen für das Büro [[X.].] bei der Ermittlung seiner Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 18 [[X.].]) zu berücksichtigen.

b) Das [[X.].] hat weiterhin zu Recht angenommen, dass nach abkommensrechtlichen Maßstäben das Besteuerungsrecht für die dem Büro [[X.].] zuzurechnenden (negativen oder positiven) Einkünfte dem [[X.].] zustand.

aa) Der Kläger war aufgrund seines einzigen Wohnsitzes in [[X.].] in [[X.].] ansässig (Art. 4 Abs. 1 [[X.].]-[[X.].]) und in [[X.].] bezog er Einkünfte aus selbständiger Arbeit aus einer dort belegenen festen Einrichtung (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 [[X.].]-[[X.].]). Das [[X.].] hat zu Recht die Qualifikation des Büro [[X.].] als feste Einrichtung i.S. der genannten Bestimmung als zweifelsfrei bezeichnet. Soweit die Kläger in erster Instanz dies noch mit dem Hinweis bestritten haben, das Büro [[X.].] sei eine reine Repräsentanz gewesen, in der keine persönlichen Anwaltsarbeiten erbracht worden seien (vgl. Senatsurteil vom 25. November 2015 I R 50/14, [[X.].]E 253, 52, [[X.].] 2017, 247, zum Erfordernis der persönlichen Arbeitsausübung eines Freiberuflers in der ständigen Einrichtung), haben sie in der Revisionsinstanz keine diesbezüglichen Einwendungen mehr erhoben. Im Übrigen hat das [[X.].] in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass im Büro [[X.].] durchgehend ein Berufsträger präsent gewesen sei, der anwaltstypische Leistungen wie Rat oder Gutachten erbracht habe. Verfahrensrügen haben die Kläger im Hinblick auf diese tatsächlichen Feststellungen nicht erhoben; der Senat ist daher an diese gebunden (§ 118 Abs. 2 [[X.].]O).

bb) Ob, wie vom [[X.].] geprüft und im Ergebnis verneint, Art. 5 Abs. 3 [[X.].]-[[X.].] auf ständige Einrichtungen i.S. des Art. 14 [[X.].]-[[X.].] analog mit der Folge anzuwenden ist, dass ständige Einrichtungen, in denen lediglich vorbereitende oder Hilfstätigkeiten ausgeübt werden, nicht als solche zu gelten hätten (zum Streitstand vgl. z.B. [[X.].], Internationales Steuerrecht --[[X.].]-- 2017, 589; [[X.].] in [[X.].]/[[X.].], [[X.].], Art. 14 a.[[X.].] Rz 45 f.; [[X.].] in [[X.].], [[X.].] Art. 14 Rz 68), bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Auch insoweit ist auf die bindenden Tatsachenfeststellungen des [[X.].] zu verweisen, wonach im Büro [[X.].] typische Anwaltstätigkeiten von einem Berufsträger ausgeübt wurden und es nicht lediglich eine "Anlaufstelle" oder Repräsentanz gewesen ist.

cc) Im Hinblick auf das dem [[X.].] von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 [[X.].]-[[X.].] gewährte Besteuerungsrecht war die drohende Doppelbesteuerung von [[X.].] als Ansässigkeitsstaat des [X.] gemäß Art. 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 und 2 [[X.].]-[[X.].] durch Freistellung (unter Progressionsvorbehalt) zu beseitigen. Die Freistellung bezieht sich nach der vom Senat in ständiger Rechtsprechung vertretenen [[X.].] auf positive wie negative Einkünfte (z.B. Senatsurteile vom 9. Juni 2010 I R 107/09, [[X.].]E 230, 35, [[X.].]/NV 2010, 1744; vom 5. Februar 2014 I R 48/11, [[X.].]E 244, 371, [[X.].]/NV 2014, 963).

2. Der Senat kann nicht abschließend beurteilen, ob sämtliche tatbestandlichen Voraussetzungen des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 [[X.].] 2002/2007 im Streitfall erfüllt und deshalb die in [[X.].] angefallenen Verluste von der Bemessungsgrundlage der [[X.].] Einkommensteuer abzuziehen sind. Es fehlen ausreichende Tatsachenfeststellungen des [[X.].].

a) Sind Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der Bemessungsgrundlage der [[X.].] Steuer auszunehmen, so wird die Freistellung der Einkünfte ungeachtet des Abkommens nicht gewährt, wenn der andere Staat --hier [[X.].]-- die Bestimmungen des Abkommens so anwendet, dass die Einkünfte in diesem Staat von der Besteuerung auszunehmen sind oder nur zu einem durch das Abkommen begrenzten Steuersatz besteuert werden können; die Regelung ist rückwirkend für alle noch nicht bestandskräftigen Steuerfestsetzungen anzuwenden (§ 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 59a Satz 6 [[X.].] 2002/2007).

