Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 24.02.2022, Az. 1 WB 19/21

1. Wehrdienstsenat | REWIS RS 2022, 1017

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Gegenstand

Beteiligungsrechte des Gesamtvertrauenspersonenausschusses bei der Verlängerung der Experimentierklausel für Langzeitkonten


Leitsatz

Dem Gesamtvertrauenspersonenausschuss steht ein Vorschlagsrecht für grundsätzliche Verwaltungsvorschriften in Bezug auf Langzeitkonten im Sinne des § 17 SAZV a.F. zu.

Tenor

Es wird festgestellt, dass das [X.] das Vorschlagsrecht des Antragstellers bei der Behandlung von dessen Vorschlag vom 16. Juli 2020 verletzt hat, soweit dieser sich auf Übergangsbestimmungen für die Verlängerung oder die Abwicklung von Langzeitkonten nach § 17 der Soldatenarbeitszeitverordnung durch Erlass bezogen hat.

Die dem Antragsteller im Verfahren vor dem [X.] erwachsenen notwendigen Aufwendungen werden dem [X.] auferlegt.

Tatbestand

1

Der Antragsteller rügt die Verletzung seiner Beteiligungsrechte hinsichtlich eines Vorschlages zur Verlängerung der [X.] für [X.].

2

§ 17 Soldatenarbeitszeitverordnung ([X.]) in der nach § 24 Abs. 2 [X.] bis zum 31. Dezember 2020 geltenden Fassung sah die Erprobung von [X.] vor. Nach dieser [X.] konnte das [X.] Arbeitsbereiche bestimmen, in denen Soldatinnen und Soldaten Zeitguthaben über einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren längstens bis zum 31. Dezember 2020 ansparen und für zusammengefasste Freistellungszeiten verwenden konnten.

3

Die Norm hatte folgenden Wortlaut:

"§ 17 Erprobung von [X.]

(1)

(2)

1. Soldatinnen und Soldaten, die jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden können, sowie

2. Soldatinnen und Soldaten, deren regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit nach § 5 Absatz 1 Satz 1 verkürzt worden ist.

(3) Dem [X.] können auf Antrag auch gutgeschrieben werden:

1. Ansprüche auf Dienstbefreiung für befohlene, angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit im Umfang von bis zu 40 Stunden im Jahr,

2. nach Stunden zu berechnender Erholungsurlaub bis zu dem in § 7a der Erholungsurlaubsverordnung vorgesehenen Umfang und

3. über das Minimum an Gesundheits- und Arbeitsschutz hinausgehende Ansprüche auf Freistellung vom Dienst aus Diensten nach § 30c Absatz 4 des Soldatengesetzes.

(4)

(5)

(6) Soldatinnen und Soldaten, denen die Führung eines [X.]s gestattet worden ist, können ein Zeitguthaben auf dem [X.] nicht in den nächsten Abrechnungszeitraum übertragen.

(7) Näheres regelt das [X.]."

4

Vorgaben für die Ausführung der Erprobung von [X.] sind in Nr. 501 ff. [X.] A-1420/34 "Anwendung der Verordnung über die Arbeitszeit der Soldatinnen und Soldaten" enthalten.

5

Mit E-Mail vom 23. Juni 2020 erhielt der Antragsteller eine Möglichkeit zur Stellungnahme zur Evaluierung der [X.]regelung des § 17 [X.].

6

Unter dem 16. Juli 2020 unterbreitete der Antragsteller in seiner "Stellungnahme im Wege der förmlichen Beteiligung - hier: Erprobung von [X.] nach § 17 der Soldatenarbeitszeitverordnung" den Vorschlag, die [X.] für [X.] bis zum 31. Dezember 2021 zu verlängern und den betroffenen Soldatinnen und Soldaten im Rahmen der Umsetzung der Vorgaben zur Vereinbarung von Familie und Dienst dieses bis zum Ende des 3. Quartals mitzuteilen. Sollten die [X.] nicht weitergeführt werden, sollte dies den Betroffenen mit den [X.] zum gleichen Termin mitgeteilt werden.

