Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.03.2001, Az. 2 StR 369/00

2. Strafsenat | REWIS RS 2001, 3091

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[X.] DES VOLKESURTEIL2 StR 369/00vom23. März 2001in der Strafsachegegenwegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.- 2 -Der 2. Strafsenat des [X.] hat aufgrund der [X.] 21. März 2001 in der Sitzung vom 23. März 2001, an denen teilgenommenhaben:Vizepräsident des BundesgerichtshofesDr. [X.]als Vorsitzenderund [X.] am [X.],Dr. [X.],[X.],Prof. Dr. [X.] als [X.],Oberstaatsanwalt beim [X.]in der Verhandlung,[X.] bei der Verkündung als Vertreter der [X.]schaft,Rechtsanwältin in der Verhandlung als Verteidigerin,Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,für Recht erkannt:- 3 -Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 27. Januar 2000 wird verworfen.Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zutragen.Von Rechts wegenGründe:Das [X.] hat den Angeklagten wegen Einfuhr von in Tateinheitmit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln jeweils in nicht geringer Menge zu [X.] von vier Jahren verurteilt. Drei Mitangeklagte wurden ebenfallszu Freiheitsstrafen ([X.] , [X.]. und [X.]. ) und zwei Mitangeklagte (N. und [X.]) zu Jugendstrafen verurteilt. Mit seiner Revision rügt [X.] die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Er macht insbe-sondere geltend, dem Urteil liege eine unzulässige Absprache zugrunde. [X.] hat keinen Erfolg.[X.] VerfahrensrügenDie Verfahrensrügen greifen nicht durch.Sie beruhen auf folgenden Verfahrensvorgängen:Der Hauptverhandlungstermin war auf den 27. Januar 2000, 9.00 [X.] zwei weitere Tage bestimmt worden. Die Hauptverhandlung begann [X.] um 13.15 Uhr und endete nach der Urteilsverkündung um 17.15 Uhr.Am Vormittag fand auf Initiative des Gerichts ab 9.00 Uhr im Beratungs-zimmer ein Gespräch mit den Verteidigern und dem Staatsanwalt darüber statt,- 4 -ob mit Geständnissen der Angeklagten zu rechnen sei und welche Strafen zuerwarten seien. Bei diesem Gespräch waren, wie die dienstlichen Erklärungender Berufsrichter und des Staatsanwalts belegen, auch die [X.] anwe-send. Nachdem geklärt war, daß mit Geständnissen der Angeklagten zu rech-nen sei, teilte der Staatsanwalt zunächst mit, welche Strafen er unter [X.] beantragen werde. Die Verteidiger hatten Gelegenheit, ihre [X.] darzulegen. Danach äußerte auch das Gericht seine Vorstellungenzum Strafmaß. Hierauf entstand eine Diskussion über die Strafen, die Strafzu-messungskriterien, den Schuldumfang und Rechtsfragen für die einzelnen [X.]. Dabei ermäßigte der Staatsanwalt das von ihm zunächst genannteStrafmaß deutlich. Da die Vorstellungen der Verteidiger noch immer zugunstender Angeklagten hiervon abwichen, kam es zu einem "regelrechten Feilschen"um die Höhe der Strafen. Dabei nahm das Gericht eine vermittelnde Positionzwischen den Verteidigern und dem Staatsanwalt ein. Für den Angeklagten[X.] , der bei dem Heroingeschäft ein Stilett mitgeführt hatte und auch nochwegen eines zweiten [X.] angeklagt war, wurde nach einer Begrün-dung gesucht, den als bewaffnetes Handeltreiben (§ 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG)angeklagten Fall als minder schwer nach § 30 a Abs. 3 BtMG zu werten, umdie angestrebte Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren zu ermöglichen.Das Gericht zog sich daraufhin zu einer Vorberatung zurück. Die [X.] konnten inzwischen mit den Angeklagten den bisherigen Sachstand er-örtern. Nach der Vorberatung teilte der Vorsitzende die für den Fall von Ge-ständnissen zu erwartenden Strafen mit: für den Angeklagten [X.] eine Ge-samtfreiheitsstrafe von fünf Jahren, für die Angeklagten [X.]