Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 30.04.2020, Az. 1 WB 23/19

1. Wehrdienstsenat | REWIS RS 2020, 11635

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Leitsatz

Die "Klarstellung" einer norminterpretierenden Passage einer Zentralen Dienstvorschrift bedarf keiner Beteiligung des Gesamtvertrauenspersonenausschusses.

Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Der Antragsteller macht die Verletzung von [X.] nach dem [X.] bei einem Arbeitszeiterlass geltend.

2

Nach Inkrafttreten der Verordnung über die Arbeitszeit der Soldatinnen und Soldaten (Soldatenarbeitszeitverordnung - [X.]) vom 16. November 2015 ([X.] I S. 1995) hat das [X.] dazu die Zentrale Dienstvorschrift zur "Anwendung der Verordnung über die Arbeitszeit der Soldatinnen und Soldaten" ([X.]) herausgegeben, die Vorgaben für die Anwendung und Umsetzung enthält. Die Dienstvorschrift wurde vom [X.] in allen Versionen unter Beteiligung des Antragstellers erlassen.

3

Mit der ab 7. Juni 2018 gültigen Version 3 wurde ein in der Vorgängerversion 2 noch nicht enthaltener neuer Abschnitt 2 über den "Grundbetrieb" eingefügt. Dieser befasst sich auch mit der Frage, in welchem Umfang Arztbesuche und Krankenhausaufenthalte als Dienstzeit gelten und wie die Regelung des § 4 Nr. 5 [X.] für Soldaten im Schichtbetrieb anzuwenden ist. Nach dieser Rechtsnorm ist die über die regelmäßige tägliche Arbeitszeit hinausgehende [X.] ambulanter medizinischer Behandlung, stationärer Aufenthalte in Krankenhäusern und in vergleichbaren Sanitätseinrichtungen einschließlich [X.]en nicht als Arbeitszeit zu werten. Nr. 205 [X.] bestimmt dazu, dass auch bei Soldatinnen und Soldaten, die Dienst zu wechselnden [X.]en oder nach einem Schichtplan leisten, die [X.] einschließlich der [X.] als anrechenbare Arbeitszeit gilt, soweit diese während der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit der Dienststelle erfolgt.

4

Nach Darstellung des [X.] hat der letzte Halbsatz dieser Vorschrift ("..., soweit diese während der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit der Dienststelle erfolgt.") in der Praxis zu Irritationen geführt. In Dienststellen mit verschiedenen Dienstbetriebsarten sei davon ausgegangen worden, dass damit die Rahmen-Regelarbeitszeit der Dienststelle gemeint sei, die grundsätzlich auf einem Tagesdienstbetrieb basiere. Diese aus Sicht des [X.] falsche Auslegung und entsprechend falsche Anwendung der Nr. 205 [X.] habe dazu geführt, dass im Schichtdienst eingesetzte Soldatinnen und Soldaten durch die Inanspruchnahme einer medizinischen Behandlung außerhalb ihres Schichtdienstes entgegen § 4 Nr. 5 [X.] Mehrarbeit generiert hätten, die ihnen im Monatsabschluss ganz oder anteilig wieder habe abgezogen werden müssen.

5

Unter dem Betreff "Soldatenarbeitszeitverordnung ([X.]), hier: Klarstellung und Erläuterung zur Anrechenbarkeit von medizinischen Behandlungen auf die Arbeitszeit im (Wechsel-) Schichtbetrieb" erklärte das [X.] - [X.] - deshalb gegenüber den nachgeordneten Kommandobehörden und Ämtern mit Schreiben vom 19. Februar 2019 u.a. Folgendes:

"Aufgrund vermehrter Nachfragen von Soldatinnen und Soldaten sowie deren Vertretern in den Beteiligungsgremien bezüglich der Anrechenbarkeit von Arztbesuchen sowie Physiotherapieterminen als Arbeitszeit bei (Wechsel-) Schichtdienstleistenden möchte ich Ihnen folgende Klarstellung übermitteln:

In der am 7. Juni 2018 in [X.] gesetzten Neufassung der Zentralen Dienstvorschrift [X.] (Durchführungsbestimmungen zur [X.]) wird in Ziffer 205 festgelegt:

'Auch bei Soldatinnen und Soldaten, die Dienst zu wechselnden [X.]en oder nach einem Schichtplan leisten, gilt die [X.] einschließlich der [X.] als anrechenbare Arbeitszeit, soweit diese während der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit der Dienststelle erfolgt.'