7

Im [X.] wechselte im Juli 2020 die Zuständigkeit für arbeitszeitrechtliche Regelungen. Infolge eines [X.] wurde der Vorschlag des Antragstellers durch das danach zuständige Referat nicht bearbeitet.

8

Als sich abzeichnete, dass eine Neufassung von § 17 [X.] nicht unmittelbar im [X.] an sein Außerkrafttreten mit dem 31. Dezember 2020 in [X.] treten würde, wurde eine untergesetzliche Übergangsregelung durch das für die [X.] A-1420/34 zuständige Referat vorbereitet und hierzu eine förmliche Beteiligung des Antragstellers eingeleitet. Mit E-Mail vom 11. November 2020 wurde der Antragsteller um schnellstmögliche Stellungnahme zu einer beabsichtigten Weisung für den Umgang mit [X.] in der Übergangszeit zwischen dem Außerkrafttreten des § 17 [X.] und dem Inkrafttreten einer Neuregelung gebeten. Diese Weisung wurde aber schlussendlich nicht erteilt.

9

Vielmehr entschied der Staatssekretär zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt im November oder Dezember 2020, dass die [X.] in der [X.] rückwirkend bis zum 30. Juni 2021 verlängert werden solle. Daraufhin wurde durch einen Erlass der für die arbeitszeitrechtlichen Regelungen und für die [X.] A-1340/20 zuständigen Referate des [X.] vom 17. Dezember 2020 die [X.] in § 17 Abs. 4 in Verbindung mit § 24 Abs. 2 [X.] unverändert bis zum 30. Juni 2021 verlängert. Eine entsprechende Änderung der [X.] werde rückwirkend zum 1. Januar 2021 in [X.] gesetzt. Bis dahin könnten bereits bestehende Genehmigungen zur Führung von [X.] nach den bisherigen Regelungen in § 17 [X.] verlängert und die Einrichtung neuer [X.] genehmigt werden. Die Führung der Konten, das Ansparen und die Entnahme von Zeitguthaben erfolge auf Basis der Regelungen im Kapitel 5 der [X.] A-1420/34. Dort bestimmte Fristen würden entsprechend verlängert. Neuregelungen zu den [X.] sollten voraussichtlich ab dem 1. Juli 2021 in [X.] gesetzt werden.

Über diesen an zahlreiche Dienststellen der [X.] verteilten Erlass wurde auch der Antragsteller am 17. Dezember 2020 nachrichtlich informiert.

Mit Schreiben vom 18. November 2020 beschwerte sich der Antragsteller beim Staatssekretär dagegen, dass auf seinen Vorschlag zur Erprobung von [X.] nach § 17 [X.] nicht reagiert worden sei, wies auf einen entsprechenden Gremienbeschluss hin und beantragte die - unter dem 3. Dezember 2020 auch erteilte - Zusage der Kostenübernahme für die anwaltliche Vertretung. Die fristwahrend eingelegte Beschwerde wurde unter dem 19. Januar 2021 durch die Bevollmächtigte des Antragstellers daraufhin ergänzend begründet. Das [X.] stellte mit Schreiben vom 29. Januar 2021 ein Recht des Antragstellers auf förmliche Beteiligung in Abrede und erläuterte, dass dieser im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit Schreiben vom 17. Dezember 2020 ausreichend informiert worden sei. Daraufhin stellte der Antragsteller unter dem 23. Februar 2021 nochmals ausdrücklich Antrag auf Entscheidung des [X.], den das [X.] mit einer Stellungnahme vom 23. April 2021 dem Senat vorlegte.

