Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 22.12.2011, Az. 4 B 32/11

4. Senat | REWIS RS 2011, 43

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Gegenstand

Zum Nachbarschutz im faktischen Baugebiet


Gründe

I.

1

Der Kläger wendet sich gegen eine dem [X.] erteilte [X.]augenehmigung für die Errichtung eines Lagerplatzes. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs liegt das Grundstück des [X.] im Geltungsbereich eines [X.]ebauungsplans, der dort ein Allgemeines Wohngebiet festsetzt. Das Grundstück des [X.] liegt außerhalb des [X.] im nicht überplanten Innenbereich, den der Verwaltungsgerichtshof - zugunsten des [X.] unterstellt - als faktisches Mischgebiet i.S.d. § 34 Abs. 2 [X.]auG[X.] i.V.m. § 6 [X.] eingestuft hat.

II.

2

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte [X.]eschwerde des [X.] hat keinen Erfolg.

3

1. Die [X.] hat nicht die grundsätzliche [X.]edeutung, die ihr die [X.]eschwerde zumisst.

4

1.1 Die Frage,

ob (sich) bauplanerischer [X.] kraft [X.]undesrechts auch auf das Verhältnis des Eigentümers eines im Plangebiet gelegenen Grundstücks zu dem Eigentümer eines Grundstücks, das zwar in einem faktischen [X.]augebiet, aber außerhalb des [X.] liegt, übertragen lässt,

rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision.

5

Soweit die Frage einer revisionsgerichtlichen Klärung zugänglich ist, lässt sie sich auf der Grundlage der Rechtsprechung des Senats ohne Weiteres im Sinne der berufungsgerichtlichen Entscheidung beantworten. Wie der Verwaltungsgerichtshof unter [X.]ezugnahme auf das Urteil des Senats vom 16. September 1993 ([X.]VerwG 4 C 28.91 - [X.]VerwGE 94, 151 <156>) ausgeführt hat, ergibt sich aus der Gleichstellung geplanter und faktischer [X.]augebiete im Sinne der [X.] hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung durch § 34 Abs. 2 [X.]auG[X.], dass ein identischer [X.] schon vom [X.]undesgesetzgeber festgelegt worden ist. Das bedeutet, dass § 34 Abs. 2 [X.]auG[X.] innerhalb von faktischen [X.]augebieten nachbarschützende Wirkung entfaltet. Der Grundsatz, dass sich ein Nachbar im Plangebiet auch dann gegen die Zulassung einer gebietswidrigen Nutzung wenden kann, wenn er durch sie selbst nicht unzumutbar beeinträchtigt wird ([X.]eschluss vom 18. Dezember 2007 - [X.]VerwG 4 [X.] - [X.] 406.12 § 1 [X.] Nr. 32 Rn. 5), lässt sich auf den [X.] in einem faktischen [X.]augebiet übertragen. Dieser bauplanungsrechtliche [X.] beruht auf dem Gedanken des wechselseitigen [X.]. Im Rahmen dieses nachbarlichen [X.] kann daher das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des (faktischen) [X.]augebiets unabhängig von einer konkreten [X.]eeinträchtigung verhindert werden. Sind die Eigentümer der betroffenen Grundstücke - wie hier - nicht denselben rechtlichen [X.]indungen unterworfen, können sie auch nicht von dem jeweils anderen Eigentümer deren Einhaltung verlangen.

6

Soweit der Kläger zur [X.]egründung des Klärungsbedarfs des Weiteren darauf hinweist, der Lagerplatz füge sich nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein, die einem Mischgebiet entspreche, zeigt er nicht auf, dass dieser Gesichtspunkt entscheidungserheblich sein könnte. Feststellungen dazu, ob das Vorhaben - wie der Kläger geltend macht - den Gebietscharakter des faktischen Mischgebiets verändern würde, hat der Verwaltungsgerichtshof nicht getroffen.

7

1.2 Die Frage,

ob Auflagen, deren Überwachung zu einem ständigen Überwachungsproblem und somit zu einem nicht mehr vertretbaren Verwaltungsaufwand führen, zu einem Verstoß gegen das [X.] führen,

