Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 26.11.2012, Az. 2 B 2/12

2. Senat | REWIS RS 2012, 1030

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Gegenstand

Dezentrales Schichtdienstmanagement; Zeitgutschrift für Krankheitstage


Leitsatz

Arbeitszeit ist nur die Zeitspanne, in der der Beamte den ihm übertragenen Dienst gemäß den Bestimmungen des einschlägigen Arbeitszeitrechts leistet. Wird die Dienstleistungspflicht durch einen Schichtplan konkretisiert, sind die außerhalb dieser Zeit liegenden Abschnitte arbeitsfrei. Dem dienstunfähig erkrankten Beamten ist diejenige Zeit auf dem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben, in der er ohne die Erkrankung Dienst hätte leisten müssen. In diesem zeitlichen Umfang muss er den versäumten Dienst nicht nachholen.

Gründe

1

Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] hat keinen Erfolg.

2

1. Der 1962 geborene Kläger, der als Polizeikommissar im Dienst des beklagten [X.] steht, begehrt eine erhöhte [X.]gutschrift für einzelne Krankheitstage im Jahr 2006 auf seinem [X.]konto.

3

Durch den sog. [X.] des Innenministeriums des beklagten [X.] vom 29. Februar 2000 ([X.]. [X.] - 3025 -, geändert durch Erlass vom 27. Juni 2001) ist bei der Polizei des [X.] Nordrhein-Westfalen ein "Dezentrales Schichtdienstmanagement ([X.])" eingeführt worden, das durch die Dienstvereinbarung vom 1. Februar 2002 auch für die [X.], in der der Kläger seinen Dienst versieht, Anwendung findet. Danach werden für jeden Mitarbeiter individuelle Jahresarbeitszeitkonten geführt. Während das [X.] an jedem Werktag von Montag bis Freitag um ein Fünftel der wöchentlichen [X.] wächst (im maßgeblichen [X.]raum daher 8:12 Std./Tag), wird auf dem [X.] der nach dem jeweils für zehn Tage im Voraus festgelegte Schichtplan tatsächlich zu leistende Dienst gutgeschrieben. Der Schichtplan sieht u.a. einen Frühdienst mit 6 Stunden, einen Spätdienst mit 9 Stunden, einen Nachtdienst mit 12 Stunden sowie wachfreie Tage vor. Im Krankheitsfall wächst das [X.] um die Stunden, die der Mitarbeiter nach dem verbindlichen Dienstplan hätte leisten sollen. Bei längerer Krankheit, insbesondere also außerhalb des [X.] eines Schichtplans, wächst das [X.] um die Stunden, die an dem jeweiligen Tag dem [X.] hinzugefügt werden.

4

Der Kläger war im Jahr 2006 mehrfach dienstunfähig erkrankt. Vier Tage hiervon entfielen auf wachfreie [X.]en, sechs Tage auf einen eingetragenen Frühdienst. Die [X.] von 46 Stunden möchte der Kläger gutgeschrieben bekommen. Antrag und Klage sind erfolglos geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat das im Krankheitsfall geltende Regelungsmodell für rechtmäßig befunden, weil die [X.]en so behandelt würden, als habe der Beamte den ihm obliegenden Dienst erfüllt.

5

2. Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

6

Die nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderliche Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass der Beschwerdeführer eine konkrete Frage des revisiblen Rechts bezeichnet und aufzeigt, dass die Frage sowohl im konkreten Fall entscheidungserheblich als auch allgemein klärungsbedürftig ist. Klärungsbedarf besteht, wenn eine von der Beschwerde aufgeworfene Frage von Bundesverfassungs- oder [X.] weder beantwortet worden ist noch auf der Grundlage ihrer Rechtsprechung eindeutig beantwortet werden kann (stRspr; vgl. Beschluss vom 24. Januar 2011 - BVerwG 2 B 2.11 - NVwZ-RR 2011, 329 Rn. 4).

7

a) Die vom Kläger aufgeworfene Frage zur Zulässigkeit eines [X.]-Schichtmodells, dass "bei längerer Erkrankung des Beamten dazu führt, dass das an allen Werktagen (von Montag bis Freitag), d.h. auch im Krankheitsfall, um jeweils 8 Stunden und 12 Minuten täglich anwachsende [X.] innerhalb des Schichtfolgesystems 'systembedingt' nicht durch [X.] des Beamten ausgeglichen werden kann und daher zwangsläufig nach Genesung des Beamten Krankheitstage durch zusätzliche Dienste im Ergebnis 'nachgearbeitet' werden müssen, um einen Ausgleich des [X.] zu erreichen", stellt sich in der formulierten Fassung bereits nicht. Ist der Beamte wegen einer längeren Erkrankung nicht mehr für den Schichtdienst eingeteilt, wächst nach Nr. 2.3.2 des [X.]es das [X.] um die Stunden, die an dem jeweiligen Tag dem [X.] hinzugefügt werden. Hier kann eine Differenz zwischen [X.] und [X.] nicht entstehen, sodass sich die Frage des [X.] nicht stellt.