Dies basiert auf dem Grundsatz, dass durch die [X.], die für [X.] aufgewendet wird (wie z.B. Arztbesuche/Behandlungstermine/Physiotherapie/Krankschreibungen), weder Vor- noch Nachteile für die Betroffenen entstehen dürfen. In der praktischen Umsetzung bedeutet dies, dass innerhalb der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit absolvierte [X.] auf die für diesen Tag geforderte Arbeitszeit angerechnet werden und somit keine [X.]schuld entsteht. Termine, die sich unmittelbar vor oder nach dem Dienst anschließen, generieren jedoch keine 'Überstunden' (bei Gleitzeit) bzw. Mehrarbeit. Dies ist sachgerecht und im Sinne des Erlasshalters der [X.].

Die Regelung der [X.] Ziffer 205 beinhaltet explizit die Anrechenbarkeit von Arbeitszeit. Insbesondere bezüglich Schichtdienstleistender könnte die Fallkonstellation auftreten, dass z.B. ein Truppenarztbesuch nach Schichtende oder in einer 'Freiwoche' notwendig ist: Durch Fehlinterpretation der vorgenannten Ziffer könnte in diesen Fällen der Eindruck entstehen, durch den Arztbesuch 'Überstunden' bzw. Mehrarbeit generieren zu können. Tatsächlich jedoch bleibt die Verfahrensweise in arbeitszeitrechtlicher Hinsicht dieselbe wie bei nicht Schichtdienstleistenden, die sich z.B. am [X.] Wochenende (Samstag oder Sonntag) beim [X.] vorstellen: Dies stellt keine anrechenbare Arbeitszeit dar!

Ich bitte Sie, den unterstellten Bereich über diesen Sachverhalt in Kenntnis zu setzen."

6

Gegen dieses Schreiben hat der Antragsteller unter dem 26. Februar 2019 einen Rechtsbehelf eingelegt. Diesen hat das [X.] als Antrag auf gerichtliche Entscheidung gewertet und mit seiner Stellungnahme vom 17. Juni 2019 dem Senat vorgelegt.

7

Zur Begründung führt der Antragsteller insbesondere aus:

Durch das als "Klarstellung" bezeichnete Schreiben werde Nr. 205 [X.] de facto außer [X.] gesetzt und eine Arbeitsschutzregelung für den Schichtdienst abgeschafft. Die Regelung in Nr. 205 [X.] sei Teil des Mitbestimmungsverfahrens im Rahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes gewesen. Sei der Erlass der Regelung mitbestimmungspflichtig, so gelte das auch für eine nachfolgende Änderung oder Weiterentwicklung. Das [X.] sei nicht befugt, eine unter Beteiligung erarbeitete Erlassregelung einseitig zu ersetzen. Demgemäß sei es in der personalvertretungsrechtlichen Rechtsprechung des [X.] anerkannt, dass ein Erlass, der eine bestimmte Rechtsauffassung als verbindlich festlege, seinerseits eine beteiligungspflichtige Verwaltungsanordnung sei; dieser Grundsatz sei uneingeschränkt auf das [X.] zu übertragen. Das Schreiben vom 19. Februar 2019 habe somit seiner erneuten Beteiligung bedurft, in deren Rahmen zu klären gewesen wäre, ob Nr. 205 [X.] damit authentisch und zutreffend verlautbart oder aber inhaltlich abgeändert werde. Das [X.] sei verpflichtet, das unterbliebene Beteiligungsverfahren unverzüglich einzuleiten und zu einem gesetzmäßigen Abschluss zu bringen.

8

Der Antragsteller beantragt,

die Weisung des [X.] vom 19. Februar 2019 aufzuheben,

hilfsweise festzustellen, dass der genannte Erlass seiner Beteiligung unterliegt, die vorgeschriebene Beteiligung unterblieben ist und seine Beteiligungsrechte verletzt sind.