b) Die Norm setzt einen sog. (negativen) [[X.].] voraus. Dazu kann es kommen, wenn die Vertragsstaaten von unterschiedlichen Sachverhalten ausgehen ([[X.].]), wenn sie Abkommensbestimmungen unterschiedlich --ggf. auch rechtsfehlerhaft-- auslegen ([[X.].]) oder wenn sie aufgrund einer Art. 3 Abs. 2 des Musterabkommens der [[X.].] ([[X.].]) entsprechenden Abkommensvorschrift (wie hier Art. 3 Abs. 2 [[X.].]-[[X.].]) Abkommensbegriffe nach ihrem nationalen Steuerrecht unterschiedlich auslegen. Ursache für die Nichtbesteuerung muss danach immer die Anwendung des Doppelbesteuerungsabkommens sein. Nicht ausreichend und den tatbestandlichen Anforderungen nicht genügend ist hingegen eine internrechtliche Steuermaßnahme, wie beispielsweise der Verzicht auf das abkommensrechtlich zugewiesene Besteuerungsrecht (Senatsurteil vom 24. August 2011 I R 46/10, [[X.].]E 234, 339, [[X.].] 2014, 764; vgl. auch Senatsurteil vom 21. Januar 2016 I R 49/14, [[X.].]E 253, 115, [[X.].] 2017, 107).

c) Dem [[X.].] ist darin zu folgen, dass die Norm in zeitlicher Hinsicht anwendbar ist. Zwar löste die entsprechende Regelung in § 52 Abs. 59a Satz 6 [[X.].] 2002/2007 eine Rückwirkung aus, die dem Senat zu Zweifeln an der Verfassungskonformität Anlass gegeben hat (Senatsbeschluss vom 19. Mai 2010 I B 191/09, [[X.].]E 229, 322, [[X.].] 2011, 156). Allerdings hat der Gesetzgeber mit der zeitlichen Anwendungsbestimmung die Rechtsfolgen eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens des Steuerpflichtigen im Streitfall nicht nachträglich belastend geändert (vgl. Senatsurteil vom 15. April 2015 I R 54/13, [[X.].]E 254, 519, [[X.].] 2017, 136). Vielmehr hat er dessen Rechtsposition verbessert, weil die Regelung zu einer sonst nicht möglichen Verlustberücksichtigung bei der Ermittlung des Einkommens führt. Eine Verletzung des Vertrauensschutzprinzips scheidet damit aus. Zutreffend ist ferner, dass die Normanwendung aufgrund des eindeutigen Wortlauts --und wegen fehlender Anhaltspunkte für ein vom Wortlaut abweichendes Gesetzesverständnis-- nicht daran scheitert, dass es vorliegend um Verluste geht, da die Regelung eine Differenzierung zwischen positiven und negativen Einkünften nicht vorsieht (gl.A. z.B. [[X.].] in [[X.].], [[X.].], 17. Aufl., § 50d Rz 41b; [[X.].]/[[X.].], [[X.].], 37. Aufl., § 50d Rz 56; [[X.].], [[X.].] 2017, 588; vgl. auch Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2007, BTDrucks 16/2712, S. 61 f.: "Daraus folgt, dass im Fall von Verlusten die allgemeinen Vorschriften des [[X.].] Steuerrechts gelten.").

d) Die von der Vorinstanz getroffenen Tatsachenfeststellungen erlauben jedoch nicht die Annahme, dass es im Streitfall zu einem [[X.].] im vorgenannten Sinne gekommen ist.

aa) Das [[X.].] hat bei seiner Subsumtion unter den Gesetzestatbestand allein auf die Bescheinigungen der [[X.].] Steuerbehörden vom 27. August 2008 und vom 31. März 2010 abgestellt. Daraus geht aber nicht hervor, dass [[X.].] das Doppelbesteuerungsabkommen mit der Folge der Nichtbesteuerung der auf das Büro [[X.].] entfallenden (negativen) Einkünfte angewendet hat. In den Bescheinigungen wird lediglich ausgeführt, dass "[X.] Rechtsanwälte" abkommensrechtlich nicht in [[X.].] ansässig sei. Diese Beurteilung steht aber zum einen mit der sowohl vom [[X.].] als auch dem erkennenden Senat vertretenen Auffassung zur Ansässigkeit des [X.] in Einklang. Zum anderen führt die Aussage der [[X.].] Behörden nicht dazu, dass die Einkünfte bei der [[X.].] Ertragsbesteuerung auszunehmen sind. Hiervon ist in den Bescheinigungen nur insoweit die Rede, als die Einkünfte nicht der Einkommensteuer von [X.] unterliegen (s. zweiter Spiegelstrich). Einen abkommensrechtlichen Bezug hat diese Aussage nicht, vielmehr scheint es insoweit um den Anwendungsbereich der nationalen ([[X.].]) beschränkten Einkommensteuerpflicht zu gehen.

