Bundesfinanzhof, Urteil vom 01.12.2011, Az. VII R 23/11

7. Senat | REWIS RS 2011, 862

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Gegenstand

Steuererstattung auf ein gekündigtes Kontokorrentkonto begründet keine Rückzahlungspflicht der Bank


Leitsatz

NV: Hat die Bank eine Steuererstattung des FA auf einem früheren, inzwischen von der Bank gekündigten Kontokorrentkonto des Steuerpflichtigen verbucht, obwohl dieser dem FA dafür ein anderes Konto benannt hat, kann sie auch dann nicht auf Rückzahlung in Anspruch genommen werden, wenn sie den Überweisungsbetrag mit einem fortbestehenden Schuldensaldo auf dem betreffenden Konto verrechnet hat.

Tatbestand

1

I. Die [X.] hatte bei der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer Bank, u.a. ein Girokonto unterhalten, das als Geschäftskonto fungierte. Die Klägerin hatte jedoch mit Schreiben vom 15. [X.]pril 2003 den [X.] und die Geschäftsverbindung mit [X.] wegen eines erheblichen [X.]s mit sofortiger Wirkung gekündigt.

2

[X.]uf dieses Konto, das [X.] ursprünglich gegenüber dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --[X.]--) angegeben hatte, überwies das [X.] am 11. Dezember 2003 ein Guthaben aus einem Steuererstattungsanspruch in Höhe von … €, obwohl ihm [X.] zuvor für die Erstattung eine neue Kontoverbindung mitgeteilt hatte. Die Klägerin verrechnete die Gutschrift am 15. Dezember 2003 mit einem Teil des zu diesem Zeitpunkt auf vorgenanntem Konto bestehenden [X.]s von über … €.

3

Einer [X.]ufforderung der [X.] vom 18. Dezember 2003, den auf einer angeblich fehlerhaften Umsatzsteuerveranlagung beruhenden Betrag an das [X.] zurückzuüberweisen, kam die Klägerin nicht nach.

4

[X.]m 5. Februar 2007 erließ das [X.] gegen die Klägerin einen Rückforderungsbescheid über den überwiesenen Betrag.

5

Das Finanzgericht ([X.]) wies die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage ab. Der Rückforderungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung sei rechtmäßig.

6

Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, die Klägerin sei durch die Überweisung des der [X.] zustehenden Steuererstattungsbetrages auf deren früheres, von ihr, der Klägerin, gekündigtes Konto Leistungsempfängerin und damit nach § 37 [X.]bs. 2 der [X.]bgabenordnung ([X.]) zur Rückzahlung an das [X.] verpflichtet. Daran ändere auch nichts, dass die Klägerin den Erstattungsbetrag auf das gekündigte, aber noch nicht abgerechnete Girokonto der [X.] verbucht habe. Sie sei bei dem bestehenden [X.] infolge der Kündigung des [X.]es nicht mehr verpflichtet gewesen, Überweisungen für die [X.] entgegenzunehmen und habe deshalb ab diesem Zeitpunkt nicht mehr als Zahlstelle der [X.] handeln können. Die Überweisung habe sie nach Beendigung des Vertragsverhältnisses selbst in Empfang genommen und --anders als in dem vom [X.] ([X.]) entschiedenen Fall (Urteil vom 10. November 2009 [X.], [X.]E 227, 360, [X.], [X.] nicht herausgegeben, sondern mit eigenen Forderungen verrechnet. [X.]uch wenn die Klägerin nach der Rechtsprechung des [X.] (--[X.]--, Urteil vom 5. Dezember 2006 [X.], [X.], 121, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2007, 914) zur Gutschrift der Überweisung auf dem intern weitergeführten Konto noch berechtigt gewesen sei, habe sie angesichts der Kündigung dieses Kontos die Wahl gehabt, den Überweisungsbetrag an den [X.] zurückzugeben, ihn auf dem früheren Konto gutzuschreiben oder an den früheren Kontoinhaber herauszugeben. Entscheide sie sich für die Gutschrift und die Weiterleitung, handele sie als Zahlstelle. [X.]ndernfalls werde ihre Entscheidung dann, wenn sich das Konto im Soll befinde, typischerweise davon beeinflusst, dass sie sich an der Gutschrift befriedigen wolle. [X.] sie damit nicht mehr im Interesse ihres früheren Kunden, sondern im eigenen Interesse, sei sie nicht mehr Zahlstelle, sondern Leistungsempfängerin.