Der Antragsteller macht geltend, das Rechtsschutzbedürfnis für seinen Rechtsbehelf ergebe sich daraus, dass sein Vorschlag nicht für die volle vorgeschlagene Dauer und ohne Bezugnahme auf den Vorschlag umgesetzt worden sei. Es bedürfe der beantragten Feststellung, damit das Vorschlagsrecht, dessen Umfang bestritten werde, künftig beachtet würde. Es gehe nicht um Vorbereitung oder Erlass von Rechtsvorschriften oder norminterpretierende Verwaltungsvorschriften ohne eigenen Regelungscharakter. Vielmehr sei eine eigenständige Maßnahme des [X.] vorgeschlagen, deren Art aber offengelassen worden. Dass eine vergleichbare Regelung Gegenstand einer Verordnung sei, sei unbeachtlich. Die Dauer der [X.] sei eine Grundsatzregelung im Sinne von § 38 Abs. 3 Satz 3 [X.]. Sie unterliege ihrem Inhalt nach gemäß § 25 Abs. 3 Nr. 8 und [X.] [X.] sowie § 25 Abs. 3 Nr. 1 [X.] der Beteiligung. Hilfsweise folge das Vorschlagsrecht aus § 25 Abs. 2 [X.]. Hiernach wäre ein Verfahren nach § 23 [X.], hilfsweise nach § 22 [X.] durchzuführen gewesen.

Der Antragsteller beantragt,

festzustellen, dass bezüglich der Erprobung der [X.] das Vorschlagsrecht des [X.] gemäß § 38 Abs. 3 [X.] i.V.m. § 23 [X.] besteht und gemäß den gesetzlichen Vorgaben umzusetzen ist,

hilfsweise festzustellen, dass bezüglich der Erprobung der [X.] das Vorschlagsrecht des [X.] gemäß § 38 Abs. 3 [X.] i.V.m. § 22 [X.] besteht und gemäß den gesetzlichen Vorgaben umzusetzen ist.

Das [X.] beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Zweifelhaft sei bereits die Identität zwischen dem Vorschlag und dem Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens. Jedenfalls fehle ein Feststellungsinteresse. Insbesondere liege keine Wiederholungsgefahr vor. Der Antragsteller habe keinen Anspruch auf eine förmliche Beteiligung. Der Vorschlag betreffe § 17 Abs. 4 [X.], so dass nach § 38 Abs. 3 Satz 5 [X.] der Anwendungsbereich von § 38 Abs. 3 Sätzen 3 und 4 [X.] nicht eröffnet sei. Der Erlass vom 17. Dezember 2020 habe keinen eigenständigen Regelungsgehalt, weise lediglich auf die beabsichtigte Verlängerung der [X.] in der [X.] hin. Es handele sich auch dem Inhalt nach nicht um eine der Beteiligungspflicht unterliegende Maßnahme. Die Anwendungsbereiche von § 25 Abs. 3 Nr. 8, [X.], § 25 Abs. 2 Nr. 1 [X.] seien nicht eröffnet.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des [X.] hat dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat Erfolg.