8

b) Unabhängig hiervon muss der Kläger aber auch bei einer kürzer andauernden Erkrankung, die in den maximal zehn Tage umfassenden [X.]raum der Schichtplanung fällt, keine versäumte [X.] nacharbeiten. Dies ist in der Rechtsprechung des [X.]s geklärt, sodass die aufgeworfene Frage auch insoweit nicht rechtsgrundsätzlich bedeutsam ist. Zwar entsteht hier eine Differenz zwischen dem [X.] und dem [X.], wenn im Schichtplan eine von der durchschnittlichen Tagesarbeitszeit abweichende Einsatzdauer angeordnet ist. So ist dem Kläger für die Tage, in denen er zur Frühschicht eingeteilt war, auf dem [X.] nur die Dauer der vorgesehenen Dienstzeit von 6 Stunden gutgeschrieben worden, während das [X.] um 8:12 Stunden angewachsen ist. Auch bei dieser [X.]differenz von 2:12 Stunden handelt es sich indes nicht um [X.], die der Kläger nachholen müsste. Dies hat das Oberverwaltungsgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats zutreffend erkannt.

9

Die Einführung verpflichtender [X.]konten beruht auf § 78 Abs. 3 des Beamtengesetzes für das [X.] in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Mai 1981 ([X.]), nunmehr abgelöst durch § 111 Abs. 3 des [X.]beamtengesetzes vom 21. April 2009 ([X.]). Auf dieser gesetzlichen Grundlage ermächtigt § 1 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung über die [X.] der Polizeivollzugsbeamten des [X.] Nordrhein-Westfalen vom 15. August 1975 ([X.]) den Innenminister, eine von der täglichen Regelarbeitszeit abweichende Regelung vorzunehmen, d.h. [X.] zu treffen, wenn dies dienstlich zwingend erforderlich ist. Es ist sichergestellt, dass [X.] nicht zu Mehrarbeit der betroffenen Beamten führen, sondern nur zu einer zeitlichen Umschichtung der [X.]. Dies gilt auch, wenn die [X.] über einen längeren [X.]raum variiert, sofern die Mehrbelastung durch eine spätere gleich hohe Entlastung ausgeglichen wird (Urteil vom 28. November 2002 - BVerwG 2 CN 1.01 - BVerwGE 117, 219 <225 f.> = [X.] 237.6 § 80 NdsLBG Nr. 3 S. 5 f.).

Durch einen Schichtenplan wird die Dienstleistungspflicht der betroffenen Beamten zeitlich konkretisiert (vgl. Urteil vom 24. April 1980 - [X.] - BVerwGE 60, 118 <119> = [X.] 235 § 9 [X.] Nr. 2 S. 3 für einen Dienstplan sowie Urteil vom 25. September 2003 - BVerwG 2 C 49.02 - [X.] 240 § 9 [X.] Nr. 26 S. 42 = NVwZ-RR 2004, 273 für einen Ausbildungsplan). Außerhalb dieser [X.]en hat der Kläger keine Dienstleistung zu erbringen.

Die Differenz der am jeweiligen Tag abzuleistenden kürzeren Schichtdienstzeit zur regelmäßigen Tagesarbeitszeit von 8:12 Stunden ist daher keine [X.]. [X.] ist nur die [X.]spanne, in der der Beamte den ihm übertragenen Dienst gemäß den Bestimmungen des einschlägigen [X.]rechts leistet (vgl. Urteil vom 29. Januar 1987 - BVerwG 2 C 14.85 - [X.] 232 § 72 [X.] Nr. 28 S. 2 f. = [X.] 1987, 275; hierzu auch Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2003/88/[X.] und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der [X.]gestaltung, ABl [X.] vom 18. November 2003 S. 9). Die [X.]regelung des [X.]es für den Schichtdienst entspricht insoweit dem von der Gleitzeit her Bekannten. Auch dort gilt, dass [X.]en, in denen der Beamte [X.] ableisten könnte, dies aber nicht getan hat, keine [X.] sind (Urteil vom 28. Juli 2011 - BVerwG 2 C 45.09 - BVerwGE 140, 178 = [X.] 236.2 § 45 DRiG Nr. 2, jeweils Rn. 12).