9

Das [X.] beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der hilfsweise Feststellungsantrag sei aus Gründen der Subsidiarität unzulässig, der auf Aufhebung der Klarstellung vom 19. Februar 2019 und auf Durchführung des Beteiligungsverfahrens gerichtete Antrag unbegründet. § 38 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 25 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.] räume dem Antragsteller bei der Festlegung von Beginn und Ende der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage ein Mitbestimmungsrecht ein, soweit es um Grundsatzregelungen gehe; dem unterfalle die Zentrale Dienstvorschrift [X.]. Bei der Klarstellung vom 19. Februar 2019 handele es sich hingegen nicht um eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit, weil es dieser an einem Regelungscharakter fehle. Die Festlegung, dass die [X.] medizinischer Behandlung nur dann als anrechenbare Dienstzeit gelte, wenn sie während der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit erfolge, sei bereits in der seit 7. Juni 2018 unverändert geltenden und in Übereinstimmung mit dem Antragsteller formulierten Nr. 205 [X.] enthalten. Die Klarstellung sei auch mit höherrangigem Recht vereinbar. § 4 Nr. 5 [X.] lege nämlich fest, dass medizinische Behandlungen nur dann auf die Arbeitszeit angerechnet werden könnten, wenn sie innerhalb der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit der Soldatin oder des Soldaten stattfänden. Diesem Grundsatz folge Nr. 205 [X.]. Als regelmäßige tägliche Arbeitszeit sei die für die betroffene Soldatin oder den betroffenen Soldaten maßgebliche regelmäßige tägliche Arbeitszeit heranzuziehen (Schichtplan), nicht die Rahmen-Regeldienstzeit der Dienststelle. Dies ergebe sich auch aus der Begründung des [X.] zu § 6 [X.].

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

Gründe

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.

1. Der Antrag ist teilweise zulässig.

a) Der Rechtsweg zu den [X.] ist eröffnet.

In der Rechtsprechung des Senats ist anerkannt, dass dem [X.] als Gremium, wenn dieses sich in der Ausübung seiner Beteiligungsrechte behindert sieht, gemäß § 17 [X.] ein Beschwerderecht nach der [X.] zusteht. Zwar bezieht sich die Anordnung der entsprechenden Anwendung von § 17 [X.] in § 42 Abs. 6 SGB seinem Wortlaut nach nur auf die Mitglieder der [X.]. Der Senat hat jedoch bereits unter der Geltung der Vorgängervorschriften (§ 36 Abs. 5, § 32 Abs. 7 i.V.m. § 16 [X.] a.F.) entschieden, dass dort, wo Beteiligungsrechte nicht einer einzelnen Vertrauensperson, sondern einem Gremium von Vertrauenspersonen zugewiesen sind, dieses Gremium in gleicher Weise wie sonst die Vertrauensperson eine Verletzung ihrer Befugnisse im [X.] geltend machen kann; das Verbot gemeinschaftlicher Beschwerden (§ 1 Abs. 4 [X.]) steht dem nicht entgegen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 27. August 1996 - 1 WB 28.96 - [X.]E 103, 383 <384 f.> und vom 28. März 2012 - 1 WB 29.11 - juris Rn. 13; zustimmend [X.], in: Wolf/[X.], [X.], Stand Dezember 2019, § 36 [X.] a.F. Rn. 30). Da die aktuelle Vorschrift des § 42 Abs. 6 SGB insoweit nur redaktionelle Anpassungen enthält und sich der Begründung des Gesetzentwurfs (vgl. [X.]. 18/8298 [X.]) nichts Abweichendes entnehmen lässt, ist nicht anzunehmen, dass mit der Neufassung des [X.] zum 2. September 2016 inhaltliche Änderungen eintreten sollten.

b) Das [X.] ist sachlich zuständig. Das streitgegenständliche Schreiben des [X.] - [X.] - vom 19. Februar 2019 stellt eine dem [X.] im Sinne von § 21 Abs. 1 [X.] zuzurechnende Maßnahme dar, gegen die unmittelbar das [X.] angerufen werden kann. Das [X.] hat deshalb den vom Antragsteller mit Schreiben vom 26. Februar 2019 eingelegten Rechtsbehelf zutreffend als entsprechenden Antrag auf gerichtliche Entscheidung gewertet.

c) Der Antragsteller ist [X.]. Er macht geltend, dass das [X.], indem es das Schreiben vom 19. Februar 2019 ohne seine Beteiligung erstellt und an die nachgeordneten Kommandobehörden und Ämter ausgegeben habe, sein Mitbestimmungsrecht aus § 38 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 25 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.], zumindest aber sein Anhörungsrecht aus § 38 Abs. 3 Satz 1 [X.] verletzt habe.

d) Der Hauptantrag auf Aufhebung des Schreibens vom 19. Februar 2019 ist unzulässig, weil dieses auf Umsetzungsakte durch nachgeordnete Stellen abzielt. Der Hilfsantrag ist zulässig auf Feststellung der Rechtswidrigkeit wegen Verletzung des Beteiligungsrechts gerichtet.