1. Der Antrag ist zulässig.

a) Der Antragsteller hat konkrete Anträge formuliert. Diese sind im Lichte seines Sachvortrages so auszulegen, dass seinem Begehren nach einer gerichtlichen Prüfung in der Sache möglichst umfangreich Rechnung getragen werden kann (§ 23a Abs. 2 Satz 1 [X.] i.V.m. § 86 Abs. 3 VwGO). Hiernach ist zunächst festzuhalten, dass Gegenstand des Rechtsstreites allein die Frage ist, ob die Behandlung des Vorschlages des Antragstellers vom 16. Juli 2020 dessen Beteiligungsrechte - nämlich sein Vorschlagsrecht aus § 38 Abs. 3 Satz 3 [X.] - verletzt. Nicht Gegenstand des Rechtsstreites ist der Erlass vom 17. Dezember 2020. Dass es dem Antragsteller allein um die Behandlung seines - unstreitig infolge eines [X.] nicht bearbeiteten - Schreibens vom 16. Juli 2020 geht, ergibt sich nicht nur aus dem Vortrag im gerichtlichen Verfahren, sondern auch aus dem - als Beschwerde bezeichneten, vom [X.] aber zutreffend als Antrag auf gerichtliche Entscheidung gewerteten - Schreiben vom 18. November 2021, mit dem die Kostenübernahme für die anwaltliche Vertretung beantragt worden ist. Im Hinblick auf diese Bestimmung des Verfahrensgegenstandes ist die Zulässigkeit des Antrages - entgegen dem Vortrag des [X.] - nicht deshalb zweifelhaft, weil es an der Identität zwischen dem Vorschlag und dem im gerichtlichen Verfahren verfolgten Vorschlagsrecht fehlen würde. Gegenstand der Feststellung kann nur sein, ob im Hinblick auf den konkreten Vorschlag vom 16. Juli 2020 ein Vorschlagsrecht bestanden hat, das durch das Vorgehen des [X.] verletzt wurde. Ein entsprechendes Begehren ist dem Antrag im Lichte seiner Begründung zumindest auch zu entnehmen. Da der Antragsteller nicht bestreitet, kein Beteiligungsrecht hinsichtlich von Änderungen der [X.] zu haben, ist Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens nur, ob der Vorschlag einen Vorschlag für Verwaltungsvorschriften enthält und ob dieser korrekt behandelt worden ist.

b) Der Rechtsweg zu den [X.] ist eröffnet ([X.], Beschluss vom 30. April 2020 - 1 WB 23.19 - [X.] 2020, 423 Rn. 15 m.w.N.). Der Antragsteller kann im Verfahren vor den [X.] die Verletzung seines Vorschlagsrechts aus § 38 Abs. 3 Satz 3 [X.] rügen.

c) Das [X.] ist sachlich zuständig. Der Antragsteller kann gemäß § 21 Abs. 1 [X.] unmittelbar die Entscheidung des [X.]s beantragen, denn sein Vorschlag richtete sich unmittelbar an das [X.] und betrifft dessen eigene Regelung.

d) Der Antragsteller ist [X.]. Er macht geltend, dass das [X.] sein Vorschlagsrecht aus § 38 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 23, § 22 SGB verletzt habe, indem es seinen Vorschlag weder umgesetzt, noch mit ihm erörtert oder ihm die Gründe für die unterbliebene Umsetzung mitgeteilt habe.

e) Der Antragsteller ist unstreitig ordnungsgemäß durch seinen Sprecher auf der Grundlage eines Plenumsbeschlusses vertreten.

f) Der Feststellungsantrag ist statthaft (vgl. [X.], Beschlüsse vom 30. August 2019 - 1 WB 27.18 - [X.] 449.7 § 21 [X.] Nr. 1 Rn. 22 und vom 30. April 2020 - 1 WB 23.19 - [X.] 2020, 423 Rn. 18). Hier steht im Hinblick auf den Vorschlag vom 16. Juli 2020 ein konkretes Anlassverfahren im Raum, das den konkreten Sachverhalt bestimmt, aus dem sich das feststellungsfähige Rechtsverhältnis ergibt.

g) Der Antragsteller hat ein Feststellungsinteresse. Das konkrete Anlassverfahren ist über den Einzelfall hinaus geeignet, die rechtlichen Anforderungen an das Vorschlagsrecht nach § 38 Abs. 3 Satz 3, § 22, § 23 Abs. 1 Satz 3, § 25 Abs. 2 [X.] weiter zu klären (vgl. [X.], Beschluss vom 30. August 2019 - 1 WB 27.18 - [X.] 449.7 § 21 [X.] Nr. 1 Rn. 23). Das schutzwürdige Bedürfnis hierfür folgt zum einen aus dem Umstand, dass mit dem Ablauf des Jahres 2021 der streitgegenständliche Vorschlag des Antragstellers im Wesentlichen erledigt ist. Die Rechtsschutzmöglichkeiten des Antragstellers dürfen nicht dadurch verkürzt werden, dass durch den bloßen Zeitablauf vollendete Tatsachen geschaffen werden. Dass hier kein bloß akademischer Streit um das Vorschlagsrecht in Rede steht, ergibt sich zum anderen bereits daraus, dass die Verlängerung der [X.] für Langzeitarbeitszeitkonten noch nicht in eine Novellierung der [X.] eingeflossen ist, insoweit also weitere Vorschläge des Antragstellers ohne weiteres möglich sind und ein Interesse an einer rechtlichen Klärung begründen.