. und [X.] vier Jahre und für den Angeklagten [X.]. drei Jahre und sechs [X.] sowie jeweils zwei Jahre Jugendstrafe für die beiden [X.]. Die Strafe für den Angeklagten [X.]. wurde auf [X.] 5 -gen des Staatsanwalts noch um drei Monate heraufgesetzt. Die Verteidigerindes Angeklagten [X.]war auch nach erneuter Diskussion mit dem für ihn vor-gesehenen Verfahrensausgang nicht einverstanden. Die übrigen Verteidigerdagegen billigten das in Aussicht gestellte Ergebnis und sagten [X.] zu.Die Hauptverhandlung begann mit dem Aufruf der Sache um 13.15 Uhr.Das Vorgespräch im Beratungszimmer wurde in der Hauptverhandlung nichterwähnt. Die Angeklagten wurden zur Person und Sache vernommen. Die [X.] [X.]und [X.]. trugen ihre Einlassungen persönlich vor, die [X.] ließen ihre Einlassung durch ihre Verteidiger vortragen. Der [X.] legte ein Teilgeständnis ab. Er räumte zwar ein, als Kurier 500-600 g Heroinzubereitung zum Weiterverkauf aus den [X.] nach [X.] gebracht zu haben, er bestritt jedoch, in der Wohnung der Angeklagten[X.]. am Strecken und Portionieren des Rauschgifts mitgewirkt und eineTeilmenge in der Wohnung versteckt zu haben. Die übrigen Angeklagtenräumten den [X.] ein. Alle Angeklagten äußerten sich auf [X.] zur Sache. Außerdem wurde Beweis erhoben u.a. durch [X.] und des Berichts einer Justizvollzugsanstalt. Die Ju-gendgerichtshilfe wurde gehört. Der Staatsanwalt beantragte die bei dem [X.] zuletzt genannten Strafen. Die Verteidigerin des Beschwerdeführersbeantragte hiervon abweichend eine niedrigere Freiheitsstrafe von drei Jahren.Der Verteidiger der Angeklagten [X.]. beantragte ebenfalls eine gegen-über dem Antrag des Staatsanwalts geringere Strafe von drei Jahren undsechs Monaten. Im übrigen schlossen sich die Verteidiger dem Antrag [X.] an oder stellten keinen ausdrücklichen Antrag. Das [X.]verhängte die von der Staatsanwaltschaft beantragten Strafen. Mit [X.] Beschwerdeführers verzichteten alle Angeklagten auf [X.] 6 -1. Rüge nach § 261 StPO, Verstoß gegen die Grundsätze der Unmittel-barkeit und Mündlichkeit der Hauptverhandlung sowie des fairen und rechts-staatlichen Verfahrens.Die Revision macht geltend, es liege eine unzulässige Absprache vor.Dem Gericht sei es untersagt, sich auf einen "Vergleich im Gewand eines Ur-teils" sowie auf einen "Handel mit der Gerechtigkeit" einzulassen. [X.] hätte im Rahmen der Absprache die zu verhängende Strafe nicht fest zuge-sagt werden dürfen. Das sei hier aber geschehen. Das informelle [X.] - nicht zuletzt aufgrund seiner Länge - die eigentliche Hauptverhandlungvorweggenommen. Die am Nachmittag "nachgeholte" Hauptverhandlung [X.] die Absprache und das bereits festgelegte Ergebnis geprägt gewesen.Für den Angeklagten und seine Verteidigerin habe keine Möglichkeit mehr be-standen, Einfluß auf das Ergebnis des Verfahrens zu nehmen. Die [X.] habe nur noch der Form, aber nicht der eigentlichen Urteilsfindung ge-dient. Die Verurteilung des Angeklagten [X.]beruhe auf der unzulässigen [X.] und der darin liegenden Verletzung der genannten Prozeßmaximen.Die Revision beanstandet zwar zu Recht den in den