7

Mit ihrer Revision beruft sich die Klägerin auf die Entscheidungen des [X.] (in [X.]E 227, 360, [X.], 255) und des [X.] (in [X.], 121, NJW 2007, 914), wonach sich die Bestimmung des Leistungsempfängers auch im Rahmen des § 37 [X.]bs. 2 [X.] an dem Rechtsgedanken des § 812 [X.]bs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) orientiere. Leistungsempfängerin sei aus der Sicht des [X.] nur [X.]; sie, die Klägerin, bleibe unabhängig von der Verrechnung auf dem Konto der [X.] lediglich Zahlstelle. Nach der Rechtsprechung des [X.] (Urteil in [X.], 121, NJW 2007, 914) sei sie nach Entgegennahme der Überweisung zur Gutschrift auf dem Konto der [X.] verpflichtet gewesen mit der Folge, dass aufgrund des ursprünglichen [X.] automatisch --ohne eigenständige Zweckbestimmung-- eine Verrechnung mit dem bestehenden [X.] stattgefunden habe. Eine eigene Willensbildung könne nur vorliegen, wenn aufgrund der Verrechnung ein Guthaben zugunsten der [X.] entstanden wäre und sie dessen [X.]uszahlung wegen anderweitiger [X.]nsprüche verweigert hätte. So sei es aber nicht gewesen.

8

Die Klägerin beantragt, das Urteil des [X.] und den angefochtenen Rückforderungsbescheid in der Fassung der Einspruchsentscheidung aufzuheben.

9

Das [X.] hält das angefochtene Urteil für zutreffend und beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Das Urteil des [X.] verletzt Bundesrecht.

Der gegen die Klägerin erlassene Rückforderungsbescheid ist rechtswidrig. Das [X.] hat keinen Rückzahlungsanspruch gegen die Klägerin gemäß § 37 [X.]bs. 2 Satz 1 [X.]. Nach dieser Vorschrift hat derjenige, auf dessen Rechnung gezahlt worden ist, gegen den Leistungsempfänger einen [X.]nspruch auf Erstattung des gezahlten Betrags, wenn ohne rechtlichen Grund gezahlt worden ist. Im Streitfall war nicht die Klägerin die Empfängerin der Leistung des [X.], sondern [X.] war --als Inhaberin des [X.] des § 37 [X.]bs. 2 Satz 1 [X.].

1. Wie der Senat in seiner Entscheidung in [X.], 360, [X.], 255 ausgeführt hat, will das [X.] mit einer Überweisung auf ein vom Steuerpflichtigen angegebenes Konto nicht zu Gunsten des Kreditinstituts, sondern mit befreiender Wirkung gegenüber dem [X.]nspruchsberechtigten leisten, der das Konto angegeben hat. Das Kreditinstitut ist nicht Leistungsempfänger, sondern lediglich die vom Steuerpflichtigen bezeichnete Zahlstelle, und zwar selbst dann, wenn es das Konto vor der Überweisung des [X.] gekündigt hat. Der Senat hat sich damit der Rechtsauffassung des [X.] (in [X.]Z 170, 121, NJW 2007, 914) angeschlossen, der in der Entgegennahme des Überweisungsbetrages und dessen Verbuchung auf dem intern weitergeführten Konto ein Handeln für den früheren Kontoinhaber --weiterhin als [X.] sieht. Denn die Bank ist in Nachwirkung des [X.] verpflichtet, Zahlungen, die sie [X.] sie befugt ist (vgl. [X.]-Beschluss vom 21. März 1995 [X.], NJW 1995, 1483, m.w.[X.] für den früheren Kunden entgegennimmt, auf dem bisherigen Konto entsprechend § 676f Satz 1 BGB in der bis zum 30. Oktober 2009 gültigen Fassung zu verbuchen bzw. nach § 667 BGB herauszugeben. Mit der Gutschrift erfüllt sie demnach eine eigene nachvertragliche Pflicht, während sich die Leistung zwischen dem [X.], der die fehlgehende Zahlung wirksam veranlasst hat, und dem Überweisungsempfänger vollzieht (vgl. [X.]-Urteil vom 15. November 2005 [X.], Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis 2006, 17, II.1.).