h) Der Antrag ist auch fristgerecht (vgl. [X.], Beschlüsse vom 28. März 2012 - 1 WB 29.11 - Rn. 17 und vom 30. April 2020 - 1 WB 55.19 - [X.] 449.7 § 39 [X.] Nr. 2 Rn. 17) gestellt. Der Antragsteller hatte frühestens durch die E-Mail vom 11. November 2020 Anlass zu erkennen, dass das [X.] seinen Vorschlag vom 16. Juli 2020 nicht aufgreifen und diesen auch nicht mit ihm erörtern wollte, da durch diese E-Mail eine Anhörung zu einer von seinem Vorschlag abweichende Weisung erfolgte. Daraufhin hatte er innerhalb der Monatsfrist (§ 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 und § 6 [X.]) fristwahrend einen Rechtsbehelf eingelegt.

2. Der Antrag ist auch begründet.

Das [X.] war verpflichtet, den streitgegenständlichen Vorschlag förmlich nach § 38 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 22 [X.] zu behandeln. Dies ist unstreitig unterblieben.

a) Soweit der streitgegenständliche Vorschlag auf eine Änderung des § 24 Abs. 2 [X.] abzielte, mit der das Außerkrafttreten des § 17 [X.] a.F. herausgeschoben werden sollte, stand dem [X.] allerdings kein Vorschlagsrecht zu. Bei der Vorbereitung von Gesetzen und Rechtsverordnungen steht § 38 Abs. 3 Satz 5 [X.] einem Beteiligungsrecht des Antragstellers entgegen. Das [X.] durfte davon ausgehen, dass dies - zumindest auch - Gegenstand des Vorschlages war, der insoweit daher auch kein förmliches Beteiligungsrecht des Antragstellers auslöste.

Der Vorschlag vom 16. Juli 2020 nimmt ausdrücklich Bezug auf die Regelung der [X.] in § 17 [X.] und deren Auslaufen zum 31. Dezember 2020. Damit nimmt er Regelungen einer Rechtsverordnung in Bezug, zu deren Evaluierung der Antragsteller mit der im Bezug genannten E-Mail auch angehört worden war. Die vorgeschlagene Verlängerung der [X.] ist unmittelbar durch eine Änderung der Rechtsverordnung, die ihre Geltung zeitlich eingrenzt, zu erreichen. Er enthält damit - zumindest auch und in erster Linie - den Vorschlag, die Bestimmungen der Rechtsverordnung entsprechend zu ändern.

b) § 38 Abs. 3 Satz 3 [X.] eröffnet aber ein Vorschlagsrecht wegen des weiteren Inhaltes des Schreibens vom 16. Juli 2020.

Das Schreiben bezieht sich nicht nur auf die in § 24 Abs. 2 [X.] geregelte Geltungsdauer des § 17 [X.]. In ihm sind auch Anregungen zur Information der Betroffenen enthalten, die sowohl die Umsetzung des [X.] als auch den Fall betreffen, dass die [X.] nicht verlängert wird. Informationspflichten oder -obliegenheiten des Dienstherrn gehen aber über das in §§ 17, 24 [X.] Geregelte hinaus. Insoweit zielt der Vorschlag schon nicht notwendig auf eine Änderung der Rechtsverordnung. Es werden für den Fall der Änderung und für den Fall des bislang vorgesehenen Auslaufens der [X.]regelung im Interesse der Betroffenen Änderungen angeregt, die erkennbar nicht Inhalt der Rechtsverordnung werden sollten, wenn auch eine solche Option bestanden hätte. Vielmehr lag insoweit von Anfang an eine Regelung im Erlasswege im Bereich des Möglichen und damit vom Vorschlag Umfassten.