dienstlichen Äuße-rungen bestätigten Verlauf des Vorgesprächs, das wegen seiner Intensität [X.], insbesondere wegen des "[X.]" um die Höhe der Strafen, durch-aus an einen "Handel mit der Gerechtigkeit" denken läßt. Unzulässig war esauch, den Verteidigern bestimmte Strafen und nicht nur eine Strafobergrenze [X.] zu stellen. Von Seiten der Verteidiger der Mitangeklagten war es zu-dem unzulässig, im voraus einen Rechtsmittelverzicht zuzusagen (vgl. [X.], 195, 205, 207). Die [X.] und auch der Staatsanwalt wären ver-pflichtet gewesen, ein Ausufern des Gesprächs zu verhindern und es [X.] 7 -Trotz des nicht unbedenklichen Gesprächsverlaufs ist die Rüge im Er-gebnis insgesamt unbegründet. Denn das Zustandekommen einer Abspracheüber den Verfahrensausgang und ein daraus folgender Verfahrensfehler sindnicht nachgewiesen. Das [X.] hat weder gegen die Grundsätze [X.] und Mündlichkeit der Hauptverhandlung verstoßen, noch hat esdie Prinzipien eines fairen und rechtsstaatlichen Verfahrens mißachtet.Mit dem Angeklagten [X.]und seiner Verteidigerin ist schon nach demeigenen Vorbringen der Revision eine Absprache nicht zustande gekommen.Die Verteidigerin war bereits bei dem "Vorgespräch" mit dem in Aussicht ge-stellten [X.] nicht einverstanden, weil sie für ihren Mandanteneine noch geringere Strafe erreichen wollte. Grundlage dieses Gesprächs warzudem, daß der Angeklagte den Tatvorwurf umfassend einräumt. Das hat er inder Hauptverhandlung jedoch nicht getan. Wie sich aus dem [X.] ergibt, hat er lediglich ein Teilgeständnis abgelegt.Für die Mitangeklagten des Beschwerdeführers ist das Zustandekom-men einer Absprache nicht erwiesen. Eine Verständigung war zwar nicht be-reits deshalb ausgeschlossen, weil sich der Beschwerdeführer als einer vonmehreren Angeklagten weigerte, sich daran zu beteiligen (vgl. BGHSt 37, 99,103). Das [X.] hat aber den Verlauf des "Vorgesprächs" dahin gewer-tet, daß eine Verständigung über den Verfahrensausgang nicht zustande [X.] war. Es hat deshalb die Hauptverhandlung unabhängig von [X.] durchgeführt. Dies ergibt sich aus den dienstlichen Erklärungen derbeteiligten Berufsrichter, insbesondere der Richterin am [X.] Br. unddes Richters am [X.] , in Verbindung mit dem Verlauf [X.]. Aus dem [X.] ergibt sich, daß einevierstündige Hauptverhandlung stattfand, in der die Angeklagten vernommen,- 8 -Beweise erhoben und die Jugendgerichtshilfe gehört wurden. Es fehlt an jedemAnhalt dafür, daß dabei die strafprozessualen Grundsätze der [X.] Unmittelbarkeit mißachtet wurden und unter Verstoß gegen § 261 StPOVerfahrensstoff bei der Urteilsfindung verwendet wurde, der nicht [X.] Hauptverhandlung war. Allerdings war die Hauptverhandlung gegenüberdem ursprünglichen Terminplan des [X.]s erheblich dadurch [X.], daß die Mitangeklagten nunmehr den [X.] durchweg [X.], während sie ihre Tatbeteiligung bis dahin - mit Ausnahme der Mitange-klagten [X.]. - bestritten hatten. Der Angeklagte [X.]räumte wie schon imZwischenverfahren ein, das Heroin aus den [X.] eingeführt zu haben,bestritt aber, in der Wohnung der Mitangeklagten [X.]