2. Soweit der Antrag zulässig ist, ist er unbegründet.

Das [X.] ist nicht verpflichtet, den Antragsteller an dem Schreiben vom 19. Februar 2019 zur Anrechenbarkeit von medizinischen Behandlungen auf die Arbeitszeit im ([X.] zu beteiligen. Dabei kann die Frage der Form der Beteiligung - Anhörung oder Mitbestimmung - dahingestellt bleiben, weil es an der in beiden Beteiligungstatbeständen (§ 38 Abs. 3 Satz 1 und 3 [X.]) enthaltenen Voraussetzung einer Grundsatzregelung fehlt.

a) Unter Grundsatzregelungen im Sinne des § 38 Abs. 3 [X.] sind nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. - auch zum Folgenden - [X.], Beschluss vom 30. November 2017 - 1 WB 24.16 - [X.] 449.7 § 42 [X.] Nr. 2 Rn. 20) insbesondere innerdienstliche Anordnungen zu verstehen, die für eine Vielzahl von Fällen gelten. Das sind vor allem Verwaltungsvorschriften, die die richtige, zweckmäßige und inhaltliche Ausübung der Verwaltungstätigkeit gewährleisten sollen. Hierzu gehören u.a. Durchführungsvorschriften, Richtlinien, Dienstanweisungen und Erlasse. Von dem Beteiligungstatbestand sind damit alle Regelungen erfasst, die das [X.] in Wahrnehmung seiner Aufgaben und seiner Rechte als Dienstherr gegenüber allen Soldaten, jedenfalls aber einer unbestimmten Anzahl von Soldatinnen und Soldaten trifft, ohne dass es auf ihre Form ankommt. Anordnungen, die sich auf die Aufgaben und Befugnisse bestimmter Soldatinnen und Soldaten eines bestimmten, eng begrenzten [X.] derselben beziehen, fallen nicht unter diesen Begriff (vgl. [X.], in: Wolf/[X.], [X.], Stand Dezember 2019, § 37 [X.] a.F. Rn. 18 f.).

Der Senat hat ferner - in Anlehnung an die Rechtsprechung zum Personalvertretungsrecht - entschieden, dass eine Anordnung (im konkreten Fall: Uniformtragepflicht für freigestellte Personalratsmitglieder) nicht der Beteiligung des [X.]es nach § 37 [X.] a.F. (jetzt § 38 [X.]) bedarf, wenn sie keinen regelnden Charakter hat, sondern lediglich eine bestehende Dienstvorschrift, bei deren Erlass der [X.] ordnungsgemäß beteiligt wurde, konkretisiert und erläutert (vgl. [X.], Beschluss vom 28. September 2010 - 1 WB 41.09 - [X.]E 138, 40 Rn. 46).

b) Das Tatbestandsmerkmal der Grundsatzregelung lässt sich - wiederum in Anlehnung an das Personalvertretungsrecht - anhand der Rechtsprechung zum Begriff der [X.] im Sinne von § 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG weiter konkretisieren. Der Begriff der [X.] beschreibt in seiner personalvertretungsrechtlichen Bedeutung, insoweit ähnlich wie der Begriff der Grundsatzregelung, jede Regelung mit allgemein gültigen Charakter, welche die Dienststelle in Wahrnehmung ihrer Aufgaben und Rechte als Dienstherr oder Arbeitgeber gegenüber allen ihren Beschäftigten, jedenfalls aber gegenüber einer unbestimmten Anzahl ihrer Beschäftigten trifft, ohne dass es auf die Form ankommt (vgl. [X.], Beschluss vom 7. Februar 2012 - 6 P 26.10 - [X.] 251.2 § 90 [X.] Nr. 1 Rn. 10).