Weder in diesem Punkt noch zur Verlängerung der Geltungsdauer der [X.] äußert sich der Vorschlag zu dem Weg, auf dem er rechtssetzungstechnisch umgesetzt werden sollte. Da sich Teile des Vorschlages nicht auf konkrete [X.] der damals geltenden [X.] bezogen und für unterschiedliche Umsetzungswege offen waren, musste das [X.] den konkreten Vorschlag jedenfalls dann als Initiative für eine Verwaltungsverfahrensvorschrift verstehen, wenn und sobald es selbst eine solche erwägt bzw. erlässt. Wenn der Dienstherr selbst eine untergesetzliche, [X.] wirkende Regelung prüft, muss er einen für ein solches Verständnis offenen Vorschlag des Antragstellers in seine Prüfung einbeziehen und mit diesem erörtern, wenn der Vorschlag inhaltlich ein Beteiligungsrechte auslösendes Sachgebiet betrifft.

Hier hatte der Dienstherr zum einen bereits selbst eine untergesetzliche Übergangsregelung erwogen, die er dem Antragsteller mit Schreiben vom 11. November 2020 zum Zwecke der Beteiligung übersandt hatte. Zum anderen hat er aber auch mit dem - vom [X.] ausdrücklich als allgemeingültigen Erlass bezeichneten - Runderlass vom 17. Dezember 2020 eine Verwaltungsvorschrift zur Verlängerung der [X.] erlassen. Soweit dieser Runderlass [X.] enthält, die ihrem Inhalt nach der Beteiligung unterliegen, war ein für diesen Regelungsweg offener Vorschlag des Antragstellers in die Prüfung einzubeziehen und den sich insoweit aus § 38 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 22 [X.] ergebenden Rechten des Antragstellers Rechnung zu tragen.

aa) Entgegen der Rechtsauffassung des [X.] zielte der Vorschlag auch auf eine - dem Runderlass vom 17. Dezember 2020 vergleichbare, aber inhaltlich nicht identische - Grundsatzregelung im Sinne des § 38 Abs. 3 [X.] (vgl. zu den Anforderungen [X.], Beschlüsse vom 30. April 2020 - 1 WB 23.19 - [X.] 2020, 423 Rn. 23 ff. und - 1 WB 55.19 - [X.] 449.7 § 38 [X.] Nr. 2 Rn. 27 ff m.w.N.). Daher war es für den Dienstherrn auch geboten, diesen Vorschlag des Antragstellers mit diesem zu erörtern und wegen der Abweichung von dem Vorschlag den Rechten aus § 22 Abs. 2 und 3 [X.] Rechnung zu tragen, soweit der Vorschlag inhaltlich der Mitbestimmung unterfiel.

Der vorgeschlagene Runderlass hatte gestaltende bzw. regelnde Wirkung und erschöpft sich nicht in einem Hinweis auf eine beabsichtigte Normsetzung und der Erläuterung von deren Auswirkungen. Der Vorschlag zielte auf die Festlegung eines Stichtages (Ende des 3. Quartals), bis zu dem die betroffenen Soldatinnen und Soldaten über die Fortgeltung der [X.] oder die Notwendigkeit ihrer Auflösung informiert werden sollten; diese Stichtagsregelung hatte den Sinn, den Betroffenen eine angemessene Zeit für eine sinnvolle Disposition über ihre Zeitguthaben einzuräumen. Insoweit hatte er konstitutive Bedeutung und gestaltende Wirkung.