. beim Strecken undPortionieren mitgewirkt zu haben. Soweit einige der Mitangeklagten zunächstdurch ihre Verteidiger eine Erklärung zur Sache abgeben ließen und erst da-nach ergänzend befragt wurden, war dies nicht unzulässig. Erklärungen [X.] für den anwesenden Angeklagten, denen der Angeklagte nichtwiderspricht, können dem Angeklagten selbst zugerechnet werden (vgl. [X.] 1994, 449 = [X.], 468). In der Hauptverhandlung hatten der [X.] und seine Verteidigerin Gelegenheit, die Mitangeklagten zubefragen und Beweisanträge zu stellen. Beweisanträge wurden in der [X.] jedoch auch von dem Angeklagten [X.]und seiner Verteidigerinnicht gestellt. Fragen an die Mitangeklagten lassen sich dem [X.] nicht entnehmen und werden auch von der Revision nicht be-hauptet. Warum für den Angeklagten und seine Verteidigerin unter diesen Um-ständen keine Möglichkeit mehr bestanden haben soll, auf das Ergebnis desVerfahrens Einfluß zu nehmen und daß die Beweisaufnahme nur noch derForm, aber nicht der eigentlichen Urteilsfindung gedient habe, ist eine unbe-wiesene Behauptung, die auch in der Revisionsbegründung nicht näher [X.] 9 -kretisiert wird. Das Teilgeständnis des Angeklagten [X.]in der Hauptverhand-lung entsprach im wesentlichen der Einlassung, die er über seine Verteidigerinbereits im Zwischenverfahren gegeben hatte. Soweit er bestritt, am [X.] in der Wohnung der Mitangeklagten [X.]. mit-gewirkt zu haben, widersprach das der Einlassung, die diese Mitangeklagtebereits unmittelbar nach ihrer Festnahme bei der polizeilichen Vernehmung [X.] Juni 1999 gegeben hatte und die sie auch in der Hauptverhandlung bestä-tigte. Das angefochtene Urteil setzt sich hinreichend mit den [X.] [X.]und [X.]. auseinander und begründet,warum es der Einlassung der Mitangeklagten [X.]. folgt. Danach besteht [X.] anzunehmen, die Beweisaufnahme habe nur der Form, aber nicht dereigentlichen Urteilsfindung gedient. Da sich in der Hauptverhandlung keinegegenüber dem Vorgespräch und der Vorberatung neuen dem [X.] Umstände ergaben, war das Vorgehen des [X.]s auch nichtim Nachhinein deshalb bedenklich, weil das schließlich gefundene [X.] Urteils der Prognose entsprach (vgl. BGHSt 42, 46, 50; 43, 195, 208) unddie Mitangeklagten auf Rechtsmittel verzichteten.Da eine Absprache nicht zustande gekommen war, erübrigte es sichauch, das Ergebnis des "informellen Vorgesprächs" in die [X.] und ins Protokoll aufzunehmen, wie dies beim Zustandekommeneiner Verständigung geboten gewesen wäre (vgl. hierzu BGHSt 43, 195, 206).2. [X.] nach § 338 Nr. 1, 5 und 6 und § 33 StPO, § 169 GVG.Diese [X.] sind gegenstandslos, weil das Zustandekommen einer [X.] über den Verfahrensausgang nicht erwiesen ist.I[X.] Sachrüge- 10 -Die aufgrund der nicht näher ausgeführten Sachrüge gebotene Prüfungdes angefochtenen Urteils läßt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Ange-klagten erkennen. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen [X.]. Die Begründung, mit der das [X.] die Glaubhaftigkeit derden Angeklagten [X.]. belastenden Einlassung der Mitangeklagten [X.]. bejaht hat, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Dies gilt auch für dieBemessung der bei dem festgestellten Unrechts- und Schuldgehalt mildenFreiheitsstrafe. Es ist auszuschließen, daß sie zum Nachteil des Angeklagtenvon dem vor der Hauptverhandlung geführten Gespräch beeinflußt wurde.[X.] RiBGH Detter ist [X.] infolge Urlaubs ver- hindert, seine Unter- schrift beizufügen. [X.] [X.] [X.]

Meta

2 StR 369/00

23.03.2001

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.03.2001, Az. 2 StR 369/00 (REWIS RS 2001, 3091)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2001, 3091

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