Die nicht im Schichtplan ausgewiesene [X.] steht dem Kläger als Freizeit zur Verfügung und wird durch eine früher erbrachte oder später noch zu erbringende Mehrbelastung ausgeglichen. Die so durch Mehrarbeit gewonnene Freizeit hat rechtlich jedoch keine andere Qualität als sonstige arbeitsfreie [X.]. Im Falle der Erkrankung besteht ein Anspruch auf Ausgleich dieser [X.] daher nicht. Vielmehr geht diese dann, wie bei einer Erkrankung während eines arbeitsfreien Wochenendes, zu Lasten des Beamten (Beschluss vom 23. Januar 1991 - BVerwG 2 B 120.90 - [X.] 232 § 72 [X.] Nr. 33 S. 9 = NVwZ-RR 1992, 34).

Der Kläger steht durch das beanstandete [X.]konten-Buchungssystem bei Erkrankung nicht schlechter, als er ohne die Dienstunfähigkeit gestellt wäre. Die Regelung führt vielmehr dazu, dass er jeweils so behandelt wird, als habe er den vorgesehen Dienst geleistet (vgl. Urteil vom 27. Oktober 2011 - BVerwG 2 C 73.10 - [X.] 240 § 47 [X.] Nr. 13 S. 8 ff. = NVwZ-RR 2012, 149 für den Erholungsurlaub). Die wegen Dienstunfähigkeit ausgefallene [X.] wird als "Ist"-[X.] behandelt, sodass diese auch nicht nachgeholt werden muss (Urteil vom 1. April 2004 - BVerwG 2 C 14.03 - [X.] 232 § 72 [X.] Nr. 40 S. 4 ff. = NVwZ-RR 2004, 864).

Die vom Kläger in den Vordergrund gerückte [X.] dagegen ist nicht Folge seiner Erkrankung. Sie wäre im Falle der regulären Dienstpflichterfüllung in gleicher Weise entstanden. Sie findet ihre Ursache in der [X.] ungleich verteilten zeitlichen Inanspruchnahme. Eine "nachzuholende" Differenz basiert deshalb alleine auf der vorangegangenen Minderleistung und der so gewonnenen Freizeit.

Durch die begehrte Gutschrift dagegen stünde der Kläger besser, als er im Falle der erbrachten Dienstleistung gestanden hätte (vgl. hierzu Urteil vom 10. April 1997 - BVerwG 2 C 29.96 - BVerwGE 104, 230 <233> = [X.] 240 § 9a [X.] Nr. 2 S. 3). Über die zu erbringende Schichtzeit von 6 Stunden hinaus würden ihm weitere 2:12 Stunden angerechnet, obwohl eine Dienstverpflichtung in dieser [X.]spanne nicht bestand. Für die [X.] gilt dies in verstärktem Umfang. Einen Anspruch hierauf hat der Kläger nicht; er folgt insbesondere nicht aus dem in Anspruch genommenen Grundsatz, dass ausgefallener Dienst vom Beamten nicht nachzuholen ist.

Die Asymmetrie des klägerischen Begehrens wird im Übrigen deutlich, wenn man nicht nur die von ihm bezeichneten, sondern seine sämtlichen Krankheitstage in den Blick nimmt. Der Kläger benennt zwar etwa den 25. und 26. April 2006, weil er an diesen Tagen wachfrei hatte und damit eine Differenz zu seinen Lasten aufgetreten ist. Am 27. und 28. April 2006 dagegen war er zur Ableistung einer neunstündigen Schicht eingeteilt, sodass jeweils eine Differenz von 0:48 Stunden zu seinen Gunsten verbucht worden ist. Gleiches gilt am 23. August sowie am 6., 7., 8., 14. und 15. September des Jahres 2006.

c) Aus dem [X.] folgt, dass auch im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG Klärungsbedarf nicht besteht. Der Umstand, dass ein [X.]konto im Schichtbetrieb erst über einen längeren [X.]raum hinweg ausgeglichen werden kann, ist Folge der Konzeption dieses [X.]modells und mit dem Gleichheitssatz grundsätzlich vereinbar (Urteil vom 28. November 2002 - BVerwG 2 CN 1.01 - BVerwGE 117, 219 <225 ff.> = [X.] 237.6 § 80 NdsLBG Nr. 3 S. 6 ff.).

Meta

2 B 2/12

26.11.2012

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 20. Oktober 2011, Az: 6 A 1265/09, Urteil

§ 1 Abs 3 S 2 VollzPolArbZV NW, § 78 Abs 3 BG NW 1981

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 26.11.2012, Az. 2 B 2/12 (REWIS RS 2012, 1030)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1030

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