Diese hatte er auch, soweit er - insoweit vergleichbar dem Runderlass vom 17. Dezember 2020 - eine übergangsweise Verlängerung der [X.] durch Verwaltungsvorschrift vorschlug, bis eine (rückwirkende) Änderung der Rechtsverordnung in [X.] treten konnte. Insoweit erschöpft sich entgegen der Einschätzung des [X.] nämlich auch der Runderlass vom 17. Dezember 2020 nicht in einem Hinweis auf die beabsichtigte rückwirkende Änderung des § 24 Abs. 2 [X.]. Denn er enthält auch Arbeitsanweisungen für die zuständigen Stellen, die deren Entscheidungen in dem Zeitraum zwischen dem 1. Januar 2021 und der rückwirkenden Inkraftsetzung der beabsichtigten Rechtsänderung steuern sollten.

bb) Der Vorschlag betraf inhaltlich einen Sachbereich, für den das Soldatenbeteiligungsgesetz dem [X.] nach § 38 Abs. 3 Satz 3 [X.] ein Vorschlagsrecht zubilligt. Dies ist bei [X.] im personellen, [X.] oder organisatorischem Bereich vorgesehen, sofern das Gesetz in diesen Bereichen der Vertrauensperson ein Vorschlagsrecht einräumt.

aaa) § 25 Abs. 2 Nr. 1 [X.] räumt der Vertrauensperson allerdings kein Vorschlagsrecht betreffend [X.] ein.

Die Gestaltung des [X.] im Sinne von § 25 Abs. 2 Nr. 1 [X.] betrifft die Art und Weise des [X.]. Erfasst sind alle Anordnungen, die auf Art, Umstände und Umfang des Dienstes einwirken ([X.], [X.], 1. Aufl. 2021, § 25 [X.] Rn. 11 f.; [X.], in: [X.][X.], [X.], Stand 2018, § 25 Rn. 23). Einrichtung und Ausgestaltung von Langzeitarbeitszeitkonten sind hiervon nicht umfasst. Denn sie sind nicht Teil der Organisation innerdienstlicher Abläufe, schaffen vielmehr - neben etwa der Besetzung zugewiesener Dienstposten und den durch die fragliche Dienststelle zu erfüllenden Aufgaben - eine der Voraussetzungen, denen bei der Organisation des [X.] Rechnung zu tragen ist. Das Mitbestimmungsrecht nach dieser Norm erfasst nur die konkrete Ausgestaltung dienstlicher Abläufe, nicht auch alle Faktoren, die die Gestaltung von Art und Weise des [X.] potentiell beeinflussen können. Dass der durch [X.] ermöglichte Zeitausgleich und in ihrem Kontext mögliche Mehrarbeit faktisch die Möglichkeit der Berücksichtigung betroffener Soldaten bei der Gestaltung des [X.] beschränken oder auch erweitern können, reicht für ein Mitbestimmungsrecht nach dieser Norm nicht aus. Dies gilt auch für Urlaubs- und Arbeitszeitregelungen, für die spezielle Mitbestimmungstatbestände in § 25 Abs. 3 [X.] bestehen. Diese wären weitgehend überflüssig, würde der mittelbare Einfluss auf die Gestaltung des [X.] bereits den Mitbestimmungstatbestand des § 25 Abs. 2 Nr. 1 [X.] eröffnen.

bbb) Ein Vorschlagsrecht eröffnet auch § 23 Abs. 1 Satz 3 [X.] i.V.m. § 25 Abs. 3 Nr. 10 [X.] nicht.