Kennzeichen einer [X.] ist danach ihre Gestaltungswirkung. Sie muss auf eine Veränderung des bestehenden Zustands gerichtet sein; nach ihrer Durchführung müssen das Beschäftigungsverhältnis oder die Arbeitsbedingungen eine Änderung erfahren haben (vgl. [X.], Beschlüsse vom 7. Februar 2012 - 6 P 26.10 - [X.] 251.2 § 90 [X.] Nr. 1 Rn. 18 und zuletzt vom 25. Juni 2019 - 5 P 3.18 - juris [X.] und Rn. 13 ff., jeweils m.w.[X.]). In der so zu verstehenden Gestaltungswirkung ist zugleich das in der früheren Rechtsprechung des [X.]s angesprochene Erfordernis einer unmittelbaren Regelung der Belange der Betroffenen der Sache nach aufgegangen (vgl. [X.], Beschluss vom 25. Juni 2019 - 5 P 3.18 - juris [X.] und Rn. 16). Die Gestaltungswirkung bzw. der Regelungscharakter fehlt, wenn die Anordnung lediglich Verwaltungsregeln erläutert, Hinweise auf die Rechtslage gibt, nur allgemeine Weisungen zur Erledigung der Dienstgeschäfte enthält oder bloße Rechtsansichten äußert bzw. bestehende dienstliche Verpflichtungen lediglich konkretisiert (vgl. [X.]/[X.]/[X.], BPersVG, 14. Aufl. 2018, § 78 Rn. 6 m.w.[X.]; siehe auch § 69 Rn. 7).

In der Rechtsprechung ist insbesondere anerkannt, dass eine [X.] mit gestaltender bzw. regelnder Wirkung nicht vorliegt, wenn lediglich normative (gesetzliche, verordnungsrechtliche, tarifvertragliche) Bestimmungen wiedergegeben und bekanntgemacht werden (vgl. für tarifvertragliche Regelungen [X.], Beschluss vom 22. März 1990 - 6 P 17.88 - [X.] 251.0 § 80 BaWüPersVG Nr. 3 S. 2). Gleiches gilt für bloß norminterpretierende Verwaltungsvorschriften (vgl. [X.], Beschlüsse vom 7. Februar 2012 - 6 P 26.10 - [X.] 251.2 § 90 [X.] Nr. 1 Rn. 19 und vom 11. Dezember 2012 - 6 P 2.12 - [X.] 250 § 78 BPersVG Nr. 24 Rn. 13). Eine norminterpretierende Verwaltungsvorschrift verlangt als eine reine Auslegungsvorgabe aus sich heraus weder den Beschäftigten ein bestimmtes Verhalten ab noch konstituiert sie eine eigenständige Regelung. Sie erschöpft sich in der Feststellung des normativen Gehalts andernorts bereits konstituierter Regelungen und weist insofern Merkmale eines Erkenntnisakts auf. Die Beschäftigungsverhältnisse und die Arbeitsbedingungen werden rechtlich nicht durch sie selbst, sondern wurden bereits durch die mit ihr ausgelegten [X.] geändert. Dies gilt unbeschadet des Umstandes, dass sie im innerdienstlichen Raum Verbindlichkeit gegenüber denjenigen Mitarbeitern beansprucht, die diese [X.] - in der vorgegebenen Auslegung - zu vollziehen haben.

c) Nach diesen Maßstäben bedurfte es beim Erlass des Schreibens des [X.] vom 19. Februar 2019 zur Anrechenbarkeit von medizinischen Behandlungen auf die Arbeitszeit im ([X.] nicht der Beteiligung des Antragstellers nach § 38 Abs. 3 [X.], weil es sich hierbei mangels [X.] um keine Grundsatzregelung handelt.

Zwar enthält die Zentrale Dienstvorschrift [X.]/34 des [X.] zur Anwendung der Verordnung über die Arbeitszeit der Soldatinnen und Soldaten, worüber zwischen den Beteiligten kein Streit besteht, auch Grundsatzregelungen im organisatorischen Bereich und war daher etwa im Hinblick auf die Festlegung von Beginn und Ende der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit und der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage nach § 38 Abs. 3 Satz 3 [X.] mitbestimmungspflichtig.