bb) Dass die [[X.].] Behörden die Nicht-Ansässigkeit i.S. des Doppelbesteuerungsabkommens (rechtsfehlerhaft) mit dem Fehlen einer ständigen Einrichtung i.S. des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 [[X.].]-[[X.].] gleichgesetzt haben könnten, ist als Schlussfolgerung tatsächlicher Art zwar nicht ausgeschlossen, allerdings vom [[X.].] nur behauptet und nicht mit entsprechenden Tatsachen unterlegt. Der Wortlaut der Bescheinigungen, auf den das [[X.].] insoweit allein abgestellt hat, ist insoweit ohne Aussagekraft.

cc) Sollte die Herausnahme der Einkünfte des Büro [[X.].] aus der [[X.].] Besteuerung auf einer internrechtlichen Maßnahme beruhen, kann es nach der Senatsrechtsprechung nicht zu einem Besteuerungsrückfall gemäß § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 [[X.].] 2002/2007 kommen. Zwar kann die beschränkte Reichweite der persönlichen Steuerpflicht im ausländischen Staat seinerseits einen Besteuerungsrückfall auslösen. Doch ist die insoweit einschlägige Regelung des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 [[X.].] erst im [X.] ohne rückwirkende Anwendungsbestimmung eingeführt worden (vgl. § 52 Abs. 1 und Abs. 59a Satz 6 [[X.].] 2002/2007) und muss deshalb im Streitzeitraum (1991 bis 2004) unberücksichtigt bleiben.

3. Der auf Berücksichtigung der auf das Büro [[X.].] entfallenden Verluste gerichteten Klage kann auch nicht mit Rücksicht auf die unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit und der hieraus (Urteil des Gerichtshofs der [X.] Bevola vom 12. Juni 2018 [X.]/16, [X.]:C:2018:424, [X.] 2018, 741) bestehenden Verpflichtung, sog. finale Verluste des Tätigkeitsstaats auch im Falle abkommensrechtlicher Freistellung im Ansässigkeitsstaat zum Betriebsausgabenabzug zuzulassen, stattgegeben werden. Hierauf ist im Streitfall deshalb nicht einzugehen, weil ein solcher Verlust nicht bereits im Jahr seiner Entstehung, sondern erst im Jahr der "Finalität" berücksichtigt wird (Senatsurteile in [[X.].]E 230, 35, [[X.].]/NV 2010, 1744; in [[X.].]E 244, 371, [[X.].]/NV 2014, 963). Eine "Finalität" i.S. der Senatsrechtsprechung ist im Streitzeitraum (1991 bis 2004) nicht eingetreten. Das Büro [[X.].] wurde erst Jahre später aufgegeben.

4. Dem Senat erscheint es als nicht ausgeschlossen, dass im zweiten Rechtsgang der Nachweis eines negativen [[X.].]s, ggf. mittels der von den Klägern erstinstanzlich beantragten "[X.]" oder durch die Vorlage inhaltlich präzisierter Bescheinigungen, geführt werden kann. Sollte in tatsächlicher Hinsicht nicht mehr aufgeklärt werden können, ob es zu einem [[X.].] i.S. des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 [[X.].] 2002/2007 gekommen ist, so tragen die Kläger die Feststellungslast, weil sie sich auf einen für sie günstigen steuerrechtlichen Ausnahmetatbestand berufen.

5. Auf die Zulässigkeit und Begründetheit der vom [[X.].] erhobenen Verfahrensrüge kam es nicht mehr an, weil bereits die Sachrüge erfolgreich war.

6. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 [[X.].]O.

Meta

I R 52/16

11.07.2018

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend FG München, 3. Juni 2016, Az: 1 K 848/13, Urteil

§ 50d Abs 9 S 1 Nr 1 EStG 2002 vom 13.12.2006, Art 14 Abs 1 DBA BEL, Art 23 Abs 1 Nr 1 DBA BEL, § 52 Abs 59a S 6 EStG 2002 vom 13.12.2006, Art 3 Abs 2 DBA BEL, Art 49 AEUV

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.07.2018, Az. I R 52/16 (REWIS RS 2018, 6247)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 6247


Verfahrensgang

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Az. I R 52/16

Bundesfinanzhof, I R 52/16, 11.07.2018.


Az. 1 K 848/13

FG München, 1 K 848/13, 03.06.2016.

FG München, 1 K 848/13, 03.06.2016.


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