Maßnahmen zur Verhütung von Dienst- und Arbeitsunfällen bzw. sonstigen Gesundheitsbeschädigungen sind lediglich solche Maßnahmen, die gezielt für Zwecke des Arbeits- und Gesundheitsschutzes eingeführt werden. Bloße arbeitsschützende Nebeneffekte lösen das Beteiligungsrecht nicht aus (Wolf, in: [X.][X.], [X.], Stand 2018, § 25 Rn. 115). Die Erprobung von [X.] dient der Flexibilisierung von Arbeitszeit im Interesse der sie nutzenden Soldaten. Diese können angesparte Zeitkonten für familiäre Zwecke, die Fortbildung oder längere Erholungsphasen nutzen (vgl. Nr. 501 [X.] [X.]). Dies kann im Einzelfall auch der Förderung der Gesundheit betroffener Soldaten dienen. Dies ist allerdings nur einer der möglichen Nebeneffekte der Regelung, nicht ihre [X.]. Dass bei der Ansparung von Zeitguthaben durch Mehrarbeit zudem dem [X.] zu tragen ist, betrifft nicht die [X.] hinter der Erprobung von [X.], sondern die Grenzen ihrer Ausgestaltung. Der vom Antragsteller in Bezug genommene "Schutz vor Überbelastung" ist nicht Ziel der Regelung, vielmehr ermöglicht sie es Betroffenen zeitliche Mehrbelastungen einzugehen, um durch angesparte Zeitguthaben private Zwecke flexibel verfolgen zu können. Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn man in den Blick nimmt, dass der Antragsteller eine einjährige Verlängerung der Erprobungsphase in den Blick genommen hat. Weder die Erprobung als solche noch ihre Dauer dienen primär der Wahrung des Gesundheitsschutzes der betroffenen Soldaten, sondern der Schaffung von Erkenntnissen durch eine Evaluierung, auf welche die Entscheidung über die dauerhafte Einführung von [X.] gegründet werden kann.

ccc) § 23 Abs. 1 Satz 3 [X.] in Verbindung mit § 25 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 [X.] eröffnet jedoch ein Mitbestimmungs- und Vorschlagsrecht.

Der Begriff der Maßnahmen, die der Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Dienst dienen, erfasst der Art der Maßnahme nach jedenfalls die in Abschnitt 3 des [X.] ([X.]) angeführten Maßnahmen, während die im Wort "dienen" zum Ausdruck kommende Zweckbindung verlangt, dass die Vereinbarkeit von Familie und Dienst entweder der erklärte Zweck der Maßnahme ist oder diese sich unausweichlich auf dieses Ziel regelnd auswirkt ([X.], [X.], 1. Aufl. 2021, § 25 Rn. 92). Neben Regelungen zur Arbeitszeit, Teilzeitbeschäftigung und familienbedingter Beurlaubung sind damit auch Regelungen zu sonstigen Rahmenbedingungen familiengerechten Dienstes im Sinne von § 12 [X.] erfasst. Die Möglichkeit, durch [X.] Zeitguthaben anzusparen, schafft eine derartige Rahmenbedingung, die nach Nr. 501 [X.] [X.] ausdrücklich auch der Ermöglichung zusammengefasster Phasen bezahlter Freistellung zu familiären Zwecken, etwa für die Kinderbetreuung oder die Pflege, dienen soll. Vor diesem Hintergrund überzeugt der Vortrag des [X.], [X.] beeinträchtigten durch die erhöhte Arbeitsbelastung in der Ansparphase das Familienleben, nicht. Vielmehr ermöglichen sie - dezidiert zur Förderung familiärer Pflichten - eine flexible Arbeitszeitgestaltung und dienen damit - neben anderen Zwecken unausweichlich auch - der Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

3. [X.] beruht auf § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 1 Satz 1 [X.].

Meta

1 WB 19/21

24.02.2022

Bundesverwaltungsgericht 1. Wehrdienstsenat

Beschluss

Sachgebiet: WB

§ 25 Abs 2 Nr 1 SBG 2016, § 25 Abs 3 Nr 8 SBG 2016, § 25 Abs 3 Nr 10 SBG 2016, § 38 Abs 3 S 3 SBG 2016, § 38 Abs 3 S 5 SBG 2016, § 17 SAZV, § 24 Abs 2 SAZV

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 24.02.2022, Az. 1 WB 19/21 (REWIS RS 2022, 1017)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 1017

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