Die hier vorliegende Zentrale Dienstvorschrift hat jedoch nur in wenigen Teilen Gestaltungswirkung und stellt im Übrigen eine rein norminterpretierende Verwaltungsvorschrift dar. Das gilt insbesondere für Nr. 205 ZDv [X.]/34, die sich mit der Auslegung des § 4 Nr. 5 [X.] beschäftigt. Diese Ziffer versteht die Rechtsnorm dahingehend, dass es auch im Schichtdienst auf die regelmäßige tägliche Dienstzeit der Dienststelle (im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 [X.]) ankommt. Demgegenüber gibt das Schreiben des [X.] vom 19. Februar 2019 diese Interpretation auf und stellt für Soldaten im Schichtdienst (im Sinne von § 9 Abs. 1 [X.]) auf die regelmäßige tägliche Dienstzeit des individuellen Soldaten nach der Schichtplanung ab. Damit hat das [X.] seine bisherige Rechtsauffassung ohne Rücksprache mit dem Antragsteller zugunsten einer neuen [X.] aufgegeben. Dem Schreiben fehlt jedoch in gleicher Weise wie Nr. 205 ZDv [X.]/34 im Sinne der Rechtsprechung zum Personalvertretungsrecht, der eigene regelnde bzw. gestaltende Charakter.

Die Vorgehensweise des [X.] begegnet auch sonst keinen rechtlichen Bedenken. Das Ministerium und die ihm nachgeordneten Stellen sind zum Vollzug der Soldatenarbeitszeitverordnung und der diese ausfüllenden Zentralen Dienstvorschrift [X.]/34 verpflichtet. Sie sind dabei auch gehalten, praktische Fragestellungen zu beantworten, wo diese im Vollzug des - für den militärischen Dienst in der [X.] relativ neuen - Arbeitszeitrechts aufgeworfen werden. Die Antworten auf solche Fragestellungen können überdacht und aufgrund neuer Rechtserkenntnisse für die Zukunft abgeändert werden. [X.] "Klarstellungen und Erläuterungen" zu einer Rechts- und Vorschriftenlage, wie das hier gegenständliche Schreiben vom 19. Februar 2019, sind deshalb - nicht anders als Weisungen im Einzelfall - ein übliches und zulässiges Instrument des Verwaltungsvollzugs.

Da solche norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften keine Gestaltungswirkung haben, berührt deren Änderung die Beteiligungsrechte des Antragstellers nicht. Sie führt auch zu keinem Rechtsnachteil für die von § 4 Nr. 5 [X.] betroffenen Soldatinnen und Soldaten; vielmehr kann jeder im Schichtdienst arbeitende Soldat, der außerhalb der nach dem Schichtplan festgesetzten regelmäßigen täglichen Dienstzeit aber innerhalb der regelmäßigen täglichen Dienstzeit der Dienststelle erkrankt, eine gerichtliche Klärung der richtigen Auslegung dieser Rechtsvorschrift herbeiführen.

Das vorstehende Ergebnis widerspricht schließlich nicht dem vom Antragsteller in Bezug genommenen Beschluss des [X.]s vom 22. März 1990 - 6 P 17.88 - ([X.] 251.0 § 80 BaWüPersVG Nr. 3; zum Folgenden [X.] und Rn. 17 bis 21 ). Der Beschluss bestätigt vielmehr, dass Voraussetzung einer mitwirkungspflichtigen [X.] ist, dass dieser eine den bisherigen Zustand verändernde, gestaltende Wirkung zukommen soll. Die gestaltende Wirkung ergab sich in der entschiedenen Sache daraus, dass bei der Berechnung der zu erbringenden Arbeitszeit eine den Beschäftigten bis dahin gewährte [X.] wegfallen sollte. Eine Besonderheit des Falls bestand lediglich darin, dass die bis dahin praktizierte Gewährung der [X.] tarifwidrig war, so dass es mit der [X.] darum ging, eine zwar für die Beschäftigten günstige, aber tarifwidrige Praxis zu beenden. Der Beschluss hat gleichwohl die gestaltende Wirkung der [X.] bejaht, weil es im Hinblick auf eine zehnjährige tarifwidrige Praxis nicht von vornherein abwegig, sondern prüfungs- und erörterungswürdig war, ob etwaige Ansprüche der Beschäftigten auf Weitergewährung aufgrund einer betrieblichen Übung entstanden waren. So liegt der Fall hier schon deshalb nicht, weil Nr. 205 ZDv [X.]/34 erste seit Juni 2018 galt, so dass sich über gesetzlich begründete Rechte hinausgehende Ansprüche aus betrieblicher Übung im langjährigen Einverständnis des Dienstherrn nicht bilden konnten. Dies wird auch vom Antragsteller nicht behauptet.

Meta

1 WB 23/19

30.04.2020

Bundesverwaltungsgericht 1. Wehrdienstsenat

Beschluss

Sachgebiet: WB

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 30.04.2020, Az. 1 WB 23/19 (REWIS RS 2020, 11635)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 11635

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