beruht auf Annahmen, von denen der Verwaltungsgerichtshof nicht ausgegangen ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat ausführlich begründet, dass es sich bei den der [X.]augenehmigung beigefügten Auflagen um klare und präzise zeitliche und räumliche Vorgaben handele, die ohne Weiteres aus sich heraus verständlich seien und deren Einhaltung dem [X.] damit auch möglich sei. Eine Überwachung der Einhaltung der Vorgaben scheitere auch nicht an einem hierfür notwendigen unvertretbaren Verwaltungsaufwand. Der im [X.]etrieb des [X.] eingesetzte Gabelstapler verfüge über eine Aufzeichnung seiner [X.]etriebsstunden, mit deren Hilfe seine Einsatzzeiten festgestellt werden können. Auch im Übrigen könne die Einhaltung der Auflagen überwacht werden etwa durch Verpflichtung des [X.], den Einsatz der Geräte und Fahrzeuge auf dem Lagerplatz in zeitlicher Hinsicht selbst zu erfassen und die dabei gewonnenen Ergebnisse der [X.]aurechtsbehörde vorzulegen. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall von der Fallkonstellation, die dem vom Kläger in [X.]ezug genommenen Urteil des [X.] vom 14. August 2008 - 14 [X.] - zugrunde lag. Die Frage, ob sich die Einhaltung von Auflagen praktisch überwachen lässt, hängt von den Umständen im konkreten Einzelfall ab und ist einer allgemeingültigen Klärung nicht zugänglich. Mit seiner Grundsatzrüge wendet sich der Kläger letztlich nur gegen die tatrichterliche Würdigung, die auf der Auslegung des [X.] der strittigen Auflagen im konkreten Einzelfall und der tatsächlichen Feststellung beruht, dass sich mit Hilfe gerätespezifischer Aufzeichnungsmechanismen auch der Verwaltungsaufwand der Überwachung in vertretbarem Rahmen halte.

8

2. Soweit der Kläger geltend macht, das angefochtene Urteil weiche gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO vom [X.]eschluss des Senats vom 3. Januar 1973 ab ([X.]VerwG 4 [X.] 171.72 - [X.] 406.11 § 34 [X.][X.]auG Nr. 34), was auch die Entscheidung des [X.] vom 14. August 2008 belege, genügt der Vortrag nicht den [X.] gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Der Revisionszulassungsgrund der Abweichung liegt nur vor, wenn die Vorinstanz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tragenden Rechtssatz zu einem ebensolchen Rechtssatz des [X.]undesverwaltungsgerichts in Widerspruch tritt ([X.]eschluss vom 20. Dezember 1995 - [X.]VerwG 6 [X.] 35.95 - NVwZ-RR 1996, 712). Der Kläger zeigt keinen Rechtssatzwiderspruch auf, sondern wiederholt nur seinen bereits mit der Grundsatzrüge erhobenen Einwand, die Auflagen würden zu einem ständigen Überwachungsproblem und unvertretbaren Verwaltungsaufwand führen.

9

3. Die Verfahrensrüge gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, mit der der Kläger unter [X.]ezugnahme auf seine schriftsätzlich gestellten [X.]eweisanträge geltend macht, die Vorinstanzen hätten ein "neutrales Gutachten" einholen müssen, genügt ebenfalls nicht den [X.] gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

Nach ständiger Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts verletzt ein Gericht seine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer sich nicht aufdrängenden [X.]eweiserhebung absieht, die ein [X.]eteiligter nicht ausdrücklich oder lediglich hilfsweise ([X.]eschluss vom 10. Juni 1999 - [X.]VerwG 9 [X.] 81.99 - [X.] 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 302) beantragt hat. Die ordnungsgemäße Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht setzt voraus, dass unter Auseinandersetzung mit dem Prozessgeschehen und der [X.]egründung der vorinstanzlichen Entscheidung schlüssig aufgezeigt wird, dass sich dem Gericht auch ohne unbedingten [X.]eweisantrag auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung eine weitere Sachverhaltsermittlung hätte aufdrängen müssen. Der Verwaltungsgerichtshof hat unter [X.]ezugnahme auf die vom Kläger geübte Kritik im Einzelnen dargelegt, dass er an der Qualifikation und Sachkunde des Gutachters keinen Zweifel habe. Unter diesen Umständen genügt es nicht, im Rahmen der [X.]eschwerde pauschal darauf zu verweisen, der Kläger habe immer wieder berechtigte Einwände gegen das Gutachten vorgebracht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht in der Regel nicht der [X.]illigkeit, die außergerichtlichen Kosten des [X.] im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 162 Abs. 3 VwGO der unterliegenden [X.] aufzuerlegen, wenn das [X.]undesverwaltungsgericht dem [X.] nicht durch Zustellung der [X.]eschwerdebegründung Gelegenheit und Veranlassung gegeben hat, sich zur Frage der Zulassung der Revision zu äußern ([X.]eschluss vom 31. Oktober 2000 - [X.]VerwG 4 KSt 2.00 - [X.] 310 § 162 VwGO Nr. 36). Dass die nach [X.]itte des [X.] um Übersendung der [X.]eschwerdeschrift erfolgte Äußerung das Verfahren in besonderer Weise befördert hätte, ist nicht zu erkennen.

Meta

4 B 32/11

22.12.2011

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 1. Juli 2011, Az: 8 S 2581/10, Urteil

§ 34 Abs 2 BauGB

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 22.12.2011, Az. 4 B 32/11 (REWIS RS 2011, 43)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 43

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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