2. Entgegen der [X.]uffassung des [X.] sind diese Erwägungen nicht nur auf den seinerzeit entschiedenen Fall anwendbar, in dem das Kreditinstitut den Überweisungsbetrag letztlich an den Insolvenzverwalter ausgekehrt hatte. [X.]us ihnen folgt vielmehr auch für die vorliegende Fallkonstellation, in der die Klägerin den eingebuchten Erstattungsbetrag mit dem [X.] auf dem Kontokorrentkonto verrechnet hat, dass sie mit der Verrechnung ihrer nachwirkenden Verpflichtung aus dem [X.] gegenüber [X.] nachgekommen ist. Denn nimmt eine Bank berechtigterweise eine Zahlung entgegen und verbucht sie auf dem vormaligen Kundenkonto, so verhält sie sich entsprechend ihrer nachwirkenden Verpflichtung aus der [X.], unabhängig davon, ob sich das Konto im Soll oder im Haben befindet.

3. Soweit der Senat in den Beschlüssen vom 28. Januar 2004 [X.]/03 ([X.] 2004, 762) und vom 6. Juni 2003 [X.]/02 ([X.] 2003, 1532, m.w.N.) eine andere [X.]uffassung vertreten hat, hält er daran nicht fest.

Wenn nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] die Bank eines Überweisungsempfängers im mehrgliedrigen Überweisungsverkehr regelmäßig nur als bloße Leistungsmittlerin, d.h. als Zahlstelle des Überweisungsempfängers handelt und als solche in keinerlei Leistungsverhältnis zu dem [X.] steht, kann von ihr unter keinen Umständen die Herausgabe einer [X.] verlangt werden, wenn sie den Überweisungsbetrag auf dem Konto des Überweisungsempfängers gutgeschrieben hat. [X.]usdrücklich formuliert der [X.]: "Wenn der Empfänger vom [X.] irrtümlich falsch bezeichnet wird, liegt ein Fehler im [X.] (d.h. zwischen dem [X.] und dem Überweisungsempfänger) vor, der grundsätzlich auch in diesem bereicherungsrechtlich abzuwickeln ist."

4. Indem die Klägerin im Streitfall --nach den für den Senat bindenden Feststellungen des [X.]-- den vom [X.] überwiesenen Betrag entsprechend dem Überweisungsauftrag auf dem Konto der [X.] verbucht und mit dem bestehenden [X.] verrechnet hat, hat sie für die frühere Kontoinhaberin gehandelt und die Überweisung offenkundig nicht etwa als Zahlung an sich angesehen. Denn sie hat sich insoweit entsprechend ihren nachwirkenden Pflichten aus dem [X.] verhalten. Die Verrechnung der Gutschrift mit dem bestehenden [X.] ist in dem banküblichen --seinerzeit auch mit [X.] bestehenden-- Kontokorrentverhältnis begründet und stellt deshalb keine eigene Zweckbestimmung der Klägerin über die Verwendung der eingegangenen Überweisung dar. Ob die Klägerin im Innenverhältnis zu [X.] berechtigt war, die Gutschrift zu verrechnen oder ob [X.] aus einem abstrakten Schuldversprechen bzw. -anerkenntnis gemäß §§ 780 f. BGB oder unmittelbar aus §§ 667, 681 Satz 2, 677 BGB einen --ggf. pfändbaren-- [X.]nspruch auf Herausgabe des Betrages hatte (vgl. [X.]-Urteil in [X.]Z 170, 121, NJW 2007, 914, [X.]), ist für den vorliegenden Rechtsstreit nicht entscheidungserheblich und bedarf deshalb keiner Erörterung.

5. Nicht zu entscheiden hat der Senat bei der gegebenen Fallgestaltung auch, ob das [X.] einen zivilrechtlichen Kondiktionsanspruch gegen die Klägerin hätte, wenn diese die eingegangene Überweisung etwa zur Tilgung eines noch valutierenden Darlehens verwendet hätte.

Meta

VII R 23/11

01.12.2011

Bundesfinanzhof 7. Senat

Urteil

vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 9. März 2011, Az: 4 K 2386/07, Urteil

§ 37 Abs 2 S 1 AO, § 676f S 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 01.12.2011, Az. VII R 23/11 (REWIS RS 2011, 862)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 862

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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